Als das Telefon an einem Freitagabend klingelt, meldet sich eine Dame, die einen Coach für ihren Ehemann und sich selbst sucht. Frau Kraft ist seit zirka sieben Jahren Geschäftsführerin eines mittelständischen Familienunternehmens, und da es mit ihrer Arbeitsbelastung und der Situation im Unternehmen so nicht weiter gehen könne, werde ihr Mann (Betriebswirtschaftler wie sie selbst) in zirka einem halben Jahr mit in das Unternehmen eintreten.
Sie wünscht sich eine vertragliche Vereinbarung mit ihrem Mann sowohl für den geschäftlichen als auch den privaten Bereich, der die Aufgabenteilung zwischen ihnen beiden regelt. Daher hält sie ein Coaching für sinnvoll, müsse aber ihren Mann noch überzeugen. Ihre Frage an den Coach: „Würden Sie so etwas denn machen?“ Aufgrund meiner Erfahrung erläutere ich, Marion Rosskogler, ihr, dass ich auch solche Paar-Coachings durchführe – allerdings nur in der Konstellation eines Coach-Paars (s. Kasten). Frau Kraft gefällt der Gedanke, als Paar mit zwei Coachs zu arbeiten, und es wird ein weiteres Telefonat zur Terminvereinbarung eines Vorgesprächs vereinbart, sobald ihr Mann mit einem Coaching einverstanden sei.
Solche Termine zum „Kennenlernen“ sind Bestandteil unseres Coaching-Konzepts und gehören daher vor den Start des „eigentlichen“ Coachings. Das Vorgespräch dient der Klärung des Auftragsrahmens – Dauer und Anzahl der Sitzungen sowie sonstiger Rahmenbedingungen; aber auch der Darstellung unserer Coaching-Methoden. Und selbstverständlich checken auch beide Seiten vor einer möglichen Zusammenarbeit die berühmte „Chemie“. Beim Zustandekommen einer Zusammenarbeit wird ein schriftlicher Vertrag geschlossen, der die abgesprochenen Rahmenbedingungen und sonstige Vereinbarungen fixiert.
Wenige Tage später – inzwischen haben wir beiden Coachs Kontakt miteinander aufgenommen – meldet sich Frau Kraft wieder und berichtet, dass ihr Ehemann mit einem Coaching einverstanden sei, aber die Bedingung gesetzt habe, dass die Coachs nicht so „weichgespülte Psychos“ sein dürften. Unsere Versicherung, dass wir beide gestandene Wirtschaftspsychologen sind und neben der Coaching-Ausbildung zudem über Ausbildungen in Familientherapie oder systemischer Beratung verfügen, vermag sie zu beruhigen. Und für uns Coachs ist der systemische Ansatz in einem solchen Setting sowieso auf der Hand liegend. Es kommt innerhalb kurzer Zeit zu einem Vorgespräch. Das Gespräch findet in unseren Räumlichkeiten statt und ist für eine Stunde angesetzt.
Die Vorteile sind nicht nur in der Dopplung zu finden, vier Augen sehen und vier Ohren hören mehr. Eine große Chance im Coaching zu zweit liegt in der Polarität, die zwei Coachs bieten können. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn wir offen vor den Klienten miteinander diskutieren, was unsere Wahrnehmung und Intuition uns sagt, und dies auf die Klienten einwirken lassen (Reflecting Team nach Tom Andersen). Es ist nie die eine Sichtweise, das eine Erklärungsmodell, sondern es entstehen oftmals zwei Pole, zwischen denen sich die Klienten ihre eigenen Wege suchen müssen. Sie erhalten beim Coaching durch einen weiblichen und einen männlichen Coach dabei zusätzlich ein umfängliches Feedback sowohl aus männlicher als auch weiblicher Perspektive. Je unterschiedlicher die durch uns angebotenen Alternativen, umso besser lässt sich ein eigener Weg entwickeln.
Frau Kraft berichtet uns, dass ihr Ehemann in etwa einem halben Jahr in das Familienunternehmen ihrer Ursprungsfamilie eintreten werde. Er soll dort alle verwaltungsbezogenen Aufgaben übernehmen, die bisher zu einem großen Teil ihre Mutter (68 Jahre) innehatte. Sie selbst hat schon vor zirka sieben Jahren die Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen, der bislang noch einige langjährige Kunden des Unternehmens betreut und ihr auch bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite steht.
Große Spannungen im Unternehmen gibt es immer wieder zwischen ihr und ihrer Mutter. Für sie selbst kommt zur Geschäftsführertätigkeit auch noch die häusliche Situation mit zwei Kindern, die Betreuung und Unterstützung brauchen, hinzu. Die Situation belastet sie zunehmend und hat auch zu diversen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Frau Kraft scheint intuitiv erkannt zu haben, dass bei einer erfolgreichen und umfassenden Lösung für sie persönlich sowie das Unternehmen große Vorteile entstehen können, sie bei der notwendigen Konfliktlösung aber einer professionellen Unterstützung bedarf. Ihre Lösungsidee lautet, dass ihr Ehemann seine leitende Tätigkeit in einem anderen Unternehmen beenden und in das Familienunter nehmen ihrer Familie wechseln soll, um beim Ausscheiden ihrer Eltern aus dem Unternehmen die Aufgaben ihrer Mutter zu übernehmen.
Uns interessiert selbstverständlich, wie ihre Eltern den Einstieg eines angeheirateten Familienmitglieds ins Familienunternehmen beurteilen. Wir erfahren von ihr, dass ihr Ehemann sich die Anerkennung der Eltern – vor allem der Mutter – schon seit einiger Zeit durch sein ausgleichendes Verhalten bei Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter erworben hat. Auch hat er bereits häufiger neben seiner derzeitigen Tätigkeit an wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt und für das Unternehmen wirtschaftlich wichtige Projekte erfolgreich abgewickelt. Weil er deshalb beruflich doppelt belastet ist, engagiere er sich bei der Erziehung und im Haushalt weniger.
Das Familienunternehmen macht zirka 7,2 Mio. Euro Umsatz mit etwa 65 Mitarbeitern und wurde vom Großvater gegründet. Es gehört dem Vater und den Geschwistern. Mit dem Vater (73 Jahre), erzählt Frau Kraft, versteht sie sich gut und seine Anwesenheit im Unternehmen – er hat nach wie vor dort ein Büro – stört gar nicht, da er sie gewähren lässt und nur auf Nachfragen Unterstützung gibt. Vor allem mit der Mutter hatte Frau Kraft in den letzten Jahren aber große Auseinandersetzungen, da sie sich gegen jedwede Veränderungen im Finanzbereich sträubte und es daher bei Besprechungen große Auseinandersetzungen gegeben hatte, weil sie Entscheidungen ihrer Tochter nicht akzeptieren wollte.
Da Gespräche mit ihrer Mutter nur zu Spannungen führten, hatte sie ihrem Vater deutlich gemacht, dass sich etwas ändern müsse, da sie sonst das Unternehmen verlasse. Ihrem Vater sei wohl klar geworden, dass das Familienunternehmen andernfalls verkauft werden müsste. Denn ihr Bruder, der stiller Gesellschafter des Familienunternehmens ist, hat die Übernahme der Geschäftsführung schon vor Jahren abgelehnt. Der Unternehmensverkauf aber ist für den Vater undenkbar.
Diese Veränderungen bedeuteten einen vollständigen Rückzug der Eltern aus dem Unternehmen und die Übernahme diverser Aufgaben im Unternehmen durch Herrn Kraft. Mit dieser Vorgehensweise erklärten sich sowohl die Eltern als auch der Bruder von Frau Kraft einverstanden. Bei Unternehmensentscheidungen sitzt Herr Kraft nicht mit am Tisch. So scheint Frau Kraft die Lösung, das Unternehmen gemeinsam mit dem Ehemann zu führen, auch als Sicherung der Unternehmensnachfolge zu betrachten, um den „Auftrag des Vaters“, das Unternehmen zu erhalten, zu erfüllen.
Auf unsere Frage, wie Herr Kraft die Situation erlebt und ob er Gefahren sieht, äußert er, dass sein Wechsel in das Familienunternehmen seiner Frau folgerichtig ist, da er sich bereits schon in verschiedenen Projekten im Unternehmen engagiere. Auch glaubt er, dass er, falls es tiefgreifende Konflikte mit seiner Ehefrau gäbe, jederzeit wieder aus dem Unternehmen ausscheiden und seine Karriere in einem anderen Unternehmen fortsetzen könne. Was das Coaching betrifft, ist er zu der Überzeugung gekommen, dass es sinnvoll sei, Vereinbarungen schriftlicher Art zu treffen und daher eine Unterstützung hilfreich sei.
Auf uns wirkt Herr Kraft – trotz dieser Worte – sehr zurückhaltend und abwartend. Wir verabreden eine Bedenkzeit – mindestens eine Nacht darüber schlafen – für die Entscheidung, mit uns das Coaching zu wagen. Wir vereinbaren, dass sie nach ihrer Zusage von uns einen Vertrag für drei Sitzungen mit einem zeitlichen Umfang von drei Stunden pro Sitzungen erhalten würden, mit dem Ziel, Vereinbarungen über die Aufgabenteilung für den geschäftlichen und privaten Bereich schriftlich zu fixieren. Das Ehepaar entscheidet sich innerhalb kurzer Zeit für ein Coaching mit uns.
Wir starten in die erste Sitzung mit einer Erhebung der Ist-Situation, damit wir uns ein Bild über die Ausgangslage des Systems für das Coaching machen können, und erfahren weitere Details.
Nach dem Studium arbeitete Frau Kraft in einem Großunternehmen. Nachdem der Bruder die Übernahme der Geschäftsführung für das Familienunternehmen abgelehnt hatte, wurde Frau Kraft von ihrem Vater ins Unternehmen „gerufen“. Ursprünglich war es gar nicht ihre Absicht, in das Unternehmen einzusteigen. Seit sie die Geschäftsführung und vor allem das Marketing übernommen hat, hat das Unternehmen große Umsatzsteigerungen zu verzeichnen, worauf sie sehr stolz ist.
Frau Kraft ist in zweiter Ehe mit ihrem Ehemann verheiratet. Für Herrn Kraft ist es die erste Ehe. Es gibt eine Tochter (9 Jahre) aus erster Ehe und einen gemeinsamen Sohn (4 Jahre). Frau Kraft berichtet, dass sie ihre Situation als Hausfrau und Mutter sowie als Geschäftsführerin eines Unternehmens als sehr aufreibend und mittlerweile auch in jeder Hinsicht als belastend empfindet. Ihre Beschreibung zeigt, dass sie sich in den letzten Jahren als alleinerziehende und voll berufstätige Mutter fühlt. Daraus erwuchs der Wunsch, sich durch eine neue Aufgabenteilung die Möglichkeit zu verschaffen, unbeschwerter auch die klassische Frauenrolle leben zu können, wenn ihr Mann in das Unternehmen eintritt und ihr dort den Rücken freihält.
Das Paar, so berichtet Frau Kraft federführend, geht an die Bearbeitung der Rollen und der neuen Aufgabenzuordnung – geschäftlich und privat – eher rational heran. Frau Kraft lässt während der Aufgabensammlung am Flipchart konfliktäre Momente insbesondere bei der häuslichen Aufgabenverteilung erkennbar werden. Immer wieder äußert sie, dass ihr Mann die Dinge, die er eigentlich bereits übernommen habe, nicht zuverlässig und ihren Vorstellungen entsprechend ausführe, und er so keine Entlastung für sie darstelle.
Herr Kraft beschreibt seine Art der Aufgabenerledigung als angemessen und sucht bei einigen zu verteilenden Aufgaben eher nach zusätzlicher Unterstützung von außen. So stellt er beispielsweise in Frage, ob Frau Kraft gewisse Aufgaben überhaupt erledigen müsse, oder ob stattdessen manches nicht von der vorhandenen Haushälterin übernommen werden könne. Bei einigen Aufgaben wehrt sich Frau Kraft jedoch vehement mit dem Argument, dies nicht in fremde Hände geben zu wollen, was Herr Kraft nicht nachvollziehen kann.
Wir arbeiten mit zirkulären Fragen: „Was meinen Sie, denkt Ihr Partner bezüglich ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Rolle im Unternehmen und der Kleinfamilie?“. Dem Paar soll ermöglicht werden, mehr Verständnis für die Gefühle und die Reaktionen des Anderen und damit Nähe für und zum Gegenüber zu entwickeln. Dies führt jedoch in dieser Sitzung noch nicht sehr in die Tiefe. Herr Kraft kann mit solchen Fragen teilweise nur wenig anfangen oder sich nur sehr schwer auf sie einlassen.
Etwa nach der Hälfte der Sitzungszeit nehmen wir – wie wir das immer machen – eine zirka zehnminütige Auszeit. Wir wollen unsere Sichtweisen austauschen und zu einem fundiert begründeten weiteren Vorgehen finden. Am Ende der Sitzung haben wir zwei Flipcharts mit einer vorläufigen Aufgabenteilung sowohl für die geschäftlichen als auch die privaten Aufgaben erarbeitet.
Da Herr Kraft sich während der Sitzung sehr zurückhaltend und beobachtend verhält, hauptsächlich auf direkt an ihn gerichtete Frage antwortet und auch bei der Reflexion der Sitzung sich nur vage äußert, erstaunt es uns, dass er sich bei der Verabschiedung ausdrücklich für die Sitzung bedankt.
Wir geben dem Paar Hausaufgaben mit auf den Weg, die sie bis zum nächsten Treffen erledigen sollen:
Das Ehepaar hat, was die geschäftliche Aufgabenteilung betrifft, die Hausaufgaben sehr formal bearbeitet, und die private Aufteilung scheint jeder für sich alleine überarbeitet zu haben. Der Versuch einer Auseinandersetzung über die private Rollenklärung hat das Ehepaar zwischen den beiden Sitzungen nicht versucht. Frau Kraft hat sich damit offenbar ausführlicher befasst, was sich auch in unserer weiteren Arbeit bestätigt. Sie hat zu diesem Teil des Anliegens den deutlich höheren Leidensdruck. Bei der Besprechung der häuslichen Aufgaben entstehen immer wieder deutliche Meinungsunterschiede, die sich an kurzen aber heftigen Wortgefechten festmachen. Auch wird ihre Stimme immer wieder durchdringend und die Heftigkeit ihrer Äußerungen zeigt ihre emotionale Beteiligung, während er sehr ruhig wirkt.
Wir ziehen uns zur Beratung zurück. Ich, Josef Leenen, beabsichtige, im Sinne von „Störungen haben Vorrang“, den im Raum befindlichen Konflikt, die emotionale Seite des Zusammenlebens zwischen dem Ehepaar anzusprechen. Wir diskutieren in diesem Zusammenhang die Fragen, wo die Grenze zwischen Coaching und Paartherapie liegt und wie sich eine paartherapeutische Intervention mit unserem Auftrag verträgt. Auf Grund der Ausgangsüberlegung, dass erst die emotionale Ebene stimmig und belastbar sein muss, bevor es zu tragfähigen Absprachen kommen kann, entschließen wir uns für eine paartherapeutische Intervention.
Wir laden Frau Kraft ein, ihren bisher zurückgehaltenen Emotionen nachzugehen und sie berichtet tränenreich über erlittene Verletzungen in der Beziehung und von fehlendem Vertrauen zu ihrem Mann. Damit scheint sie ihren Mann zu erreichen, denn er zeigt sich emotional offener und ihr zugewandter. Uns gibt dies die Hoffnung, dass die Beiden an diesem Vertrauens- und Verletzungsthema bis zur nächsten Sitzung arbeiten, und so zu substantiellen Vereinbarungen kommen werden.
Wir Coachs haben uns bei der Vorbereitung dieser Sitzung darauf verständigt, als Einstieg direkt an die Endsituation (Frau Kraft war in Tränen ausgelöst...) anzuknüpfen, da das fehlende Vertrauen in das kooperative Verhalten des Ehemanns seitens Frau Kraft im privaten Bereich erst bearbeitet sein muss, bevor beide zu einer tragfähigen Vereinbarung kommen können.
So starten wir mit der Frage in die Sitzung, wie es den beiden nach unserer letzten Sitzung ergangen ist, und ob sie noch weiter über das fehlende Vertrauen und die Verletzungen der Vergangenheit gesprochen haben. Sie verneinen unsere Frage und Frau Kraft meint, sie habe sich mal wieder verleiten lassen, sich direkt auf die sachliche Ebene (nach Watzlawick: der Inhaltsaspekt) zu begeben. Sie hätten zwar während des vergangenen Urlaubs eine gute Zeit miteinander verbracht, aber im Auto auf dem Weg zum heutigen Coaching festgestellt, dass sie sich ansonsten mit den Konflikten der privaten Vereinbarung nicht mehr befasst hätten.
Es gibt dann im Laufe der Sitzung immer wieder heftige Diskussionen über – aus Sicht von Frau Kraft – mangelhafte Organisation der privaten Pflichten durch ihren Mann. So hat er beispielsweise die Beaufsichtigung der Hausaufgaben der Tochter der Haushälterin aufgetragen, die Durchführung aber nicht mehr kontrolliert. Die Tochter hatte daher zum Abgabetermin das Heft nicht in Ordnung. Sie wird so zum Symptomträger des Konflikts zwischen dem Paar.
Es kristallisiert sich immer wieder heraus, dass es für sie keine Entlastung sei, wenn sie die zu erledigenden Dinge nicht „aus dem Kopf“ habe. Daher möchte sie sich hundertprozentig darauf verlassen können, dass ihr Ehemann seine Aufgaben ohne ihr Zutun – nach ihren Normen – verlässlich erledigt. Zurzeit kann sie nur für kurze Zeit loslassen, wenn sie weit genug weg ist und von daher keinen Einfluss nehmen kann.
Herr Kraft gesteht seine Unzulänglichkeiten ein. Er hätte daher gerne ihre Unterstützung und möchte deshalb die anstehenden täglichen privaten Aufgaben nicht ganz alleine machen. Bei ihm zeigt sich, dass er bei privaten und familiären Belangen gerne auf seine Frau zurückgreifen und nicht die alleinige Verantwortung übernehmen will.
Auch stellt sich wieder deutlich heraus, dass sie in emotionalen Situationen das Gefühl hat, ihrem Ehemann ihre emotionale Befindlichkeit nicht vermitteln zu können und er auf ihre Gefühle nicht eingeht oder sie nicht versteht. Er gibt ihr nur ungenügend Feedback und hört nicht aktiv zu. Daraus ergibt sich für uns die Frage: Wer von den Ehepartnern darf und/oder muss wann und wo und zu welchen Bedingungen stark oder schwach sein?
In der zweiten Hälfte der Sitzung erzählt Frau Kraft von einem für ihre Beziehung entscheidenden Erlebnis mit ihrem heutigen Ehemann, das sie bewogen hatte, sich auf ihn „einzulassen“. Bei einer Bergwanderung mussten sie gemeinsam – und nur so war es möglich – ein Hindernis überqueren. Dies war ihnen beiden gelungen, weil sie sich zu hundert Prozent auf ihn verlassen habe, sie habe sich sicher und nicht unter Druck gesetzt gefühlt. Damit hat sich Frau Kraft an eine Situation erinnert, in der sie das Vertrauen zu ihrem Mann verspürte, dass ihr durch die vergangenen Ereignisse und den Alltagsstress verloren gegangen war. Diese Erinnerung schien auch jetzt wieder Vertrauen und Geborgenheit bei ihr zu wecken, denn sie rückt auf dem Sofa näher an ihrem Mann heran und schließlich halten sie sich die Hand.
Zum Ende der Sitzung vereinbart das Ehepaar Folgendes, um das gemeinsame Verständnis und Vertrauen zu stärken, und um dem Bedürfnis, Unternehmen und Familie miteinander zu vereinbaren, gerecht zu werden:
Um diese Punkte abzusichern, vereinbaren wir einen zusätzlichen Coaching-Termin in zwei Monaten. Dann soll die Umsetzung überprüft werden und gegebenenfalls noch eine Feinjustierung vorgenommen werden.
In dieser Sitzung haben wir mit dem Paar vor allem die Erfahrungen mit der neuen Situation bearbeitet. In der Zwischenzeit hat Herr Kraft begonnen im Familienunternehmen zu arbeiten und Frau Kraft ihre Tätigkeit im Unternehmen reduziert. Damit haben beide Klienten an der neuen Rollenverteilung gearbeitet.
Herr Kraft berichtet, dass er sich langsam in seine Rolle im Unternehmen einfindet. Dies werde durch den Raum, den seine Frau jetzt freigemacht habe, unterstützt. Dennoch gebe es immer wieder die Notwendigkeit, die Arbeitsfelder voneinander abzugrenzen, was immer besser gelinge. Eine Herausforderung, insbesondere für einige Mitarbeiter, seien jedoch ihre unterschiedlichen Führungsstile. Während er zuweilen kurz und bündig Aufträge verteile, würde seine Frau darüber oftmals erst mit den Mitarbeitern diskutieren. Dies habe bei einigen mittleren Führungskräften zu einer gewissen Verunsicherung geführt. Frau Kraft berichtet von ihren Herausforderungen, die Arbeit klar zu delegieren, was ihr aber zunehmend gelinge. Sie müsse sich noch etwas auf die Veränderungen einstellen, insbesondere in ihrem Mann ein Gegenüber im Unternehmen zu erleben, das auf Augenhöhe agiert.
Wir haben als Coach mit einem „Reframing“ herausgearbeitet, warum sich die manchmal gegenläufigen Temperamente und Führungsstile doch ergänzen, wenn sie klug eingesetzt werden und den Mitarbeitern bei aller Unterschiedlichkeit der Führungskräfte Orientierung bieten.
Bezogen auf die private, häusliche Arbeitsteilung hat sich zunächst durch die Halbtagstätigkeit von Frau Kraft eine Entspannung eingestellt. Jetzt gilt es hier, nach der Einarbeitung von Herr Kraft im Unternehmen, die angedachte Aufgabenteilung verstärkt umzusetzen.
Wir gehen gemeinsam mit dem Gefühl aus dem Coaching, wichtige Schritte bei der Umsetzung der Nachfolgeregelung getan zu haben. Das Unternehmen ist nun gut auf die Zukunft vorbereitet. Jedoch bleiben das verträgliche Zusammenleben in der Kleinfamilie und die erfüllte Paarbeziehung auch weiterhin Schlüsselfaktoren für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Herrn und Frau Kraft im Familienunternehmen.