Führung

Mit Coaching Fehlerkultur im Unternehmen etablieren

Experimente wagen und Fehlentscheidungen in Vorteile verwandeln

Coaching kann für Unternehmen und Mitarbeitende in Change-Prozessen vieles bewirken. Ein zentraler Fokus in agilen Organisationen ist die proaktive Transformation von Fehlern in Erfolgspotenziale und Innovationen. Eine Fehlerkultur zu etablieren, die dies ermöglicht, erfordert oft diametrales Umdenken und eine veränderte Haltung. Coaches können dabei effektiv begleiten und unterstützen.

8 Min.

Coaching-Magazin Online, 16.05.2023

„Errare humanum est!“, so hat es der römische Philosoph Seneca schon in der Antike formuliert: Irren ist menschlich. Und das nicht nur privat, sondern auch beruflich, selbst in gut aufgestellten Unternehmen. Als Führungskraft der oberen und mittleren Ebene genauso wie als Projektverantwortlicher, Produktentwickler oder Team-Mitglied. In der Konzeption und Weiterentwicklung von Produkten ebenso wie beim Planen, Organisieren und Umsetzen.

Auf einen Blick

Symbol einer Lupe
  • Eine konstruktive Fehlerkultur, die einen angstfreien Umgang mit Fehlern beinhaltet, ermöglicht es Unternehmen, stetig Verbesserungspotenziale zu erkennen und auszuschöpfen.
  • Einer konstruktiven Fehlerkultur stehen jedoch oft Stolpersteine wie Ängste und das dogmatische Festhalten an starren Strukturen und Hierarchien im Weg.
  • Coaching, das Werte wie Offenheit, Transparenz sowie klare und zugleich respektvolle Kommunikation in den Mittelpunkt stellt, kann die Handelnden – sowohl auf individueller Ebene als auch im Team – dabei unterstützen, Hindernisse abzubauen und eine konstruktive Fehlerkultur zu etablieren.

Doch nicht Fehlentscheidungen und Irrtümer hemmen Abläufe, sondern die Angst davor. Angst verzögert, verkompliziert, torpediert ... Im Endeffekt ist das Vermeiden sämtlicher  möglicher Fehler nicht nur zeitaufwändig und mühsam, sondern auch noch teuer. Ausgehend davon stellt sich die Frage, ob Fehler zwangsläufig immer negativ und schädlich sein müssen. Lässt sich mit ihnen in einem veränderten Mindset und einer daraus resultierenden neuen Haltung nicht auch so umgehen, dass sie Produktivfaktor werden? Dass sie Erfolgspotenziale erschließen? Ist jede Fehlentscheidung schlimm und hat weitreichende Folgen? Diese neue Form des Denkens kann einen nützlichen Bogen von Fehlererkennung und Fehleranalyse zum aktiven Fehlermanagement und einer gelebten Fehlerkultur im Unternehmen spannen. Professionelles Coaching ist in diesem Prozess des Umdenkens und der Neuorientierung wertvoll, um die nötige transformatorische Unterstützung zu leisten.

Fehlermanagement im Rahmen agiler Fehlerkultur
Abb.: Fehlermanagement im Rahmen agiler Fehlerkultur

Agile Fehlerkultur

Fail Fast – Learn Fast – Improve Fast

Je agiler das Unternehmen ist, umso flexibler und schneller sind die Abläufe, weil die Mitarbeiter sich trauen, Dinge auszuprobieren. Damit können aber Fehlerquote und Risiken steigen. Um sie zu minimieren, ist es sinnvoll, sich an drei Prinzipien zu orientieren:

  1. Fail Fast
    Schauen Sie bei neuen Aufgaben genau hin. Konzentrieren Sie sich auf mögliche, beim schnellen Start nicht bedachte Fehler. Ist der gewählte Weg wirklich der beste? Oder muss er noch feiner auf das Ziel ausgerichtet werden? Wo liegen die größten Risiken, die zuerst abgeklärt werden sollten? Probleme, die schnell erkannt und gelöst werden, helfen effektiv beim Sparen von Zeit, Mühe und Geld.
  2. Learn Fast
    Aus dem Entdecken von Fehlern, ihrer Analyse und den erkannten Ursachen können Sie wertvolle Erkenntnisse für schnelles Feedback und proaktives Handeln ableiten. Das hilft dabei, besser und schneller einzuschätzen, warum Abläufe und Projekte nicht die erwartete Performance bringen.
  3. Improve Fast
    Erkannte und analysierte Fehler erlauben es, aus ihnen zu lernen und konkrete Verbesserungen anzutreiben. Dabei geht es nicht darum, Fehler zu provozieren oder Probleme zu verschleiern. Viel wichtiger für den Erfolg sind die aus Fehlern abgeleiteten Potenziale für Optimierung, Effizienzsteigerung und Innovationen. Dafür ist es notwendig, offen über Fehlentscheidungen zu sprechen, damit andere ebenfalls daraus lernen können.

Wo können Stolpersteine liegen?

Erfahrungen aus Coachings zum Verankern einer konstruktiven Fehlerkultur zeigen, wo oft Stolpersteine liegen:

  • Starre, hierarchische Führungsstrukturen stehen dem Weg vom Irrtum zum Erkenntnisgewinn entgegen.
  • Die Angst vor möglichen Konsequenzen, auch wenn sie meist gar nicht eintreten, führt zu übertriebenem Sicherheitsdenken und zur Scheu vor Entscheidungen und Verantwortungsübernahme.
  • Häufig denken Führungskräfte immer noch strikt in der Kategorie „Richtig vs. Falsch“. Das macht blind für neue Blickwinkel.
  • Anstatt neue Ansätze zu wagen und aus deren Anwendung zu lernen, werden die gleichen eingefahrenen Wege gewählt, weil sie vermeintlich sicherer sind.

Hindernisse wie diese sind nicht einfach abzubauen. Auf individueller Ebene können die Gründe hierfür vielfältig und zudem nicht offen ersichtlich sein. Ein Beispiel: Im Coaching – z.B. mit Führungskräften in Schlüsselpositionen – kann reflektiert werden, wo Ängste vor negativen Konsequenzen, übertriebenes Sicherheitsstreben oder Schwarz-Weiß-Denken herrühren. Sind sie etwa mit unbewusst verankerten Glaubenssätzen (z.B.: „Ich muss perfekt sein, um Anerkennung zu bekommen!“) verbunden, die aus der Vergangenheit stammen und im Hier und Jetzt die Flexibilität der Person einschränken? Ggf. kann dann gemeinsam erörtert werden, inwiefern sich die Glaubenssätze in der Gegenwart dysfunktional auswirken und wie ein alternatives Handeln etabliert werden kann.

Denkbar ist ebenfalls, dass starres Festhalten an bisherigen Strukturen und Hierarchien mit der Angst vor der Veränderung der eigenen Rolle innerhalb der Organisation, die sich z.B. aus der Verteilung von Verantwortung und Einfluss auf mehrere Schultern potenziell ergibt, verbunden sein kann. Auch in diesem Fall können Coaches als wertvolle Sparringspartner fungieren und gemeinsam mit dem Klienten der Frage nachgehen, wie ein sinnvoller Umgang mit einer möglichen Veränderung der eigenen Rolle und die daraus möglicherweise sogar erwachsenden Potenziale aussehen können.

Wo setzt das Coaching für Fehlerkultur in der Praxis an?

Um in den Coaching-Prozess für das Etablieren einer Fehlerkultur einzusteigen, kann beispielsweise ein Leuchtturmprojekt ausgewählt werden, das ohnehin schon in Planung ist.

  • Im Idealfall geht es um ein Vorhaben, das eine gewisse Wichtigkeit und damit Aufmerksamkeit im Unternehmen hat, schnell erste Fortschritte verspricht und potenzielle Risiken mit sich bringt. Kontinuierliches Coaching ab Projektstart und während der Prozessimplementierung baut sowohl beim verantwortlichen Management als auch bei den Teams das Bewusstsein für die Bedeutung einer agilen Fehlerkultur auf.
  • Vor allem ist es wichtig, mit den zuständigen Führungskräften und Projektbeteiligten festzulegen, ab wann Entwicklungen als Fehler gewertet und als wie gravierend sie eingestuft werden. Denn fehlerrelevantes Handeln darf nicht erst beginnen, wenn die Ampel für den Projektfortschritt schon von Grün auf Rot gesprungen ist. Früh reflektieren und gegensteuern ist gerade in agilen Unternehmen das Gebot der Stunde.
  • Im Kern geht es bei den Coaching-Aufgaben darum, den Umgang der begleiteten Personen mit Fehlern zu professionalisieren und zu entemotionalisieren. Mitarbeiter und Fehler müssen voneinander entkoppelt werden. Schwierigkeiten dürfen nicht unter den Teppich wandern oder einem „Sündenbock“ untergeschoben werden. Stattdessen soll eine erhöhte Sensibilität für Fehlererkennung entstehen, um Ursachen zu erkennen, Lösungen zu finden und bekannte Fehlerquellen in Zukunft zu vermeiden.
  • Führungskräfte der oberen und mittleren Ebene, die das Prinzip der Fehlerkultur – unterstützt vom Coach – verinnerlicht haben, geben es an die Projekt- und Team-Ebene weiter.
  • Es empfiehlt sich erfahrungsgemäß, solche Maßnahmen parallel zum laufenden Projekt durchzuführen. So können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter live ihre eigene Fail-Fast-Kultur etablieren.

Welche Werte beim Coaching für eine verbesserte Fehlerkultur im Mittelpunkt stehen

Die praxisorientierte Begleitung durch professionelles Coaching dient dem Ziel, den offenen und konstruktiven Umgang mit Fehlern zu fördern. Dieser konstruktive Umgang, der z.B. im Abbau von Ängsten resultiert, ermöglicht es, Risikofaktoren, die etwa teure Kernprojekte von Unternehmen gefährden können, gezielter und früher zu erkennen sowie zu eliminieren. Dafür arbeitet der Coach mit den Beteiligten an unterschiedlichen Aspekten, die für die funktionierende Fehlerkultur notwendig sind:

  • Transparenz, Offenheit und klare Kommunikation
  • Fähigkeit und Mut, Fehler zu erkennen, zu benennen und im ursächlichen Zusammenhang zu analysieren
  • Bereitschaft zum Geben fehlerbezogener Feedbacks – aber auch dafür, sie von anderen anzunehmen
  • Respekt und Vertrauen im Team und im größeren organisatorischen Netzwerk
  • Orientierung auf permanente Optimierung vor dem Hintergrund agiler und flexibler werdender Geschäftsabläufe

Indem diese Werte vom Coach vertreten werden, kann er auf längere Sicht auch zu einer verbesserten Arbeitsatmosphäre beitragen. Das Führungsverständnis wird freier und offener. Kollaboration und Teamgeist wachsen. Entscheidungen fallen schneller. Projektstarts werden dynamischer und die Innovationskraft des Unternehmens steigt.

Zusammenfassung

Jeder macht mal einen Fehler. Doch viele fürchten sich davor, das zuzugeben, weil sie denken, dass ein Irrtum oder eine Fehleinschätzung als Scheitern oder persönliche Unzulänglichkeit verstanden wird. Dabei gehört auch dies als fester Bestandteil zu jeder Form des Lernprozesses und ist ganz natürlich – denken wir nur an unsere Kindheit zurück. Wie die moderne Unternehmenspraxis zeigt, können daraus bei entsprechendem Umdenken nützliche Impulse für die Optimierung betrieblicher Abläufe resultieren. Dafür brauchen moderne Organisationen eine konstruktive Fehlerkultur. Beim Testen, Hinterfragen der Stolpersteine und Verinnerlichen der neuen Haltung können Coaches sinnvolle Unterstützung leisten, um diesen Schwerpunkt des Change Managements nachhaltig und erfolgreich zu gestalten. Fehler transparent machen, aus ihnen lernen, an ihnen wachsen: Daraus leitet sich das Credo „Fail Fast – Learn Fast – Improve Fast“ für agiles Fehlermanagement ab. Die Begleitung durch qualifiziertes Coaching schafft beste Voraussetzungen, um es erfolgreich zu implementieren. 

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