Der Begriff „Change“ ist in aller Munde. Die Ergebnisse der Coaching-Marktanalyse 2022 (Rauen et al., 2022) zeigen, dass Changemanagement, wenngleich man es vor allem mit Organisationsentwicklung assoziieren mag, ein relevantes Coaching-Thema darstellt. So landet es im oberen Mittelfeld des im Coaching abgedeckten Themenspektrums. Ein Grund hierfür dürfte darin bestehen, dass Veränderungsprozesse nicht nur Organisationen betreffen, sondern auch die einzelnen Personen in ihnen. In Folge 13 des Podcasts „Business-Coaching and more“ sprachen Dr. Christopher Rauen (CR) und Andreas Steinhübel (AS) über das Thema Wandel und die Frage, wie Veränderungsprozesse auf individueller sowie organisationaler Ebene gelingen und was hingegen zu vermeiden ist. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte des Gesprächs.
AS: Change, Transformation, Transition: Wir könnten noch einige Buzzwords finden, die das Thema Wandel beschreiben. Stattdessen möchten wir uns aus psychologischer Sicht mit den Fragen befassen, was Wandel im organisationalen Kontext bedeutet und wie Menschen auf dem Weg der Veränderung in Unternehmen „mitgenommen“ und gut begleitet werden können.
CR: Das Thema Wandel hat zwei Komponenten. Zum einen kann es sich um die Veränderung eines Individuums handeln. Zum anderen geht es um Changemanagement, also um Wandel auf organisationaler Ebene. Meiner Ansicht nach – diese Meinung mag pointiert sein – will niemand wirklich Wandel. Veränderung ist kein Selbstzweck. Was Menschen tatsächlich möchten, ist Stabilisierung auf einem höheren Niveau. Hierfür nehmen sie den Wandel höchstens eine Zeit lang billigend in Kauf. Weil das gerne ausgeblendet und der Wandel zu einer Art Selbstzweck verklärt wird, scheitern viele Veränderungsprojekte – sowohl individuelle als auch organisationale. Ich plädiere daher dafür, sich zu Beginn eines Veränderungsprozesses immer bewusstzumachen, dass es gar nicht in erster Linie um Wandel geht, sondern um die Stabilisierung. Mit dem Ziel, ein verbessertes Niveau zu erreichen, sind Menschen auch bereit, den Wandel temporär mitzutragen und an sich sowie der Organisation zu arbeiten. Aber ich sage es noch einmal: Niemand will den dauerhaften Wandel. Sowohl Menschen als auch Organisationen wären mit permanenter Veränderung überfordert.
AS: In Organisationen erlebe ich einen unglaublichen Hype um Veränderung und Geschwindigkeit. Ich plädiere sehr für eine gute Balance aus einerseits Stabilisierung, Routinen, Strukturierung, Würdigung von Tradition sowie Erfahrungswerten und andererseits der Gestaltung von Verbesserungen. In Veränderungsprozessen richte ich den Fokus immer wieder auf die Frage: Was machen wir eigentlich zwischendurch, um uns zu stabilisieren und zu vermeiden, dass wir uns selbst und die Organisation überfordern?
Um diese Notwendigkeit zu verdeutlichen, arbeite ich gerne mit einer Anekdote: Wenn wir uns vorstellen, wir laden Menschen zu einer Vollversammlung ein und inszenieren diese mit ernsten Gesichtern. Auf einer Bühne sitzt der Vorstand und sagt: „Wir haben eine Nachricht. Wir müssen uns dem Wandel stellen. Sie werden alle mehr Geld bekommen bei weniger Arbeit.“ Ich gehe jede Wette ein, dass es selbst in diesem Szenario Menschen gäbe, die sagen: „Auf gar keinen Fall, nicht mit uns!“
Wandel erzeugt Abwehr. Zudem kostet er zunächst Geld, Zeit und Nerven. Es ist wichtig, offen darüber zu sprechen und diese Herausforderungen auch einzuplanen. Ich begleite momentan ein Change-Projekt, in dem ein neues IT-System eingeführt wird. Das alte System lief rund, man war routiniert im Umgang mit ihm und kannte die Ecken und Tücken. Das neue System wurde vom Hersteller als schlanker und effizienter angepriesen. Was passiert? Die Menschen sind noch nicht so gut in der Lage, die neue IT-Oberfläche zu bedienen, machen mehr Fehler, die Kosten gehen in die Höhe. Dies gilt es, von vornherein einzuplanen. Es muss klar sein, dass es Zeiten geben wird, in denen mehr Fehler vorkommen und in denen Schulungen notwendig werden, bevor ein höheres Level erreicht wird, das dann wiederum stabilisiert werden muss. Ich stelle mir hier ganz bewusst eine Sinuskurve vor, die im Grunde aussieht, wie auch unser Leben verläuft. Wir haben mal Phasen von Langeweile und Stabilisierung, dann intensive Phasen von Aufregung und Neugestaltung.
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