Die Popularität des Coachings entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Der Markt boomt. Statt sich der Frage anzuschließen, ob „Coaching“ das Geld wert ist, gehen Gregory, Beck & Carr (2011) in ihrer Veröffentlichung einen Schritt weiter, um „Coaching“ fassbarer zu machen. Sie versuchen, über die Verbindung zwischen bisherigen empirischen Befunden und einem theoretischen Bezugsrahmen, Fragen zu klären wie: „Wie wirkt Coaching eigentlich? Gibt es zentrale Wirkmechanismen?“
Als Kernelemente eines erfolgreichen Coachings sind die „Zielklärung“ und das „Feedback“ unlängst bekannt. Das Bild vom Coach als „Feedbackgeber“, ehrlich und ungeschönt, kursiert nicht nur in der einschlägigen Literatur. Die gemeinsame Klärung von Zielen zu Beginn des Coaching-Prozesses wird als Basisverhalten in vielen Coaching-Ausbildungen gelehrt (Kilburg, 1996). Soweit die Zutaten. Was kann nun eine Theorie noch Wissenswertes liefern? Das Rezept. So lautet jedenfalls der Ansatz von Gregory, Beck & Carr (2011).
Nach dem Coaching-Verständnis der Autoren ist die primäre Intention eines Coachs, den Klienten darin zu unterstützen, seine Kompetenzen und sein Verhalten optimal zu steuern und einzusetzen, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen.
Diese Definition stimmt mit der Grundidee der Selbstregulationstheorien (z.B. Carver & Scheier, 1995, Vancouver, 2005) überein, die die Autoren als theoretischen Bezugsrahmen heranziehen. Diese Grundidee besagt, dass jedes Individuum danach strebt, einen gewünschten Zielzustand zu erreichen, indem es sein eigenes Verhalten selbst reguliert. Dieser Selbstregulationsprozess folgt im Grunde einem einfachen Prinzip: Am Anfang steht ein Abgleich zwischen dem gewünschten Zielzustand, zum Beispiel einem erstrebenswerten Leistungsniveau und Informationen über den aktuellen Zustand aus der Umgebung des Individuums (Feedback von Kollegen, Chefs etc.). Werden Abweichungen zwischen Ziel und Feedback registriert, erfolgt für gewöhnlich eine gesteigerte Anstrengung, diese Differenz zu reduzieren (Carver & Scheier, 1996; Vancouver, 2005).
Selbstregulation ist also die Fähigkeit eines Menschen, sich in Bezug auf gesetzte Ziele und Aufgaben zu strukturieren und zu regulieren. Nach obigem Coaching-Verständnis ist es die zentrale Aufgabe der Coaches, ihren Klienten dabei behilflich zu sein, ihre Selbstregulationsfähigkeit am Arbeitsplatz zu verbessern oder zu optimieren. Um die Selbstregulation besser zu verstehen, bedarf es eines genaueren Blicks auf die einzelnen Bestandteile, um deren Zusammenhänge ein Coach wissen sollte.
Ziele lenken unsere Aufmerksamkeit und bestimmen unser Verhalten, den Aufwand, den wir betreiben und welche Strategie wir anwenden, um ans Ziel zu kommen. Doch Ziele sind vielgestaltig. Die Autoren differenzieren zwischen Entwicklungszielen, die im Coaching definiert und bearbeitet werden, und Zielen, die sich auf die aktuelle Jobperformanz des Klienten beziehen.
Ziele sind hierarchisch angeordnet und lassen sich in sogenannte „übergeordnete Ziele“ und „untergeordnete Ziele“ unterteilen. Während übergeordnete Ziele abstrakt und keinen anderen Zielen untergeordnet sind, kennzeichnen sich die untergeordneten Ziele durch Verhaltensnähe und konkreten Kontextbezug. Jedes Ziel ist entsprechend dem einfachen Regelkreis mit einer eigenen Kontrollschleife verbunden. Diskrepanzen zwischen Zielen und dem Ist-Zustand auf höheren Ebenen dienen als Input für die Feedbackschleifen auf niedrigerem Level.
Werden höhere Ziele nicht direkt erreicht, können niedrigere Ziele angestrebt werden, um die Diskrepanz zwischen dem Ist-Zustand und dem gesetzte Ziel auf höherem Level zu reduzieren. So kann zum Beispiel das Erlernen einer neuen Software (untergeordnetes Ziel) den Klienten darin unterstützen, Aufgaben besser und schneller zu meistern (untergeordnetes Ziel). Dies kann in mehr Freizeit (übergeordnetes Ziel) oder in mehr Zeit für spannendere Aufgaben (übergeordnetes Ziel) resultieren.
Die Selbstwirksamkeit ist ein kritisches Element im Coaching-Prozess und notwendige Voraussetzung für die Zielstrebigkeit eines Klienten. Es handelt sich um seine Überzeugung, auch wirklich in der Lage zu sein, ein Ziel erreichen oder Verhaltensänderungen herbeiführen zu können (Locke & Latham, 2002). Ist die Selbstwirksamkeit zu niedrig, verhindert sie die Entwicklung des Klienten. Herausfordernde Ziele werden nicht akzeptiert und angestrebt. Es besteht keine Möglichkeit, Erfolge zu erleben. Eine zu hohe Selbstwirksamkeit vor allem zu Beginn des Coaching-Prozesses kann ebenfalls problematisch sein, da dies oftmals in unrealistischen Zielsetzungen und Selbstüberschätzung resultiert. Dies führt zwangsläufig zu Misserfolgserfahrungen.
Eng mit der Selbstwirksamkeit verbunden ist ein gut ausgeprägtes Durchhaltevermögen gegenüber Rückschlägen. Der Klient sollte eine Toleranz gegenüber Misserfolgen und schlechter Performanz entwickeln oder entwickelt haben (Bandura & Wood, 1989). Wird aufgrund eines zu niedrigen Durchhaltevermögens zu leichtfertig ein Ziel aufgegeben, behindert das ebenfalls den Entwicklungsprozess, der im Coaching möglich ist.
Die Selbstregulation funktioniert nicht ohne Feedback. Jedes Ziel ist mit Feedbackschleifen verbunden, die die Diskrepanz zwischen Zielzustand und Ist-Zustand (Performanz) rückmelden. Dies verdeutlicht die Relevanz des Coachs als Feedbackgeber im Rahmen eines Coaching-Prozesses. Damit ein Klient ein von ihm gesetztes Ziel erfolgreich erreicht, ist realistisches und ungeschöntes Feedback seitens des Coachs zwingend erforderlich.
Beim Feedback sind jedoch einige Dinge zu beachten. Wie aus der Forschung bekannt ist, führt Feedback, das ausschließlich auf die Person bezogen ist und nicht auf das Verhalten (zum Beispiel: „Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter“ statt „Die Präsentation ist Ihnen hervorragend gelungen“), zu einer Verringerung der Arbeitsleistung (Kluger & DeNisi, 1996). Das personenbezogene Feedback bezieht sich auf abstraktere Ziele und beinhaltet keine konkreten und handlungsbezogenen Informationen. Negatives Feedback ist wirkungsvoller, wenn es prozessorientiert ist („Im Gespräch mit Ihren Angestellten hätten Sie konkreter werden können und ihnen mehr Freiraum für Rückfragen lassen können“) statt ergebnisorientiert (z. B. „Sie haben mit ihren Angestellten nicht effektiv genug kommuniziert“). Auch hier gilt, dass die Informationen zum Prozess handlungsrelevante Informationen für den Klienten liefern.
Klienten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielorientierung, was sich wiederum auf die Bereitschaft auswirkt, aktiv Feedback für die eigene tatsächliche Leistung zu suchen (Linderbaum & Levi, 2010). Menschen, deren Antrieb die Leistungsbeurteilung von ihren Vorgesetzten nach Bewältigung herausfordernder Aufgaben ist (Leistungszielorientierung), werden negatives Feedback eher meiden, als Personen, die herausfordernde Aufgaben antreten, um möglichst viel bei deren Bewältigung zu lernen (Lernzielorientierung). Diese individuell unterschiedliche Valenz der gesetzten Ziele ist somit ebenfalls ausschlaggebend für den Erfolg des Coachings und sollte von den Coaches beachtet werden.
Summa summarum ergeben sich nun folgende, wesentlichen Handlungsorientierungen für Coaches, um den Klienten erfolgreich bei der Entwicklung ihrer Selbstregulationsfähigkeit zu unterstützen: Vor der Zielsetzung gilt es,
Was so einfach aussieht, hat es meistens in sich: Der Versuch, empirische Befunde und praktische Erfahrungen in einen „einfachen“ theoretischen Bezugsrahmen zu integrieren. Das Ziel: Coaching fassbarer zu machen und Handlungsorientierung für Coaches zu liefern. Dies gelingt zum Teil. Doch was passiert, wenn man genauer hinsieht? Statt zu reduzieren und zu strukturieren, werden die zunächst einfach anmutenden Zusammenhänge komplexer. Zusätzliche Konstrukte werden eingeführt, Fragen werden aufgeworfen. Das ist nicht verwunderlich, wir Menschen sind eben doch komplexer als einfache Regelkreise.
Alles in allem liefert dieser Artikel wertvolle Hinweise für den Umgang mit Zielklärungen und das Feedback im Coaching-Prozess und wirft Fragen auf, die für die Weiterentwicklung der Profession Coaching fruchtbar sind.
Gregory, J. B., Beck, J. W. & Carr, A. E. (2011). Goals, feedback, and self-regulation: Control theory as a natural framework for executive coaching. Consulting Psychology Journal: Practice and Research, Vol. 63, No. 1, 26-38.