Schreyögg (2003) rückt die personenspezifischen Anforderungen an den Coach in den Mittelpunkt und unterscheidet dabei zwischen fachlichen und menschlichen Qualifikationen. Bei letzteren ist entscheidend, dass der Klient den Coach sympathisch und vertrauenerweckend findet. Hierzu sollte der Coach unter anderem über eine breite Lebens- und Berufserfahrung verfügen, während sich seine persönliche Ausstrahlung durch Mitschwingungs- sowie Distanzierungsfähigkeit auszeichnen sollte. Somit scheinen Persönlichkeitsausprägungen wie etwa soziale Kompetenzen zu den Voraussetzungen eines erfolgreichen Coachings zu zählen. Diesen schreibt auch Schmidt (2003) aufgrund der Ergebnisse ihrer Klientenbefragung eine herausragende Rolle zu.
Seitens der Klienten betont Greif (2008) ebenfalls Persönlichkeitseigenschaften als bedeutungsvolle Wirkfaktoren. Insbesondere Handlungs- bzw. Lageorientierung sowie Extraversion scheinen nicht uninteressant für Coaching-Erfolg zu sein, denn besonders lageorientierte Personen haben Schwierigkeiten beim Übergang in die Handlungsphase, extrem Handlungsorientierte vermeiden oft die fürs Coaching wichtigen (Selbst-)Reflexionsprozesse (ebd.) und sehr extravertierten Personen wird mangelndes Problembewusstsein zugeschrieben (Kuhl, 2001). Darüber hinaus fand Schönefeld (2011) heraus, dass die Persönlichkeitseigenschaften von führungsmotivierten, selbstbewussten und extravertierten Klienten einen signifikanten positiven Einfluss auf den Coaching-Erfolg haben – unabhängig von den Persönlichkeitsausprägungen der Coaches. Diese allein beeinflussten das Coaching-Ergebnis nicht.
Die Strukturqualität beinhaltet neben den Ausstattungsdimensionen (personell, materiell, räumlich) auch Anforderungen an die Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Klient (Heß & Roth, 2001). Der Qualität dieser Beziehung wird nicht nur in der Psychotherapie (Orlinsky et al., 2004) eine sehr hohe Bedeutung zugesprochen. Im Coaching spielt sie für die vom Klienten eingeschätzte kognitive Wirkung, die Zufriedenheit und auch die Zielerreichung eine Rolle (Mäthner et al., 2005).
Zur Prozessqualität gehören alle Aktivitäten zur Zielerreichung, somit also auch Interventionen. Dass Prozessvariablen Coaching beeinflussen, zeigt wieder die Studie von Mäthner et al. (2005). Neben der Strukturvariable Beziehung ist vor allem die Zielkonkretisierung von großer Bedeutung, sowohl für die Zufriedenheit als auch für kognitive, verhaltensbezogene und emotionale Wirkungen.
Grundsätzlich beschreibt die Ergebnisqualität den Erfolg einer Maßnahme, welcher nach Expertenmeinung (Heß & Roth, 2001) unter anderem anhand Zielerreichung und subjektiver Zufriedenheit überprüft werden sollte. Eine Untersuchung stellte die Bedeutung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für Coachings hervor: Neben der Beziehung als bedeutendsten Erfolgsfaktor waren individuelle Gestaltungsmöglichkeiten sowie klare Zieldefinition und Diagnose für die Gesamtzufriedenheit entscheidend (Runde et al., 2005).
Aus den aufgeführten theoretischen und empirischen Annahmen leitet sich schließlich die Fragestellung dieser Studie ab. Sie untersucht den Einfluss von Coach- und Klientenpersönlichkeit sowie Struktur- und Prozessbewertung der Klienten auf deren Ergebnisevaluation.
Die Daten der Untersuchung entstammen der Ausbildung zum Karriere-Coach des Coaching- und Beratungs-Centrums Regensburg (Braumandl et al., 2010). Die Stichprobe der Coaches besteht aus 116 Psychologie- und Pädagogikstudenten (14 männlich, 102 weiblich; Durchschnittsalter 23,7 Jahre) der Universität Regensburg, welche an der Coaching-Ausbildung teilnahmen. Darüber hinaus flossen die Daten von 116 Klienten (19 männlich, 97 weiblich; Durchschnittsalter 23,7 Jahre) ein, welche im Rahmen der Ausbildung gecoacht wurden. Dabei handelte es sich überwiegend um Studenten verschiedener Fachrichtungen. Im ersten Semester coachen sich die Ausbildungsteilnehmer gegenseitig (jeweils fünf Sitzungen à zwei Stunden), wobei in der zweiten Sitzung eine Stärken- und Schwächenanalyse mithilfe des „Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeit“ (BIP, Hossiep et al., 2003) erfolgt.
Die Selbsteinschätzung des BIP floss in die vorliegende Untersuchung ein und liefert die Persönlichkeitsdaten der auszubildenden Coaches. Im zweiten Semester führt jeder Coach mit mindestens einem fremden Klienten einen Coaching-Prozess durch. Aufbau und Inhalt sind identisch zum Coaching im ersten Ausbildungsabschnitt, wobei die in Sitzung zwei gewonnenen Daten zur Persönlichkeit der Klienten wiederum für die vorliegende Studie genutzt wurden. Ebenso flossen die Daten aus dem Evaluationsfragebogen „Check-the-Coach“ (Bachmann et al., 2004) in die vorliegende Studie ein.
Wie bereits erwähnt, wurde der BIP eingesetzt, um das Selbstbild der Coaches und Klienten bezüglich berufsrelevanter Persönlichkeitsdimensionen zu erfassen. Dieser fragt Eigenschaften aus den Bereichen berufliche Orientierung, Arbeitsverhalten, soziale Kompetenz sowie psychische Konstitution ab.
Die Daten zu Coaching-Struktur und -Prozess sowie zum Coaching-Ergebnis entstammen dem „Check-the-Coach“ Fragebogen, den die Klienten zum Abschluss des Coachings ausfüllten. Dieser Evaluationsbogen lässt sich in die Bereiche Struktur, Prozess, Ergebnis, Bewertung und Note untergliedern. Als abhängige Variable wurde der Bereich „Ergebnis“ herangezogen, welcher sich aus der Bewertung der Zielerreichung, der emotionalen Stabilisierung sowie der Wirkung von Ressourcenaktivierung, Verhaltensoptimierung und Reflexion zusammensetzt.
Dieser Ergebnisbereich des Check-the-Coach Fragebogens wurde von den Klienten im Durchschnitt mit 2,05 bewertet (siehe Abb.). Das bedeutet, dass die oben genannten Skalen, aus denen sich der Bereich „Ergebnis“ zusammensetzt, im Schnitt mit „trifft ziemlich zu“ bzw. bei der Zielerreichung mit „eher erreicht“ bewertet wurden. Aufgrund dieser positiven Ergebnisevaluation kann das Coaching insgesamt als erfolgreich bezeichnet werden. Die durchschnittliche Bewertung des gesamten Ergebnisbereichs sowie der einzelnen zugehörigen Skalen ist in der unten stehenden Abbildung graphisch dargestellt.
Statistische Berechnungen zur Untersuchung des Einflusses von Coach- und Klientenpersönlichkeit auf die Ergebnisevaluation ergaben keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitsdaten und dem Coaching-Ergebnis. Außerdem zeigten die Analysen, dass das Coaching-Ergebnis nicht mithilfe der Persönlichkeitsdaten vorhergesagt werden kann.
Die Struktur- und Prozessbewertung geben die Klienten am Ende des Coachings im „Checkthe-Coach“ Fragebogen ab. Korrelationsanalysen ergaben, dass die beiden Bereiche Struktur und Prozess sowie alle zugehörigen Skalen signifikant mit der Ergebnisevaluation zusammenhängen. Die genaue Höhe der Korrelationen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.
Durch die Bereiche Struktur und Prozess können insgesamt 43 Prozent der Varianz in der Ergebnisevaluation erklärt werden. Dabei leisten sowohl Strukturals auch Prozessbewertung einen signifikanten Beitrag zur Varianzaufklärung, wobei der Erklärungsbeitrag der Strukturbewertung ungefähr um das 1,12-fache größer ist als der der Prozessbewertung.
Die deskriptive Analyse der Ergebnisevaluation zeigt, dass die Klienten laut Eigenaussage in hohem Maße vom Coaching profitiert haben. Die Persönlichkeit von Coach oder Klient scheint für den Coaching-Erfolg allerdings nicht von Bedeutung: Keiner der jeweils vier identifizierten Faktoren korreliert signifikant mit der Ergebnisevaluation. Dementsprechend kann das Coaching-Ergebnis auch nicht mittels Persönlichkeitsausprägungen vorhergesagt werden. Das, was der BIP misst, ist zwar nicht immer exakt deckungsgleich mit dem, was eingangs unter den persönlichkeitsspezifischen Anforderungen an Coaches bzw. Klienten genannt wurde. Trotzdem liefert diese Studie keinerlei Evidenz dafür, dass diese Faktoren etwas mit dem Ergebnis eines Coachings zu tun haben. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Schönefeld (2011), der auf Coach-Seite ebenfalls keine für Coaching-Erfolg relevanten Persönlichkeitsmerkmale finden konnte. Die auf Klientenseite als bedeutend identifizierten Persönlichkeitsmerkmale konnten allerdings nicht bestätigt werden.
Als Fazit bleibt aufgrund der vorliegenden Ergebnisse zu sagen: Es ist egal, wer wen coacht. Jeder Persönlichkeitstyp kann erfolgreicher Coach werden und jeder Persönlichkeitstyp kann von Coaching profitieren. Das gilt zumindest für diese Stichprobe mit angehenden Psychologen und Pädagogen in der Coach-Rolle sowie überwiegend Studenten verschiedener Fachrichtungen in der Klienten-Rolle.
Die Struktur- und Prozessbewertung hängt dagegen stark mit der Ergebnisevaluation zusammen, was die von Heß und Roth (2001) aufgestellten Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität bestätigen. Da der Fragebogen ausschließlich die subjektive Wahrnehmung des Klienten misst, können die Ergebnisse wie folgt interpretiert werden: Wenn man weiß, wie die Klienten die Struktur und den Prozess des Coachings wahrnehmen und einschätzen, kann man daraus ihre Bewertung des Coaching-Ergebnisses, darunter z.B. auch ihre Zielerreichung, bereits zum großen Teil ableiten.
Unter den Strukturelementen scheint insbesondere das Festlegen von „Zielkriterien, Barrieren und Grenzen“ von besonderer Bedeutung. Dieses Ergebnis steht damit im Einklang mit anderen Studien, in denen Zielkonkretisierung bzw. eine klare Zieldefinition als Wirkfaktoren identifiziert wurden (Mäthner et al., 2005; Runde et al., 2005). Für ein erfolgreiches Coaching ist es demnach unabdingbar, Ziele zu konkretisieren, objektive Zielerreichungskriterien zu vereinbaren und Faktoren zu identifizieren, die die Zielerreichung gefährden können.
Unter den Prozesselementen stechen vor allem „Partizipation im Coaching-Prozess“ sowie die „Prozesssicherheit des Coachs“ heraus, während die beiden anderen Skalen („Gleichberechtigung und Sympathie“ sowie „Vertrauen, Wertschätzung und Offenheit“), die die Coach-Klient-Beziehung erfassen, einen geringeren Zusammenhang zur Ergebnisevaluation aufweise. Individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, vergleichbar mit der hier untersuchten Skala „Partizipation im Coaching-Prozess“, spielen bei der Untersuchung von Runde et al. (2005) eine wichtige Rolle für die Gesamtzufriedenheit. Tatsächlich scheint es auch für das Coaching-Ergebnis von Bedeutung, dass der Coach den Klienten aktiv in den Prozess einbezieht und nicht das gesamte Vorgehen diktiert. Mit der Skala „Prozesssicherheit des Coachs“ wird gemessen, wie sicher und professionell der Coach den Prozess der Zusammenarbeit gestaltete, inwieweit Methoden und Tools zum Thema passten und ob während des Coachings aufeinander aufbauende Schritte erkennbar waren. Somit erfasst die Skala im Prinzip das, was der Coach in der Ausbildung gelernt hat – und das scheint eine bedeutende Rolle für das Coaching-Ergebnis zu spielen. Denn im hier untersuchten studentischen Karriere-Coaching mit Coaches, die sich noch in Ausbildung befinden, hängt die Prozesssicherheit stark mit dem Coaching-Ergebnis zusammen – stärker als die oft zitierte Beziehung (Mäthner et al., 2005; Orlinsky et al., 2004; Runde et al., 2005). Andererseits ist es schwer vorstellbar, dass Klienten, die ihre Beziehung zum Coach negativ bewerten, die Prozesssicherheit und das Ergebnis positiv evaluieren.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Coaching-Erfolg multikausal bedingt ist und beteiligte Determinanten darüber hinaus miteinander interagieren. Auch wenn Struktur und Prozess bereits einen beträchtlichen Teil des Ergebnisses erklären, bleibt offen, welche Einflussfaktoren für den großen Rest verantwortlich sind.
Die vorliegende Studie zählt zu den wenigen quantitativen Untersuchungen im Bereich Coaching. Gleichzeitig stellt die Stichprobengröße einen einzigartigen Ausnahmefall dar. Das Studiendesign weist jedoch einige Schwächen auf, wie beispielsweise das Fehlen einer Kontrollgruppe. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Daten unmittelbar aus der Praxis stammen und ursprünglich nicht für Forschungszwecke erfasst wurden.
Da im Coaching überspitzt gesagt jeder machen kann, was er für richtig hält, sind Coaching-Prozesse auch kaum miteinander vergleichbar. Die Ergebnisse dieser Studie sind deshalb nicht ohne weiteres auf Coaching-Prozesse im Allgemeinen generalisierbar. Außerdem beschränken sich die Erkenntnisse, wie in den meisten Evaluationsstudien, auf subjektive Daten: Ein erfolgreiches Coaching mit hoher Zielerreichung, Wirkungen auf Verhaltensebene etc. könnte drastisch ausgedrückt auch nur auf die Zufriedenheit des Klienten oder dessen Sympathie für den Coach zurückzuführen sein. In zukünftigen Untersuchungen ist deshalb das Miteinbeziehen objektiver Daten anzustreben. Coaching-Sitzungen aufzeichnen und die Videos von Experten auswerten las sen, wäre eine Möglichkeit. Außerdem können Daten aus dem Umfeld des Klienten dabei helfen, beispielsweise Verhaltensänderungen zu objektivieren.
Schließlich muss sich der Erfolg einer Coaching-Intervention auch auf organisationaler Ebene messen lassen und harten Kriterien standhalten. Künftige Studien können somit noch einen erheblichen Beitrag zur Professionalisierung von Coaching leisten. Darüber hinaus kann nur Forschung ermöglichen, diese Personalentwicklungsmaßnahme mithilfe von Wirksamkeitsnachweisen auf Ergebnisebene auch Skeptikern nahezubringen. Die vorliegende Untersuchung kann dabei als Ansatzpunkt mit ersten wertvollen Hinweisen in Bezug auf den Einfluss von Persönlichkeit sowie Struktur- und Prozesselementen im Coaching dienen.