Wissenschaft

Die Qualität von Feedback

Feedback muss differenziert werden

7 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2012 am 16.05.2012

Individuelle Rückmeldungen – vor allem ungeschöntes, ehrliches Feedback – zum Beispiel über das aktuelle individuelle Leistungsniveau einer Führungskraft, gelten als das Handwerkszeug eines Coachs und beeinflussen die Arbeitsleistung und -motivation. Hierfür finden sich viele praktische, aber auch empirische Beispiele. Doch wirkt positives Feedback immer förderlich? Entgegen der Erwartung, dass positives Feedback die Arbeitsleistung des einzelnen Mitarbeiters steigert, zeigten bisherige Studien keine einheitlichen Ergebnisse.

Von 131 Untersuchungen zur Wirkung des Feedbacks auf die Arbeitsleistung zeigte sich bei 38 Prozent dieser Untersuchungen eine gegenläufige Wirkung. Als Konsequenz der Rückmeldung nahm die Arbeitsleistung ab – unabhängig von der positiven oder negativen Qualität des Feedbacks.

Wie lässt sich so etwas erklären? Dem versuchten drei Mitarbeiter der Deakin Universität in Australien auf die Spur zu kommen. Als Erklärungsmodell zogen sie die Theorie des „regulativen Fokus“ (Higgins, 1997f.) heran, die besagt, dass sich Personen einem erwünschten Zielzustand mit unterschiedlichen Strategien nähern. Die Wahl der Strategie ist dabei abhängig von der zugrundeliegenden Motivationsquelle: dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und Maximierung positiver Ergebnisse oder dem Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz. Im ersten Fall – dem sogenannten Annäherungsfokus (Promotion) – werden die Klienten sich auf das Erreichen von Idealen und Gewinnen konzentrieren, während Klienten im Vermeidungsfokus (Prevention) eher Strategien wählen, die helfen, Verluste zu vermeiden.

Es wird zwischen einer persönlichtkeitsabhängigen Präferenz und der situationsspezifischen Entscheidung für den einen oder anderen Fokus unterschieden. Das bedeutet: je nach Persönlichkeit gibt es Präferenzen, eher gewinnmaximierend oder sicherheitsliebend zu handeln. Allerdings gibt es auch situative Bedingungen (Qualität des Ziels), die den momentanen Fokus der Klienten verändern können. Verfolgt eine Person sogenannte Pflichtziele (z. B. Sicherung des Lebensunterhalts), werden eher risikomeidende Strategien angewandt (Vermeidungsfokus) als bei Idealzielen (z. B. Lottogewinn, Börsenspekulation), die den Promotionsfokus aktivieren.

Mit dieser unterschiedlichen Motivationsausrichtung ist auch eine unterschiedliche Sensibilität in der Wahrnehmung verbunden. Das bedeutet, eine Person mit einem Annäherungsfokus handelt zielgerichtet und arbeitet daran, den Abstand zwischen dem aktuellen Ziel und dem erwünschten Ziel zu verringern. Dies ist verbunden mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Anwesenheit oder Abwesenheit positiver Ergebnisse oder Gewinne.

Zwar handelt der Mensch im Vermeidungsfokus auch zielgerichtet, aber hier geht es um die Erhöhung der Distanz zwischen einem aktuellen Zustand und einem unerwünschten Zustand. Das Augenmerk wird hier auf die Anwesenheit oder Abwesenheit von negativen Ergebnissen oder Fehlern gelegt. Erfolg bedeutet hier also die Abwesenheit von Fehlern, Fehlentscheidungen und Versagen.

Überträgt man nun diese Theorie auf das Coaching, kommt es demnach beim Feedback nicht nur auf die Rückmeldung verhaltensrelevanter Informationen an, sondern zusätzlich noch auf die Passung zwischen der rückgemeldeten Information und dem aktuellen Handlungsmotiv der Klienten. Als Beispiel: Ein Student mit einem Vermeidungsfokus wird alles daran setzen, im Examen eine bessere Note zu bekommen als im Vorstudium, während ein anderer im Vermeidungsfokus eher darauf bedacht ist, keine Fehler zu machen. Der erstere wird von Feedback profitieren, das ihm sagt, wie weit er noch von der besseren Note entfernt ist, während der zweite eher davon profitiert, wenn man ihm sagt, was er tun muss, um Fehler zu minimieren oder zu vermeiden.

Eine „regulatorische Passung“ tritt dann auf, wenn ein Individuum eine seiner Motivation entsprechend präferierte Strategie anwenden kann, um an das gewünschte Ziel zu gelangen. Diese Passung führt zu einem stärkeren Engagement und einer höheren Motivation zur Zielerreichung. Dieser Effekt der regulatorischen Passung ist in vielen Bereichen bereits nachgewiesen worden (z. B. in Verhandlungssituationen und im Gesundheitsverhalten). Allerdings liegen bisher keine Studien für seine Relevanz im Coaching vor.

Die Autoren dieser Studie untersuchten nun die Annahme, dass ein Feedback effektiver ist, wenn es sich an dem regulatorischen Fokus des Klienten ausrichtet. Das heißt, ein Feedback an den Klienten ist nützlicher, wenn die rückgemeldete Information dabei hilft, das Ergebnis zu maximieren (Klient im Annäherungsfokus) oder Versagen zu verhindern (Klient im Vermeidungsfokus). Im Gegensatz dazu soll eine fehlende Passung dazu führen, dass positives Feedback in einer verringerten Motivation der Klienten resultiert.

Um diese Annahmen zu prüfen, wurden im Rahmen eines Leadership-Coaching-Programms 29 Klienten in eine experimentelle Untersuchung einbezogen. Das Programm bestand aus fünf Coaching-Sitzungen, das auf die Verbesserung der Führungskompetenzen ausgerichtet war. Vor der ersten Coaching-Sitzung wurde per Online-Fragebogen der grundsätzliche regulatorische Fokus der Klienten erfragt. Nach der vierten Coaching-Sitzung wurde eine experimentale Bedingung über eine weitere Online-Erhebung hergestellt.

Zunächst sollten die Klienten eine Aufgabe erledigen, die sie alle in den „situativen“ Annäherungsfokus (Gewinnmaximierung) versetzen sollte. Hierzu wurden die Klienten gebeten, ein Führungsverhalten zu definieren, welches sie in der nächsten Zeit verbessern oder optimieren wollen (z. B. besser mit den Mitarbeitern zu kommunizieren). Im Anschluss an die Definition wurden sie gebeten, fünf Strategien zu entwickeln, mit denen sie ihr Ziel erreichen wollen. Hierfür hatten sie zehn Minuten Zeit. Als Abschluss sollten sie im Rahmen eines Wissenstests zu Führungskräftefähigkeiten 15 Multiple-Choice-Fragen beantworten.

Dieser Test diente letztlich als Voraussetzung für die dem Annäherungsfokus „angepassten“ oder „nicht-angepassten“ Feedbackbedingungen. Die Autoren wollten untersuchen, ob sich die zuvor erfasste Motivation der Klienten durch das Feedback erhöht oder reduziert. Siebzehn der Klienten bekamen die Rückmeldung, dass sie mehr als 90 Prozent der Fragen des Wissenstests korrekt beantwortet haben (dem Annäherungsfokus angepasstes Feedback). Die übrigen zwölf Klienten bekamen die Rückmeldung, dass sie 90 Prozent der falschen Antworten vermieden haben. Letzteres sollte eine Information beinhalten, die eher dem Vermeidungsfokus entspricht als dem Annäherungsfokus. Nach der Theorie des regulatorischen Fokus wurde erwartet, dass sich im letzten Fall die Motivation durch die fehlende Passung des situativen Fokus der Klienten reduzieren und in der Bedingung der „regulatorischen Passung“ die Motivation der Klienten erhöhen würde.

Wie sich zeigte, wiesen die Klienten, deren Feedback an ihren Regulationsfokus angepasst war, nach dem Feedback eine erhöhte Motivation auf. Diese Steigerung erwies sich als unbeeinflusst durch die emotionale Befindlichkeit des Klienten. Unabhängig von der positiven oder negativen Grundstimmung der Klienten erhöhte sich deren Motivation, den Test erneut zu absolvieren, wenn sie das zu ihrem Annäherungsfokus passende Feedback bekamen. Demnach ist ein Feedback, das dem Grundbedürfnis nach Selbstverwirklichung und Gewinnmaximierung des Klienten angepasst ist, für den Klienten wertvoller als ein Feedback, was seinem Bedürfnis eher widerspricht. Die von den Autoren erwartete Reduktion der Motivation durch ein nichtangepasstes Feedback blieb allerdings aus.

Feedback ist nicht gleich Feedback. Dies für das Coaching zu überprüfen, war die Absicht dieser ersten experimentellen Studie. Natürlich unterliegt ihre Übertragbarkeit einigen methodischen Begrenzungen. So handelt es sich bei den Klienten nicht um Führungskräfte im engeren Sinne, sondern die Klienten in dieser Studie waren zum Teil Berufstätige und teilweise Studenten. Fraglich ist auch, inwieweit das Feedback der Art des Feedbacks in Coaching-Sitzungen entspricht.

Nichtsdestotrotz ist diese Studie interessant: Sie liefert einen Denkanstoß für die praktizierenden Coaches: Die Art und Weise, wie ich als Coach das Feedback für meinen Klienten formuliere, ist relevant für seine Wirksamkeit im Coaching-Prozess. Wie nimmt der Klient die Realität wahr? Wie sieht sein präferierter Fokus beim Erreichen seiner Ziele aus? Welche Strategien verfolgt er? Ist das Glas halb voll oder halb leer? Welche Perspektive auf das Ergebnis hat der Klient? Ist diese modifizierbar? Unabhängig von der Theorie des regulatorischen Fokus wird wieder einmal deutlich, wie hilfreich und notwendig es sein kann, sich an der Perspektive des Klienten zu orientieren. Um effektiv zu sein, sollten Coaches den Bezugsrahmen ihrer Klienten – wie sie ihre Wirklichkeit konstruieren – kennen und nutzen. (je)

Literatur

  • Jarzebowsky, A. M.; Palermo; J. & Van den Berg, R. (2012). When feedback is not enough: The impact of regulatory fit on motivation after positive feedback. International Coaching Psychology Review, Vol. 7 No.1, 14-28.

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