Sci:vesco.web ist ein computergestütztes Interview- und Analyseinstrument. Es basiert auf der von George A. Kelly entwickelten Repertory-Grid-Technik. Mithilfe eines assoziativen Interviews werden verborgene Inhalte geborgen, systematisiert und durch eine attraktive, dreidimensionale Grafik visualisiert. Es ermöglicht dem Coach einen tiefen Einblick in unbewusste Zustände (Statusanalyse), unentdeckte Potenziale (Potenzialanalyse) und erreichbare Ziele (Zieldefinition). Der Klient erhält eine schnelle und anschauliche Klärung seines Anliegens.
Sci:vesco.web eignet sich für die Erfassung und das Sichtbarmachen von Überzeugungsmustern, Einstellungen und Entwicklungspräferenzen sowie innerer Blockaden, die einer Weiterentwicklung potenziell noch im Wege stehen. Das Tool bietet zudem einen schnellen Überblick darüber, welche grundlegenden Werte für den Klienten handlungsleitend sind und wie diese mit vorher festgelegten Bezugselementen verbunden sind. Es ist daher in jenen Coaching-Phasen gewinnbringend einsetzbar, in denen es um die Konkretisierung von Problem- oder Wunschvorstellungen geht, alternative Sichtweisen erarbeitet werden sollen oder der Erfolg eines Coaching evaluiert werden soll. Die typischen Anwendungsbereiche für sci:vesco.web sind Rollenklärung, Konfliktbewältigung, Persönlichkeits- und Potenzialentwicklung sowie Karriereberatung.
Mit sci:vesco.web wird vornehmlich das gegenseitige Verständnis zwischen Klient und Coach visuell unterstützt. Es gilt, das subjektive Bezugssystem des Klienten schnell und genau zu erfassen und damit Effizienz und Sicherheit in der Kommunikation zwischen Coach und Klient zu erlangen. Frühzeitig können unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen an das Coaching aufgedeckt werden, was vor allem auch dann zielführend ist, wenn es sich um ein sogenanntes „verordnetes“ Coaching handelt. Besonderes Merkmal von sci:vesco.web ist die Kombination qualitativer und quantitativer Methodik zur Evaluation des Coaching-Prozesses und vor allem des Coaching-Erfolges.
Eine gute Theorie ist oft sehr praktisch. Sci:vesco.web ist eine moderne Form der Repertory-Grid-Technik – basierend auf der Theorie der persönlichen Konstrukte (1955) nach George A. Kelly (1905-67). Kelly war neben Piaget einer der ersten Psychologen, der davon ausging, dass es keine objektive Realität oder absolute Wahrheit gibt, sondern sich jeder Mensch sein eigenes Weltbild konstruiert.
Demnach ist die Repertory-Grid-Technik ein Verfahren auf Basis eines systemisch-konstruktivistischen Beraterverständnisses zur Re-Konstruktion der subjektiven Welt des Klienten. Es ermöglicht, was nur wenige andere Verfahren zu leisten imstande sind, nämlich die systematische Erfassung des jeweiligen Repertoires subjektiver Vorstellungen über:
Die Klienten werden also aufgefordert, Unterscheidungen zwischen Objekten ihrer Erfahrung (sogenannten Elementen) zu bilden, die in einer Tabelle (daher der Name „Grid“) in Form von kurzen Beschreibungen (Konstrukten) festgehalten werden. Anschließend bewertet der Klient diese Elemente anhand einer Skala. Dieses Vorgehen ist bei konventionellem Vorgehen mittels Papier und Bleistift sehr aufwendig; die Sortierung wurde früher per Handverfahren durchgeführt.
Sci:vesco wurde in einem Forschungsprojekt an der TU Chemnitz von den Psychologen Dr. Matthias Rosenberger und Frank Menzel sowie dem Informatiker Janko Buve entwickelt. Das Verfahren stellt eine konsequente, softwaregestützte Weiterentwicklung der ursprünglichen Grid-Methode dar. Mit sci:vesco.web bietet die Leipziger elements and constructs GmbH eine auf maximal zwölf Elemente beschränkte, aber kostenfreie Möglichkeit für jedermann an, Grid-Interviews durchzuführen und von der komfortablen Auswertungs- und Berichtsfunktion zu profitieren.
Sci:vesco.web ist ein kommunikativ klärendes Verfahren, mit dem Coach und Klient in gemeinsamer Arbeit Handlungsverläufe und Erlebnisse ordnen, strukturieren und verdichten können. Die dreidimensionale Darstellung hilft sowohl dem Coach als auch dem Klienten, schnell zu erkennen, wie Elemente im subjektiven Weltbild des Klienten untereinander in Beziehung stehen und vor allem – wie sie konnotiert sind. Das Tool schützt vor verhängnisvollen „Ratgeberansprüchen“ seitens des Klienten und unterstützt gleichzeitig die Rolle des Coachs als unparteiischem Prozessbegleiter. Die Methode ist derart aufgebaut, dass der Klient völlig frei ist in seinen Äußerungen und den Inhalt und die Richtung selbst bestimmt. Zugleich wird strukturiert vorgegangen. Der Coach agiert sowohl im Interview als auch in der Auswertung als Moderator und Unterstützer in der Musterbildung oder -erkennung.
Der Abteilungsleiter – nennen wir ihn: Stefan Bachmann – steht vor einer wichtigen beruflichen Entscheidung: Soll er das Angebot vom Vorstand annehmen und in die Konzernzentrale wechseln? Oder soll er ablehnen und die unangenehme Sache vor Ort zu einem guten Ende bringen. Unentschieden kommt er zum Coaching-Termin und beginnt die Sitzung mit einem lauten Seufzer: „Jedes Mal ist es dasselbe, ich bekomme ein verlockendes Angebot von der Konzernzentrale und meine Arbeit hier lässt mich nicht gehen“.
Immer wieder stehen Klienten vor Entscheidungen, deren Auswirkungskomplexität sie bewusst nicht mehr einschätzen können. Verschiedenste Frage- und Interventionsmethoden helfen dem Coach, gemeinsam mit dem Klienten unbewusste Neigungen und/oder Potenziale herauszuarbeiten, sodass am Ende nicht nur eine Entscheidung gefällt wird, sondern auch, dass sich diese Entscheidung gut anfühlt und stimmig ist.
Herrn Bachmann wurde empfohlen, ein sci:vesco.web-Interview zu machen, um die Komplexität seines Dilemmas auf zwei Pole zu verdichten und die unbewussten Neigungen für das Eine oder Andere auszuloten.
In jedem Fall soll vorab die Definition der Fragestellung oder des Anliegens zusammen mit dem Klienten entwickelt werden. Im vorliegenden Fall lautet die Fragestellung: Was ist mir wichtiger (liegt mir näher), die Ausübung einer strategischen Leitungsfunktion auf Vorstandsebene oder die konkrete Führungsarbeit in den laufenden Projekten? Hierzu werden Begriffe gewählt, die diese konkretisierte Fragestellung inhaltlich gut abbilden – die sogenannten Elemente. Die Güte der Ergebnisse hängt im Wesentlichen von der Wahl dieser Elemente ab. Sie sollten repräsentativ für die Fragestellung oder das Anliegen sein. Elemente können beispielsweise sein:
In speziellen Interviewfällen ist es auch sinnvoll, für abstrakte Elemente, wie beispielsweise „eine kompetente Führungskraft“, ein konkretes „Herr Mayer“ zu verwenden. Diese Maßnahme wird oft dann getroffen, wenn eine subjektive Einstellung zu einem sehr persönlichen Element erfragt werden soll.
Das Interview ist standardisiert und erfolgt mittels Computerunterstützung online in vier Schritten, die auch ausführlich auf www.scivescoweb.de beschrieben werden. Mit dem Button „Interview mit eigenen Elementen führen“ gelangt man auf die Seite, in der die Elemente und deren Beschreibung eingetragen werden können. In sci:vesco.web können maximal zwölf Elemente bestimmt werden. In der linken Spalte werden die Elemente und in der rechten Spalte Erläuterungen dazu eingefügt. Zum Beispiel das Element „Ich aus Vorstandssicht“ und die Erläuterung lautet „Was ich denke, wie der Vorstand mich wahrnimmt“.
Die entsprechenden Links für das Interview mit den selbst entwickelten Elementen und den Ergebnissen werden per E-Mail zugesandt. Damit wird auch sichergestellt, dass Unbefugte keinen Einblick in persönliche Daten bekommen.
Sind die Elemente entwickelt, werden diese im ersten Schritt dem Klienten in Dyaden, also Paarungen, präsentiert. Zum Beispiel die Elemente „Eine kompetente Führungskraft“ und „Ich heute“. Die Frage hierzu lautet konkret: „Sind folgende Elemente eher ähnlich oder verschieden?“
Im zweiten Schritt wird der Klient gebeten, die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit mit einer Eigenschaft zu charakterisieren, beispielsweise als „direkte Einflussnahme“. Hier kann auch ein ganzer Satz formuliert werden, er sollte aber immer nur ein Charaktermerkmal enthalten. Danach wird der Klient nach seinem persönlichen Gegensatzbegriff gefragt. Die Antwort könnte beispielsweise lauten: „strategische Planung".
Im dritten Schritt ordnet der Klient alle Elemente auf seinem begrifflichen Gegensatzpaar „direkte Einflussnahme vs. strategische Planung“ hinsichtlich ihres Zutreffens ein.
Hat der Klient alle Elemente auf der Skala eingeordnet, ist das begriffliche Gegensatzpaar „verbraucht“. Es folgt dann wieder der erste Interviewschritt: Das Vergleichen zweier Elemente mit dem Ziel, ein neues begriffliches Gegensatzpaar zu bilden und wieder über alle Elemente zu bewerten. Diese drei Schritte werden wiederholt, bis dem Interviewten keine neuen inhaltlichen Unterscheidungen mehr einfallen, sein Repertoire an Unterscheidungen für die konkrete Fragestellung also ausgeschöpft ist. Dies ist in der Regel nach acht bis 15 Gegensatzpaaren der Fall.
Die im Interview erhobenen Daten kann man sich wie ein Gitter (engl. grid) vorstellen. Ähnlich wie bei einem semantischen Differenzial (Osgood, Suci & Tannenbaum, 1976) wird jedes Gegensatzpaar auf jedes Element angewendet und auf der entsprechenden Skala bewertet. Diese Daten werden nun durch die Software faktorenanalytisch berechnet und in einem dreidimensionalen Raum dargestellt (semantischer Beurteilungsraum).
Alle begrifflichen Gegensatzpaare spannen diesen Raum auf, die beurteilten Elemente werden in diesen Raum hinein projiziert und durch Kugeln visualisiert. Der Raum lässt sich mittels der vier dargestellten Pfeile in alle Richtungen drehen und betrachten. Coach und Klient können sich sofort nach dem Interview anhand der begrifflichen Dimensionen, den Stellungen der Elemente im Raum und deren Verhältnissen zueinander austauschen.
Als Konvention gilt: Je weiter außen ein Element im Raum liegt, desto eindeutiger wurde es mit den dort am Rande stehenden Gegensatzbegriffen vom Klienten beschrieben. Die Ähnlichkeit der verwandten Gegensatzbegriffe kann über deren relative Achsennähe abgelesen werden. Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit der Elemente können durch Distanz und Winkel abgelesen werden. Zudem wird eine Vielzahl statistischer Auswertungsmöglichkeiten (z. B. Korrelationen) in Tabellenform angeboten.
Die Ergebnisse stehen innerhalb weniger Sekunden zur Verfügung. Somit kann der Klient sofort nach dem Interview eine Rückmeldung erhalten. Zudem besteht hier die Möglichkeit, im Sinne einer „konsensuellen Validierung“ das Gesamtbild des Interviews durch den Klienten überprüfen zu lassen.
Im Falle von Herrn Bachmann wird sehr schnell deutlich, dass der angebotene Vorstandsposten nicht seinem inneren Weltbild entspricht. Die mit dem Angebot in Verbindung gebrachte Wertschätzung hat ihn in das Dilemma geführt, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen, eine Vorstandsposition in Erwägung zu ziehen und seine jetzige Position zu hinterfragen.
Mithilfe des sci:vesco.web-Ergebnisses kann die Ursache des Dilemmas aufgedeckt und können die vorherrschenden Bedürfnisse offenbar werden. Herrn Bachmann wird klar, dass die entstandenen Herausforderungen innerhalb seiner jetzigen Position genau seinen persönlichen Entwicklungspräferenzen entsprechen, jedoch wichtige soziale und methodische Kompetenzen weiterentwickelt werden müssen. Diese neue Thematik wird als neues Ziel für das Coaching formuliert.
Das sci:vesco.web-Interview ist auf die Konstruktionsweisen des Klienten hin ausgerichtet. Er oder sie ist der Experte seiner subjektiven Welt und diese gilt es, kommunikativ und unvoreingenommen zu erkunden. Dies erfordert Kenntnisse aller üblichen Formen lösungsorientierter Gesprächsführung. Eine systemisch, konstruktivistische Haltung ist für den gesamten Prozess förderlich, aber nicht zwingend Voraussetzung. Für die Auswertung sind Kenntnisse über die Repertory-Grid-Technik und die Theorie der persönlichen Konstrukte (nach George A. Kelly) nützlich.
Reine Interviewdauer: 1 – 1,5 Stunden mit Elementeentwicklung und Feedback bis drei Stunden.
Materialien: PC, Maus und Internetzugang.