Das Tool Intra-Rollenkonflikte ist für die Arbeit an bestehenden und möglichen Rollenkonflikten geeignet. Es richtet sich auf Konflikte eines Klienten mit den unterschiedlichen Verhaltenserwartungen seines Umfeldes an seine spezifische Rolle. Werden Erwartungen an die Erfüllung seiner Rolle vom Klienten nicht bedient, entsteht ein Rollenkonflikt.
Die Intra-Rollenkonflikte-Analyse eröffnet dem Klienten die Möglichkeit, zu reflektieren mit welcher eigenen Haltung er auf die Verhaltenserwartungen vom Umfeld an seine Rolle reagiert. Er soll dadurch eine Verhaltensvariabilität entwickeln und die Fähigkeit gewinnen, eine kontextabhängige, bewusst gewählte Rolle einzunehmen.
Um diese Entwicklung für den Klient zu ermöglichen, muss für ihn klar fühlbar werden welche Erwartungen an die neue Rolle gestellt werden. Dadurch kann er wahrnehmen, welchem Erwartungsdruck er sich aussetzen wird, wenn er sich in die Rolle begibt. In diesem emotionalen Erleben liegt der Schlüssel, um eine Veränderungsbereitschaft zu erzeugen. Wichtig ist auch der Kontakt zu den eigenen Wünschen und Vorstellungen. Kann ein emotionales Bild von der Rolle, wie er sie sich wünscht, erzeugt werden, hat er eine starke Motivation, um an der Rolle zu arbeiten.
Das Tool eignet sich für bereits bestehende Rollenkonflikte eines Klienten. Besonders schwerwiegend sind Rollenkonflikte, in denen der Klient sich von fremden Erwartungen zerrieben erlebt. Speziell in der Sandwichposition und zwischen gegenläufigen Interessengruppen im Unternehmen ist der Umgang mit Rollen oft von Konflikten begleitet. Die gestellten, oft gegenläufigen Erwartungen an den Klienten führen zu hohen Reibungsverlusten im Alltag. Der Klient ist nicht in der Lage eigene Ziele in seiner Arbeit umzusetzen.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die präventive Arbeit an Rollenkonflikten. Stehen Veränderungsprozesse an (Rollenänderung, z.B. Aufstieg zur Führungskraft, Veränderung der Position im Unternehmen), ist mit diesem Tool eine Analyse der zukünftigen Situation möglich. In der Coaching-Praxis kann so ein Klient in seiner Entwicklungsphase zur Führungskraft gezielt unterstützt werden.
Das Tool Intra-Rollenkonflikte bietet eine gute Möglichkeit zu verstehen, wieso an bestimmten Stellen warum Reibungsverluste durch Rollenkonflikte entstehen. Mit dieser Reflexion entwickelt sich die Fähigkeit, eigene Ziele effektiver umzusetzen und seine eigene Rolle zu finden.
Dabei müssen sowohl die Rollenerwartungen des Umfelds als auch die eigenen Erwartungen erkannt und analysiert werden. So kann dann entschieden werden, diesen Erwartungen gezielt zu entsprechen (eine Rolle annehmen) oder nicht zu entsprechen (Rolle gestalten). Die Balance und konsequente Wahl zwischen äußeren und inneren Erwartungen, ein richtiger und konstruktiver Umgang damit ermöglichen ein dauerhaftes und erfolgreiches Ausfüllen der Rolle.
Dieses Tool eignet sich grundsätzlich zur Bearbeitung von Rollenkonflikten für die Anwendung in einer Sitzung. Bei komplexeren Rollenkonflikten kann das Tool auch auf zwei Sitzungen ausgedehnt werden.
In Intra-Rollenkonflikten ergibt sich der Konflikt aus zwei gegensätzlichen Erwartungen an eine Rolle. Der Klient nimmt in diesem Tool konkret eine Analyse der Erwartungen zweier unterschiedlicher Umfelder an seine Rolle vor. Hier eröffnen sich für den Klienten und die Wahl seiner Rolle grundsätzlich drei Handlungsmöglichkeiten: Er kann entscheiden, einer Seite gerecht zu werden und somit die Erwartungen eines Umfeldes voll zu erfüllen. Er kann der anderen Seite voll gerecht werden. Oder er kann sich für eine Neugestaltung der Rolle entscheiden, indem er gezielt Elemente der Rolle in seinem Sinne verändert.
In jedem Fall, bei jeder Entscheidung wird er sich mit enttäuschten Erwartungen, vielleicht auch mit Widerstand seitens seines Umfelds auseinandersetzen müssen. Bei der Rollenneugestaltung ist sogar davon auszugehen, dass er alle Erwartungen an seine Rolle nicht erfüllen wird.
Er wird nach seiner Entscheidung Kraft für deren Umsetzung brauchen. Um diese Kraft zu generieren, ist es für den Klienten sinnvoll, sich über seine Erwartungen an sich selbst bewusst zu sein. Dieses Bewusstsein hilft ihm zu ermitteln, mit welchen förderlichen, persönlichen Überzeugungen und Eigenschaften er die Rolle ausfüllen muss, um sich erfolgreich den Konflikten auszusetzen. Ebenso wichtig ist auch die Analyse der Handlungskonsequenzen seiner Entscheidung, um die getroffene Rollenentscheidung auch dauerhaft umsetzen zu können.
In der präventiven Arbeit an Rollenkonflikten, werden Erwartungen und Konflikte hypothetisch angenommen und wie bereits reale Konflikte analysiert.
Die Analyse der Erwartungen der Umfelder wird mit Hilfe von Bodenankern (z.B. farbige DIN A4 Blätter) vorgenommen. Der Klient kann damit verschiedene Positionen einnehmen und sich so auf die jeweilige Perspektive einlassen. Der erste Bodenanker wird in die Mitte des Raums gelegt und markiert die Position des Klienten. Daneben legt der Klient jeweils einen „Umfeld“-Bodenanker, der die jeweiligen Erwartungen seines Umfeldes, z.B. des Chefs, darstellt.
Der Coach begleitet den Klienten an den jeweiligen Positionen mit nachfolgenden Fragestellungen:
Als ersten Schritt befragt der Coach den Klienten mit Blick auf die Bodenanker über die Rolle, deren Eigenschaften und wie er diese Rolle empfindet. Der Blick auf die Bodenanker hilft dem Klienten, seine Situation vor dem „inneren“ Auge entstehen zu lassen. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Diese Fragen helfen dem Klient sich von der Meta-Ebene her in seine Thematik einzufühlen. Durch die Arbeit mit den Bodenankern ist für ihn der Konflikt jetzt außerhalb seiner Person im Raum verortet. Er kann sich ohne emotionalen Druck in den Konflikt hineindenken.
Der Coach bittet den Klienten sich nun auf einen der Umfeld-Bodenanker zu stellen und nur aus dieser Sicht die Erwartungen an seine Rolle zu beschreiben. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Hat er die Erwartungen des Umfeldes ausreichend beschrieben, bittet ihn der Coach sich von diesen Erwartungen zu lösen und aus dem Bodenanker wieder auf die Meta-Ebene zu kommen. Ist der Klient bereit, dann stellt er sich in gleicher Weise auf den Bodenanker des zweiten Umfelds und beschreibt nun die Erwartungen an seine Rolle aus dieser Perspektive. Anschließend begibt er sich wieder auf die Meta-Ebene.
Mit dem Blick auf beide Bodenanker und auf die dort verorteten Rollenerwartungen gibt der Klient eine erste persönliche Einschätzung der Lage. Hilfreich ist hier die Anregung des Coachs: „Die Situation ist kompliziert und die Erwartungen an Ihre Rolle stark. Aber das sind ja die Erwartungen der Anderen. Was ist eigentlich mit Ihnen? Angenommen, es gäbe die Anderen gar nicht. Was hätten Sie für Erwartungen an sich und Ihre Rolle?“
Wichtig ist, dass der Klient nun konzentriert auf seinem eigenen Bodenanker arbeiten kann und die Umfeld-Bodenanker ihn dabei nicht stören, er aber deren Existenz mit den verbunden Erwartungen weiterhin spürt.
Auf seinem eigenen Bodenanker stehend beschreibt der Klient seine Rolle und seine Erwartungen an sich. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Hat der Klient auch die eigenen Erwartungen beschrieben, bittet ihn der Coach sich auch von ihnen zu lösen und aus dem Bodenanker wieder auf die Meta-Ebene zu kommen. Anschließend begutachtet der Klient nochmals die einzelnen Thesen und Erwartungen. Anregungen hierzu sind:
Besteht an dieser Stelle eine hohe emotionale Intensität oder haben sich sehr viele neue Erkenntnisse für den Klienten eingestellt, kann es zielführend sein, die weitere Analyse in einer zweiten Sitzung weiterzuführen. Der Klient hat die Möglichkeit, durch das Gespräch mit dem Coach, aber auch durch die Zeit zwischen zwei Sitzungen, die neuen Erkenntnisse etwas setzen lassen zu können. Zu Beginn einer zweiten Sitzung sollte der Klient aus der Meta-Ebene heraus die Erkenntnisse der ersten Sitzung zusammengetragen.
Die nachfolgende Entscheidung über die Rolle wird von Coach und Klient in der Meta-Ebene geführt. Die Bodenanker liegen im Raum vor beiden und helfen dem Klienten, sich die Situation vor Augen zu führen.
Annahme einer Rollenerwartung Der Coach befragt den Klienten, mit Blick auf die Bodenanker, nach den Konsequenzen, wenn er die Rolle von einem der beiden Umfelder übernehmen würde. Dabei richtet sich die Konzentration zuerst auf einen Bodenanker und die damit verbunden Konsequenzen, anschließend auf den zweiten. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
An dieser Stelle des Prozesses ist es gut möglich, dass für den Klienten zwei Szenarien entstanden sind, die er ablehnt. Ist das der Fall, hilft der Coach mit Hinweis auf die Möglichkeit, dass der Klient auf Basis der gemachten Erkenntnisse versuchen könnte, eigene Schwerpunkte in der Rolle zu setzen.
Gestalten der Rolle Hier unterstützt der Coach den Klienten mit der Frage: „Rein hypothetisch, wenn es möglich wäre die Rolle zu gestalten, wie – unter Berücksichtigung der Erwartungen beider Umfelder – könnten Sie Ihre Rolle erfolgreich gestalten? Und wie würde sie aussehen?“ Hat der Klient ein Bild für eine mögliche, selbst gestaltete Rolle gewonnen, ist es jetzt wichtig, über Handlungskonsequenzen nachzudenken. So kann das Bild der eigenen Rolle geschärft werden.
Konsequenzen analysieren Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Sind diese drei Möglichkeiten im Coaching ausgearbeitet, bittet der Coach den Klienten sich rein hypothetisch für eine Möglichkeit zu entscheiden.
Ist die hypothetische Entscheidung erfolgt, tritt der Klient nochmal in seinen eigenen Bodenanker, um die neu gewählte Rolle in Bezug auf sein Umfeld wahrzunehmen. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Ist die Rollenwahl getroffen, gibt der Klient der gewählten Rolle einen (positiven) Namen, wodurch sie greifbarer wird. Der Klient tritt aus seinem Bodenanker zurück auf die Meta-Ebene. Fühlt er sich mit seiner Entscheidung wohl, ist der Abschluss des Prozesses möglich.
Fühlt er sich damit unwohl, bietet ihm der Coach die Möglichkeit an, etwas weiter vorne im Prozess nochmal einzusteigen: Sinnvoll kann sein, nochmal die eigenen Erwartungen an die Rolle zu prüfen (3.) oder die Entscheidung über die Rolle nochmal zu durchlaufen (4.).
Mit Blick auf den durchlaufenen Prozess regt der Coach den Klienten an, die langfristigen Konsequenzen der Rollenwahl aus der Meta-Ebene zu reflektieren. Hilfreiche Anregungen für den Klienten hierzu sind:
Zuletzt fasst der Klient die Ergebnisse aus einer Sicht zusammen und bestimmt, ob die Entscheidung für ihn aus jetziger Sicht passend ist.
Der Coach sollte den Klienten emotional auffangen und ihn unterstützen können, wenn er sich in der ersten Phase mit den Erwartungen auseinandersetzt. Beim Sprung auf die Meta-Ebene sollte er den Klienten zu einer betrachtenden Haltung seines Themas führen können.
Wichtig ist bei der Durchführung dieses Tools, den Klienten in der Gegenüberstellung beide Erwartungshaltungen getrennt erleben zu lassen. So wird spätestens aus der Sicht der Meta-Ebene klar, dass bei widersprüchlichen Erwartungen an die Rolle seine aktive Entscheidung zwingend ist, um nicht dazwischen zerrieben zu werden. Mit dieser Erkenntnis ist der Weg für den Klienten geöffnet eine aktive Entscheidung über seine Rolle treffen zu wollen.
Je nach Komplexität oder emotionaler Intensität des Rollenkonfliktes kann es sinnvoll sein, die Durchführung auf zwei Sitzungen zu verteilen. Zunächst sollte in der ersten Sitzung die Auseinandersetzung mit dem Konflikt und die Reflexion auf der Meta-Ebene bearbeitet werden. In der nächsten Sitzung dann die Entscheidung über die Rollenwahl, die Analyse der Konsequenzen und die Einnahme der Rolle auf dem Bodenanker. So kann der Klient als Hausaufgabe die Entscheidungsmöglichkeiten in Ruhe durchdenken.
Die Durchführung des Tools dauert ca. zwei bis drei Stunden. Für die Sitzung werden als Bodenanker Blätter (DIN A4) benötigt.