Die Art und Weise, wie Medien produziert werden, hat sich drastisch geändert. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen die Erwartung bedienen, dass man jeden Inhalt jederzeit an jedem Ort und auf jedem Endgerät konsumieren kann. Das erfordert anderes Arbeiten in neuen Strukturen. Für viele Journalisten erscheint das wie ein Angriff auf die eigene Rolle und das professionelle Selbstverständnis.
Traditionelle Berufsbiografien, die sich bislang vor allem auf ein Medium konzentrierten – „Ich mache Fernsehen!“ oder „Ich mache Hörfunk!“ –, werden immer weniger gebraucht. Das Schlagwort heißt nun: Crossmedialität. Ein Thema wird gleichzeitig für verschiedene Medien und unterschiedliche Ausspielwege produziert.
Der gesellschaftliche Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender ist groß. Immer mehr Menschen fragen sich, warum sie den Rundfunkbeitrag zahlen sollen, wenn sie die Angebote kaum nutzen. Kleine, radikale Gruppen polemisieren in den sozialen Medien gegen ARD und ZDF. Sie wollen diese am liebsten abschaffen, nehmen sie nicht mehr als unparteiisch wahr, sondern als Teil des verhassten „Establishments“. Es gilt, die Jugend anzusprechen und zu halten. Mit inhaltlichen Angeboten, aber vor allem mit der Anpassung an ihr Nutzungsverhalten von Medien. In Zeiten, in denen sich die Gesellschaft so schnell verändert, in Zeiten von „Fake News“, von Shitstorms gegen Institutionen, aber auch gegen Einzelne werden sichere Kommunikationsräume immer wichtiger. Diese müssen für die Nutzer verlässliche Informationen und Botschaften produzieren und ihnen auch die Möglichkeit geben, sich selbst darin zu bewegen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht also vor zwei Herausforderungen: Er muss (1) sich selbst weiterentwickeln. Er muss seine Strukturen integrativ gestalten, seine Arbeitsweisen verändern, seine Rollen differenzieren. Aus journalistischen Einzelkämpfern muss eine journalistische Verantwortungsgemeinschaft werden. So dass es parallel dazu möglich wird, (2) den gesellschaftlichen Kommunikationsraum zuverlässig und vertrauenswürdig zu bespielen und den Nutzern immer wieder verständlich zu machen, dass dies einen Mehrwert hat.
Organisationsentwicklung setzt z.B. da an, wo Planer der unterschiedlichen Medien an einem Tisch sitzen und die Themen des Tages miteinander verhandeln. Zentral wird für die unterschiedlichen Wellen der Hörfunkprogramme entschieden, welche Themen laufen. Das steht im Gegensatz zur vorherigen Struktur, wo in jedem Bereich autonom über das eigene Programm entschieden wurde.
Die Umsetzung der organisationsentwicklerischen Maßnahmen scheitert häufig, wenn sie nicht durch Coaching der Entscheider und Kulturentwicklung unterstützt werden. Denn vor allem im Coaching reflektieren sie ihr eigenes Selbstverständnis und lernen, dieses weiterzuentwickeln. Diese Erfahrung hat auch Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen, gemacht: „Journalisten sind sehr oft Einzelkämpfer. Also sehr starke Leute, die selbstverantwortlich unterwegs sind. Aber selbstverantwortlich auch in dem Sinne: Nur für sich selbst verantwortlich.“ Gerade im journalistischen Milieu müsse man „für Kooperation sorgen“, indem ein hierfür förderliches Klima erzeugt werde, so Metzger.
Journalisten sind Experten für die Kommunikation nach außen, für das Analysieren und Bewerten gesellschaftlicher und anderer Phänomene. Diese Kompetenzen stehen ihnen in ihren Rollen als Führungskräfte bezogen auf das eigene System natürlich auch zur Verfügung. Als „Veränderungsmanager“ ihrer eigenen Organisation müssen sie von „Ansagern“ und „Bewertern“ aber auch zu „Gestaltern“ werden. Was es neu zu lernen gilt, ist ein didaktisch-pädagogisches Verhaltensrepertoire, um die Teams gut einzubinden. Dafür gibt es Methoden, die leicht erlernbar sind. Außerdem braucht es aber auch eine Haltungsänderung, die sich selbst und den eigenen Mitarbeitenden mit viel Wohlwollen und Konsequenz das Talent unterstellt, in die notwendige Entwicklung hineinzukommen. In die „journalistische DNA“ häufig eingebrannt ist aber die scheinbar natürliche Abscheu gegenüber allem, was „als pädagogisches Gedöns“ daherkommt.
Um das Bewahren des sicheren Raumes in Zeiten von Veränderung, darum ging es Metzger. Er hat sich in den vergangenen Jahren in der ARD und in seinem eigenen Haus explizit dafür engagiert, den Medienwandel ernst zu nehmen und frühzeitig auf strukturelle und kulturelle Weiterentwicklung der Sendeanstalten zu setzen.
Bei Radio Bremen wurden vor zwölf Jahren neue Strukturen geschaffen, die medienübergreifendes Arbeiten begünstigen. Bis dahin war der Sender noch so aufgebaut, wie die meisten ARD-Anstalten es bis heute sind: mit Fernseh- und Hörfunk-, Betriebs-, Produktions- und Verwaltungsdirektion. Die Online-Bereiche sind meistens ohne eigene Direktion irgendwo angeschlossen. Jede Direktion ist mit ihrem eigenen Budget ausgestattet. Das meiste Geld liegt bei den linearen Organisationsstrukturen. Bei Radio Bremen wurden alle Medien in einer „Programmdirektion“ integriert – mit einem einzigen Budget. Betrieb, Produktion, Verwaltung und neu: das Themenfeld „Unternehmensentwicklung“ wurden in die „Direktion für Unternehmensentwicklung und Betrieb“ zusammengefasst. Dies geschah aus einer Notsituation heraus, denn zu jener Zeit wurde das Budget von Radio Bremen, das als kleinste ARD-Anstalt schon immer von den anderen Sendern querfinanziert wurde, stark gekürzt. Es bedurfte also einer drastischen Veränderung, in deren Vollzug Radio Bremen die erste crossmedial aufgestellte Anstalt der ARD wurde. Die neue Struktur stand in den ersten Jahren jedoch nur auf dem Papier: Gearbeitet wurde wie bisher. „Der Programmdirektor hat sich nur um Fernsehen gekümmert, sein Stellvertreter hat sich nur um Radio gekümmert und ‚online‘ saß irgendwo im Keller, um die hat sich gar keiner gekümmert“, erinnert sich Metzger im Gespräch mit der Autorin dieses Beitrages.
Bei Radio Bremen als kleinster Rundfunkanstalt der ARD (300 Mitarbeiter, 30 Führungskräfte) wurde wie unter einem Brennglas deutlich, wie stark das Silodenken der Führungskräfte war und wie gering die Bereitschaft, über den Tellerrand des eigenen Mediums und der eigenen Aufgabe hinweg Verantwortung zu übernehmen. Metzger setzte deshalb zusammen mit seiner Direktorin für Unternehmensentwicklung Brigitta Nickelsen systematisch auf Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung (siehe Abb.1), die gemeinsam mit dem Programmdirektor gesteuert wurden. Das Ziel: Führungskräfte werden ein starkes Team, das in der Lage ist, die Kultur im Haus zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Ein Hinweis darauf, warum die Interventionen erfolgreich waren: Die drei waren stets Teilnehmende ihrer eigenen Maßnahmen und damit immer selbst Lernende in ihrer eigenen Organisation. Das Maßnahmenkonzept orientierte sich Schritt für Schritt an den Bedürfnissen und Reifegraden der Protagonisten der Organisation und wurde sukzessive in den Team-Coaching-Terminen der drei Entscheider weiterentwickelt.
Verstärker und Katalysator der konzertierten Maßnahmen war also das wiederkehrende (Team-)Coaching der Direktoren, des Intendanten und einzelner Führungskräfte. „Wir müssen das erste Modell für Teamplay für unsere Führungskräfte sein“, davon war Nickelsen überzeugt. Das bedeutete auch, sich immer wieder mit den eigenen Ambivalenzen und Widerständen auseinanderzusetzen – bezüglich der eigenen Bereitschaft, als synchronisiertes und kompromissfähiges Team zusammenzuwachsen.
Als Team und mit Unterstützung eines Führungskräfte-Entwicklungsprogramms ist es gelungen, das Führungsverständnis im Hause zu professionalisieren. In Einzel-Coachings konnte individuell an den eigenen Rollen weitergearbeitet werden. In sogenannten „Führungswerkstätten“ war es flankierend möglich, sowohl horizontales als auch vertikales Teambuilding weiter zu verstärken (siehe Abb. 1).
Vor zwei Jahren startete die Re-Organisation der Chefredaktion mit dem Ziel, crossmediales Arbeiten im Kerngeschäft des Senders – der regionalen Aktualität – weiter voranzubringen. Mitarbeitende und Führungskräfte taten sich zunächst sehr schwer damit, strukturelle Veränderungen und neue Produkte im Alltag mit Leben zu füllen. Vor diesem Hintergrund wurde der nächste konsequent auf den vorherigen Maßnahmen aufgebaute Schritt konzipiert: ein maßgeschneidertes „OE-Curriculum“ (siehe Abb. 2) mit der Möglichkeit, eigene Projekte mit den realen Stakeholdern zu planen und coaching-basiert zu reflektieren. Das Ziel: die Teilnehmenden zu befähigen, ihre Change-Prozesse aktiv und konsequent kulturbildend zu gestalten.
Die erste Gruppe von Teilnehmenden setzte sich aus den Spitzenführungskräften der Organisation zusammen: dem Intendanten als Auftraggeber und Impulsgeber, der Direktorin für Unternehmensentwicklung, dem Programmdirektor, der Chefredakteurin, der Leiterin der Medienforschung, dem Justiziar, dem Leiter der Personalabteilung, der Leiterin der Intendanz, dem Finanzchef, den Wellenchefs. „Die Tatsache, dass wir unser erweitertes Direktorium selbst zu Organisationsentwicklern ausgebildet haben, (…) hat diese Führungsgruppe noch mal sehr viel stärker miteinander verbunden, miteinander in den Austausch gebracht und sehr viel kompetenter gemacht. Das hat die Atmosphäre stark in Richtung Vertrauen und Kooperation verändert“, resümiert Metzger. In der zweiten Gruppe, die gerade läuft, sind Wellenchefs, Fernsehchefs, die stellvertretende Chefredakteurin, der Technikchef, die Leiterin des Controllings, etc. Die dritte Gruppe mit einem wiederum erweiterten Kreis von Führungskräften startet im Herbst dieses Jahres und wird in kleineren Arbeitsgruppen on-the-job ausgebildet.
Die Art und Weise des Arbeitens in allen drei Modulen orientierte sich u.a. am Modell der Kulturbildung von Dr. Bernd Schmid (Schmid & Messmer, 2005). Dieses geht davon aus, dass sich jeder Mensch, jedes Subsystem innerhalb einer Organisation seine eigene Wirklichkeit konstruiert. Auf eine Botschaft „von außen“ kommen unzählige eigene Botschaften „von innen“, die das Zuhören und Verarbeiten dieser neuen Botschaft beeinflussen und steuern. Der Schlüssel zur Verständigung untereinander und zum Steuern von an Change-Prozessen beteiligten Menschen besteht darin, deren unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen erfahrbar zu machen und sogenannte „Gemeinschaftswirklichkeiten“ zu generieren. Zur „steuernden Rolle“ einer Führungskraft in einem Change-Prozess kommt also eine „erforschende Rolle“ hinzu, die durch Fragen permanent die Wirklichkeitskonstruktionen der anderen am Prozess beteiligten eruiert und einlädt, diese im Sinne der angestrebten Ziele weiterzuentwickeln. Dieses Handeln wurde an realen Projekten mit den realen Beteiligten geübt.
Beispiel 1: Der Intendant stellt seine „Strategie-Landkarte“ vor. Stellvertretend für die Gruppe werden die Chefredakteurin und die Leiterin der Intendanz von den Coaches gebeten, die Kernbotschaften zunächst wortwörtlich zu wiederholen. Im Anschluss werden alle aus der Gruppe befragt, zu welchen der Botschaften sie Zustimmung, zu welchen sie Ablehnung empfinden und was ihre konkreten Beiträge in der Umsetzung dieser Strategie sein könnten.
Beispiel 2: Die stellvertretende Chefredakteurin wird von den Coaches interviewt, unter welchen Voraussetzungen das wellenübergreifende crossmediale Arbeiten funktionieren kann. Die Wellenvertreter innerhalb der Gruppe werden gebeten, die Aussagen zu wiederholen und erst im Anschluss ihre Bedenken dazu zu äußern.
Die gesamte Gruppe erarbeitet nach dem Gehörten Vorschläge, wie aus ihren Perspektiven heraus das gemeinsame Publizieren besser gelingen kann. In Live-Coaching-Sequenzen sind die Coaches Modell für die „erforschende Rolle“.
Beispiel 3: Der Leiter der Personalabteilung wird von den Coaches befragt, was bei ihm vom Gehörten angekommen ist und welche Ableitungen er daraus für die Beiträge seiner Abteilung zum Gelingen des Prozesses treffen kann. Dabei wird er sich gewahr über die eigene Bedeutung in diesem Prozess und wie er darin wirksam werden und zum Gelingen beitragen kann.
Am Ende der drei Module hat jede Gruppe u.a. ein Spektrum eigener themen- und prozess-kompatibler Coaching-Tools erarbeitet, die im Alltag in originalgetreuer oder abgewandelter Form eingesetzt werden können. Einen Einblick in den Transfer dieser Tools in den Alltag liefert das Beispiel des Onboardings des neuen „Regio-Chefs“. Der Regio-Chef ist eine neue Funktion, die dafür sorgen soll, dass ausspielwegübergreifend Beiträge produziert und publiziert werden. Der Regio-Chef wird von der Chefredakteurin allen beteiligten Personen in der Organisation vorgestellt. Dabei werden die zu Informierenden zunächst gebeten, selbst auf Fragen zu antworten, um deren „Wirklichkeitskonstruktion“ in Bezug auf die neue Funktion erfahrbar zu machen. Dieses Tool (siehe Abb. 3) ist zukünftig in auf den Anlass angepasster Weise weiter zu nutzen.
Ein anderes Beispiel für den Transfer des Gelernten zeigen die „siloübergreifende Leitung“ aus Chefredakteurin und Programmchef von Bremen 2 und die Zusammensetzung einer Gruppe aus Mitarbeitenden der Chefredaktion und den vier Wellen. Diese kümmern sich selbständig um die verbesserte Verständigung an ihren Schnittstellen im Alltag. Im Curriculum gelernte Coaching-Tools unterstützen sie dabei. Die Leitenden geben der Gruppe nichts vor, sondern coachen und entwickeln diese, so dass sie selbständig in der Lage sind, miteinander Workshops durchzuführen. In diesem Beispiel leitet die Gruppe Mitarbeitende in einem Workshop an, die anderen Wellen und deren „Kultur“ zu erkunden (siehe Abb. 4).
Die konsequent praxisorientierte Personal- und Organisationsentwicklung bei Radio Bremen erzielt große Effekte. Das Coaching und die Teamentwicklung der Auftraggeber selbst ist ein wesentlicher Faktor zur Steuerung der notwendigen Veränderungen im System. Coaches befähigen die Führungskräfte im Hintergrund, selbständig die Bühnen ihrer Change-Prozesse erfolgreich zu bespielen. „Unsere Führungs-Crew ist heute viel enger miteinander verbunden und miteinander im Austausch“, sagt Metzger. „Dieses gegenseitige Vertrauen ist unsere wichtigste Ressource in Zeiten von großer Unsicherheit und rascher Veränderung geworden. Eben weil wir uns in unseren Rollen aufeinander verlassen können, arbeiten wir nicht nur gut zusammen – sondern sind vor allem auch sehr erfolgreich!“
Literatur
Schmid, Bernd & Messmer, Arnold (2005). Systemische Personal, Organisations- und Kulturentwicklung. Bergisch Gladbach: EHP.
Das Thema Teamentwicklung sieht natürlich immer wie Gedöns aus: Wir sind doch ein Team, wir reden doch miteinander! Und Journalisten sind sehr starke Einzelkämpfer, weil sie sich ganz oft auch mit ihrer professionellen und manchmal auch persönlichen Identität – wenn sie vorm Mikrofon sitzen oder vor der Kamera stehen – zeigen müssen. Das ist ein bestimmter Menschentyp, der da natürlich auch angezogen wird: Leute, die selbstverantwortlich unterwegs sind. Aber selbstverantwortlich auch in dem Sinne: Nur für mich selbst verantwortlich. Sie sind nicht unbedingt besonders gute Teamplayer.
Und gerade in einem solchen Milieu, wo man möglicherweise sehr starke, talentierte, charismatische Einzelkämpfer hat, ist es umso wichtiger, mit einem Meta-Thema wie Teamentwicklung zu kommen, denn in diesem Milieu stellt sich Kooperation nicht von alleine her. Kooperation stellt sich nicht dadurch her, dass man eine Abteilung oder eine Redaktion hat, deren Chef oder Chefin sagt, wo es langgeht. Sondern man muss gerade in diesem Milieu, glaube ich, für Kooperation sorgen. Die von oben müssen zeigen, dass es erwünscht ist, und man muss ein Klima schaffen, in dem Kooperation möglich wird.
Das muss man als Prozess wollen und auch dafür sorgen, dass es passiert. Und hier haben wir das ganz systematisch gemacht: Wir haben Coaching und Teamentwicklung auch rausgebracht aus dieser Gedöns-Sphäre, sondern verstehen es als ein Instrument mehr, um gute Arbeit zu machen.
Das hat natürlich insofern mit handelnden Personen zu tun, als diejenigen, die die Protagonisten oder die ersten Protagonisten eines solchen Prozesses sind, irgendeine Art von Überzeugung und Verständnis haben müssen, dass es so herum geht.
Vorher war das jedenfalls hier nicht üblich, weil mein Vorgänger, glaube ich, von diesem ganzen „Gedöns“ gar nichts gehalten hat.
Es ist doch so, dass sich unsere Arbeitswelt insgesamt, aber gerade die Arbeitswelt in den Medien rasant verändert und wir immer mehr, wenn wir auf die Produkte sehen, mit Leuten kooperieren müssen, die uns eigentlich – und zwar gilt das für alle – fremd sind. Plötzlich hat man Programmierer in einem Journalistenteam, um Datenjournalismus machen zu können. Oder man hat Grafiker, um irgendwelche User-Interfaces gescheit umsetzen zu können. Oder man hat Mediengestalter, die allein von der Seite der Inhalte kommen und helfen, die Sachen überhaupt auf die Straße zu bringen. Unsere organisationsentwickelnden Maßnahmen haben sich als extrem fruchtbar erwiesen. Bis hin zu dem Thema, das Sie ja selbst am allerbesten kennen: die Tatsache, dass wir unser erweitertes Direktorium selbst in Organisationsentwicklung weitergebildet haben, was ja erst mal „strange“ ist, – als hätten die Leute keine anderen Sorgen – hat diese Führungsgruppe noch sehr viel stärker miteinander verbunden, miteinander in den Austausch gebracht und sehr viel kompetenter gemacht. Das hat die Atmosphäre noch mal verändert.
(Überlegt) Also, da gibt es eine ganze Menge Sachen: Weil wir klein sind, weil wir arm sind, weil wir Lösungen brauchen, die außerhalb des Finanziellen liegen, sind wir in vielen Sachen einfach früher dran als andere. Das geht los damit, dass wir eine Produktionstochter haben, und das geht weiter damit, dass wir eine Inhalte-Direktion und transparente Budgets für alle unsere Produkte haben. Gehen Sie mal in andere Häuser und fragen, was eine Sendung wirklich kostet! Ich finde das immer wieder schockierend, wie gering ausgebildet Steuerungsmöglichkeiten in anderen Häusern sind, weil die ganz vieles einfach nicht wissen! Bis hin zu den Kulturthemen, wo wir eben, wie beschrieben, Kooperation bewusst bearbeiten und fördern – bis hin zu Produkten, die wir machen. Wir haben 0,75 Prozent des Fernsehvertragsschlüssels: Das ist ungefähr unser spezifisches Gewicht in der ARD – weniger als 1 Prozent! Wir haben eine Sichtbarkeit und eine Wahrnehmung, die einem Viel-, Viel-, Vielfachen von dem entspricht. Ja, warum ist das so? Weil wir auf andere Art und Weise arbeiten, als die meisten anderen das tun!
Insofern glaube ich, gibt es ganz vieles, was man von Radio Bremen übernehmen könnte. Diese Art von Wissenstransfer passiert aber nur sehr, sehr zögerlich.
(lacht) Wir hatten mal eine Klausur, die eigentlich eine Inhalteklausur war. Die ist von einem externen Berater moderiert worden. Ich habe mich dann später mal mit ihm unterhalten und er sagte: Sie sind ja vielleicht ein disparater Haufen! Das stimmt auch: Wir sind ein disparater Haufen! Auch das ist besser geworden und die Qualität unserer Diskussionen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Aber ich sag mal, das könnte man natürlich noch ganz anders machen. Das ist nur schwierig, weil da auch Leute sitzen, die sagen: Also, dafür ist meine Zeit doch zu schade. Da gibt es keine Bewusstheit, dass das allen nützen würde. Und insofern – der Meta-, der Helikopter-Blick auf das, was wir da treiben, den nimmt in dieser Gruppe niemand ein.