Von grundsätzlich zu stellenden ethischen Ansprüchen im Umgang mit Mitarbeitern einmal abgesehen: Weshalb sollten Unternehmen überhaupt ein professionelles Trennungsmanagement betreiben? Schließlich gibt es im Bereich der Human Resources Felder, die mit deutlich positiveren Konnotationen besetzt sind als die Abwicklung von Entlassungen (Fricke, 2017). Weshalb sollten sie Zeit und Geld in ohnehin ausscheidendes Personal investieren und formale Strukturen aufbauen, um Mitarbeiter im Kündigungsfall nicht alleinzulassen?
Auf das Wesentliche runtergebrochen lässt sich die Frage wie folgt beantworten. Nicht nur kann eine gütlich geregelte Trennung bekanntermaßen kostenreduzierend wirken, indem z.B. im Klagefall entstehende Prozesskosten vermieden (siehe auch BDU, 2017) oder Abfindungszahlungen reduziert werden. Viel wichtiger: Die Art und Weise, wie sich ein Unternehmen von Mitarbeitern trennt, wirkt sowohl imagebildend nach außen (Employer Branding) als auch in das Unternehmen hinein und nimmt betriebswirtschaftlich relevanten Einfluss, beispielsweise auf das Recruitment oder die Mitarbeiteridentifikation und -bindung.
Weniger abstrakt gesprochen: Fühlt sich ein entlassener Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber „vom Hof gejagt“ oder „einfach fallengelassen“, so wird dies in aller Regel nicht sein Geheimnis bleiben. Familie, Freunde und Bekannte des Betroffenen werden es mit hoher Wahrscheinlichkeit erfahren – und ebenso sein (womöglich branchenweites) berufliches Netzwerk einschließlich der bisherigen Kollegen. Lässt ein Unternehmen in Trennungsfällen Wertschätzung und Struktur im Umgang mit den Geschassten vermissen, kann die (auch digital erfolgende und dadurch beschleunigte) Mundpropaganda zum öffentlichen und brancheninternen Bild des Unternehmens negativ beitragen. Insbesondere Fach- und Führungskräfte, die gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit die Wahl haben, werden es sich dann genauer überlegen, ob sie bei „einem solchen“ Arbeitgeber einsteigen möchten. In den Reihen der Belegschaft könnte nach und nach vermehrt der Wunsch aufkommen, zu einem mitarbeiterfreundlicheren Unternehmen zu wechseln, bevor man noch selbst „fallengelassen“ wird. Können sich Arbeitgeber dies in Zeiten des Demografischen Wandels und eines von ihnen selbst vielpropagierten Fachkräftemangels leisten? Eher nicht.
In den Unternehmen sind diese Zusammenhänge offenbar mehrheitlich bekannt. Im Rahmen der vom Beratungsunternehmen Kienbaum im Jahr 2016 durchgeführten Studie „Trennungsmanagement 4.0 – Themen, Trends und Best Practices“ stimmten 70 Prozent der insgesamt 433 Teilnehmer (Unternehmensvertreter, davon u.a. 48 Prozent Personalleiter sowie 15 Prozent Geschäftsführer bzw. Vorstände) der Aussage zu, wenn Trennungen unprofessionell verliefen, spreche sich dies auf Online-Plattformen herum und beeinflusse das Image eines Unternehmens negativ. Im Umkehrschluss darf gefolgert werden, dass sich ein gutes Trennungsmanagement auf die genannten Faktoren sogar positiv auswirken kann. So stimmten 81 Prozent der Befragten der Aussage zu, ein professionelles Trennungsmanagement habe einen positiven Einfluss auf das Engagement der verbleibenden Mitarbeiter und ihr Vertrauen gegenüber dem Unternehmen.
Angesichts dieser Ergebnisse kommt in dem Umstand, dass zugleich 70 Prozent der in der Studie befragten Unternehmensvertreter zu Protokoll gaben, ihre Organisation verfüge über keine Trennungskultur (Strategien und definierte Prozesse etc.), eine starke Diskrepanz zum Ausdruck. Kurz gesagt: Es besteht offensichtlich Nachbesserungsbedarf. Können auch Coaches in diese Lücke stoßen und hiervon profitieren? Lassen sich im Bereich des Trennungsmanagements Felder finden, in denen Coaching-Kompetenz besonders gefragt ist oder sein müsste?
Auf welche Faktoren kommt es bei der Gestaltung von Trennungsprozessen an? Wie die Kienbaum-Studie zeigt, spielen vor allem die sogenannten Soft Facts eine herausragende Rolle, soll eine Trennung beiderseitig als fair und vertrauensvoll empfunden werden. So landen zahlen- und faktenbasierte, sprich „harte“ Aspekte wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Ausscheidens aus dem Unternehmen sowie das Treffen klarer Vereinbarungen und fairer vertraglicher Regelungen nicht in der Top 10 der aus Perspektive der Befragten wichtigsten Gesichtspunkte. Als wichtig darf hingegen unter anderem ein gut geführtes Trennungsgespräch verstanden werden. Ein solches zu führen und zu steuern, d.h., mit möglicherweise hochkochenden Emotionen konstruktiv umzugehen und zugleich sowohl Überbringer der schlechten Botschaft als auch Stütze sein zu müssen, dürfte auch für erfahrene Führungskräfte in aller Regel kein leichtes Unterfangen darstellen.
„Emotionen werden in der täglichen Führungsarbeit oftmals ausgeblendet und in einer Trennungssituation stehen sie – völlig unerwartet – im Vordergrund, weit über das eigentliche Trennungsgespräch hinaus“, verdeutlicht Unternehmensberater Bernd Fricke (2017). Vor diesem Hintergrund muss als kritisch erachtet werden, dass die Mehrheit der Führungskräfte, folgt man den Ergebnissen der genannten Studie, mit dieser schwierigen Aufgabe alleingelassen wird. Nur 34 Prozent der Teilnehmer gaben an, Führungskräfte würden in ihren Unternehmen systematisch auf das Führen von Trennungsgesprächen vorbereitet. Ein Vakuum, das von Coaches sinnvoll gefüllt werden könnte?
Im Grundsatz kann diese Frage bejaht und zur Begründung beispielsweise das Konflikt-Coaching als Lieferant von Analogien herangezogen werden, da es in diesem ebenfalls um den Umgang mit emotional aufgeladenen Situationen geht: Situationen, die für viele tendenziell eher in Sachfragen denkende Führungskräfte (siehe auch Fricke, 2017) ungewohnt sind.
Ein professioneller Umgang mit Konflikten, so Business-Coach und Herausgeber des Coaching-Magazins Christopher Rauen (2017), könne in einem Führungskräfte-Coaching geübt und verbessert werden. Als Coaching-Methoden kämen hierzu vor allem das Simulieren von Konfliktsituationen und die Vorbereitung entsprechender Gespräche und Vermittlungsversuche infrage. Zudem könne ein Coaching dabei helfen, Führungskräfte in der Wahrnehmung beginnender Konflikte zu schulen, um einer möglichen Eskalation vorzubeugen. Darüber hinaus sei ein mit gutem Einfühlungsvermögen ausgestatteter Coach dazu in der Lage, die „innere Logik“ derjenigen Führungskräfte zu verstehen, die wenig empathisch handeln. Der Coach könne ihnen dabei helfen, die negativen Konsequenzen eines zu harten Vorgehens in der Mitarbeiterführung auf Basis von Selbstreflexion zu erkennen. Aspekte, die sicher auch hinsichtlich des Führens von Trennungsgesprächen von Bedeutung und somit auf die Vorbereitung dieser übertragbar sind.
Dennoch legen die Ergebnisse der Kienbaum-Studie nahe, dass die unterstützende Rolle, die ein guter Coach im Zuge der Gesprächsvorbereitung einnehmen kann, in den Unternehmen unterschätzt wird. Findet eine Vorbereitung der Führungskraft auf ein anstehendes Trennungsgespräch statt, so wird dies nach Auskunft der Befragten im Regelfall durch die HR-Abteilung geleistet. Coaches sind hier weit abgeschlagen und bringen ihre Dienste bezeichnenderweise nur geringfügig häufiger zum Einsatz als Anwälte, deren Beratung vorrangig arbeitsrechtlicher Natur sein dürfte.
Arbeit ist für viele Menschen ökonomische Existenzgrundlage, sozialer Anker und Quelle der Anerkennung und des Selbstwertes zugleich. Vor allem nach bereits längerer Unternehmenszugehörigkeit kann die Kündigung eines Mitarbeiters daher eine starke Belastung für diesen bedeuten. Am Anfang einer ggf. als Teil des Trennungspaketes vereinbarten Outplacement-Beratung (positiver konnotiert: Newplacement-Beratung) kann in einem solchen Fall – wie Coaches dies auch im Kontext anderer Coaching-Anlässe zahlreich berichten – ein entlastendes Cooling-Down stehen. Auch das Erarbeiten neuer arbeitsbezogener Perspektiven, das den wesentlichen Pfeiler der Outplacement-Beratung darstellt, sollte – ähnlich des Karriere- bzw. Job-Coachings – zu den Kompetenzen eines Coachs gehören. Es darf die Frage in den Raum gestellt werden, ob ein Berater nicht sogar zwingend über Coaching-Kompetenz verfügen und einen coachenden Gesprächsansatz praktizieren sollte, um diese Aufgaben im Sinne der Selbstbestimmung des Klienten erfüllen zu können.
Klienten und Auftraggebern scheint Coaching-Know-how gleichwohl aber nicht auszureichen, wie eine Marktstudie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU, 2017) aussagt. Im Rahmen der Erhebung berichteten 95 Prozent der befragten Outplacement-Berater, ihnen sei in ihrer Berufspraxis der Wunsch der Klienten nach einer aktiven Platzierungsunterstützung begegnet. Einer entsprechenden Trendthese stimmten 89 Prozent der Teilnehmer zu, die nach Angaben der Studienverantwortlichen rund 60 Prozent des Marktumsatzes im Bereich des Outplacements in Deutschland abdecken. Ein Coaching allein stelle kein ausreichendes Angebot dar, schlussfolgert der BDU.
Outplacement-Beratung verzeichnet eine gute konjunkturelle Entwicklung. Die Studie des BDU (2017) beziffert den Branchenumsatz des Jahres 2016 auf 81 Millionen Euro. Hiermit weist sie eine deutliche Steigerung gegenüber dem in einer Vergleichserhebung des Jahres 2013 ermittelten Wert von 74 Millionen Euro (2004: 40 Millionen) aus. Bereits 2013 war ein Rekordwert erreicht worden. „Wir nehmen deutlich wahr, dass besonders die Betriebsräte Vereinbarungen der Unternehmensleitung für Outplacementberatungs-Programme viel offensiver unterstützen und befürworten als zurückliegend“, kommentierte der damalige BDU-Vizepräsident Herbert Mühlenhoff.
Die Beratung der Ausscheidenden gehört mittlerweile zum Trennungs-Repertoire vieler Unternehmen, wie die Kienbaum-Studie belegt. 85 Prozent der Befragten gaben an, ihr Unternehmen greife auf externe Newplacement-Dienstleistungen zu. Dies mag die überwiegend getroffene Aussage, es bestehe in den Unternehmen keine echte Trennungskultur, etwas relativieren. Allerdings: Über den Einsatz des Instruments wird laut der Studienergebnisse eher einzelfallbasiert entschieden. Hierbei gilt wenig überraschend: Je größer das Unternehmen ist, desto häufiger wird die Beratung angeboten.
Coaching kann im unternehmerischen Trennungsmanagement sinnvoll zum Einsatz kommen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Unterstützung von Führungskräften, die in der unangenehmen und schwierigen Rolle sind, Trennungen vollziehen zu müssen, als auch mit Blick auf die Begleitung der Ausscheidenden bei deren Neuorientierung. Gerade der Einsatz in der Out- bzw. Newplacement-Beratung dürfte angesichts der beschriebenen aktuellen Marktlage potenziell lohnenswert sein, setzt jedoch zugleich zunehmend Know-how voraus, das über klassische Coaching-Kompetenz hinausgeht.
Wollen Coaches hier weiterhin oder sogar verstärkt am Markt teilhaben, so scheint es unabdingbar, das Beratungsprofil stets auf dem neuesten Stand zu halten – und zwar auch hinsichtlich dessen, was von den Klienten an konkreten Platzierungsleistungen eingefordert wird. Dies schließt unweigerlich das Digital-Know-how (siehe auch BDU, 2017) ein, schließlich ist zu erwarten, dass Unternehmen gerade auch ihr Recruitment noch weiter digitalisieren werden, um im „Wettbewerb um die besten Köpfe“ schrittzuhalten.
Schwieriger dürften es aktuell Coaches haben, die sich vor allem zur Vorbereitung von Führungskräften auf Trennungsgespräche anbieten möchten. Weder gehört diese gezielte Vorbereitung – im Gegensatz zur Newplacement-Beratung – zum Repertoire vieler Unternehmen, noch sind Coaches in den Fällen, in denen die Vorbereitung doch vorgenommen wird, die erste Wahl.
Optimistischer gedeutet: Hier ist noch viel Luft nach oben, die mit entsprechender Überzeugungsarbeit genutzt werden könnte. Aus Sicht der Unternehmen mag es sich auch anbieten, HR-Verantwortliche, denen die Vorbereitung der Führungskräfte auf Trennungssituationen – sofern diese überhaupt stattfindet – offenbar überwiegend anvertraut wird, noch stärker als bisher mit Coaching-Kompetenz auszustatten.