Business-Coaching bietet professionelle Nähe zu Management-Themen und Feldkompetenz bei personellen und systemischen Herausforderungen in Organisationen. Coaching hat sich als Tandem-Kommunikation für Unternehmen etabliert und deutlich zu einer Professionalisierung in Gesprächsführung und variablem Methodeneinsatz beigetragen. Neben dieser Expertise wächst in Unternehmen ein Modell der Personalentwicklung, das ebenfalls auf eine Tandem-Gesprächsführung abzielt: das Mentoring. Hier geht es um Programme, die in einem disziplinarisch unabhängigen Rahmen eine längerfristige Tandem-Kommunikation zwischen Mentor und Mentee fördern sollen.
Im Unterschied zu Coaching werden im Mentoring nicht professionelle Kommunikatoren eingesetzt, sondern interne Führungskräfte mit Erfahrungswissen. Dieses Wissen sollen sie an Nachwuchskräfte weitergeben, die am Anfang einer Führungs- oder Fachkarriere stehen. Im Folgenden geht es insbesondere um die Mentoren-Rolle und die Fragen, ob
Während größere Unternehmen auf internes Mentoring setzen, finden sich kleinere und mittlere Unternehmen zu unternehmensübergreifenden Cross-Mentoring-Programmen zusammen. „Das Cross-Mentoring als Verbundprojekt ermöglicht gerade für Fachkräfte aus kleineren Unternehmen vielfältige Möglichkeiten zu persönlicher Entwicklung. Der Erfahrungsaustausch – das Schauen über den Tellerrand hinweg – und die Workshops vermitteln nützliches Handlungswissen im beruflichen Alltag“, so die Mentorin Anna-Christina Horstmann (2015; 42). So wie die Mentorin sehen auch kleinere und mittelständische Unternehmen eine große Chance des Cross-Mentorings darin, unter anderem die Arbeitgeberattraktivität, zukunftsorientierte Personalentwicklung und die Bindung hochqualifizierter Nachwuchskräfte an das Unternehmen zu stärken.
Welche Berührungen, Unterschiede und Grenzen zwischen Mentoring und Coaching zeichnen sich durch diese Entwicklung ab? Rauen (2003) hat auf klassische Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten von Coaching und Mentoring hingewiesen, hier vier ausgewählte Aspekte:
Beiden Modellansätzen gemeinsam ist nach Rauen unter anderem die konstuktive Beziehungsgestaltung, Karriere- und Lebensberatung, die Zuhörerrolle sowie die Konzentration auf das Praxisfeld des Mentees bzw. Coaching-Klienten. Darüber hinaus zeigt sich heute, dass Mentoring und die Förderung der jungen Generation auf einige neue Herausforderungen reagieren müssen, z.B. auf den demografischen und wirtschaftlichen Wandel der Gesellschaft.
Ein aktueller Berührungspunkt zwischen Coaching und Mentoring entsteht aus der wach senden Bedeutung der hochqualifizierten Fachkräfte. Als Konsequenz der flacher werdenden Hierarchien tragen diese Fachkräfte mittlerweile große Verantwortung in der Projekt- und Prozesssteuerung und im Change-Management. Fachverantwortliche haben heute vergleichbare Schlüsselfunktionen wie Führungskräfte. Das Phänomen der „Dynaxität“ – eine zunehmenden Vermischung von Dynamik und Komplexität – stellt sich Führungs- und Fachkräften gleichermaßen.
Business-Coaches kennen diese Themenstellungen sehr gut aus ihren Coachings. Sie können ihr neutrales Überblickswissen mit Methodensicherheit und Prozess-Knowhow als Schlüsselqualifikation für das Mentoring von Fachkräften einbringen, insbesondere, wenn diese vor allem fachliche Förderung erfahren haben. Neben Erfahrung, Passung zum Mentee und eigener Motivation werden bei der Fachkräfteentwicklung die Erfahrungsträger im Umgang mit der Generation Z besonders gefordert.
Der klassische Erfahrungsvorsprung der Älteren und das früher geltende Beziehungsgefälle der „Wissenden“ gegenüber den „Schützlingen“ ist heute in dieser bekannten Art nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wissensvermittlung ist für die social-media-erfahrene junge Generation und die Möglichkeiten globaler Netzwerke selbst gestaltbar. Mentoring muss deshalb einem symmetrischen, auf Gleichwert ausgerichteten Grundgedanken folgen.
Die Fachkräfte-Mentees treffen in ihrem Berufsleben auf sich ständig verändernde Rollen und Funktionen im Projektmanagement, die Technik wandelt sich rasant und mehrere Projekte werden i.d.R. parallel bearbeitet (SHS CONSULT, 2014). Es sind neue Berufsbilder und Kompetenzprofile entstanden, die es noch vor wenigen Jahren gar nicht gab und zu denen die älteren Mentoren oft keinen unmittelbaren Zugang haben.
Zugleich bewegen die junge Generation eigene Fragen der Balance zwischen Berufs- und Privatleben und der Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben. Sie legen auf Statussymbole, die früher große Bedeutung hatten wie z.B. Dienstwagen, deutlich weniger Wert als ihre älteren Kollegen. Mentoren sollten bereit sein, mit ihren Mentees diese neuen Erfahrungswelten und Empfindungen zu teilen. Es geht im „Mentoring 4.0“ um diese fachlich hochqualifizierte Generation Z und eine zugewandte, neue Offenheit bei der Entwicklung ihrer beruflichen Ziele und persönlichen Wünsche und Sehnsüchte (Strikker, in prep).
Neben einem neuen Rollenverständnis und der Notwendigkeit spezifischer Qualifikationen deuten sich im Mentoring 4.0 für Fachnachwuchskräfte grundsätzliche Fragen zur Auswahl der Mentoren an. Viele ambitionierte Führungskräfte sind in komplexe Abstimmungsprozesse eingebunden, reisen viel und haben wenig Raum für die Beziehungsgestaltung im Mentoring. Es wird daher in der Fachkräfteentwicklung besonders wichtig werden, dieses zeitkritische Problem auszugleichen und eher symmetrisch agierende, engagierte Erfahrungsträger aus den Reihen der Fachverantwortlichen anzusprechen.
Gerade Fachkräfte aus mittleren oder kleineren Unternehmen mit Führungserfahrung haben erlebt, dass sie auf die Führungsrolle kaum bis gar nicht vorbereitet wurden, und wollen dies im Mentoring nicht wiederholen. Ein Abteilungsleiter eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens unterstreicht dies in einem Gespräch über fehlende Begleitung bei Fachkarrieren:
„Wir sind in den vergangenen Jahren sehr schnell gewachsen und haben die besten Fachkräfte zu Führungskräften gemacht. Aber menschlich haben wir ihnen dabei keine Unterstützung gegeben. Sie konnten mit schwierigen Situationen gar nicht gut umgehen. Deshalb haben wir viele gute und vor allem jüngere Mitarbeiter verloren, die sich, frustriert über ihre Führungskräfte, wegbeworben haben.“
So stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, neben älteren Führungs- und Fachkräften deutlich jüngere Mentoren mit Nähe zur Generation Z zu gewinnen und zu qualifizieren. Damit verbunden ist auch der Gedanke, dass sich für die Fachkräfte-Erfahrungsträger ein doppelter Gewinn ergeben könnte: Durch eine Mentoring-Qualifizierung bekommen sie auch Impulse und neue Methoden für ihre eigenen Aufgaben und Steuerungsfunktionen. So entwickeln sie ihre Gesprächsführung im
Tandem mit ihren Mentees weiter und können diese Anregungen direkt für ihre Kommunikation im operativen Alltag nutzen, in dem neue fachliche, aber auch interkulturelle und kommunikative Verständigungsfragen eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen würden mit Mentoring 4.0 einen wertschöpfenden – und wertschätzenden – Beitrag zur horizontalen Personalentwicklung leisten.
Business-Coaches sind offen gegenüber den Zielen und Vorhaben ihrer Klienten, sie folgen grundsätzlich den Fragestellungen ihrer Klienten und stärken deren Lösungskompetenzen. Wie offen ist demgegenüber ein Mentor oder eine Mentorin in einem klar strukturierten Förderprogramm für Führungs- oder Fachkräfteentwicklung?
Führungsentwicklung und Fachkräfteentwicklung verlaufen in den meisten Unternehmen getrennt voneinander, was zu teils strikter Trennung beider Zielgruppen und deren interner Förderung führt. Die Personalentwicklerin eines IT-Unternehmens begründet ihre Bedenken zum Thema Führung für Fachkräfte im Rahmen der Konzeptionierung eines Cross-Mentoring-Programms:
„Wir wollen in unserer Personalentwicklung keine falschen Erwartungen an Aufstiegsmöglichkeiten wecken. In unseren Programmen achten wir deshalb strikt auf zielgruppenspezifische Themen. Das bedeutet, dass wir in Fachkräfteentwicklungsprogrammen das Thema Führung explizit nicht ansprechen, sondern auf Themen wie Teamentwicklung und Projektmanagement setzen.“
Was bedeutet diese deutliche Beschränkung und gedankliche wie konzeptionelle Trennung zwischen Fach- und Führungslaufbahnen für Mentoring von Fachnachwuchskräften? Wie kann Mentoring diesen Spannungsbogen lösen und die Mentees dennoch angemessen fördern? Kann Business-Coaching hier eine verbindende Brücke bieten?
Zumindest lässt ein Blick aus wissenschaftlicher Perspektive anraten, eine neue, erweiterte Sicht auf die Zielgruppe der fachlich qualifizierten Leistungsträger und Nachwuchskräfte zu entwickeln, wenn Unternehmen den Wettbewerb um die Besten dauerhaft gewinnen wollen. Eine aktuelle Studie zu Mentoring-Programmen für MINT-Fachkräfte zeigt auf, dass eine wichtige Herausforderung darin besteht, die jungen Fachkräfte grundsätzlich zu ermutigen, ihre Kompetenzen im Unternehmen zu zeigen:
„Für die Mentees des MINT-Mentoring Plus war es wichtig, hier individuelle persönliche und berufliche Kompetenzen wie Selbstpräsentation, Durchsetzungsstrategien, Entscheidungssicherheit, Kommunikation und stärkeres Selbstbewusstsein zu erwerben. Führungskompetenzen waren eher nachrangig.“ (Wegert, 2014; 64)
Ehe sich der Eindruck vertieft, es bestehe eine distanzierte Haltung der jungen Fachkräfte gegenüber Führung, sollte dieser Aspekt weiter wissenschaftlich untersucht werden. In allen drei Durchgängen des untersuchten Mentoring-Programms wurde aber erkennbar, dass die Mentees mehrheitlich dazu neigen, bei ihrem (intrinsischen) Interesse an beruflicher Entwicklung stärker auf die fachliche Qualität ihrer Arbeit in ihren Projekten als auf persönliche Sichtbarkeit zu achten.
Erfüllen sie vielleicht vorauseilend die ihnen entgegengebrachte Zielsetzung vieler Firmen, in ihren Fachkarriere-Laufbahnen zu bleiben? Sollen Mentoring-Programme sie weiter in dieser Haltung bestärken? Für die Inhalte der Programme und für die Rollen im Mentoring sind Antworten auf diese Fragen wesentlich.
Welche Expertise kann Coaching in diesen Spannungsbogen zwischen Fach- und Führungskräfteentwicklung einbringen? Eine der Kompetenzen von Business-Coaching liegt in der professionellen Vertragsgestaltung und Klärung der Zielsetzungen von Coaching-Klient und Unternehmen zu Beginn jedes Coaching-Auftrags. Diese grundsätzliche Abstimmung sollte ähnlich transparent für Mentoring-Prozesse und Programme zwischen Mentor, Mentee und den fördernden Unternehmen stattfinden. Coaching kann die geeigneten Methoden dafür an die Hand geben.
Im Coaching sind offene Gesprächsführung, passgenauer Methodeneinsatz und die freie Entwicklung von Zielsetzungen ein besonderes Qualitätsmerkmal. Zugleich ist Business-Coaching an die Entwicklung der Klienten in ihren Organisationen gebunden und orientiert sich an einem komplementären, die unterschiedlichen Interessen von Mensch und System integrierenden Ansatz. Diese Anforderung, eine systemische und persönliche Gebundenheit einerseits und die freie Prozessbegleitung andererseits miteinander professionell zu verbinden, ist das Besondere, das Coaches zu wertvollen Lernpartnern für Mentoren macht.
Wie die oben genannte Studie herausstellt, werden im Fachkräfte-Mentoring wichtige Coaching-Themenstellungen wie Persönlichkeitsstärkung und Ermutigung im eigenen Auftreten gewünscht. Coaches verfügen über entsprechende Tools und entwickeln ihre Methoden ständig weiter, je nach Zielgruppe und Anliegen in den Coachings (Stelter, 2014). Davon kann Mentoring profitieren, denn die Beziehung zwischen Mentor und Mentee gelingt heute besonders gut, wenn die Tandems die Fähigkeit zur wertschätzenden sozialen Interaktion ähnlich dem Business-Coaching einbringen.
Eine solche Dynamik entsteht keinesfalls zufällig und erfordert methodisches Geschick und strukturierte Gesprächsführung. Dann kann im Mentoring etwas Besonders entstehen und verschiedenen Generationen ein gemeinsames neues Lernfeld bereitstellen: „Die Mentees wünschen sich einen Mentor, der ihnen Feedback gibt, sie in Berufs- und Lebensplanung berät und sie ermuntert, herausfordernde Aufgaben anzunehmen. Dies verlangt Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich der Feedbackregeln, die sowohl Mentor als auch Mentee kennen und anwenden können sollten, als auch Grundfertigkeiten der beratenden Berufe wie z.B. eines Coaches.“ (Wegert, 2015; 65)
Es lässt sich ableiten, dass eine fachliche Begleitung durch professionelle Coaches sowohl für die didaktische Struktur der Mentoring-Programme wie auch für die Qualifikation der Mentoren ein Gewinn für alle Beteiligten wäre. Mentees brauchen – um sich auf sich selbst konzentrieren zu können – Mentoren, die geeignete Methoden kennen und diese professionelle Kompetenz auch passend einsetzen. Die dafür notwendige Prozessqualität können Mentoren von Coaches lernen und ihren Mentoring-Prozess entsprechend strukturieren. Dieser kann in seinen Grund zügen ähnlich einem klassischen Business-Coaching verlaufen.
Wie die Kommunikation zwischen den Tandems gestaltet wird, hängt zu einem großen Teil vom eigenen Engagement und der Bereitschaft ab, sich verbindlich zu treffen, gegenseitige Besuche in den Firmen zu vereinbaren oder sich, wie im Business-Coaching üblich, dem Shadowing (Begleitung am Arbeitsplatz) und dem Einsatz virtueller Kommunikationsmittel zu öffnen. Auch hier können Business-Coaches wertvolle Hinweise geben, vor allem im Umgang mit den fördernden Unternehmen.
Um der eigenen Rolle und der Abstimmung mit dem Unternehmen entscheidendes Gewicht zu geben, sollten sich Mentoren mit ihren Mentees und deren Vorgesetzten, wie ein Business-Coach dies mit Klient und dessen Vorgesetzten tun würde, mindestens zu Beginn und zum Abschluss des Mentorings austauschen und sich als Triade verstehen, die an einem Strang zieht. Diese Triade sollte frühzeitig abstimmen, auf welche Weise Rückmeldungen und Feedback untereinander ausgetauscht oder zurückgehalten werden sollen, und sicherstellen, dass die Vertraulichkeit der Tandem-Beziehung und die klare Fokussierung des Mentors auf ihren Mentee im Fokus des Mentoring-Programms stehen. Nur so kann später die „Staffelübergabe“ zurück an die Vorgesetzten und die Unternehmen gelingen und das Fachkräfte-Mentoring 4.0 nachhaltig zum Erfolg führen.
Mentoring 4.0. erfordert vom Mentor, ähnlich wie vom Business-Coach, sich in eigenen Deutungen und Lösungsvorschlägen nicht nur zurückzuhalten, sondern sich in der methodischen Vorgehensweise auf die individuellen Bedürfnisse und innere Gedanken- und Gefühlswelt der Nachwuchskräfte und deren Projektmanagementleben, inmitten von Komplexität und Dynamik, zu konzentrieren.
Der Business-Coaching-Ansatz ist eine komplementäre Ergänzung zum Erfahrungswissen und daher besonders geeignet für eine Übertragung auf Mentoring, insbesondere auf das Mentoring von Fachkräften, die sowohl beruflichen wie persönlichen Entscheidungen offen gegenübertreten wollen.