Gerade in Bezug auf Ingenieure gibt es viele Stereotype, die uns weismachen wollen, wie „der“ Ingenieur wirklich ist. Was einem am häufigsten begegnet: Ingenieure als introvertierte Tüftler, Bastler und detailverliebte Perfektionisten. Bei sozialen Kompetenzen sollte man nicht zu viel von ihnen erwarten, außerdem seien sie konfliktscheu. Smalltalk bei Partys könnten sie nicht ausstehen, an der Entwicklung von Soft Skills seien sie sowieso nicht interessiert.
Bei genauerem Betrachten sind diese Vorurteile nicht nachvollziehbar. Denn Beobachtungen zeigen, dass sich auch in dieser Personengruppe alle Persönlichkeitsmerkmale in allen Ausprägungen zeigen. Trotz beruflicher Sozialisation sind Ingenieure ganz normale Menschen, die auch außerhalb ihres Berufs ihr Leben bewusst gestalten. Mit Partner, Kindern, Hobbys, Sehnsüchten und Hoffnungen, Herausforderungen und Sorgen. Menschen, die im privaten Umfeld vielleicht überhaupt nicht den typischen Vorstellungen von einem Ingenieur entsprechen. Da gibt es den extravertierten Elektroingenieur, der in seiner Freizeit eine Theatergruppe leitet. Den Bauingenieur, der von vornherein ganz klar macht, dass er auf der Baustelle nur über Beziehungsautorität führen kann – so habe er es ja früher schon als Jugendleiter im Verein gemacht. Den Agraringenieur, der stolz erzählt, zu welchen psychologischen Themen er schon Bücher gelesen hat, weil Psychologie sein Hobby ist. Und die Ingenieurin, die dann – ausgerechnet(!), möchte man sagen – doch einmal alle Klischees erfüllt.
Als Coach darf man nicht den Fehler machen, sich von den verbreiteten Vorstellungen zu dieser Berufsgruppe in seiner Wahrnehmung einengen zu lassen. Das ist der erste wesentliche Unterschied zum Coaching von vielen anderen Führungskräften: Der Coach muss sich gerade im technischen Umfeld bewusst von seiner eigenen Befangenheit und gesellschaftlichen Klischees befreien und dem Klienten als Individuum begegnen, das er noch nicht kennt – sonst wird man ihm wenig helfen können. Der Coach lässt sich also auf einen einzigartigen Menschen ein, mit seiner ganz persönlichen Geschichte, mit seiner besonderen Persönlichkeit, seinen ihm eigenen Stärken und Schwächen.
Aber ist das nicht bei allen Klienten so? Ist ein Artikel über das Coaching von Ingenieuren in Führungspositionen überhaupt gerechtfertigt? Ja, denn das technische Umfeld und die professionellen Anforderungen definieren für Ingenieure einen Denk- und Bezugsrahmen, der – unabhängig von ihrer Persönlichkeit – ihre berufliche Wahrnehmung und ihr Verhalten im beruflichen Kontext prägt. Wie eine „Brille“ führt dieser Rahmen dazu, dass manche Aspekte der Arbeit klarer gesehen werden und im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Gleichzeitig ist der Blickwinkel aber auch verengt und der Klient in einer vom Job verursachten „Expertentrance“: Aufgaben und Prozesse müssen ausschließlich auf eine bestimmte fachliche Art und Weise angegangen werden.
Diese Einengung der Wahrnehmung führt oft zu einer unangemessenen Übertragung von technischen Vorgehensweisen auf zwischenmenschliche Themen sowie Anliegen, bei denen es um persönliche Veränderung geht – und aus der Expertenperspektive wird eine „Problemtrance“. Es kommt zum einen zum Ignorieren von Ressourcen (weil die Führungskraft auch von der eigenen Firma auf den technischen Aspekt reduziert wird, obwohl andere Persönlichkeitsmerkmale für viele Führungsaufgaben hilfreich wären). Zum anderen entsteht ein weiteres Spannungsfeld für diejenigen, deren Persönlichkeit nicht den gängigen Klischees entspricht: Diese Mitarbeiter müssen sich oft stärker anpassen als es ihnen und ihrer Arbeit gut tut.
Der Klient ist ein 45-jähriger Ingenieur, der als Abteilungsleiter fünf Teams mit insgesamt 70 Mitarbeitern bei einem Automobilzulieferer führt. Aufgrund der Ergebnisse eines Development Centers (Defizite in den Bereichen Durchsetzungsvermögen und Kommunikation) wurde ihm von der Personalabteilung ein Coaching nachdrücklich empfohlen. Die zuständige Personalreferentin wendet sich an den Coach mit der expliziten Begründung, dass „es hier jemanden braucht, der mit typischen Ingenieuren klar kommt.“ Der Coach nimmt diesen unbewussten Versuch, seine Wahrnehmung einzuengen, wahr und entscheidet bewusst, dem Klienten mit aller Offenheit und Neugier zu begegnen.
Schon im Vorfeld des Coachings ist es für den Coach wichtig, sich nicht vom „technischen Paradigma“ aufs Glatteis führen zu lassen. Im Laufe des Coaching-Prozesses (siehe unten) wird dann auch deutlich, dass der Klient sich stark an die stereotypgeprägte Kultur des Unternehmens anpassen muss und an manchen Stellen seine Persönlichkeit verleugnet.
Eine Reihe weiterer Besonderheiten spielt beim Coaching von Ingenieuren in der Regel eine gewichtigere Rolle als bei Klienten mit einem anderen Hintergrund. Diese werden im Folgenden erläutert und anhand des Fallbeispiels konkretisiert.
Ingenieure bringen aufgrund ihres Studiums und den Anforderungen an ihren Beruf vielfältige Kompetenzen mit. Insbesondere Ingenieure in Führungspositionen haben bereits bewiesen, dass sie etwas können. Dazu kommen sämtliche (scheinbar) berufsfremden Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften wie z.B. Neugierde oder der Wille, sich weiterzuentwickeln. Es ist wichtig, den Klienten mit diesen Kompetenzen wahrzunehmen und mit wertschätzendem Feedback zu würdigen. Das hilft ihm, sich ernst genommen zu fühlen und gar nicht erst auf die Idee zu kommen, beim „Seelenklempner“ gelandet zu sein.
Zum Fallbeispiel: Im Auftragsklärungsgespräch, an dem auch sein Vorgesetzter und die Personalreferentin teilnehmen, macht der Klient deutlich, dass er selbst nicht von der Notwendigkeit des Coachings überzeugt ist: „Ich habe mich einfach nicht ausreichend vorbereitet, weil das Tagesgeschäft meine volle Aufmerksamkeit erfordert hatte. Die aktuellen Kundenprojekte waren mir wichtiger.“ Auch sein Vorgesetzter ist skeptisch: „Schaden wird das Coaching sicher nicht.“ Auf die Frage, was denn im Coaching passieren müsste, damit es sich gelohnt hat, zuckt der Klient mit den Schultern: „Das ist Ihr Problem, ich brauche das Coaching ja nicht unbedingt.“ Mühsam gelingt es, zumindest ein paar Themenbereiche schriftlich zu fixieren, an denen gearbeitet werden soll.
Der erste Eindruck: Welten prallen aufeinander – ein hoch kompetenter Ingenieur wird dazu verdonnert, „zum Psychologen“ ins Coaching zu gehen, möglicherweise weil er sich im Development Center einfach nur „politisch unkorrekt“ verhalten hat und „er selbst“ war, statt der „typische Ingenieur“. Eine belastbare Arbeitsbeziehung zum Coach fehlt (noch). Die Zielklärung wird nur Erfolg haben, wenn es gelingt, eine Vertrauensgrundlage zu schaffen. Der Coach entscheidet sich, die Auftragsklärung in der großen Runde zu beenden und später unter vier Augen fortzusetzen.
Abgesprochen war, den Coaching-Prozess noch am selben Tag nach einem Mittagessen mit dem Klienten zu beginnen. Das Essen ist eine Chance: Coach und Klient kommen über persönliche Themen ins Gespräch, die nichts mit dem Beruf und der Firma zu tun haben. Der Klient wird als Persönlichkeit auch außerhalb des beruflichen Kontexts sichtbar und nicht nur als Ingenieur mit den bekannten Stereotypen. Zufällig wird ein gemeinsames Hobby entdeckt, über das ein intensiver Austausch beginnt. Hierdurch lockert sich der Klient und ändert allmählich seine innere Haltung, und der Coach entdeckt erste Hinweise auf persönliche Ressourcen, die dem Klienten grundsätzlich zur Verfügung stehen. Das ist ihm ein wertschätzendes Feedback wert.
Im anschließenden ersten Coaching-Gespräch wird auf die Frage hin, welche Fähigkeiten ein guter Abteilungsleiter in seinem Arbeitsbereich (aus seiner Sicht) braucht, eine Liste von gut einem Dutzend Skills erstellt, die am Whiteboard festgehalten wird. Zu jeder Fähigkeit wird eine Skala von null bis zehn gezeichnet. Der Klient markiert, wie er sich hier selbst einschätzen würde. Es entsteht ein Fähigkeitenprofil mit Werten zwischen vier und neun. Grund genug, seine Stärken ausführlich zu würdigen und mit ihm über seine Kompetenzen zu sprechen.
Die Lösung von Klischees und der wertschätzende Fokus auf berufliche und persönliche Stärken und Kompetenzen des Klienten tragen sehr schnell dazu bei, dass sich die Coaching-Situation komplett wandelt: Von Skepsis und Ablehnung („Für den Coach bin ich doch nur ein Fachidiot, der im Development Center versagt hat.“) zu einer tragfähigen und konstruktiven Arbeitsbeziehung („Der Coach nimmt mich als kompetenten Mitarbeiter, der eigenverantwortlich handelt, und als Mensch wahr.“).
Gerade der technische Hintergrund von Klienten bietet eine Vielzahl an Gelegenheiten zur Utilisation. Dem Klienten bekannte Methoden, Abläufe, Vorgehensweisen etc. werden bewusst als Startpunkt im Coaching gewählt, um mit ihm dann, wenn die Arbeitsbeziehung gefestigt und Vertrauen entstanden ist, auch auf unbekanntem Terrain weiterzuarbeiten. Insbesondere ist es ratsam, sich als Coach auch die hohe Ziel- und Ergebnisorientierung vieler Ingenieure zunutze zu machen: Der Coach stellt Coaching von Anfang an als eine ziel- und ergebnisorientierte Methode vor und beginnt den Prozess mit einer ausführlichen Zielklärung. Die klassische Einstiegsfrage: „Welches Ergebnis soll am Ende unserer Zusammenarbeit stehen, damit es sich für Sie gelohnt hat?“ erhält in diesem Umfeld ein besonderes Gewicht.
Im Fallbeispiel erarbeiten Coach und Klient am Whiteboard ein klares Profil, das Kompetenzen, aber eben auch Entwicklungspotenziale zeigt. Der Klient ist jetzt voll dabei und bereit, die Zielsetzung für den Coaching-Prozess zu konkretisieren und klar zu formulieren, wie die Ergebnisse des Coachings aussehen sollen. Nach einer subjektiven Priorisierung der Themen wird am Ende des ersten Termins ein Fahrplan für die nächsten Gespräche entwickelt. Ein Fotoprotokoll der Notizen unterstützt den Klienten dabei, sich auf den nächsten Termin anhand einer lösungsorientierten Frage vorzubereiten: „Was wäre bereits anders, wenn Sie auf diesen Skalen jeweils einen Punkt weiter wären?“
Hätte man dieses Coaching auf Video, aber ohne Ton aufgezeichnet und Mitarbeitern des Klienten vorgespielt, hätten sie zwei Personen vor einem Whiteboard mit vielen Skalen und technisch anmutenden Skizzen arbeiten sehen. Vermutlich hätten sie dann auf Projektarbeit getippt und nicht auf Themen, bei denen es um persönliche Veränderung geht. Eine Folge: Der Klient fühlt sich wohl – er erlebt das Coaching als nichts Ungewöhnliches.
Auch an anderen Stellen der Auftragsklärung und des ersten Coaching-Gesprächs setzt der Coach auf die Utilisation von zufälligen Gegebenheiten (es ist das Wesen von Utilisation, sich spontan das zu Nutze zu machen, was „da ist“). Sei es das Fachsimpeln über ein gemeinsames Hobby, die Verwendung einer Sprache, die nahe am technischen Arbeitsumfeld des Klienten ist und auch entsprechende Bilder und Vergleiche verwendet, oder die Nutzung seines Wissens, was eine gute Führungskraft in seinem Arbeitsbereich ausmacht.
Viele Wege führen nach Rom – dieser Satz kann als Leitlinie für die Methodenwahl in jedem Coaching gelten. Bei Ingenieuren spielt sie aber verstärkt eine Rolle, da manche psychologischen Methoden bei technisch geprägten Menschen verstärkt Widerstände hervorrufen können. Schon ein Stuhlkreis beim Team-Coaching kann eine Gruppe von Ingenieuren in Antihaltung versetzen: „Sind wir hier denn im Kindergarten?“ Ein Coach, der nicht methodenfixiert arbeitet, sondern hypothesengeleitet den Gesamtzusammenhang im Blick hat, kann das Setting flexibel gestalten und zwischen vielen Methoden wählen, die gleichermaßen zum Ziel führen. Gleichzeitig gilt aber: Auf der Grundlage einer guten Arbeitsbeziehung kann der Coach fast jede Methode einsetzen, solange sie zielführend ist.
Im Falle des Abteilungsleiters hat der Coach zunächst mit Skalierungen gearbeitet, also „techniknah“. Beim zweiten Termin wird deutlich, dass beim Thema „Durchsetzungsvermögen“ tatsächlich Veränderungsbedarf besteht, allerdings nicht – wie das Development Center unterstellt hat – auf der Ebene von Fähigkeiten. Vielmehr zeigt sich, dass der Klient sich grundsätzlich sehr gut durchsetzen kann, ihm dies aber in einer bestimmten Situationen nicht gelingt: Immer dann, wenn er es mit einem Mitarbeiter zu tun hat, mit dem er schon einmal auf gleicher Ebene (ohne sein Vorgesetzter zu sein) gearbeitet hat. Als sich der Coach am Flipchart mit dem Klienten einen Überblick über dessen „inneres Team“ (nach Schulz von Thun, 2013) in diesen Situationen verschafft, dominieren zwei Teammitglieder: Der Hilfsbereite und der Chef.
Der Coach wagt nun einen methodischen Sprung – weg von der Arbeit auf dem Papier hin zu einem körperorientierten Vorgehen, bei dem das innere Team im Sinne des hypnosystemischen Ansatzes von Schmidt (2014) im Körper wahrgenommen wird. Hilfreich ist dabei, dass er von dem Abteilungsleiter erfahren hat, dass dieser in seiner Freizeit Pantomime spielt (Utilisation): „Da Sie ja Erfahrung mit Pantomime haben – wäre es für Sie in Ordnung, wenn wir uns Ihr inneres Team einmal auf der ‚Bühne des Körpers‘ ansähen?“ Der Klient stimmt positiv überrascht zu.
Der Coach bittet den Ingenieur also, die inneren Teammitglieder im Körper zu lokalisieren: „Wo nehmen Sie den Hilfsbereiten in sich wahr?“ Die Antwort kommt völlig selbstverständlich: „Der sitzt im Herzen. Und den Chef nehme ich eher 20 cm über dem Kopf schwebend wahr.“ Er kommentiert dazu selbst: „Das ist wohl nicht so hilfreich, dass der Hilfsbereite so einen zentralen Platz bei mir einnimmt. Und in meiner Chefrolle bin ich in diesen Situationen dann auch nicht wirklich.“ Der Coach fragt nach, wie sich das innere Team denn anders aufstellen müsste, um hilfreicher zu sein. „Den Hilfsbereiten würde ich am liebsten in die Hosentasche stecken. Dann hätte ich ihn immer griffbereit, wenn es passt. Gleichzeitig würde er mich nicht so dominieren. Den Chef würde ich gerne wie einen Taucheranzug anziehen, wenn ich in die Firma komme. Dann hätte ich das Gefühl, dass ich ganz in der Rolle angekommen bin und mich auch durchsetzen kann, wenn es darauf ankommt.“ Der Coach hilft dem Abteilungsleiter noch, diese innere Veränderung einzuüben und zu ankern, und lädt ihn dann ein, damit bis zum nächsten Termin zu experimentieren.
Wahrscheinlich wäre es wohl auch ohne den Pantomimehintergrund des Klienten kein Problem gewesen, mit dieser eher ungewohnten und psychologisch anmutenden Methode zu arbeiten, da das auf der Beziehungsebene stimmig gewesen wäre. Dennoch: Es geht nie um die Methode an sich, sondern um einen für den Klienten hilfreichen Prozess. Klienten, insbesondere Führungskräfte, die in einem technischen Umfeld hochprofessionell arbeiten, reagieren oft – zurecht(!) – sehr empfindlich, wenn ihnen eine Methode übergestülpt wird.
In Anlehnung an Kegan & Lahey (2009) wird besonders beim Coaching von Ingenieuren klar zwischen so genannten technischen und adaptiven Veränderungen unterschieden. Auf der technischen Ebene zu lernen heißt, mehr Wissen und mehr Fähigkeiten zu entwickeln. Es geht um die Quantität unseres Könnens und Wissens. Auf der adaptiven Ebene zu lernen heißt, neue Qualitäten im Denken und Verhalten zu lernen. Es geht um Einstellungen, Paradigmen und Beliefs.
Spannend ist, dass ein und dasselbe Anliegen von manchen Menschen auf der technischen Ebene gelöst werden kann, während es für andere eine Herausforderung auf der adaptiven Ebene ist: Den wenigsten Übergewichtigen gelingt es z.B., einfach nur über die Anwendung bestimmter sinnvoller „Techniken“ (fundierte Ernährungsregeln etc.) dauerhaft abzunehmen – es gibt aber Menschen, denen das so gelingt. Die meisten hingegen müssen sich eine Lösung auf adaptiver Ebene erarbeiten, indem sie Beliefs identifizieren, die dafür sorgen, dass sie nicht abnehmen, und das System an Gedanken und inneren Haltungen Schritt für Schritt verändern.
Auch wenn es im Coaching von Ingenieuren nicht um Gewichtsprobleme geht: Hier wird überproportional häufig versucht, adaptive Veränderungsthemen auf technischer Ebene zu lösen. Wenn der Coach hier nicht klar unterscheiden kann, endet das zumindest langfristig mit einem Misserfolg.
Im Fallbeispiel wurde dem Ingenieur Coaching nahegelegt, um seine Durchsetzungsfähigkeit zu stärken. Die Vorstellung der Personalreferentin war eindeutig: „Mehr Durchsetzungskraft“. Kegan & Lahey (2009) würden diese Zielsetzung als „technisch“ einstufen. In der Arbeit mit dem inneren Team, insbesondere in der körperorientierten Variante, hat sich die Zielsetzung auf eine andere Ebene verlagert. Nun wird eine adaptive Veränderung angestrebt, bei der der Klient seine innere Haltung in bestimmten Situationen wahrnimmt, verändert und schließlich in eine andere äußere Haltung und neues Verhalten überträgt. In zwei weiteren Sitzungen haben Coach und Klient diesen Lernprozess gestaltet (und auch die restlichen am Whiteboard definierten Themen bearbeitet).
In technischen Berufen spielen Qualitätskontrollen eine große Rolle. Ingenieure sind ständig mit der Entwicklung und Einhaltung von Qualitätsmaßstäben konfrontiert. Hohe Erwartungen werden an sie gestellt – und sie stellen hohe Erwartungen an andere, auch an den Coach. Ein professionelles Auftreten und eine professionelle Gestaltung des Coaching Prozesses sind deshalb unabdingbar. Das beginnt bei einer schnellen und kundenorientierten Reaktion auf Coaching-Anfragen und zieht sich über die gesamte Gestaltung der Coaching-Beziehung bis zur Auswertung und Transfersicherung.
Nach dem schwierigen Auftakt beim Coaching des Abteilungsleiters war es dem Coach deshalb umso wichtiger, den Prozess, der nach drei Terminen abgeschlossen war, und das erreichte Ergebnis gründlich auszuwerten. Zum einen fand ein Abschlussgespräch mit dem Klienten, seinem Vorgesetzten und der Personalreferentin statt. Zum anderen reflektierte der Coach mit der Personalreferentin, was auf Seiten der Personalabteilung verbessert werden kann, um die erlebten Anlaufschwierigkeiten in Zukunft zumindest unwahrscheinlicher zu machen.
Sicher gelten viele der hier vorgestellten Beobachtungen auch für andere Berufsfelder, nicht nur im technischen Bereich. Dennoch: Die Erfahrung zeigt, dass die Besonderheiten bei Ingenieuren auch ein besonderes Vorgehen notwendig machen. Zumindest müssen die im Coaching üblichen Methoden im Licht dieser Besonderheiten reflektiert eingesetzt, flexibel angepasst und stellenweise anders gewichtet werden – dabei geht es oft um sehr kleine Anpassungen, die aber entscheidend sind. Erst dann entfalten sie ihr volles Potenzial, und aus scheinbaren Hürden werden großartige Chancen.