Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz rücken auch außerhalb gesetzlicher Regelungen verstärkt in den Fokus. Eine Entwicklung, die parallel zu dem Trend verläuft, dass psychische Belastung und Erkrankungen in sämtlichen Erwerbstätigen- und Altersgruppen zunehmend der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitigen Einstieg in das Rentenalter sind. Die heutigen Arbeitsbedingungen, die steigende Eigenverantwortung und die komplexen Berufsanforderungen führen bei vielen zu Stressempfinden. Symptome wie Erschöpfung und Schlafstörungen können langfristig in Depressionen, Angststörungen oder Burnout enden. Besondere Brisanz bekommen psychische Erkrankungen durch die überdurchschnittliche Krankheitsdauer und den damit verbundenen hohen betriebs- und volkswirtschaftlichen Schaden.
Ein entscheidender Faktor bei der Gestaltung eines positiven Arbeitsumfelds sind Führungskräfte und Manager. Besonders „menschliche“, fürsorgliche und gesundheitsorientierte Vorgesetzte können stark zur Arbeitszufriedenheit und Verbundenheit von Mitarbeitenden mit dem Unternehmen beitragen. Mitarbeitende, die ihren Arbeitgeber als sozialverantwortlich hinsichtlich Gesundheit und Wohlergehen empfinden, sind zudem bis zu fünf Tage pro Jahr weniger krank und insgesamt leistungsbereiter (AOK Bundesverband, 2022).
Die Reflexion über die eigene Führungspraxis ist im Coaching ein zentraler Ansatzpunkt. Durch einen reflektierten Blick auf die eigene Gefühls- und Gedankenwelt, auf das gezeigte Verhalten und die Wirkung dessen auf das Team können Entwicklungspotenziale identifiziert werden. Auf dieser Basis lassen sich gezielte Maßnahmen entwickeln, um die Führungskompetenz weiter auszubauen. Auch die Fähigkeit, sich selbst und andere achtsamer zu führen, können Führungskräfte durch Coaching erlernen. Damit einher geht eine bewusste, aufmerksame und präsente Grundhaltung sowohl sich selbst als auch den Mitarbeitenden gegenüber. Diese Haltung ist in der heutigen Arbeitswelt besonders wertvoll.
So agieren Führungskräfte, die bewusster mit sich selbst und ihren Mitarbeitenden umgehen, weniger destruktiv und gleichzeitig transformationaler. Weitere Aspekte sind ein gesenkter Blutdruck und ein reduziertes Stress- und Angstgefühl. Wer lernt, in dem einen Moment weniger zu grübeln, Gefühle zu ordnen und innerlich zur Ruhe zu finden, ist fokussierter, macht seltener Denkfehler und kann Impulse leichter steuern. Damit werden auch Entscheidungen besser getroffen und Prioritäten klarer gesetzt. Dass Achtsamkeit zudem die Arbeitsgedächtnisleistung und Empathiefähigkeit verbessert, zeigen verschiedene Studien (u.a. Böckler & Singer, 2022 und Valk et al., 2017). Mehr noch: Kontrolliertes Atmen, Meditation und Achtsamkeitsübungen können nachweislich sogar Hirnstrukturen positiv verändern (Rinske et al., 2016).
Durch Angebote des Coachs, die er immer aus der Haltung der Bescheidenheit und Offenheit heraus macht, wird die Wirkung von Achtsamkeit für Klienten erlebbar. Achtsamkeitsbasierte Tools werden so ins Coaching integriert. Verstärkt werden kann die Wirkung dieser Tools durch die Authentizität und das Vorleben des Coachs.
In einem achtsamen Bewusstseinszustand erhalten besonders mental ausgerichtete Menschen einen intensiveren und tieferen Zugang zur eigenen Intuition. Bewusste Atemübungen, angeleitete Meditationen und Body Scans mit einzelnen Körperteilen zielen darauf ab, wieder stärker ins Fühlen und in Verbindung mit sich selbst zu kommen. Die Aufmerksamkeit wird dabei auf ein Gefühl eines bestimmten Moments gelenkt, das dann näher beschrieben wird: Wo genau sitzt das Gefühl? Wenn es eine Farbe oder ein Klang wäre, wie würde es aussehen oder sich anhören? Allein durch das Verweilen bei Körperempfindungen, Gedanken und Gefühlen entsteht Achtsamkeit. Bei Bedarf kann im Anschluss eine Defusionsübung aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie dabei helfen, das Gefühl wieder loszulassen.
Die Angebote können aber auch dazu genutzt werden, um Zielzustände zu manifestieren und Bilder im Kopf zu erzeugen, die beim Erreichen der Ziele besonders erfolgsversprechend sind.
Kurze theoretische Inputs und Übungen helfen, das Erlebte aus dem Coaching in den Alltag zu integrieren und die Selbstreflexion zu stärken. Das gelingt etwa dadurch, bestimmte Körpersignale frühzeitig wahrzunehmen. Geht Führungskräften beispielsweise bei Konflikten das Gefühl von Macht und Kontrolle verloren, ein nachgewiesener „Puffer“ gegen Stress (Sherman et al., 2012), können sie durch Beobachtung innerer Vorgänge eine Metaperspektive entwickeln. Von dort lassen sich automatische – sprich affektive, ggf. unangemessene – Reaktionen klarer steuern und in richtige Worte fassen. Gleichzeitig wird durch das Innehalten die Wahrnehmung für die Reaktionen des Gegenübers geschärft.
Auch außerhalb von Konfliktsituationen lohnt es sich, bewusste Mikropausen, verbunden mit ruhiger, tiefer Atmung, einzulegen. Mikropausen können ein gutes Mittel sein, um sich in Phasen ständiger Erreichbarkeit und Termindrucks zu distanzieren und neu auszurichten.
Das, was Führungskräfte im Coaching-Prozess gelernt haben, können sie nach geraumer Zeit ins Team tragen. Durch eine ruhige, gelassene Ausstrahlung und eine wohlwollende, akzeptierende Haltung vermitteln sie ihren Mitarbeitenden in einem derzeit sehr volatilen Umfeld Sicherheit.
Wenn Führungskräfte für mehr Achtsamkeit im Team sorgen möchten, können sie beispielsweise Communities zum Thema achtsame Kommunikation initiieren. Dafür sollten sie zunächst einen angenehmen und geschützten Raum schaffen, in dem man sich offen und persönlich austauschen kann. Allein dieser Austausch bewirkt, dass Achtsamkeit wirklich angenommen und damit entstigmatisiert wird. Außerdem kann man in und um Meetings herum neue Routinen und Rituale wie Check-ins und Check-outs mit Bildkarten, Energiebarometer, kurze Meditationen, die „stille Stunde“ und Body Scans implementieren. Gerade in Konfliktsituationen können Führungskräfte mit systemischen Fragen arbeiten, um einen Perspektivwechsel zu bewirken, und wohlwollende Hypothesen nutzen, um Empathie füreinander zu erzeugen.
Eine sinnvolle Ergänzung stellen Mindful Leadership Trainings in Präsenzform dar. Solche Angebote sollten von der Personalabteilung angestoßen werden, um das Thema in der gesamten Organisation in die Breite zu tragen. Klassische Bestandteile dieser Trainings sind individuelle Vorgespräche sowie die Einheiten selbst mit Elementen aus dem lösungsorientierten systemischen Coaching, Live-Coachings und Übungen in Kleingruppen zu den individuellen Themen der Teilnehmenden.
Oft geht es um ganz konkrete Situationen im Arbeits- oder Privatumfeld: Wie geht man mit herausfordernden Situationen mit Mitarbeitenden, Kollegen, Kunden oder Ehepartnern um? Wie geht man mit inneren Konflikten um? Wie deeskaliert man Konflikte, in die man selbst involviert ist? Wie kommuniziert man Unstimmigkeiten und Erwartungshaltungen klar? Wie vermittelt man, was einem selbst, etwa hinsichtlich der Work-Life Balance, wichtig ist? Wie geht man mit Stress und Druck um?
Ergebnisse, die Mindful Leadership Trainings erzielen können: Besser mit dem turbulenten Arbeitsalltag, den sich ständig steigenden Anforderungen und den Erwartungen an besondere Lösungen umzugehen. Selbst klar und präsent zu sein, sich auch in schwierigen, komplexen Situationen zu orientieren, produktiv und sinnvoll vorzugehen. Dieser Gemütszustand wirkt sich erfahrungsgemäß positiv auf das Umfeld aus, sodass sich das ganze Team wohler und wertgeschätzter fühlt. Verstärkt werden die Ergebnisse, wenn Achtsamkeitsübungen per App weiterverfolgt werden.
Neben achtsamkeitsbasierten Trainings- und Coaching-Ansätzen eignen sich übergeordnete Schulungsprogramme, die einen gesunden Umgang mit permanenter Veränderung fördern. Zusätzlich schafft die Symbiose aus Training- und Coaching-Ansätzen das Zutrauen in die eigenen Möglichkeiten und Kompetenzen, Aufgaben und Herausforderungen bewältigen zu können. Fundamentaler Bestandteil übergeordneter Schulungsprogramme ist häufig die Arbeit mit Werten und die Fokussierung auf die Sinnhaftigkeit von Veränderungen, das Bewusstsein der Beteiligten, Einfluss auf Veränderungen nehmen zu können, sowie eines gestärkten Zusammengehörigkeitsgefühls durch gemeinsam erarbeitete Transformationsvisionen.
Um herauszufinden, was die Werte und Ziele von Organisationen sind und was sie brauchen, um ihre Ziele zu erreichen, bieten sich Transformations-Coachings an. Es wird gemeinsam im Management an einer Vision gearbeitet. Diese wird auf alle Ebenen ausgerollt, von der Geschäftsleitung über die unterschiedlichen Führungsebenen bis hin in die einzelnen Teams. Eine wichtige Rolle nehmen dabei Kommunikationsexperten ein: sie gestalten die Kommunikation rund um die Transformation und bilden für den nachhaltigen Erfolg Multiplikatoren bzw. „Botschafter“ aus.
Welche Maßnahmen auch immer umgesetzt werden: Unternehmen sollten nicht auf schnelle, effiziente Ergebnisse, sondern auf langfristige Effekte setzen. Erst dann profitieren sie von gesunden, resilienten, leistungsfähigen und loyalen Mitarbeitenden – im Change genauso wie im Daily Business.