Wissenschaft

Wie wählen Unternehmen Coaches aus?

Eine wissenschaftliche Studie gibt Aufschluss

In Ausgabe 4/2018 des Coaching-Magazins wurde an dieser Stelle die Studie von Kanning & Finke vorgestellt, die der Frage nachgeht, von welchen Faktoren es abhängt, ob ein Unternehmen überhaupt Coaching einsetzt. Ein weiterer Aspekt jener Studie soll im Folgenden vorgestellt werden: 257 Entscheidungsträger wurden danach befragt, anhand welcher Faktoren sie Coaches auswählen.

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2019 am 27.02.2019

In den letzten 20 Jahren hat sich Coaching als feste Größe im Methodenkanon des HR-Managements etabliert. Studien belegen den generellen Nutzen von Coaching, etwa für die Veränderung von Einstellungen, die Steigerung der Selbstregulation oder das subjektive Wohlbefinden der Klienten (Theeboom et al., 2013). Gleichwohl steht einem professionellen Coaching nach wie vor eine große Bandbreite fragwürdiger Ansätze gegenüber (Kanning, 2013). Für Unternehmen, welche die Dienstleistung von Coaches in Anspruch nehmen wollen, ist es daher wichtig, sehr sorgfältig bei der Auswahl vorzugehen. Im Rahmen einer empirischen Studie werden 257 Entscheidungsträger danach befragt, wie in ihren Unternehmen Coaches ausgewählt werden.

Hintergrund

Bislang liegen nur sehr begrenzte Erkenntnisse darüber vor, wie Unternehmen bei der Auswahl von Coaches vorgehen und inwieweit sie dabei eine hohe Qualität sicherstellen können. Eine aktuelle Befragung unter Coaches fördert vor allem zwei besonders einflussreiche Faktoren zu Tage: Der Coach sollte den Entscheidungsträgern im Unternehmen von Bekannten empfohlen werden und selbst über umfangreiche Berufserfahrung verfügen. Als vergleichsweise unbedeutend erweisen sich hingegen Zertifizierungen oder Mitgliedschaften in Fach- oder Berufsverbänden (Middendorf & Salamon, 2017). Dies bestätigt eine Umfrage unter 71 Unternehmen. Fast drei Viertel der Befragten halten bei der Auswahl eines externen Coachs die persönliche Empfehlung für sehr wichtig. Sie ist damit das wichtigste Kriterium überhaupt (Gross & Stephan, 2015).

Aus diagnostischer Sicht ist dies nicht völlig absurd, verzeichnen Referenzen in der Personalauswahl doch durchaus eine nennenswerte prognostische Validität. Dies gilt allerdings vor allem dann, wenn es sich nicht um eine abstrakte Empfehlung, sondern vielmehr um hochstrukturierte Einschätzungen berufsrelevanter Kompetenzen handelt (Kanning, 2018). Dies dürfte bei der hier thematisierten Mundpropaganda in der Regel nicht der Fall sein. Ähnlich sieht es bei der Berufserfahrung aus. Auch sie ist durchaus valide im Hinblick auf die berufliche Leistung, allerdings ist die Anzahl der Berufsjahre weitaus weniger aussagekräftig als die Vielfalt der Arbeitsaufgaben, mit denen die Person konfrontiert wurde (Quinones et al., 1995). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Berufserfahrung auch inhaltlich valide ist. Wer zehn Jahre unwirksame Methoden einsetzt, sammelt sicherlich viele Erfahrungen, das Vorgehen ist aber nach zehn Jahren ebenso wertlos wie zuvor.

Ziel der vorliegenden Studie ist eine differenzierte Analyse der Kriterien und Methoden, mit deren Hilfe Unternehmen einen Coach auswählen. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse soll die diagnostische Aussagekraft des gewählten Vorgehens abgeschätzt werden.

Methodisches Vorgehen

Befragt werden 257 Personen, die im Berufsleben als Mitarbeiter von Personalabteilungen oder als Führungskräfte mit dem Thema Coaching vertraut sind. In einem Online-Fragebogen werden sie gebeten, Auskunft darüber zu geben, wie in ihrem Unternehmen bei der Auswahl von Coaches vorgegangen wird. Die einzelnen Kriterien, nach denen gefragt wird, können den Tabellen 1 und 2 entnommen werden. Die Kriterien mussten entweder auf einer mehrstufigen Antwortskala (1 = „trifft gar nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“) eingeschätzt werden (Tabelle 1) oder aber es ging um eine einfache Ja-oder-nein-Abfrage (Tabelle 2).

Frauen und Männer sind in der Stichprobe gleich verteilt (49,8 Prozent weiblich, 50,2 Prozent männlich). Das Durchschnittsalter beträgt 43,29 Jahre. Bei 61,5 Prozent der Befragten handelt es sich um Führungskräfte. 29,6 Prozent sind Mitarbeiter in der Personalabteilung und 14,4 Prozent Inhaber des Unternehmens. Die Befragten stammen aus 13 verschiedenen Branchen, wobei die Unternehmensgröße zwischen einem und 380.000 Mitarbeitern (durchschnittlich 11.799 Personen) stark variiert. Nachfolgend wird zwischen kleineren und größeren Unternehmen unterschieden (Mediansplit). Zu den kleineren Unternehmen zählen solche mit weniger als 500 Mitarbeitern (insgesamt 123 Unternehmen). Werden 500 oder mehr Personen beschäftigt, so handelt es sich um ein größeres Unternehmen (insgesamt 134 Unternehmen).

Ergebnisse

Bezogen auf allgemeine Kriterien zur Auswahl von Coaches zeigt sich, dass für die Unternehmen der Ruf eines Coachs eine große Bedeutung hat (siehe Tabelle 1). Zudem spielen die Empfehlungen durch Dritte eine wichtige Rolle. Sie sind abzugrenzen von gezielten Referenzen, die das Unternehmen bei früheren Klienten des Coachs einholt. Auf demselben Bedeutungsniveau bewegt sich die Beschäftigungshistorie des Coachs, also die Liste seiner früheren Auftraggeber. Der Ruf der Coaching-Firma, in der ein Coach ggf. angestellt ist, spielt im Vergleich hierzu eine etwas geringere Rolle. Alles in allem zeigt sich eine starke Bedeutung von Image und Erfahrung, wenn es um die allgemeinen Auswahlkriterien geht. Unterschiede zwischen größeren und kleineren Unternehmen liegen nur bei zwei Kriterien vor. Größere Unternehmen bevorzugen in stärkerem Maße eigene Kompetenzkataloge und ihnen ist der Ruf der Coaching-Firma wichtiger als den kleineren Unternehmen.

Betrachten wir den Bereich der Erfahrungen tiefergehend, so fällt auf, dass der allgemeinen Berufserfahrung ein besonders hoher Stellenwert beigemessen wird (siehe Tabelle 1). Damit ist nicht die Berufserfahrung als Coach gemeint, sondern die Berufserfahrung insgesamt. Auch der Lebenserfahrung wird ein Stellenwert eingeräumt, die keinesfalls hinter der Coaching-Erfahrung zurückfällt. Möglicherweise gehen die Unternehmen implizit davon aus, dass der Coaching-Erfolg weniger mit der fachlich-methodischen Qualifikation als vielmehr mit der Biographie des Coachs zusammenhängt. Für größere Unternehmen sind die Coaching-Erfahrungen sowie spezifische Erfahrungen aus dem Bereich Change-Management signifikant bedeutsamer als für kleinere Unternehmen.

Befragt nach der Bedeutung konkreter Kompetenzen, die bei einem Coach erwünscht sind, dominieren eindeutig die Beratungs- und Methodenkompetenzen. Auf dem nächsten Platz folgen gleichauf die Coaching-Ausbildung sowie das Fachwissen im Bereich Psychologie. Die Befunde deuten darauf hin, dass ein Psychologiestudium möglicherweise vielen als ein Äquivalent zu einer Coaching-Ausbildung gilt. Fachwissen in den Feldern Wirtschaft/BWL erweist sich im Vergleich hierzu als deutlich unwichtiger. Größere Unternehmen legen mehr Wert auf eine Coaching-Ausbildung und wertschätzen es mehr, wenn die betreffenden Personen Fachwissen im Change-Management aufweisen, als kleinere Unternehmen. Letzteres lässt sich damit erklären, dass größere Unternehmen sich wohl häufiger mit Fragen des Change-Managements beschäftigen müssen als kleinere.

Kriterien bei der Auswahl von Coaches

Tabelle 1: Kriterien bei der Auswahl von Coaches. Dargestellt wird jeweils das arithmetische Mittel und
in Klammern die Standardabweichung; fünfstufige Skala von 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 5 = „trifft voll
und ganz zu“; kleinere und größere Unternehmen unterscheiden sich signifikant (p < .05), wenn die
Mittelwerte fett gedruckt sind (Ergebnisse von Varianzanalysen).

Methoden zur Coach-Auswahl

Tabelle 2 gibt zunächst Aufschluss über die diagnostischen Methoden, die bei der Auswahl eines Coachs zum Einsatz kommen. Im Vordergrund steht die Selbstpräsentation des Coachs, welche der betreffenden Person einen großen Einfluss ermöglicht, wenn sie über hinreichend ausgeprägte Fähigkeiten zur positiven Selbstdarstellung verfügt. Teilstrukturierte Interviews zur Überprüfung der spezifischen Eignung spielen in größeren Unternehmen eine deutlich bedeutendere Rolle als in kleineren Unternehmen. Bei Letzteren dominieren unstrukturierte Interviews, denen generell eine deutlich geringere Validität zugeschrieben werden muss (Kanning, 2018). Für formale Bewerbungsunterlagen des Coachs interessieren sich etwa 46 Prozent der Großunternehmen, aber nur etwa 28 Prozent der kleinen. Andere Methoden wie Arbeitsproben, Fallstudien oder Assessment-Center stellen insgesamt betrachtet eher eine Ausnahme dar.

Bezogen auf die Anforderung von Unterlagen, die ein Coach bei seinem potentiellen Auftraggeber einreichen muss, erwarten etwa drei Viertel der Unternehmen Referenzen sowie Informationen über das Dienstleistungsspektrum des Anbieters. Konkrete Beschreibungen von bereits durchgeführten Projekten sind ebenfalls für die große Mehrheit der Unternehmen von Bedeutung. Dies gilt in signifikant stärkerem Maße für größere Unternehmen im Vergleich zu kleinen. Für den Lebenslauf des Anbieters interessieren sich in etwa ebenso viele Unternehmen wie für das Vorliegen von Coaching-Zertifikaten bzw. -Anerkennungen. Dies bedeutet gleichzeitig aber auch, dass deutlich mehr als 40 Prozent der Unternehmen aus eigenem Antrieb nicht darauf achten, ob ein Coach eine qualifizierende Ausbildung vorweisen kann. Zumindest, wenn es um eine erste Vorauswahl der Kandidaten auf der Grundlage schriftlicher Unterlagen geht, spielt die Coaching-Ausbildung für sehr viele Unternehmen keine zentrale Rolle.

Explizit danach befragt, welche Zusatzausbildung ein Coach mitbringen sollte, geben zwei Drittel an, dass ihnen eine zertifizierte Coaching-Ausbildung wichtig sei. Bei größeren Unternehmen ist dieser Punkt signifikant bedeutsamer als bei kleineren Unternehmen. Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, dass eine allgemeine Coaching-Ausbildung in ihren Unternehmen gern gesehen wird. Auf Platz drei folgt eine Beratungsausbildung, die ein gutes Drittel der Unternehmen wertschätzt.

Methoden zur Auswahl von Coaches

Tabelle 2: Methoden zur Auswahl von Coaches. Dargestellt wird, wie viel Prozent der Befragten aus
der jeweiligen Stichprobe die jeweiligen Methoden einsetzen; kleinere und größere Unternehmen unterscheiden sich signifikant (p < .05), wenn Prozentwerte fett gedruckt sind.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse zeigen die große Bedeutung von Image und Erfahrung, wenn es um die Auswahl eines Coachs geht. Die Erfahrung muss sich dabei keineswegs auf die Arbeit als Coach beziehen. Positiv wirkt bereits eine allgemeine Berufs- und Lebenserfahrung der Kandidaten. Eine Coaching-Ausbildung ist von Vorteil, stellt aber offenbar kein zwingendes Kriterium dar. Größere Unternehmen sind dabei kritischer als kleinere.

Offenkundig ist es bislang noch nicht flächendeckend gelungen, in den Unternehmen eine Coaching-Konzeption zu etablieren, die primär auf einer fachlich-methodischen Expertise basiert. In den Augen vieler Entscheidungsträger liegt der Schlüssel zum Coaching-Erfolg irgendwo in der Person des Coachs und weniger in seiner Ausbildung. Mehr noch, vor die Wahl gestellt, einen Coach einzustellen, der eine eindrucksvolle Kundenliste aufweist und persönlich empfohlen wird, obwohl er über keine qualifizierende Ausbildung verfügt, oder einen ausgebildeten Coach mit weniger Erfahrung einzukaufen, würden sich viele Unternehmen wohl für den ersten Kandidaten entscheiden. Ein solches Vorgehen begünstigt – ohne dass die Verantwortlichen es beabsichtigen – Vertreter fragwürdiger und völlig absurder Interventionsmethoden, wenn es ihnen gelingt, bei ihren Kunden für gute Stimmung zu sorgen und sie zugleich über ausgeprägte Fähigkeiten im Selbstmarketing verfügen.

Nimmt man einmal an, die Entscheidungsträger hätten mit der impliziten Annahme Recht, die Person sei wichtiger als ihre Qualifikation, so stellt sich die Frage, inwieweit die eingesetzten diagnostischen Methoden überhaupt in der Lage wären, die passende Person zu identifizieren. Bei den eingesetzten diagnostischen Methoden dominieren die Selbstpräsentation des Kandidaten sowie (in kleineren Unternehmen) unstrukturierte Interviews. Beide Methoden erzielen keine nennenswerten Validitäten (Kanning, 2018). Am Ende wird nicht die Person mit der besseren persönlichen Eignung ausgewählt, sondern diejenige, die eine bessere Figur abgibt.

Für Vertreter eines professionellen Coachings können diese Befunde kaum zufriedenstellend sein. Zwar ist das sprichwörtliche Glas durchaus halbvoll, mehr als bisher müsste es ihnen in Zukunft jedoch gelingen, das Besondere einer fachlich-methodischen Ausbildung und deren Nutzen für die Auftraggeber zu verdeutlichen.

Literatur

  • Gross, Peter-Paul & Stephan, Michael (2015). Der Coaching-Markt. Coaching, Theorie & Praxis, 1, S. 15–24.
  • Kanning, Uwe P. (2018). Standards der Personaldiagnostik (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
  • Kanning, Uwe P. (2013). Wenn Manager auf Bäume klettern. Lengerich: Pabst.
  • Middendorf, Jörg & Salamon, Lutz (2017). 15. Coaching-Umfrage: Die Honorare steigen wieder. Wirtschaft + Weiterbildung, 4, S. 38–42.
  • Quinones, Miguel A.; Ford, J. Kevin & Teachout, Mark S. (1995). The relationship between work experience and job performance: A conceptual and meta-analytic review. Personnel Psychology, 48, S. 887–910.
  • Theeboom, Tim; Beersma, Bianca & van Vianen, Annelies E. M. (2013). Does coaching work? A meta-analysis on the effects of coaching on individual level outcomes in an organizational context. The Journal of Positive Psychology, 9, S. 1–18.

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