Es ist wichtig, auch über die Schwierigkeiten im Coaching zu sprechen und somit vom Bild des Coachs, der jeden Klienten erfolgreich coachen kann, wegzukommen. Denn ebenso wie in der Therapie oder im Training gibt es auch im Coaching Nebenwirkungen: Negative Effekte treten häufig auf und können nicht nur für den Klienten, sondern auch für den Coach entstehen (> 60 Prozent Klienten, > 95 Prozent Coaches). Diese negativen Effekte können beispielsweise emotionaler (z.B. erhöhte Unsicherheit), motivationaler (z.B. reduzierte Arbeitsmotivation) oder interaktionaler (z.B. Probleme mit dem Vorgesetzten) Natur sein. Sie entstehen durch den Coach, den Klienten, deren Beziehung oder durch situative Aspekte. In anderen Worten: Auch die Persönlichkeit des Klienten kann Ursache für negative Effekte im Coaching sein (Schermuly et al., 2014). Besonders die dunklen Persönlichkeitstendenzen scheinen hier Schwierigkeiten auszulösen: Eine Studie von Graßmann, Diller und Jonas (2020) zeigt, dass über 70 Prozent der befragten Coaches einen Klienten als schwierigsten Fall beschrieben, welcher hohe narzisstische, machiavellistische oder psychopathische Tendenzen – also hohe Tendenzen der dunklen Triade – aufwies. Klienten der dunklen Triade können also im Coaching auftreten. Was das für das Coaching bedeutet und wie der Coach bestmöglich reagieren kann, soll in diesem Artikel erörtert werden.
Die dunkle Triade besteht aus Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Narzissmus zeichnet sich durch ein sehr sensibles Selbstbild sowie das intensive Streben nach Bewunderung aus. Personen mit dieser Merkmalsausprägung können sehr charismatisch und gewinnend sein, überschätzen allerdings ihre Fähigkeiten oft und können sehr schlecht mit Kritik umgehen. Machiavellismus charakterisiert sich durch ein strategisches Streben nach Macht. Dies führt dazu, dass Personen mit dieser Merkmalsausprägung oft an Macht interessiert sind und diese sehr strategisch verfolgen. Die dritte Ausprägung, die Psychopathie, kennzeichnet sich durch das Streben nach Risiko und den Hang zu impulsiven Handlungen. Dabei können Personen mit dieser Merkmalsausprägung sehr kühl und schonungslos sein. Neben diesen distinkten Definitionen besitzen die drei Persönlichkeitsmerkmale einen gemeinsamen Kern: das Streben nach dem eigenen Vorteil und die geringen Werte in Empathie, Verträglichkeit und Ethik. Personen mit hohen Ausprägungen der dunklen Triade sind also besonders durch unethisches, unmoralisches und egoistisches Verhalten gekennzeichnet. Dieser Kern zeigt sich auch durch die hohe Korrelation der drei untereinander, auch wenn es drei verschiedene Persönlichkeitsmerkmale sind (Schiemann & Jonas, 2020).
Besonders in der Führung sind Personen mit hohen Tendenzen der dunklen Triade zu finden: Aufgrund ihres Talents, sich selbst vorteilhaft darstellen sowie andere meist gut analysieren und manipulieren zu können, schaffen sie es manchmal sogar in sehr hohe Machtpositionen. Diese Macht wird von solchen Personen auch erstrebt – sei es, um bewundert zu werden (Narzissmus), der Macht selbst willen (Machiavellismus) oder aus Lust am Risiko (Psychopathie). Dabei kann es zu negativen Folgen für die Mitarbeiter, Kollegen und die gesamte Organisation kommen. Abhängig davon, wie viel Macht die Person im Unternehmen besitzt, also wie hoch die Führungsebene ist, kann dies weitreichende Auswirkungen haben: Mobbing, Rache, aggressives Verhalten, Eingehen von Risiken mit hohen Verlusten für das Unternehmen, falsche Darstellung von Ergebnissen, Manipulationen, Machtspiele und vieles mehr. Zusammengefasst zeigen und kultivieren Personen mit hohen Tendenzen der dunklen Triade unethisches, kontraproduktives Verhalten im Unternehmen mit schwerwiegenden Folgen (Schiemann & Jonas, 2020). Beispielsweise führt ein Chef mit hohen Ausprägungen der dunklen Triade zu emotionaler Erschöpfung, negativer Stimmung und geringem Arbeitsengagement im Team – verbunden mit der Hilflosigkeit, wie darauf zu reagieren ist (Volmer et al., 2017). Beispielhaft betrachtet sind die drei Eigenschaften auch einzeln sehr negativ für das organisationale Umfeld: Narzisstische Führungskräfte haben einen negativen Effekt auf die Performance einer Organisation (Chatterjee & Hambrick, 2007), machiavellistische Führungskräfte führen zu kontraproduktivem zwischenmenschlichen Verhalten am Arbeitsplatz (Wisse & Sleebos, 2016) und psychopathische Führungskräfte sind wenig effektiv (Landay et al., 2019). Was bedeutet dies nun für den Coach, wenn dieser eine Person mit hohen Tendenzen der dunklen Triade als Klienten hat?
Nachdem bereits gesagt wurde, dass solche Klienten im Coaching vorkommen, stellt sich nun die Frage, wieso diese in ein Coaching kommen. Ein Grund dafür könnte sein, dass vor allem Führungskräfte oder sogenannte „Problemkandidaten“ ein Coaching erhalten (Diller, Passmore et al., 2020). In einer Studie (Diller, Frey & Jonas, 2020) zu Klienten mit hohen Ausprägungen der dunklen Triade kamen diese laut Schilderungen der befragten Coaches vor allem wegen Schwierigkeiten mit anderen, beruflicher Neuorientierung sowie Kommunikations- oder Führungsproblemen. Zudem kann es sein, dass Personen mit hohen Ausprägungen der dunklen Triade durch ihr Streben nach Bewunderung oder Macht motiviert sind, ein Coaching durchzuführen. Im Rahmen der genannten Studie wurden die Coaches auch gefragt, wie sich diese Klienten im Coaching verhielten. Coaches beschrieben narzisstische Klienten dabei häufig als von sich selbst eingenommen, sich selbst als Opfer sehend und wenig veränderungsbereit. Einige Beispielzitate: „Er weiß gar nicht, weshalb er ein Coaching nötig hat, die anderen sind schuld und er ist doch perfekt.“ / „Sie fand, dass die anderen von ihr Unmögliches verlangten.“ / „Er erzählte zwar gerne, aber wollte nichts tun.“ Bei Klienten mit hohen machiavellistischen Tendenzen berichteten Coaches häufig von Strategie und Manipulation: „In den Coaching-Sitzungen hatte ich den Eindruck, dass der Klient versuchte, mich zu manipulieren, um seinen Willen durchzusetzen.“ Klienten mit hohen psychopathischen Tendenzen wurden vor allem als impulsiv und kalt wahrgenommen: „In meinen Coachings erlebte ich den Klienten als taktlos und gefühlskalt.“ Diese Klienten klingen nicht einfach, sodass es spannend war, von den Coaches zu erfahren, wie es ihnen mit den geschilderten Klienten erging.
Die befragten Coaches berichteten, im Kontakt mit diesen Klienten Gefühle von Angst, Hemmung und sogar Distress (ein sehr negatives Stress- und Hilflosigkeitsgefühl) empfunden zu haben – unabhängig von der Coaching-Erfahrung und Coaching-Ausbildung. Das „General Process Model of Threat and Defense“ erklärt das Auftreten dieser erlebten Emotionen. Denn die empfundene Diskrepanz zwischen Klient-IST und Klient-SOLL aktiviert unsere Verhaltenshemmung. Diese Verhaltenshemmung ist durch Vermeidungsmotivation, Angst und erhöhte Alarmbereitschaft gekennzeichnet. Erst wenn wir diese Verhaltenshemmung reduzieren, können wir in die Verhaltensaktivierung gehen – uns also indirekt oder direkt zu einer Reaktion motivieren und entschlossen auf die Erreichung eines Ziels fokussieren. Die Verhaltensaktivierung führt dazu, dass die Coaches direkte sowie indirekte Lösungswege in solchen schwierigen Situationen finden, sich handlungsfähig fühlen und positivere Emotionen wahrnehmen. Daher wirkten sich die ängstlichen, hemmenden Gefühle negativ auf den Coaching-Erfolg aus. Wenn jedoch die Coaches in der Lage waren, handlungsaktiv zu bleiben, konnten sie das Coaching erfolgreich abschließen (Diller, Frey & Jonas, 2020). So stellt sich die Frage: Was kann ich als Coach tun, um meine Verhaltenshemmung – also meine Angst und Hemmung – zu reduzieren?
Zum einen ist es wichtig, die eigenen Gefühle als Coach zu erkennen. Mögliche kritisch erlebte Momente sollten daher nicht tabuisiert werden. Man sollte sich mit ihnen auseinandersetzen. Daher ist als Coach die eigene Selbstreflexion ein ebenso wichtiges Tool wie die Unterstützung der Selbstreflexion beim Klienten. Eine Methode der Selbstreflexion ist Supervision als formelle professionelle Unterstützung, um die Arbeitsweisen und die Qualität des Coachings zu verbessern. Besonders in emotional schwierigen Situationen ist die Supervision nützlich, um diese Gedanken und Emotionen zu verstehen. Auch Graßmann, Diller und Jonas (2020) zeigten in ihrer Studie, dass die Supervision den Coaches dabei hilft, in herausfordernden Coachings bei sich selbst weniger negative Effekte zu verspüren.
Zum anderen ist es wichtig, die ängstlichen, hemmenden Gefühle zu reduzieren, um in die Verhaltensaktivierung zu kommen. Eine mögliche Methode, um ängstliche oder negative Gefühle zu reduzieren, ist das Praktizieren von Achtsamkeit (MBSR-Verband, 2020). Zudem zeigte sich, dass bereits zehnminütige Achtsamkeitsübungen dem Coach dabei halfen, die im Kontakt mit einem Klienten mit hohen Tendenzen der dunklen Triade erlebten Angst- und Stressgefühle zu verringern und gelassener und entspannter zu sein. Dies war unabhängig von der Erfahrung des Coachs mit Achtsamkeit (Diller, Frey & Jonas, 2020). Die für die Studie verwendete App „Headspace“ zeigte auch in anderen Studien ihre positive Wirkung auf die Reduktion von Stress und Angst (z.B. Bostock et al., 2019). Es sind also weder große Trainings noch jahrelanges Praktizieren notwendig: Manchmal reicht es, sich zehn Minuten Zeit zu nehmen und sich in einer entspannten Atmosphäre auf die eigene Atmung zu konzentrieren.
Da Achtsamkeit so wichtig ist und nicht nur Stress und Angst reduziert (siehe Abb.), sondern auch sehr viele positive Effekte mit sich bringt, soll im Folgenden eine Geschichte zur Anregung für mehr Achtsamkeit mitgegeben werden. Eigens für diesen Beitrag verfasst wurde sie von Oliver Wunderlich, der zweiten Hälfte des Duos „Anders & Wunderlich“ sowie Autor und Sprecher des täglichen Podcasts „Mindful Morning“ auf Audible.
Die UNO hatte beschlossen, dem Reich der Tiere auch einen Platz einzuräumen. Dieser Umstand und kleine Fehler in der Planung zwangen den Löwen, den Affen und den Flamingo, gemeinsam eine lange Reise antreten zu müssen. Ihr Weg führte durch die Wüste ohne Schatten, die Steppe ohne Anfang und Ende und durch den Dschungel, in dem Norden Süden ist und Süden Norden.
In vielen Tagen der Wanderung waren die drei keine Freunde geworden. Der Flamingo war es leid, sich mit Tieren abgeben zu müssen, deren Fell keine Farben aufwies. Der Löwe war am Ende seiner Geduld: Warum sollte er mit dem Affen reisen, der nicht jagen konnte mit seinen kurzen Beinen? Warum stand der Vogel immer nur auf einem Bein? Und der Affe war von seinen Gefährten so gelangweilt, dass er aus Übermut das Nashorn ärgerte, sodass ihre Reise um ein Haar ein jähes Ende gefunden hätte.
Trotz der gereizten Stimmung erreichte das Trio den Ort, an dem sich die Tiere versammelt hatten, von jeder Gattung eines. Die drei hatten den Krater des erloschenen Vulkans deutlich verspätet erreicht, und man hatte aus Zeitnot schon begonnen, Kandidaten und Kandidatinnen für die Wahl zu sammeln.
Darum wurden auch die drei bald vom Vorsitzenden der Versammlung – der Eule – um die Nennung ihrer Vorschläge gebeten. Alle Augen und Ohren waren auf sie gerichtet. Der Löwe riss das Wort an sich: „Ich schlage den Löwen vor. Also mich. Denn es gibt keinen Zweifel, dass ich das mächtigste Tier im Tierreich bin. Ich bin der Stärkste!“, brüllte er. Der Elefant hüstelte indigniert und der Blauwal konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Die Antilope rief in die Menge: „Und voll aggro ist er auch!“
Dann sprang der Affe über den Löwen und verlautete: „Ich schlage auch mich vor. Denn keiner kann mir was vormachen. Weil ich die tollsten Einfälle habe!“ Er ließ eine dramatische Pause entstehen und reckte seine Daumen in die Höhe: „Und ich bin der Geschickteste. Denn ich habe zwei Daumen. Opponierend!“ Er wackelte mit den Daumen in der Luft. Der Oktopus, zweite Reihe Mitte, kicherte und reckte sechs seiner acht Arme in die Luft. Die Menge lachte.
Derweil hatte der Flamingo Position bezogen und verkündete seinerseits: „Der einzig würdige Vertreter bin ich. Auch die Menschen wissen, dass ich nicht nur der schönste aller Vögel bin, sondern auch der anmutigste!“ Ohne ein Wort zu äußern, schlug der Pfau zur Antwort sein Rad und bewunderndes Raunen erfüllte den Krater.
„Nun denn!“, sagte die Eule, „Ich denke, wir haben nun eine Reihe Vorschläge gesammelt und können zur Abstimmung schreiten. Den Abgeordneten möchte ich zu bedenken geben, dass Löwe, Affe und Flamingo die einzigen Tiere sind, die sich selber vorgeschlagen haben. Ich würde der Liste gerne auch noch einen Vorschlag hinzufügen: Meine Stimme gehört dem Nacktmull!“
Der Flamingo war fassungslos: „Das ist ja wohl das hässlichste Tier, das den Planeten bewohnt. Die Menschen werden ihn verspotten!“ Der Affe schloss sich der Kritik an: „Der benutzt ja nicht einmal die Pfoten zum Graben, so ungeschickt ist er! Der gräbt mit den Zähnen – das muss man sich einmal vorstellen!“ Und der Löwe brüllte: „Dieses Tier ist unwürdig! Selbst die Feldmaus wäre eine bessere Wahl. Wenn ich im Dschungel einen Nacktmull zertrete, dann merke ich das nicht einmal!“ Worauf die Antilope kreischte: „Hab‘ ich’s nicht gesagt: Voll aggro ist der!“ Tumult brach aus, alle plärrten durcheinander, die Eule schlug ihren Hammer auf das Pult, bis Splitter durch die Luft flogen.
Vier Wochen später saß der Nacktmull an seinem Tisch in der Vollversammlung der UNO, auf dem Kopf einen deutlich zu großen Kopfhörer für die Simultanübersetzung. Auf die Frage, warum die Tiere ihn als ihren Vertreter gewählt haben, antwortete er: „Nun, wir Nacktmulle fressen keine anderen Tiere. Wir nehmen auch niemandem Platz weg, weil wir unter der Erde leben. Wir gelten als weise, weil wir Vorräte für den Winter anlegen und wir leben friedlich in großen Kolonien miteinander. Und, was die anderen Tiere nicht wussten: Wir können wunderschön singen! Deswegen habe ich gewisse Bedenken, hier meine Stimme abzugeben. Aber: Soll ich einmal was singen?“
Hier endet leider das Protokoll der Versammlung. Wir wissen aber, dass an diesem Tag beschlossen wurde, dass Trinkgefäße im Saal nicht mehr aus Glas sein dürfen. Alle Vertreter der Gattung Homo sapiens beteuerten gegenüber der versammelten Presse, dass sie den zukünftigen Verhandlungen mit dem Tierreich optimistisch entgegensehen. Die Welt wartet.