Wissenschaft

Supervision für Coachs

Ein notwendiges Übel?

4 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2011 am 10.05.2011

Gemäß der Erhebung des „Chartered Institute of Personnel and Development” (CIPD) aus dem Jahre 2006 sehen 86 Prozent der befragten Coachs die Supervision als Qualitätsmerkmal einer professionellen Tätigkeit an. Nur etwas weniger als die Hälfte der Befragten haben eine solche bisher allerdings in Anspruch genommen. Dies resultiert häufig aus Angst vor oder einem falschen Verständnis der eigentlichen Funktion der Supervision (Sauters, 2007). Obwohl die Supervision mittlerweile in vielen Coaching-Verbänden eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist, lehnen viele Coachs mit Begründung ihrer langjährigen Erfahrung Supervision ab. Rechtfertigt langjährige Berufserfahrung als Coach den Verzicht auf Supervision? Wie erleben erfahrene Führungskräfte-Coachs die Supervision und deren Einfluss auf ihre berufliche Entwicklung?

Fünf externe Führungskräfte-Coachs und ein interner Coach wurden mittels halbstrukturierter Interviews zu ihren Erfahrungen und ihren Einstellungen zur eigenen Supervision befragt. Bei der Auswahl der Coachs wurde darauf geachtet, dass keiner eine zusätzliche psychotherapeutische Ausbildung besaß. Das Ziel der Studie bestand darin, einen unverfälschten Blick auf die Einstellungen und das Verständnis der Supervision abzubilden.

Im Rahmen der inhaltlichen Analysen ergaben sich vier Kernthemen. Zunächst scheint für das Gelingen einer guten Supervision Ähnliches zu gelten wie für den klassischen Coaching-Prozess: Die Entscheidung, ein Coaching in Anspruch zu nehmen, sollte bewusst und freiwillig getroffen werden. Unabdingbar hierfür sind eine vertrauensvolle Beziehung zum Supervisor, klare „vertragliche“ Rahmenbedingungen inklusive der Rollenklärung und kein hierarchisches, „wertendes“ Gefälle zwischen Supervisor und Coach. Nur auf der Basis dieser Voraussetzung seien eine Supervision und die Öffnung für die kritische Prüfung der eigenen praktischen Tätigkeit als Coach überhaupt möglich. Diese Bereitschaft wird von allen sechs Coachs als Gratwanderung beschrieben. Um sich dem Supervisionsprozess zu öffnen, seien eine selbstkritische Haltung des Coachs, der Wunsch nach eigener Entwicklung und die Akzeptanz des Gefühls einer gewissen „Verletzlichkeit“ vonnöten. Gleichzeitig wird die Supervision aber auch als eine Art Qualitätsmerkmal und Zeichen von „Seriosität“ betrachtet.

Supervision stellt in den Augen der Befragten eine Art „Meta-Coaching“ dar. Es ermöglicht ihnen, eine alternative systemische Perspektive auf ihre Tätigkeit als Coach einzunehmen, sich selbst zu hinterfragen und „im Spiegel“ zu betrachten, um „blinde Flecken“ zu identifizieren, ohne in die Falle der eigenen Eitelkeit zu laufen. Dies optimiere die eigene Selbstwahrnehmung.

Der Vorteil der Supervision wird von allen befragten Coachs in der Verbesserung der eigenen Coaching-Tätigkeit gesehen. Dies gelänge durch die Verknüpfung theoretischer Inhalte und praktischer Erfahrung, zum Beispiel im Umgang mit Emotionen im Coaching-Prozess und der Frage, wie weit sich der Coach mit diesen Emotionen auseinandersetzen sollte. Eine gute Supervision fordert den Coach in seinem Coaching-Verständnis heraus und provoziert in einem „geschützten Rahmen“ Situationen, in denen sich der Coach weiterentwickeln und lernen kann.

Auch wenn diese Studie eine zu kleine Stichprobe hat, um diese Ergebnisse wissenschaftlich zu untermauern oder generalisieren zu dürfen, sensibilisiert sie doch für ein sehr wichtiges Thema in der Diskussion über Qualitätsmerkmale des Coachings. Dies gilt vor allem für die Problematik, dass ein Großteil der praktisch tätigen Coachs eine Supervision mit dem Verweis auf die eigene langjährige Berufserfahrung ablehnt. Doch impliziert eine langjährige Berufserfahrung als Coach tatsächlich ein kritisches Hinterfragen und Überprüfen der eigenen Arbeitsweise? Diese Frage bleibt leider weiterhin ungeklärt, sollte allerdings in der Diskussion um Qualität an erster Stelle stehen.

McGivern, L. (2009). Continuous Professional Development and Avoiding the Vanity Trap: an exploration of coaches` lived experiences of supervision. International Journal of Evidence Based Coaching and Mentoring , Special Issue No. 3, 22-37.

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