Wissenschaft

Kommunikative Leistungen und Eigenschaften von Coaches

Welche Aspekte erachten Klienten als wichtig?

Eine tragfähige Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Klient gilt als wichtige Voraussetzung erfolgreicher Coachings. Coaching-Forschung stützt sich häufig auf Befragungen von Coaches. Die vorliegende Arbeit befasst sich hingegen mit der zweiten Hälfte der dyadischen Beziehung und geht der Frage nach, welche kommunikativen Leistungen und Eigenschaften sich (potenzielle) Klienten von ihren Coaches wünschen.

8 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 3 | 2022 am 07.09.2022

Ausgangslage

Die Anzahl an Menschen, die mit dem Themenkomplex Coaching mittelbar oder unmittelbar in Berührung gekommen sind, hat über die vergangenen Jahrzehnte kontinuierlich und signifikant zugenommen (Bresser, 2016). Nichtsdestotrotz bleibt der Coaching-Prozess für Beobachter außerhalb der Coach-Klient-Dyade intransparent. Erfolg und Steuerbarkeit von Coaching sind eng an Vertraulichkeit innerhalb der Arbeitsbeziehung geknüpft (Mannhardt & De Haan, 2018). Während aus wissenschaftlicher – respektive professioneller – Sicht bereits Kompetenz- bzw. Anforderungsprofile für Coaches (z.B. Rauen & Steinke, 2019) sowie konkrete Rollenerwartungen (z.B. Schreyögg, 2015) formuliert worden sind, ist dies aus der Klientenperspektive vergleichsweise selten geschehen. Aufgrund dieser Forschungslücke lautet die übergeordnete Forschungsfrage der vorliegenden Untersuchung: Welche kommunikativen Leistungen und Eigenschaften des Coachs werden von (potenziellen) Klienten als besonders relevant erachtet?

Die Datenerhebung und Literaturrecherche zum Projekt vollzog sich im Rahmen einer Masterarbeit im Fach Medien und Kommunikation an der Universität Passau. Sie war in einen umfangreichen kommunikationswissenschaftlichen Forschungskontext zum Thema „Gratifikationen, kommunikative Leistungen und (Online-)Coaching-Formate“ eingebettet. In der Literatur besteht weitgehend Konsens darüber, dass erfolgreiches Coaching mannigfaltigen Faktoren unterliegt und bestimmte allgemeine Wirkfaktoren Prädiktoren erfolgreicher Coaching-Outcomes sind (Mannhardt & De Haan, 2018). Die Beschreibung der Charakteristika erfolgreicher Coaches erfolgte bisher, ähnlich wie in Bezug auf deren Rollenbild, teilweise theoretisch, anekdotisch oder stark qualitativ (Dagley, 2010). Bezüglich der Erfolgs- bzw. allgemeinen Wirkfaktoren haben Behrendt und Greif (2018) drei gängige Modelle zusammengefasst – in allen drei gelten die Coaching-Beziehung und Ressourcenaktivierung als essenziell.

Empirische Studien

Die einschlägigen Metaanalysen (siehe Kotte et al., 2018) fokussieren die Wirkfaktoren Coaching-Beziehungsqualität, Prozess- und Setting-Variablen wie Dauer und Feedback sowie den fachlichen Hintergrund des Coachs und seine Expertise. Sonesh und Kollegen gelingt es in diesem Zuge auf Basis zweier Primärstudien, den signifikanten Einfluss der Arbeitsbeziehung auf den Coaching-Erfolg empirisch nachzuweisen (Sonesh et al., 2015). Die von einer Vielzahl an Autoren als zentraler Wirkfaktor benannte Coaching-Beziehung laviert stets im Spannungsfeld zwischen Führen und Folgen und ist im Falle kompetenter Coaches von starker Wertesensitivität geprägt (Behrendt & Greif, 2018). Realitätskonstruktion erfolgt innerhalb der Coaching-Beziehung gemeinsam, sozial und intersubjektiv (Böhm, 2016).

De Haan und Page (2013) kommen in ihrer Studie zu folgenden Erkenntnissen: (1) Die Coaching-Beziehung ist der zuverlässigste Prädiktor des Coaching-Outcomes. (2) Die Selbstwirksamkeit des Klienten ist ein maßgeblicher Faktor bezüglich des Coaching-Erfolgs. Demnach sind die Persönlichkeiten der Coaching-Partner sowie die daraus (potenziell) resultierenden Differenzen die relevanten Input-Variablen. Statistische Grundlage dieser Erkenntnisse sind erhobene Daten aus 1.895 Coaching-Beziehungen. Im Zentrum der Ergebnisse steht die Erkenntnis, wie stark die Coaching-Beziehung auf die Effektivität und den Erfolg des gesamten Prozesses Einfluss nimmt: Besteht eine nur schwache Arbeitsallianz, kann keiner der anderen Wirkfaktoren dieses Defizit ausgleichen. Damit wird die essenzielle Bedeutung der Coaching-Beziehung für einen erfolgreichen Prozess empirisch bewiesen.

Die vorliegende Erhebung

Im Rahmen der Forschung des Autors sollte die Seite der Klienten, die naturgemäß einen zentralen Bestandteil der dyadischen Coaching-Beziehung darstellt, in den Blick genommen werden. Ziel war es, in Erfahrung zu bringen, welche kommunikativen Leistungen und Eigenschaften (potenzielle) Klienten von einem Coach erwarten und als wichtig empfinden. Im Folgenden werden die Methodik der Befragung, die Merkmale der Stichprobe und die Ergebnisse der Auswertung beschrieben.

Methodik

Die vorliegende Untersuchung erfolgte auf Basis einer standardisierten Befragung. Die Standardisierung bezieht sich auf die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten in Gestalt von Likert-Skalen (1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“) und einfachen Auswahlmöglichkeiten. Die Erhebung erfolgte mittels Online-Fragebogen. Aufgrund der Kürze des vorliegenden Artikels werden Mittelwerte (M) und zugehörige Standardabweichungen (SD) berichtet.

Um die Erwartungen der Klienten an die Coach-Klient-Beziehung zu erfassen, wurden erprobte Skalen verwendet, die ursprünglich für coachingfremde Anwendungsfelder entwickelt worden sind, z.B. zur Erfassung von Arbeits- und/oder Lernbeziehungen. Sie sind auf Reliabilität, Validität und Erhebungsökonomie getestet und wurden dem aktuellen Forschungsanliegen angepasst.

Stichprobe

Mit dem Ziel, eine möglichst große Stichprobe zu ziehen, wurde im Vorfeld der Befragung mit dem Coaching-Magazin und der International Coach Federation (ICF) Germany Kontakt aufgenommen, die den Autor bei der Bekanntmachung der Befragung unterstützten. Die aus der Erhebung hervorgegangene Stichprobe (n = 703 gültige Fälle) ist eine einfache Zufallsstichprobe. Der Fragebogen enthielt 79 Items. Die Feldphase der Befragung lief vom 15. März bis einschließlich 12. April 2021, umfasste also 29 Tage. Grundlage der Auswertung sind 703 Fragebögen, von denen 487 vollständig bearbeitet worden sind.

Die Mehrzahl der Befragten (n = 484) ist weiblich (58,3 Prozent). 41,3 Prozent der Befragten gaben an, männlichen Geschlechts zu sein. Das durchschnittliche Alter liegt innerhalb der Stichprobe (n = 480) bei 28,29 Jahren (SD = 9,574). Am häufigsten vertreten sind die Altersstufen 26 (16,7 Prozent), 25 (13,1 Prozent), 24 (9,6 Prozent) und 23 Jahre (7,7 Prozent). Die Befragten sind zwischen 15 und 77 Jahre alt. Das niedrige Durchschnittsalter der Befragten ist für Coaching-Klienten, die häufig Führungspositionen bekleiden, eher untypisch. Da anhand der vorliegenden Arbeit jedoch die Erwartungen – auch potenzieller – Klienten in Erfahrung gebracht werden sollten, sind die Angaben der Befragten dennoch relevant. Des Weiteren besitzt der Großteil der Befragungsteilnehmer (n = 483) hohe Bildungsabschlüsse. 52,8 Prozent von ihnen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss, 26,5 Prozent das Abitur.

Während 40,4 Prozent der Befragten (n = 668) noch keinerlei Erfahrung mit Coaching haben, besteht unter jenen, die bereits mit Coaching in Berührung kamen, eine Tendenz zur Gelegenheitsnutzung. So gilt für die vorliegende Stichprobe, dass 26 Prozent der Befragungsteilnehmer Coaching-Formate mehrmals im Jahr nutzen: 11,4 Prozent monatlich; 16,8 Prozent wöchentlich und 5,4 Prozent täglich. Möchte man also wöchentliche und tägliche Klienten als Intensivnutzer von Online-Coaching-Formaten (aufgrund der hohen Frequenz könnte es sich z.B. um niederschwellig verfügbare Apps etc. handeln) bezeichnen, macht diese Gruppe 22,2 Prozent der Stichprobe aus. Der Mittelwert der Nutzungshäufigkeit liegt mit M = 2,21 (SD = 1,278) unterhalb des Mittelpunkts der verwendeten fünfpoligen Likert-Skala, was die Tendenz zur Gelegenheitsnutzung unterstreicht.

Auffallend ist, dass innerhalb der Stichprobe (n = 480) durchweg hohe Selbstwirksamkeitserwartungen der Befragten feststellbar sind (M = 4,1813; SD = 0,61774). Die drei Items der Selbstwirksamkeits-Kurzskala (Beierlein et al., 2014) sind im Zuge der Auswertung zu einer Zielvariable zusammengefasst worden, weisen aber auch bei Einzelbetrachtung nahezu identische Mittelwerte (M = 4,2; n = 482) und Standardabweichungen (SD = 0,7) auf. Es ist folglich zu konstatieren, dass die Befragten größtenteils der Auffassung sind, sich in schwierigen Situationen auf ihre Fähigkeiten verlassen und auch fordernde Aufgaben gut selbstständig lösen zu können.

Ergebnisse

Im Hinblick auf die Kommunikationsqualität im Coaching respektive der kommunikativen Kompetenzen bestehen die von (potenziellen) Klienten als besonders wichtig wahrgenommenen Leistungen eines Coachs in der gesamten Bandbreite erhobener Eigenschaften: Ein Coach hat folglich dem Ermessen der Klienten nach (n = 507 bzw. 508) eine angemessene Verständlichkeit (M = 4,55; SD = 0,716) und Relevanz der Inhalte (M = 4,28; SD = 0,773) zu gewährleisten, sollte in seinen Handlungsanweisungen einen klaren und dominanten Stil haben (M = 4,2; SD = 1,008), der sich auch bezüglich des fortschrittsbezogenen Feedbacks an den Klienten (M = 4,04; SD = 1,04) fortsetzen und einen suffizienten Grad an Ausführlichkeit (M = 3,9; SD = 0,905) aufweisen sollte.

In Bezug auf die Arbeitsatmosphäre erachten die Klienten (n = 501 bis 503) eine fachlichen Respekt evozierende Kompetenz (M = 4,38; SD = 0,737) sowie die zwischenmenschlichen Fähigkeiten zum Aufbau von Zuneigung durch eine positive Arbeitshaltung (M = 4,35; SD = 0,741) und Engagement des Klienten im Hinblick auf die Erreichung der Coaching-Ziele (M = 4,1; SD = 0,856) als besonders relevante kommunikative Eigenschaften des Coachs.

Aus Perspektive der Coaching-Beziehungsqualität innerhalb der Arbeitsallianz bestehen die kommunikativen Leistungen des Coachs, die als besonders relevant erachtet werden, in der Vermittlung von Ermutigung (M = 4,47; SD = 0,72; n = 500), zwischenmenschlicher Zuneigung (M = 4,09; SD = 0,861; n = 498) und Vertrauen durch die Delegation komplexer Entwicklungsaufgaben vom Coach an den Klienten (M = 4,08; SD = 0,778; n = 499). Die von den Befragten (n = 490) als besonders relevant erachteten kommunikativen Leistungen des Coachs bestehen im Hinblick auf die coachingbedingt gesteigerte Persönlichkeitsstärke der Klienten im Ausbau individueller Zuversicht (M = 4,28; SD = 0,741), Überzeugungskraft respektive Persuasion (M = 4,09; SD = 0,869) sowie der Leadership Skills des Klienten (M = 4,08; SD = 0,925).

Fazit

Die Befunde können im Gesamtbild als charakteristisch für den starken Zielbezug jeglicher Coaching-Anliegen verstanden werden, was insbesondere im Wunsch nach relevanten und verständlichen Inhalten, fortschrittsbezogenem Feedback und Dominanz zum Ausdruck kommt. Trotz aller Selbststeuerung und Selbstbestimmtheit der Klienten, erwarten diese auf der Prozessebene klare und verständliche Anweisungen durch den Coach im Sinne eines dominanten Kommunikationsstils.

Schlussendlich betont der Kanon an kommunikativen Leistungen und Eigenschaften des Coachs erneut dessen Funktion als prozesssteuernde und -gestaltende Instanz – eine Funktion, die der inhaltlichen Ausrichtung jeglichen Coaching-Formats übergeordnet ist. Deshalb sind die Befunde der vorliegenden Untersuchung – auch vor dem Hintergrund der Zusammensetzung und Größe der Stichprobe – zwar nicht von allgemeiner Gültigkeit, aber vorläufig und mit Bedacht auf sämtliche Coaching-Praxisfelder beziehbar.

Für Coaches können die herausgearbeiteten Kriterien Anhaltspunkte darstellen, das eigene Vorgehen und Verhalten im Coaching sowie die daraus resultierende Wirkung selbstkritisch zu überprüfen. Aufgrund der großen Bedeutung, die der Beziehung im Coaching zuzuschreiben ist, kann jenen von den Befragten als wichtig eingestuften Aspekten, welche dezidiert die Arbeitsallianz betreffen, von Coaches besondere Relevanz beigemessen werden. Zu nennen sind insbesondere Ermutigung, zwischenmenschliche Zuneigung und Vertrauen.

Literatur

  • Behrendt, P. & Greif, S. (2018). Erfolgsfaktoren im Coachingprozess. In S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 163–172), Berlin: Springer.
  • Beierlein, C.; Kovaleva, A.; Kemper, C. J. & Rammstedt, B. (2014). Allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala (ASKU). Abgerufen am 28.09.2020: https://bit.ly/3ND3Z2d
  • Böhm, M. (2016). Intuitiver Methodeneinsatz in Coaching-Prozessen. Wiesbaden: Springer.
  • Bresser, F. (2016). Die aktuelle Bedeutung von Coaching-Programmen. In R. Wegener, M. Loebbert & A. Fritze (Hrsg.), Coaching-Praxisfelder (S. 183–199), Wiesbaden: Springer.
  • Dagley, G. R. (2010). Exceptional executive coaches. International Coaching Psychology Review, 5(1), S. 63–80.
  • De Haan, E. & Page, N. (2013). Outcome report: conversations are key to results. Coaching at Work, 8(4), S. 10–13.
  • Kotte, S.; Hinn, D.; Oellerich, K. & Möller, H. (2018). Stand der Coachingforschung: Ergebnisse der vorliegenden Metaanalysen. In S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 553–562), Berlin: Springer.
  • Mannhardt, S. M. & De Haan, E. (2018). Coaching-Beziehung. In S. Greif, H. Möller & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 85–94), Berlin: Springer.
  • Rauen, C. & Steinke, I. (2019). Kompetenz-Anforderungsprofil für Coaches. In DBVC (Hrsg.), Leitlinien und Empfehlungen für die Entwicklung von Coaching als Profession (S. 42–51).
  • Schreyögg, A. (2015). Die potentielle Rollenvielfalt des Coachs. In A. Schreyögg & C. Schmidt-Lellek (Hrsg.), Die Professionalisierung von Coaching (S. 245–256), Wiesbaden: Springer.
  • Sonesh, S. C.; Coultas, C. W.; Lacerenza, C. N.; Marlow, S. L.; Benishek, L. E. & Salas, E. (2015). The power of coaching. Coaching: An International Journal of Theory, Research and Practice, 8(2), S. 73–95.

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