In Veröffentlichungen jeglicher Art wird immer wieder auf schwarze Schafe, Scharlatane und Trittbrettfahrer verwiesen (Lehnen, 2013; Utsch, 2013). Das wirft einen Schatten auf die ansonsten positive Branchenentwicklung der letzten Jahre. Die Frage stellt sich somit, ob und inwieweit solche Berichte die Wahrnehmung der Coaching-Branche durch die breite Öffentlichkeit sowie das Selbstverständnis der Branchenakteure beeinflussen. In der Wissenschaft nennt man diese subjektiven Assoziationen zu einem Beurteilungsgegenstand „Image“.
Es beinhaltet kognitive (Wissens-), affektive (Bewertungs-) und konnotative (Verhaltens-) Aspekte. Als immaterieller Wertträger (Spatzier, 2011) stellt das öffentliche Image einer Branche deshalb ein nicht zu unterschätzendes Kapital dar und bietet neben wirtschaftlichen Vorteilen auch Nutzen auf sozialer und fachlicher Ebene:
Das öffentliche Image spiegelt im weitesten Sinne die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung der Berufsgruppe wider, wobei Informationsquellen unterschiedlicher Qualität als Grundlage dienen. Denn nicht nur Personen mit Fachkenntnissen oder persönlichen Erfahrungen, sondern auch diejenigen, die keine Berührungspunkte mit dem Berufsfeld haben, beeinflussen das öffentliche Image.
Massenmedien werden zur Orientierung und Meinungsbildung herangezogen. Jede Berufsgruppe müsste deshalb großes Interesse daran haben, dass das Image in der Öffentlichkeit positiv erscheint (Kliche et al., 1999).
In der Coaching-Branche wurden bislang keine wissenschaftlich belastbaren Image-Studien durchgeführt. Die Befragungsergebnisse der zweiten Marburger Coaching-Studie 2011 (Gross & Stephan, 2011) lieferten allerdings relevante Hinweise auf Aspekte, die die ablehnende Coaching-Einstellung von Unternehmen erklären können:
Unternehmen, die eine positive Einstellung aufweisen, vermarkten Coaching gezielt intern als besonderes Angebot, welches top-down unterstützt und offen kommuniziert wird. Zudem scheint es für das Image und die Nachfrage förderlich zu sein, wenn Coaching zugleich präventiv, zur Entwicklung von Potenzialen und zur Beseitigung von Defiziten im Unternehmen eingesetzt wird.
Die beträchtliche Nachfrage nach Coaching-Weiterbildungen stützt zudem die Annahme, dass die Coaching-Branche sich unter diesen Personen eines besonders guten Images erfreut. Nach Schätzungen (Winkler et al., 2013) nehmen jährlich 4.000 Personen an einer Coaching-Weiterbildung teil.
Wenn auch bislang eine fundierte Image-Untersuchung der Coaching-Branche vermisst wird, kann jedoch auf Erkenntnisse verwandter Disziplinen verwiesen werden. Beispielsweise in der Psychologie werden international bereits seit mehreren Jahrzehnten Image-Studien durchgeführt.
Im Hinblick auf die kollektive Selbsteinschätzung der Fachvertreter sowie öffentliche Wahrnehmung der Psychologie erzielten die Studien wiederholt übereinstimmende Ergebnisse. Wahl und Rietz (1999) untersuchten das öffentliche Image der Psychologie und deren Fachvertreter, indem sie einerseits das Selbstbild von Psychologen, das Fremdbild der breiten Öffentlichkeit sowie das erwartete Fremdbild von Psychologen erfassten und miteinander verglichen. Aus ihrer Studie geht hervor, dass sich unter den Psychologen ein positives Selbstbild etabliert hat, aber die Fachvertreter trotzdem eine erstaunlich schlechte Erwartungshaltung hinsichtlich ihrer Außenwirkung aufweisen.
Tatsächlich werden die Psychologen in der Öffentlichkeit zwar deutlich vorteilhafter wahrgenommen als von ihnen erwartet, ihre Selbsteinschätzung fällt hingegen dennoch wesentlich positiver aus.
Ein Großteil der Konzepte und Modelle, die im Coaching angewendet werden, stammen ursprünglich aus der Psychologie, und viele der beruflich tätigen Coaches verfügen über einen psychologischen Hintergrund oder wenigstens über grundlegende psychologische Kenntnisse. Daher bestehen viele Gemeinsamkeiten und Parallelen zwischen Coaching und dem Fach Psychologie.
Zudem lassen sich in der Entwicklungsgeschichte der Psychologie und insbesondere der Psychotherapie ähnliche Schwierigkeiten (Methoden- und Schulenstreit) beobachten (Kliche et al., 1999) wie derzeit im Coaching (zersplitterte Verbandslandschaft). Gründe genug, Anleihen bei der Methodik der Untersuchungen zum Image der Psychologie zu nehmen und analog das Image von Coaching zu erheben.
Die explorative Studie (Monschau, 2014) wurde per Online-Befragung durchgeführt und stellt eine erste Annäherung an das derzeitige Image der Coaching-Branche dar. Zur Erfassung des vorherrschenden Images wurden die Teilnehmer gebeten, 25 allgemein gehaltene Aussagen über Coaching und Coaches zu bewerten. Die Studie von Wahl und Rietz (1999) zum Image der Psychologie diente als Grundlage für die Auswahl der Aussagen, die auf den Coaching-Kontext angepasst wurden. Die Stichprobe setzt sich aus zwei Gruppen, den Coaches und den Nicht-Coaches, zusammen.
Im ersten Schritt wurden alle Teilnehmer gebeten, die nachfolgenden Statements nach ihrer persönlichen Meinung zu bewerten. Anschließend konnten die Teilnehmer mit der Filterfrage „Sind Sie beruflich als Coach tätig?“ in ihre jeweilige Gruppe eingeteilt werden. Die Summe der Angaben der Coaches bildet das kollektive Selbstbild (SB) der Branchenvertreter, während die Antworten der Nicht-Coaches das tatsächlich in der Öffentlichkeit vorliegende Fremdbild (FB) repräsentieren.
Die Coaches erhielten zusätzlich zur Erhebung des vermuteten Fremdbildes (vFB) die Instruktion, einzuschätzen, wie ihrer Meinung nach Nicht-Coaches – somit die breite Öffentlichkeit – die verschiedenen Aussagen voraussichtlich beurteilen. Abschließend wurden soziodemografische Angaben erhoben.
Das Forschungsinteresse zielt – neben der Erfassung des dominierenden Stimmungsbildes gegenüber Coaching – darauf ab, perspektivisch bedingte Abweichungen in der Ausprägung der Imagewerte zu beleuchten:
Insgesamt nahmen 744 Personen an der Online-Befragung teil, für die Auswertung konnten 369 Datensätze berücksichtigt werden. In die Gruppe der Nicht-Coaches ließen sich rund zwei Drittel und in die Gruppe der Coaches knapp ein Drittel der Teilnehmer einordnen. Mit einem etwas höheren Frauenanteil entsprach die Geschlechterverteilung der beiden Untergruppen in etwa der Gesamtstichprobe (57 Prozent), während das durchschnittliche Alter der Nicht-Coaches mit 33 Jahren deutlich unter dem Durchschnittsalter der Coaches mit 46 Jahren lag.
Im Durchschnitt haben die befragten Coaches ihre Coaching-Ausbildung in 20 Monaten absolviert und sind seit sieben Jahren hauptberuflich als Coach tätig. Die Ergebnisse in Bezug auf den fachlichen Hintergrund und die Tätigkeit als Coach stimmen in ihrer Heterogenität mit den Befunden aktueller Coaching-Studien (Gross & Stephan, 2011) überein. Mit rund 42 Prozent unterstreicht der große Anteil an teilnehmenden Berufsneueinsteigern (maximal drei Jahre Berufserfahrung) den derzeitigen Wachstumstrend der Branche.
Das ermittelte Selbstbild (SB) der befragten Coaches fällt im Durchschnitt recht positiv aus, lediglich fünf Prozent äußern sich neutral bis negativ. Die Außenwirkung (vFB) wird von den Branchenvertretern hingegen eher neutral bis positiv und damit merklich schlechter eingeschätzt.
Weiterhin konnten signifikante Unterschiede im Verhältnis zwischen Fremdbild und Selbstbild sowie zwischen vermutetem und tatsächlichem Fremdbild festgestellt werden. Einerseits ergab die Befragung der Nicht-Coaches ein durchschnittlich positives Fremdbild, welches jedoch um einiges schlechter ausfällt als das Selbstbild der Coaches. Dagegen schätzen Coaches ihr Image (vFB) schwächer ein als es sich tatsächlich darstellt.
Die Analyse der Angaben auf Basis der Einzelitems zeigt für das Selbstbild über alle Fragen hinweg ein beständig positives Antwortverhalten. Lediglich die Aussage „Coaching beruht auf Sachlichkeit und Logik“ fällt leicht in den negativen Bereich und wird von den Coaches weder eindeutig abgelehnt noch bejaht.
Hierfür lassen sich viele mögliche Erklärungsansätze generieren. Eine gute Coach-Klient-Beziehung ist beispielsweise unerlässlich für einen erfolgreichen Coaching-Prozess, um ein arbeitsfähiges Vertrauensverhältnis aufbauen zu können, spielen Sachlichkeit und Logik jedoch eine eher untergeordnete Rolle.
Entgegen der ansehnlichen Selbsteinschätzung der Coaches fällt im Bereich des vermuteten Fremdbildes besonders die Zustimmungsrate der auf Klischees beruhenden Aussagen sehr hoch aus. Demnach erwarten die Branchenvertreter, dass Coaching von öffentlicher Seite als Modeerscheinung abgetan wird. Weiterhin glauben sie, dass in der Öffentlichkeit vorrangig eigene Schwierigkeiten als Triebfeder, sich als Coach zu betätigen, betrachtet werden. In diesen Punkten liegen die Ergebnisse der Nicht-Coaches zwar im mittleren Bereich erkennbar über denen des vermuteten Fremdbildes, signalisieren aber unweigerlich eine gewisse Skepsis und Unschlüssigkeit.
Andererseits denken die Coaches, dass sie innerhalb der Bevölkerung als geschickt im Umgang mit Menschen gelten und auch in ihrem Privatleben als gute Problemlöser angesehen werden. Von Seiten der Nicht-Coaches wird Letzteres hingegen tendenziell eher kritisch betrachtet.
Analysiert man die Antworten der Nicht-Coaches auf Ebene der Einzelitems, wird deutlich, dass Coaching von öffentlicher Seite als ernstzunehmende Berufstätigkeit angesehen wird, welche bei vielen beruflichen Problemen hilfreich sein kann. Entgegen der Annahme der Coaches wurde die Aussage „Coaches beschäftigen sich zu viel mit den Privatangelegenheiten anderer Leute“ von den befragten Nicht-Coaches entschieden abgelehnt. Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass in der Öffentlichkeit ein gewisses Bewusstsein für den Tätigkeitsbereich von Coaching vorliegt.
Vorwiegend im Hinblick auf die stereotypen Aussagen besteht unter den Nicht-Coaches Zwiespältigkeit. Beispielsweise werden kategorisierende und manipulative Eigenschaften den Coaches weder eindeutig zu-noch abgesprochen. Die Antworttendenz zur Mitte lässt darauf schließen, dass Coaching tatsächlich mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, aber in der Öffentlichkeit mit diesen Klischees differenziert und kontrovers umgegangen wird.
Andererseits könnte die unentschlossene Haltung hinsichtlich einiger Aussagen auf Wissensdefizite zurückzuführen sein. Generell schneiden die Aussagen, die den Coach als Person betreffen, über alle drei Perspektiven (SB, vFB, FB) hinweg schlechter ab, als die Aussagen über Coaching im Allgemeinen.
Der untersuchte Einfluss der demografischen Variable Geschlecht auf die Beurteilung der Branche zeigte deutlich, dass die weiblichen Teilnehmer insgesamt ein positiveres Bild der Branche aufweisen als die männlichen. Lediglich die vermutete Außenwirkung (vFB) ergibt keine Abweichungen zwischen den Geschlechtern.
Zu erwarteten Unterschieden in der Wahrnehmung von Coaching hinsichtlich des Alters und des Bildungsniveaus konnten aufgrund der Zusammensetzung der beiden Untersuchungsgruppen keine aussagekräftigen Ergebnisse erzielt werden.
Weiterhin konnte festgestellt werden, dass Personen, die bereits über Coaching-Erfahrung verfügen, die Branche sichtlich positiver beurteilen. Zudem geben die bereits gecoachten Personen zu rund 80 Prozent an, dass ihnen das Coaching geholfen habe. Dies spricht dafür, dass mit wachsender Vertrautheit und zwangsläufig auch mit weitreichenderem Wissen die Dienstleistung Coaching mehr Anerkennung erfährt.
In Anbetracht der Vielfalt auf dem Coaching-Markt ist davon auszugehen, dass die Öffentlichkeit unterschiedliche, teilweise widersprüchliche Informationen erreichen, die nicht immer konkret zugeordnet oder überprüft werden können. Trotzdem fallen die Fremdbildergebnisse recht positiv aus.
Entgegen der Vermutung der Coaches genießen sie ein recht hohes Ansehen. Dennoch begünstigt Ungewissheit in Bezug auf Coaching, dass Vorurteile weiterhin Bestand haben und das Branchenimage darunter leidet.
Die selbstkritischen und einen schlechten Ruf ihrer Berufsgruppe befürchtenden Äußerungen der Coaches kann man auch als den impliziten Wunsch lesen, nach außen eine geschlossene Haltung einzunehmen und sich klarer zu positionieren. Das wäre ein Votum für nachhaltige Imagepflege der Profession.
Die insgesamt höher ausfallenden Imagewerte der befragten Frauen könnten auf ein generell abweichendes Beurteilungsverhalten von Männern und Frauen oder auf die Stichprobe mit einem etwas höheren Frauenanteil zurückzuführen sein. Nichtsdestotrotz scheint hier ein interessanter Anhaltspunkt zu liegen, der speziell im Bereich der Förderung von Frauen in Führungspositionen erfolgsversprechende Resultate liefern könnte.
Die Mehrheit der Personen, die angaben, bereits Coaching-Erfahrungen zu besitzen, bewerteten das Coaching als hilfreich und wiesen der Branche ein positives Image zu. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen aus psychologischen Imagestudien und Informationen der Unternehmen, die Coaching gegenüber positiv eingestellt sind.
Da jedoch knapp die Hälfte der Nicht-Coaches angab, über Coaching-Erfahrung zu verfügen, die Qualität dieser Coaching-Prozesse aber nicht beurteilt werden kann, könnte man erwarten, dass ein weiter zunehmendes Qualitätsbewusstsein im Coaching die Zufriedenheit der Klienten oder beauftragenden Unternehmen noch steigern dürfte.
Eine Steigerung der medialen Präsenz von professionellen Coaches und das gleichzeitige Insistieren auf professionellen Standards könnten also die Dienstleistung für ein breiteres Publikum nicht nur attraktiver machen, sondern zugleich die Erwartungshaltung realistischer werden lassen. Dies dürfte langfristig das Image positiv beeinflussen.
In weiterführenden Studien bietet es sich an, förderliche sowie hindernde Aspekte zu untersuchen, welche die Bereitschaft, ein Coaching in Anspruch zu nehmen, beeinflussen. In Zeiten der Frauenquote könnte besonders für Unternehmen im MINT-Bereich eine Implementierung von Coaching als innovatives Förderungsangebot und Anreizsystem für Frauen in Führungs- und hohen Managementpositionen die Arbeitgeberattraktivität steigern.