Beruf Coach

Vom homo oeconomicus zum homo communicans

Coaching & Organisation

Business-Coaching muss aus einem undurchschaubaren Angebot als das herausgehoben werden, was es ist: eines der effektivsten Formate, um gewünschte organisationale Entwicklungsprozesse zu unterstützen und maßgeblich zu verbessern. Dabei spielen Kommunikationsprozesse, ihre Abläufe und ihr Transfer in die Organisation eine zentrale Rolle. D.h. auf Kommunikation ausgerichtete Systemtheorien wohnen dem Coaching-Prozess stets inne, wobei „systemisch“ keine skurrile Interventionsform ist, sondern Auskunft über den zugrunde gelegten Denkstil, das Paradigma gibt.

14 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2013 am 15.05.2013

Die Anfänge systemischer Praxis

In den späten sechziger und siebziger Jahren begannen verschiedene Psychiater, Psychotherapeuten und Sozialarbeiter sich Gedanken zu machen, was man mit den Angehörigen stationär aufgenommener Patienten machen könne. Hierbei dachte zunächst kaum jemand an Familientherapie, man war an der Beruhigung des Umfeldes der einzelnen Patienten interessiert. Besorgte und aufgeregte Angehörige waren seit Freud ein den Beratungsprozess störender Faktor.

Aus der Retrospektive betrachtet, kam es fast zwangsläufig wie es kommen musste: Die Sedierungsprogramme versagten und aus Störenfrieden wurden letztlich die besten Helfer der Therapeuten. Damit hatte sich ein theoretischer Wandel vollzogen, der Fokus der Betrachtung war weiter gestellt worden und der Siegeszug der Familientherapie und dann im Gefolge systemischer Therapie begann. Was bedeutete dies theoretisch und wie könnte diese Entwicklung für Business-Coaching trotz der großen Unterschiedlichkeit zwischen Familientherapie und Business-Coaching nutzbar gemacht werden?

Den einzelnen Patienten im Kontext von Wirkzusammenhängen zu betrachten, ergab den Beginn einer sehr rasanten Entwicklung. Auffälligkeiten, Störungen wurden nicht mehr individuell verortet, sondern in jenem Rahmen, in dem sie zu Tage traten, erfasst und behandelt. Die intrapersonelle Untersuchungsperspektive war durch eine interpersonelle partiell abgelöst worden. Hypothetisch konstruierte Kausalitätszusammenhänge (z.B. der Kindheit) standen plötzlich unter Verdacht.

In Folge wurden Veränderungen von Kommunikationen als relevant angesehen. Auch wenn es gelegentlich nur schwer fassbar erschien: Durch Veränderungen familiärer Interaktion wurden plötzlich schwere Symptome, wie z.B. Magersucht, aufgelöst. Folgerichtig war damit eine Neudefinition des Expertenstatus verbunden. Der Berater als Zauberer und Wunderheiler trat in den Hintergrund, er war nicht mehr der Kenner des richtigen Weges, der heilige Priester der Heilung, sondern ein Förderer, manchmal auch Designer anderer, für die Familie günstigerer Kommunikationsformen. Die in den Familien vorhandenen Lösungspotentiale der Kunden traten in den Vordergrund, sie wurden wichtiger als die Berater.

Ein möglicher Blick auf Systeme

Natürlich waren damit Konflikte und Auseinandersetzungen verbunden. Den Blick auf Kontexte (= Systeme) zu richten, wurde als unmenschlich und technokratisch etikettiert. Günter Schiepek, selbst ein profilierter Systemtheoretiker, sprach sarkastisch von Schmuddelkindern der Psychotherapie.

Aus heutiger Sicht betrachtet war mancher dieser Vorwürfe nicht ganz ohne Substanz. Die Suche nach einem für Humansysteme passenden Systembegriff führte zu mancher Irritation. Naturwissenschaftliche Anleihen waren zwar als Analogien und Metaphern hilfreich, aber die entsprechenden systemtheoretischen Modelle konnten mit ihrer Begrifflichkeit das kommunikative Geschehen nicht abbilden. Um es auf einen Nenner zu bringen: Jeder gelungene Kommunikationsakt zwischen Menschen setzt die Produktion von Sinn voraus. Gelingt den Kommunikanten keine (gemeinsame) Sinnproduktion, wird Kommunikation nicht fortgesetzt werden. Eine bestimmte Anzahl an Informationseinheiten (Bites) hin und her zu werfen, generiert noch keinen orientierenden Sinn. Die dann notwendige unendliche Auseinandersetzung um die Definitionshoheit ist ein gutes Beispiel für nicht gelungene Kommunikation.

An dieser Stelle war Niklas Luhmann hilfreich. Soziale Systeme (Familien, Funktionseinheiten wie Abteilungen, Unternehmen) als Kommunikationssysteme, die sich durch Kontexte unterscheiden, zu modellieren, ermöglichte eine praxistaugliche Orientierung. Luhmann sieht in der Produktion von Sinn ein bestimmendes Element von Kommunikation. Folgt man Siegfried J. Schmidt (2004) so sind Unternehmen aber nicht nur Kommunikations-, sondern auch Handlungssysteme. Die theoretische Debatte zwischen Luhmann und Maturana, ob Menschen oder Kommunikationen die kleinsten Einheiten eines Systems sind, löst Schmidt elegant mit dem Begriff des Kommunikanten. Mit diesen paradigmatischen Grundlagen standen Beschreibungen zur Verfügung, mit denen Systeme wie Unternehmen aber auch Individuen abbildbar wurden. Ein für die therapeutische Arbeit mit Familien entwickeltes Praxismodell konnte somit auch die paradigmatische Grundlage für leistungsfähiges und gut begründbares Business-Coaching, bilden.

Zu beachten ist: Der wahrnehmbare Unterschied zwischen dem sozialen System Familie und einer funktionalen Einheit einer Organisation leitete sich aus dem Kontext, aber nicht aus dem Systemtypus ab. Beide Systeme lassen sich als Kommunikationssysteme beschreiben. Den Unterschied zwischen systemischer Therapie und Business-Coaching zu verdeutlichen, ohne sich die Möglichkeit des Lernens zu blockieren, wurde damit möglich. Die Entwicklung von Business-Coaching konnte somit die Erfahrungen systemischer Familientherapie für sich nutzbar machen, ohne den Coaching-Prozess in einen therapeutischen Vorgang umzuwandeln.

Von Coaching zu Business-Coaching

Wer verstehen will, mit welch amorpher Masse nach Business-Coaching Suchende konfrontiert sind, sollte eine der großen Suchmaschinen bemühen. Um auch nur eine ansatzweise Orientierung in diesem Wildwuchs an Angeboten, die zum Teil nur aus Worthülsen bestehen, zu erreichen, muss man Unterscheidungen vornehmen.

So chaotisch und postmodern das vielfältige Angebot sich auch zeigt, erkennt man trotzdem bei genauer Betrachtung, es handelt sich um eine sehr alte, wenn auch sehr diskrete Profession. Definiert man Business-Coaching als Beratungsleistung, begegnet man in der Geschichte veritablen Vorgängern: Die sokratischen Dialoge aus dem alten Griechenland oder Seneca als Berater des römischen Kaisers Nero seien hier genannt, Machiavelli oder die Räte der Wiener Hofburg (den Titel Hofrat gibt es immer noch) oder der Einfluss prominenter Jesuiten (z.B. Nell-Breuning) seien aus späterer Zeit beispielhaft erwähnt (vorausgesetzt, man betrachtet diese Vorgänger unter dem Aspekt des beratenden Dialogs und nicht als eine auf ein bereits vorgedachte Ergebnisse zielende Beratung). Der Blick auf die historischen Vorbilder zeigt uns aber auch, es handelte sich um Personen, die mit Klugheit, Bildung und großem Wissen ausgestattet waren. Die Latte hinsichtlich des benötigten Wissens ist damit (mit Absicht!) sehr hoch gehängt.

Umso drängender wird die Frage, wie Business-Coaching als Dienstleistung geschärft werden kann. Zunächst sei konsequent zwischen Business-Coaching und anderen Coaching-Formen differenziert. Indem Business-Coaching auf die Unterstützung zur Erfüllung beruflicher Aufgaben beschränkt wird, erreicht man diese Differenzierung. Dies bedeutet, die Beratungsleistung orientiert sich an einem Bedarf, der im Kontext beruflicher Anforderungen entsteht, von dort angefordert wird und letztlich wieder dort verankert werden muss!

Eine weitere Differenzierung – und hier entsteht eine deutliche Analogie zur Familientherapie – ergibt sich aus der Frage: Bezieht sich Business-Coaching auf Individuen oder auf Organisationen? Diese Frage kann weder über das Setting noch über die Finanzierung, aber auch nicht über Selbstauskünfte von Coaches entschieden werden.

Die Antwort erfolgt zum Teil über Methoden, aber noch deutlicher über paradigmatische Vorstellungen, die dem jeweiligen Coaching-Konzept zugrunde liegen. Unter einem Paradigma wird die Denkfigur, das geistige Ordnungssystem, das Datenordnungsschema verstanden. Sieht sich jemand als Dienstleister für Organisationen, benötigt er oder sie theoretische Konzepte, die Organisationen abbilden können. Sieht das Konzept die Förderung Einzelner vor, fordert auch dies entsprechende, wenn auch andere Überlegungen. Es bleibt festzuhalten: Business-Coaching darf die Verbindung zum organisationalen Bezugssystem nicht abreißen lassen, hinsichtlich der Ausgestaltung ist jedoch ein breites Spektrum denkbar. Eine bestimmte Interventionstechnologie isoliert betrachtet, gibt aber keine Auskunft.

Die Referenzen von Business-Coaching

Business-Coaching bedeutet (fast) immer, mit Kunden über Themen zu reden, die einen beruflichen Zusammenhang (z.B. Übernahme einer neuen Aufgabe) haben oder mit organisationalen Anforderungen (z.B. Verbesserung von Führungskompetenzen) verbunden sind. Dies gilt auch dann, wenn die fokussierten Themen Überschneidungen zwischen beruflichen und privaten Themen darstellen. Eine strikte Trennung dieser Bereiche ist wünschenswert, aber Mitarbeiter oder Führungskräfte sind auch Mitglieder anderer Systeme wie Familie. Gegenseitige Beeinflussungen sind kaum vermeidbar.

Hieraus leitet sich die Forderung ab, den Verlauf oder das Ergebnis entsprechender Prozesse immer wieder in seinen organisationalen Zusammenhang zurückzuführen. Die gerne vorgetragene Argumentation der notwendigen Verschwiegenheit ist leicht zu entkräften. Die Erfahrungen mit entsprechenden Vereinbarungen in der Auftragsklärung zeigen, dass es diesbezüglich viele tragfähige Lösungen gibt.

Individuelle Unterstützung, die isoliert und von den organisationalen Zusammenhängen entkoppelt angeboten wird, stößt sehr schnell an Grenzen. Dies sei an einem kurzen Beispiel verdeutlicht: Eine bestimmte Managemententscheidung mag aus der Sicht eines Betroffenen ungerecht und falsch sein. Aus der Perspektive der Organisation kann sich dies völlig anders darstellen. So wird deutlich: Coaches treffen Entscheidungen, die Folgen haben.

Umgekehrt kann man festhalten, wenn Coaches keinen Einfluss nehmen, steht ihre Sinnhaftigkeit zur Disposition. Was wäre dann ihre Aufgabe? Die Art der Einflussnahme ist aber nicht unabhängig von den paradigmatischen Vorstellungen der Coaches. Etwas salopp formuliert ist jegliche Erkenntnis von Coaches abhängig von der Brille, die sie als Sehhilfe mitbringen. Wer mit intrapersonellen Konzepten operiert, wird in seinen Reflexionen immer wieder bei der Figur Person landen! Wer eine systemische Brille trägt, wird immer wieder organisationale Zusammenhänge im Blick haben.

Etikettiert man, aus welchen Erwägungen auch immer, seine Dienstleistung als Business-Coaching, so muss man sich als Anbieter fragen lassen, in welcher Form die Verknüpfung mit dem beruflichen Kontext erfolgt. Damit wird deutlich, dass Business-Coaching ohne theoretisch gut fundiertes Denken in Systemen kaum möglich ist. Um Missverständnisse zu vermeiden: Damit ist kein Wettbewerb über richtige oder falsche Paradigmen eröffnet. Es geht darum, die Konsequenzen der Entscheidung zu bedenken.

Coaching fördert Organisationsentwicklungen

Familientherapie ist, ähnlich wie Business– Coaching, eine Beratungsleistung, die auf die Beeinflussung von Systemen im Modus von Kommunikation zielt. Professionell agierende Familientherapeuten tun dies auch, aber sie führen die Inhalte der einzelnen Settings (z.B. Einzelgespräche, Paargespräche, Familieninterviews) immer wieder auf das relevante Systemisch eine Worthülse? Systemisch verweist auf hoch komplexe Systemtheorien. Die Naturwissenschaften haben jeweils eigene Grundlagen. Systemtheoretische Einflüsse auf die Sozialwissenschaften (Psychologie, Soziologie) erfolgten in Deutschland vor allem durch Niklas Luhmann und Siegfried J. Schmidt. Systemisch bezeichnet einen Denkstil, ein Paradigma aber keineswegs eine bestimmte Praxis bzw. Interventionstechnologie. Anders formuliert: Man kann vielleicht systemisch denken aber nicht systemisch handeln.

Familiensystem zurück. Die durch Reflexion gewonnenen Erkenntnisse oder erarbeiteten Lösungen müssen immer wieder hinsichtlich ihrer möglichen Wirkung auf das gesamte System Familie abgeglichen werden. Dies war und ist ein Erfolgsmodell.

Nimmt man dies als Analogie, so ist Coaching eine spezifische Herangehensweise (Dehner, 2010) innerhalb des großen Bogens Organisationsentwicklung. Business-Coaching kann als Einzelformat, im Setting von funktionalen Einheiten (z.B. Teams) u.v.a.m. wertvoll sein, aber es darf nicht von dem großen Gebilde Organisation abgetrennt werden. Orientiert sich die Coaching-Konzeption an der Entwicklung von Individuen unter Abkoppelung des Bezuges zur Organisation, haben wir ein Coaching vergleichbar einer auf Individuen zentrierten Einzeltherapie. Bleibt Coaching eingebunden in die Belange der Organisation, wäre Familientherapie die passendere Analogie.

Für einen Beobachter, z.B. des Coachings oder des Ausbildungsmarktes, können sich daraus Selektionskriterien ergeben. Gleichzeitig wird hiermit der oft inhaltsleere Begriff systemisch gefüllt. Business-Coaching, eingebunden in die den Kunden umgebende Organisation, fördert immer dann die Entwicklung, wenn erzielte individuelle Veränderungen der Organisation (und umgekehrt!) zur Verfügung gestellt werden. Diese Einbindung kann auf sehr unterschiedliche Weise operativ umgesetzt werden. Zusammenfassend lautet die These: Business-Coaching ist ein spezielles Format der Organisationsentwicklung. Beispielhaft seien einige Anwendungen skizziert:

  1. Eine umfangreiche Dialogkompetenz sowie spezifische Interventionstechnologien und Formate erlauben Reflexionstiefen, die mit anderen Formaten (z.B. in Großgruppen) nicht erreichbar sind.
  2. Business-Coaching, als Kommunikationsprozess modelliert, bedeutet immer Beobachtungsmanagement. Hierbei lernt der Beobachter (mehr oder weniger reflektiert), anders zu beobachten und bei Bedarf anders zu kommunizieren.
  3. Die Belange der Organisation können durch Hypothesenbildung oder durch entsprechende Fragetechniken immer thematisiert werden.
  4. Der konkrete Coaching-Prozess kann durch Änderungen des Settings Vertreter der Organisation (z.B. die Führungskraft des Kunden) temporär einbeziehen und somit die organisationale Perspektive sichern.

Die spezifischen Möglichkeiten von Business-Coaching lassen sich in der Begleitung von organisationalen Veränderungsprozessen immer wieder flexibel zur Optimierung einsetzen. Business-Coaching, in der Weise in Change-Prozesse eingebunden, ist hierfür unverzichtbar.

Coaching formt und verändert das Kulturprogramm

Organisationen haben den Zweck, Probleme im Sinne von Aufgaben zu lösen. Sie können dies auf sehr unterschiedliche Weise tun. Welchen Weg sie auch wählen, jeder dieser Wege hat Konsequenzen. Wird in einem Unternehmen das Schreiben von E-Mails (keine ganzen Sätze, unbekannte Abkürzungen und viele Anglizismen) als alleiniges Führungsinstrumentarium akzeptiert, so hat dies ebenso Konsequenzen wie das Gegenteil. Die Art und Weise, wie die Führungsaufgaben konkret gelöst oder nicht gelöst werden, ist dann das beobachtbare Kulturprogramm (Schmidt, 2004).

Es ist daher zwischen der Darstellung und dem Beobachtbaren zu unterscheiden, genau dies ist die Differenz zwischen Unternehmenskultur und Kulturprogramm. Unabhängig vom Setting (Einzel-Coaching oder Gruppe) wird durch entsprechende Fragen das Kulturprogramm zum Inhalt des Coaching-Prozesses. Es wird dadurch beobachtbar. Wer sich als Coach mit der Antwort des Kunden „ich ändere meinen Kommunikationsstil im Bereich Führung“ zufrieden gibt, wird wenig beobachten können. Wer aber beispielsweise fragen würde, wie die Mitarbeiter diese Änderung konkret feststellen, wird beobachtbare Änderungen im Kulturprogramm erfahren. Die geplante Veränderung und die antizipierten möglichen Reaktionen darauf werden wiederum zum Thema von Reflexionen. Dies ermöglicht weitere Modifikationen. Der Abgleich mit den organisationalen Belangen ergibt dann die Richtung der Veränderungen.

Vom homo oeconomicus zum homo communicans

Die Dienstleistung Coaching wird gelegentlich mit der Forderung, ein treibender Faktor zur Humanisierung der Arbeitswelt zu sein, konfrontiert. Hier sind Zweifel angebracht. Ähnlich wie Psychotherapie die Welt um keinen Grad besser machen kann, aber der Einzelne eventuell etwas gesünder wird, könnte dies auch in kleinen Teilen für Business-Coaching gelten. Es lohnt sich daher, dieser Idee nachzugehen, aber das ganz große Banner eingerollt zu lassen.

Mit homo oeconomicus werden Menschen skizziert, deren gesamtes berufliches Streben auf wirtschaftliche Belange ausgerichtet ist. Alle Entscheidungen werden pseudo-rational bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit begründet. In Unternehmen wird das operative Handeln auf Kennzahlen, die Vermeidung von Kosten, ausschließlich auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Menschen und ihre Belange sind dann cost facts – oder human capital. Letzteres hat es 2004 immerhin zum Unwort des Jahres gebracht.

Es mehren sich jedoch die Anzeichen, dass hier ein Umdenken begonnen hat. Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre gibt es eine ernste wissenschaftliche Debatte über das Konstrukt homo oeconomicus. Eine nicht kleine Anzahl an Untersuchungen (z.B. des Gallup Instituts), aber auch eine Summe an Coaching-Erfahrungen und Begründungen bei spektakulären Entlassungen (2011 wurden z.B. Felix Magath und der CIO eines internationalen japanischen Konzerns erstmals mit der Begründung mangelnder sozialer Kompetenz, d.h. letztlich kommunikativer Fähigkeiten, entlassen) deuten an, dass kommunikative Fähigkeiten immer öfter eingeklagt werden und die Reduktion auf homo oeconomicus in die Kritik geraten ist (Schwenker, 2011).

Das Konstrukt homo oeconomicus bringt, sehr einfach formuliert, zum Ausdruck, dass die Entwicklung einzelner Menschen und damit sozialer Systeme von den realisierten (also beobachtbaren) kommunikativen Fähigkeiten abhängt. Luhmann (1990) nennt es ein System höherer Ordnung gegenüber dem System Mensch. Ein solcher Wandel würde wirtschaftliches Denken nicht ersetzen, aber kommunikatives im Sinne sozialer Fähigkeiten hinzufügen: Soziale Fähigkeiten bedeuten im ersten Schritt, die Autonomie der Dialogpartner zu respektieren und damit auf Manipulation zu verzichten. Kommunikative Fähigkeiten in Organisationen meinen somit nicht den Ausbau von PR-Stäben.

Beschreibt man Unternehmen als Kommunikations- und Handlungssysteme und setzt dies in Verbindung zu den täglich beobachtbaren Kommunikationsleistungen (z.B. die Unternehmensschließung wird Freitagabend via E-Mail bekanntgegeben), spannt sich sofort ein großer Fächer an Optimierungsmöglichkeiten auf. Diese (kommunikativen) Optimierungen reduzieren vorhandene Reibungsverluste erheblich und sind somit wirtschaftlich sinnvoll. Kommunikative Kompetenz (Schwertl, 2001) hat aber keinerlei Selbstzweck. Sie ist die Voraussetzung für wirtschaftlich sinnvolles Handeln. Business-Coaching als hochreflexiver Vorgang kann für diese Entwicklung wertvolle Anstöße geben. Kulturelle Veränderungen im Sinne von Relativierung des homo oeconomicus zu Gunsten des Paradigmas homo communicans würden auf eine wenig spektakuläre Weise zur Entwicklung des jeweiligen Kulturprogramms beitragen. Verbesserungen des Kulturprogramms ernst zu nehmen fördert wiederum die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse. Gelegentlich ist auch von einem vierten Produktionsfaktor die Rede. Business-Coaching bildet unter den genannten Voraussetzungen ein zurzeit konkurrenzloses Format.

Literatur

  • Dehner, Ulrich (2010). Coaching ist keine Profession sondern eine Herngehensweise. In Coaching-Magazin, 4/2010, 12–17.
  • Luhmann, Niklas (1990). Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Schmidt, Siegfried J. (2004). Unternehmenskultur. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.
  • Schwenker, Burkhard (2011). Europa führt! Köln: Brunomedia.
  • Schwertl, Walter (2001). Kommunikative Kompetenz. In Gustav Bergmann & Gerd Meurer (Hrsg.). Best Patterns. Neuwied: Luchterhand. 313–327.

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