Ethik

Coaching und Macht. Teil 3

Die Macht des Coachs

5 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 11 | 2011

Nachdem im Teil I Machtkrisen als Teil von Lernkrisen und im Teil II die Ohnmacht der Mächtigen dargestellt wurde, soll im folgenden Teil III die Macht der Coaches genauer betrachtet werden.
 

Wenn Führungskräfte und Coaches zusammenarbeiten, ist dies meist eine vertrauensvolle und anspruchsvolle Aufgabe. Idealtypisch ist dabei die Arbeit auf gleicher Augenhöhe, wenngleich in der Praxis immer wieder auch andere Konstellationen beobachtbar sind: So kann es Machtgefälle in die eine (der Coach wird als Erfüllungsgehilfe gesehen) oder andere Richtung (der Klient wird als hilflos gesehen) geben.

Beide Extreme sind problematisch, da eine Über- bzw. Unterordnung nur ein Abbild der aus der Führungsarbeit gewohnten Beziehungsstruktur darstellt. Oder anders formuliert: Beziehungen mit Machtgefälle bieten für Führungskräfte nichts neues. Will ein Coach eine Dienstleistung erbringen, die einen Nutzwert über das Bekannte hinaus erwarten lässt, sollte er vom Erstkontakt an feinfühlig auf die Art der Beziehung zum Klienten achten.

Genau in diesem Erstkontakt kommt es ohnehin nahezu immer zu einem meist vorsichtigen, gelegentlich auch forschem gegenseitigen Abtasten der Ranghöhe. Solche Machtspiele sind für viele Führungskräfte normal und dienen der Einschätzung der anderen Partei. Problematisch ist ein solcher Vorgang allerdings dann, wenn er nicht "um der Sache willen" geschieht, sondern Ausdruck einer tiefer liegenden Psychodynamik ist. So erwarten z.B. narzisstische Führungskräfte (und natürlich auch narzisstische Coaches) Bewunderung und somit Unterordnung. Entspricht die jeweils andere Partei diesem Ansinnen nicht, wird sie als unpassend aussortiert.

Besonders problematisch wird es allerdings, wenn eine Person, die bewundert werden möchte, auf eine Person trifft, die bewundern möchte. Hier ist zwar vordergründig eine Passung gegeben. Allerdings fördert diese "Passung" defizitäre Entwicklungen, statt sie zu bearbeiten. Wenn die narzisstische Ausrichtung dann noch eine wesentliche Ursache für die Probleme einer Person ist, kann so bereits im Erstgespräch der Entwicklungsstillstand eingeläutet werden.

Unbequeme Coaches

Erfahrene Coaches haben und nutzen die Macht, die Kennenlernphase mit dem Klienten nutzbringender zu gestalten. Dazu gehört, anschlussfähig zu sein ohne deshalb zwangsläufig den Weg der Unterordnung zu gehen. Ein Coach muss unbequem sein dürfen, gerade dies macht seinen Wert aus. Auf der anderen Seite wird aber dieser Nutzen des Unbequemen auch vereinzelt von Coaches ausgenutzt, die nicht aus Professionalität unbequem sind, sondern um eigene Defizite zu kompensieren. Ein Nutzen für den Klienten darf in solchen Fällen bestenfalls als Kollateraleffekt angesehen werden ...

Eine professionell-unbequeme Rolle ist hingegen eine verantwortungsvolle und somit auch machtvolle Rolle. Ein Coach mit "gutem Draht" zum Klienten kann ohne Zweifel Einfluss auf dessen Entscheidungen haben. Dabei ist darauf zu achten, dass z.B. die kritische Reflexion einer anstehenden Entscheidung bereits dadurch beeinflusst werden kann, dass bestimmte Aspekte nicht vom Coach thematisiert werden. Der Coach hat zwar möglichst als ein neutraler "Spiegel" des Klienten zu fungieren. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass er in Passivität verharren muss und nur reagiert. Denn auch hier gilt (für Coach und Klient): Keine Entscheidung zu treffen, ist auch eine Entscheidung.

Da ein Coach für den Prozess des Coachings verantwortlich ist und der Klient der Experte für die Inhalte bleibt, hat der Coach weitgehende Steuerungsmöglichkeiten. Diese sind nicht nur theoretische Optionen, sondern sollten auch genutzt werden. In Coaching-Prozessen, die nur schleppend verlaufen oder in denen der Coach sich sogar hilflos fühlt, sollte daher intensiv vom Coach überdacht werden, ob er seine Einflussmöglichkeiten auf den Prozessverlauf nicht aktiv genug nutzt.

Gleichzeitig sollte sich der Coach darüber bewusst sein, dass das ausüben von Macht stets Unterordnung erfordert. Um dennoch ein Beziehungs- bzw. Machtgefälle im Coaching zu vermeiden, ist daher die Rollenaufteilung zwischen Prozessexperten (Coach) und Inhaltsexperten (Klient) so wichtig. Denn diese Aufteilung erfüllt nicht nur einen logischen Zweck, in dem sie die Stärken der beiden Beteiligten zusammenführt, sondern dient auch der Beziehungshygiene: Die Rollen werden ausbalanciert und Machtgefälle vermieden.

In der Praxis drückt sich eine ausbalancierte Beziehung auf Augenhöhe durch gegenseitigen Respekt aus. Statt Bewunderung wird Anerkennung sichtbar. Statt einseitiger Beeinflussung oder gar Abhängigkeit kennzeichnet dann ein fruchtbarer Austausch den Prozess. In so einer Konstellation wird der Coach seiner Aufgabe als Katalysator am ehesten gerecht: Er ermöglicht einen Prozess, der ohne ihn so nicht stattgefunden hätte, ohne direkt zu beeinflussen.

Überkompensierende Zyniker

Welche Macht hat ein Coach jedoch, wenn er auf einen Klienten trifft, der ein reiner Machtmensch ist? Eine mögliche Antwort gibt die Logotherapie: "Nach Viktor Frankl entsteht der Wille zur Macht erst dann, wenn der Wille zum Sinn keine Erfüllung findet. Erst wenn der Mensch bei seiner Suche nach dem Sinn scheitert, taucht der Gedanke nach der Selbstverwirklichung – auf Kosten anderer – auf" (WertePraxis, 13, S. 3 – siehe Linktipp). Folgt man diesem Gedanken, erweisen sich reine Machtmenschen somit als überkompensierende Zyniker. Allerdings ist es nicht zwangsläufig, dass Macht nur negativ ausgelebt wird. Sie kann auch konstruktiv zum Wohl anderer Menschen eingesetzt werden und somit zur Sinnerfüllung beitragen. Macht und Sinn müssen keine Widersprüche sein. Dies ist ein Wegweiser, an dem sich ein Coach orientieren kann, der mit Machtmenschen arbeitet.

Fazit

Coaches haben die Macht, unbequem zu sein und als Prozessexperten Einfluss auf die Entwicklung ihrer Klienten zu nehmen. Gleichzeitig zeichnen sich professionelle Coaches durch ein feines Gespür für die Augenhöhe im Coaching-Prozess aus. Anstrebenswert sind Prozesse, die durch gegenseitigen Respekt und fruchtbaren Austausch geprägt sind.

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