Zu den wohl interessantesten - weil überaus lehrreichen - Coaching-Fällen gehören solche, die nicht im gewünschten Sinne "funktioniert" haben. Natürlich wünscht sich jeder Berater, derartige Erfahrungen möglichst selten zu machen und es sei ihm (und insbesondere seinen Klienten) gegönnt. Neben den zahllosen Unvorhersehbarkeiten, mit denen ein Berater immer konfrontiert sein wird, möchte ich im Folgenden auf die vermeidbaren Gründe eingehen, die zum Versagen von Coaching beitragen können.
Ein Fehler bei den durchaus üblichen "Handschlag"-Verträgen sind Missverständnisse, die sich leicht ausräumen lassen: Verfassen Sie immer einen schriftlichen Vertrag oder senden Sie Ihrem Klienten nach einem "Handschlag"-Vertrag zumindest eine Zusammenfassung der wichtigsten Vereinbarungen zu.
Neben formalen Aspekten wie
- Anzahl Dauer und Orte der einzelnen Termine,
- Abstände zwischen den Terminen und Gesamtdauer,
- beteiligte Personen,
- Geheimhaltungspflicht,
- Honorar- und Spesensätze,
- Rechnungslegung und Zahlungsweise,
- Vereinbarungen über die Kosten für den Ausfall von Terminen,
- Haftungsfragen
sind "weiche Faktoren" als Grundlage der Beratungsbeziehung zu erwähnen: Die Bereitschaft zur Mitarbeit des Klienten, Freiwilligkeit, Veränderungsbereitschaft, Verantwortungsübernahme, Grenzen des Coachings etc. seien hier als einige Stichworte genannt. Ebenfalls entscheidend ist die Formulierung der ursprünglichen Zielsetzung des Klienten. Je nach Situation lassen sich all diese und ggf. weitere Aspekte übersichtlich auf 1-2 Seiten darstellen. Kürze und Prägnanz der Zusammenfassung erhöhen zugleich die Wahrscheinlich, dass der Klient sie auch liest - was keine Selbstverständlichkeit ist.
Tipp: Wenn immer sich an den Aspekten der Zusammenarbeit etwas ändert, fixieren Sie es schriftlich und lassen es Ihrem Klienten umgehend zukommen. Nicht aus Misstrauen, sondern um notwendige Verbindlichkeit für beide Seiten zu schaffen.
Ein weiterer Punkt, der ein Coaching ad absurdum führen kann, ist die bereits erwähnte ursprüngliche Zielsetzung. Als Feedback-Geber weiß jeder erfahrene Coach um die Betriebsblindheit seiner Klientel. Das Problem ist hier, dass der Klient aus seiner möglichen Betriebsblindheit heraus zuweilen die vorhandenen Probleme nicht mehr effektiv einschätzen kann und teilweise auch eher ein "diffuses Unbehagen" beklagt. So ist der Coach gut beraten, nicht vorschnell auf ein vorgegebenes Ziel fixiert zu sein, sondern sehr genau zuzuhören und zu beobachten. Ein präzise herausgearbeitetes und definiertes Ziel kann den Coach bereits überflüssig machen, wenn der Klient die Klarheit darüber gewonnen hat, was zu tun ist. Auf der anderen Seite nutzt es nur wenig, ein vorschnell definiertes Ziel erreicht zu haben, was vielleicht mehr an der Verschönerung von Problemsymptomen, statt der Bearbeitung von Problemursachen ausgerichtet war.
Dies bringt uns zum nächsten Punkt: der Diagnostik des beruflichen Umfelds des Klienten. Zu einem Coaching führende Anlässe sollten stets unter den aktuellen Kontextbedingungen eingeordnet werden. Somit ist es für den Coach notwendig, die Situation des Klienten umfassend zu rekonstruieren. Für derartige Rekonstruktionen gibt es zahlreiche Vorgehensweisen (z.B. Organisationsaufstellungen), die zugleich in der Kennenlern-Phase zum Aufbau der Beratungsbeziehung beitragen können. Anhand eines Beispiels sei verdeutlicht, warum die Kenntnis des beruflichen Umfeldes so wichtig sein kann: Klagt ein Klient über Führungsprobleme mit seinen Mitarbeitern, so mag dies durchaus in seiner Führungs(in)kompetenz begründet sein. Gleichwohl kann dieser Erklärungsansatz zu kurz greifen, wenn z.B. Machtdurchgriffe in der Hierarchie zu oft vorkommen und die Stellung des Klienten als Führungskraft dadurch untergraben wird. Letztlich können auch scheinbare Kleinigkeiten für den Coach wertvolle Hinweise liefern, um Symptome von Ursachen unterscheiden zu können.
Ist nicht der Klient, sondern sein Unternehmen der Auftraggeber, sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, um einen erfolgreichen Coaching-Prozess zumindest nicht ausschließen zu können: Neben der erwähnten Einsicht bzw. Freiwilligkeit und der Veränderungsbereitschaft des Klienten muss es das organisationale Umfeld überhaupt zulassen, Beratung sanktionsfrei in Anspruch zu nehmen. Dies ist immer dann gefährdet, wenn Coaching als "Nachhilfe für Leistungsschwache" gesehen wird. Dies muss in einem Unternehmen nicht in besonderer Weise kommuniziert werden, die Mitarbeiter merken es von alleine, wenn alle Mitarbeiter, deren Leistungen nicht optimal erscheinen, gecoacht werden sollen. Faktisch ist Coaching damit unfreiwillig und hat eine Bestrafungsfunktion - und somit beste Voraussetzungen, zu versagen. In solchen Konstellationen muss ferner bezweifelt werden, dass die Inhalte des Coachings vertraulich bleiben - der Chef erwartet ja Rückmeldung über die Fortschritte, "ob das Coaching denn was gebracht hat". All diese Punkte sollte ein Coach mit einem Auftraggeber klären (und schriftlich fixieren), um Schaden von sich, den zu coachenden Mitarbeitern und letztlich dem Betrieb(sklima) fernzuhalten. Verständige Auftraggeber wissen gerade eine solche Umsicht zu schätzen.
Schriftliches Fixieren funktionaler Rahmenbedingungen mit dem Klienten und ggf. einem dritten Auftraggeber, präzise Zielarbeit, das Unterscheiden von Symptomen und Ursachen tragen beträchtlich zur Erfolgsaussicht eines Coachings bei.
Letztlich kann es keine Garantien für gelungene Coaching-Prozesse geben. Wenn Sie die vorgeschlagenen Anregungen berücksichtigen, haben Sie aber zumindest einen Teil dazu beigetragen, vermeidbare Probleme auszuräumen.