Kontrovers

Klientenerfahrungen mit unseriösen Coaches

Zweifelhafte Coaching-Anbieter

6 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 06 | 2002

Zu den weniger erfreulichen und gerne verschwiegenen Problemen jeder Branche gehören unseriöse Anbieter. Im Coaching trifft dies in besonderem Maße zu, da die Branche als ausgesprochen "bunt" bezeichnet werden kann. Dies belegt auch das Ergebnis meines Aufrufs im Coaching-Newsletter 2002-04, mir über Erfahrungen mit dem Coaching zu berichten. Auch hier zeigte sich, dass es offensichtlich "Anbieter" gibt, die gezielt die Vier-Augen-Situation des Coachings ausnutzen, um ihre Klienten in erschreckender Weise finanziell und emotional zu schädigen.

So folgen z.B. scheinbar unverbindlichen Vorgesprächen hohe Rechnungen oder es werden Gespräche ohne Rücksicht auf die physische oder psychische Konstitution des Klienten beliebig "gestreckt".

Auch Ausbildungsverträge, die Personen, die sich zum Coach ausbilden lassen, gleichzeitig zur Abnahme von zig Coaching-Stunden zwingen, scheinen mir ungewöhnlich. Gegen eine Supervision von Fallarbeit ist selbstverständlich nichts einzuwenden. Bedenklich wird das ganze, wenn vollkommen unklar ist, wie teuer diese Stunden sind und welches Ziel damit verfolgt wird. Auch macht die pauschale Festlegung von z.B. 50 Stunden als Minimum mehr als nachdenklich, wenn damit höhere Kosten als für die gesamte Ausbildung anfallen - ohne dass dies von dem "Ausbildungsanbieter" auch nur erwähnt wird.

Wie agieren unseriöse Berater? 

Aus den mir vorliegenden Erfahrungsberichten lässt sich folgendes Muster ableiten, dass alle am Coaching Interessierten misstrauisch machen sollte:

1. Auf die Frage, ob ein Vorgespräch mit dem Berater kostenlos oder kostenpflichtig ist, gibt es keine eindeutige Antwort, sondern man bekommt Floskeln wie "Über Geld spricht man doch nicht" oder "Kommen Sie doch einfach mal vorbei" zu hören. Teilweise werden die Fragen geschickt umgangen oder es wird mit Gegenfragen reagiert.
Kommentar: Lassen Sie sich auf Personen, die ein derartiges Verhalten zeigen, nicht ein. Professionelle Anbieter geben klare Auskünfte und haben es nicht nötig, Ausreden und Zweideutigkeiten zu bemühen.

2. Auch bei größerer räumlicher Entfernung zum "Coach" empfiehlt dieser ausschließlich sich selbst, auch bei Anliegen, die nicht sonderlich speziell sind.
Kommentar: Grundsätzlich möchte ich hier auf die Faustregel hinweisen, dass die Reisespesen nicht höher sein sollten als (normale) die Beratungskosten. Dies gilt für Coach und Klient.

3. Bereits im Erstgespräch drängt der Coach zu einer Vertragsunterzeichnung. In dem Vertrag wird der Klient verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Coaching-Stunden zu bezahlen, selbst wenn diese nicht wahrgenommen werden sollten.
Kommentar: Meiden Sie Anbieter, die bereits im Erstkontakt zur Vertragsunterzeichnung drängen. Kein seriöser Anbieter erwartet eine sofortige Vertragsunterzeichnung; vielmehr liegt ihnen daran, dass ein Interessent sich bewusst nach angemessener Bedenkzeit (dies können mehrere Tage oder Wochen sein) für oder gegen ihn entscheidet.

4. Konkrete Referenzen können nicht genannt werden, stattdessen gibt es abermals nur floskelhafte Ausflüchte wie "Ich habe schon mit den größten Konzernen/bekanntesten Persönlichkeiten zusammengearbeitet" usw.
Kommentar: Begnügen Sie sich nicht mit derartigen Allgemeinplätzen. Professionelle Anbieter haben konkrete Referenzen und können diese nennen. Es ist nicht ungewöhnlich, danach zu Fragen und wenn ein "Coach" unwirsch darauf reagiert, sollten Sie ihn meiden.

5. Gespräche werden gegen den Willen des Klienten per Video aufgezeichnet. Einwände werden mit dem Hinweis auf die "Überlegenheit" der Kompetenz des Coachs übergangen.
Kommentar: Zwischen Coach und Klient sollte stets ein Gleichgewicht herrschen. Der Coach ist nicht der Macher, sondern findet gemeinsam mit dem Klienten Lösungen. Er drückt keine Lösungen "von oben" auf, denn dies ist keine Hilfe zur Selbsthilfe. Es ist schlicht als Unverschämtheit und Machtmissbrauch zu werten, wenn ein Klient gegen seinen Willen gefilmt werden soll und vom "Coach" entsprechende Bedenken übergangen werden.

6. Anmaßendes und überhebliches Verhalten des Coachs, mit dem Ziel, den Klienten einzuschüchtern.
Kommentar: Gutes Coachs arbeiten teilweise durchaus mit Provokationen - allerdings nur, wenn bereits eine gute Beratungsbeziehung aufgebaut ist und dies dem Wohl des Klienten dienlich ist. Anmaßendes Verhalten hingegen ist eher ein Indiz auf eine narzisstische Beeinträchtigung in der Persönlichkeit des "Coachs".

7. Ohne ersichtlichen Grund werden Klientinnen intensiv zum Thema Sexualität befragt, obwohl dies nicht annähernd mit dem Anliegen zu tun hat.
Kommentar: Ein derartiges Verhalten ist in keiner Weise nachzuvollziehen. Dies ist weder Coaching noch Therapie, sondern manipulative Scharlatanerie.

8. Körperliche Annäherungsversuche durch den "Coach".
Kommentar: Dies als "indiskutabel" zu bezeichnen ist eher untertrieben. In solchen Fällen wird die 4-Augen-Situation des Coachings missbraucht, eine Beweisführung durch das Opfer ist schwer möglich ist. Der Kontakt zu derartigen "Berater" sollte sofort abgebrochen werden.

9. Einem Abbruch des Coachings folgt telefonische Belästigung.
Kommentar: Solches Verhalten ist kaum vorstellbar, kommt aber leider tatsächlich vor. Ggf. sollte eine Fangschaltung ernsthaft erwogen werden. Da das Telefonnetz in Deutschland mittlerweile komplett digitalisiert ist, sind Fangschaltungen mit minimalem technischen Aufwand möglich und können bei der Telekom beantragt werden.

Alle diese beschriebenen Vorkommnisse können als "K.O.-Kriterien" angesehen werden, wenn man auf der Suche nach einem seriösen Coaching-Anbieter ist. Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Mitgliedschaft oder eine führende Funktion in einem Verein, der sich (scheinbar) dem Coaching verpflichtet, für sich kein Qualitätsurteil erlaubt.

So wurden mir mehrere Fälle berichtet, in denen einer Person aufgrund ihrer Position in einem Verein ein so hoher "Vertrauensvorschuss" gewährt wurde, dass die Klientinnen seine "Reputation" nicht in Frage stellten und dies in mehrfacher Hinsicht ausgenutzt bzw. missbraucht wurde. Daher der klare Hinweis: Egal, wer jemand ist oder welche Funktion er in einem Verband oder Verein ausübt, prüfen Sie einen Berater stets ohne sich von Titeln oder Funktionen beeindrucken zu lassen.

Fazit

Auch für Kenner der Szene dürften die dargestellten Verhaltensweisen erschreckend sein. Sicherlich sind derartige Personen eher die Ausnahme als die Regel in der Coaching-Branche. Dennoch halte ich es für bedeutsam, das Thema nicht zu verschweigen, sondern mit den genannten Anregungen potentiellen Klienten eine Möglichkeit zu geben, zumindest einige unseriöse Berater "herausfiltern" zu können.

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