Coaching findet als individualisierte Form der Beratung, Begleitung und Unterstützung immer weitere Verbreitung und Akzeptanz. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung für alle, die professionell in diesem Bereich tätig sind. Dennoch gibt es auch Schattenseiten dieser Entwicklung: Die wohl größte Gefahr, die durch Coaching droht, sind inkompetente oder gar betrügerische Coachs. Diese bringen ihren Klienten nicht nur Schaden statt Nutzen, sie verschlechtern auch den Ruf der gesamten Coaching-Branche und beschädigen so indirekt den Ruf von professionellen Anbietern.
Die Branche reagiert in verschiedener Weise auf diese Gefahr: Einige Organisationen verkaufen fein abgestufte "Coach-Lizenzen", werben teils aufdringlich für Mitgliedschaften und versuchen damit die Illusion von Qualität zu erzeugen. Allerdings erwecken derartige Lizenzmodelle - vorsichtig formuliert - eher den Eindruck, primär finanzielle statt qualitative Ziele zu verfolgen.
Mir wurden bereits mehrere Fälle berichtet, in den Personen für eine Mitgliedschaft/Lizenz geworben werden sollten, obwohl sie die dafür angeblich notwendigen Bedingungen gar nicht erfüllten. Darauf hingewiesen kommt als wohl nicht untypische Reaktion der Geschäftsführung der Hinweis "Das ist kein Problem, wenn ich Sie empfehle, geht das schon". Wirklich überraschend sind solche Antworten natürlich nicht - insbesondere, wenn man weiß, dass die Geschäftsführung sich faktisch selbst die Lizenz zum "Ober-Coach" erteilt hat...
Erschwerend kommt hinzu, dass die Personen, die es mit der Qualität ohnehin nicht so genau nehmen, dankbare Abnehmer für kaufbare Lizenzen und niedrigschwellige Mitgliedschaften sind.
Leider wird die Situation so weiter problematisiert, statt entschärft: In der Suche nach wirtschaftlichem Erfolg akzeptieren viele Personen derartige Lizenzen, ohne zu hinterfragen, was tatsächlich für Qualität getan wird.
So kann hier leider das Zwischenfazit gezogen werden, dass jeder seinen eigenen "Standard" definiert und Klienten sich über die "Qualität" der Beratung wundern.
Die Problematik ist indes auch in den USA längst bekannt. Steven Berglas warnt in seinem Artikel "The Very Real Dangers of Executive Coaching (Harvard Business Review, Juni 2002, S. 86-92) vor schlecht ausgebildeten Coachs, deren mangelnde Kompetenzen mehr Schaden anrichten, als helfen. Anhand mehrerer Beispiele wird dargestellt, welcher menschliche wie finanzielle Schaden auf diese Weise bereits angerichtet wurde.
Aus zahlreichen Fallberichten, die mir in den letzten beiden Jahren zugetragen wurden, kann ich leider bestätigen, dass die Situation in Deutschland nicht besser ist. So weist auch Dr. Astrid Schreyögg in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "Organisationsberatung - Supervision - Coaching (OSC)" auf Missbrauch im Coaching hin. Es ist teilweise mehr als erschreckend, mit welcher berechnenden Gewissenlosigkeit Klienten finanziell ausgebeutet und gezielt unter Druck gesetzt werden - teilweise, bis sie therapiereif sind.
Wie kann man sich vor einem derartigen "Fehlgriff" schützen?
In erster Linie sollte man sehr vorsichtig gegenüber Anbietern sein, die bei der Schilderung ihrer Kompetenz mit Superlativen nicht sparen. Echte Profis haben ein derartiges Verhalten schlicht nicht nötig. Grundsätzlich sei auch immer nahe gelegt, mehrere Anbieter miteinander zu vergleichen und in einem persönlichen Vorgespräch die Kompetenz des Coachs zu erfragen, z.B. indem man um Fallbeispiele bittet oder sich diverse Methoden schildern lässt. Solche Gespräche haben i.d.R. mehr diagnostischen Wert als dubiose Lizenzen. Auch die Veröffentlichungen eines Coachs können ein Hinweis auf seine Kompetenz und Leistungsfähigkeit sein.
Ferner sollte man sich als Interessent nicht von Posten und Titeln eines Coachs beeindrucken lassen. Insbesondere Scharlatane arbeiten gerne schon in Vorgesprächen darauf hin, es sei eine Ehre, von ihnen gecoacht zu werden. Solche "Coachs" wollen dem Klienten gezielt das Gefühl zu vermitteln, er sei dumm und unterlegen und bedürfe unbedingt der Hilfe des sich omnipotent präsentierenden "Coachs".
Solche "Coachs" halten es daher auch nicht für nötig, sich und ihre Arbeit dem Klienten zu erklären. Statt Antworten erhalten Klienten Gegenfragen, esoterisches Geschwätz und sinnlose Rätselaufgaben. Wenn der Klient etwas nicht verstanden hat und keine Antwort findet, ist nach Meinung solcher "Coachs" der Klient schuld. Beschwert sich der Klient darüber, so wird dies vom "Coach" als ein weiterer Beweis für die Dummheit des Klienten gewertet - und die Notwendigkeit, sich unbedingt von dem "Coach" beraten zu lassen.
Echten Coaching-Experten ist es hingegen ein wichtiges Anliegen, dass sich Coach und Klient auf einer Ebene bewegen und es möglichst kein Beziehungsgefälle gibt. Sie arbeiten bewusstseinsfördernd statt -hemmend und können und wollen dem Klienten Zusammenhänge erläutern.
Oder anders formuliert: Meiden Sie "Coachs", die ein wenig oder gar kein wertschätzendes Verhalten gegenüber ihren Klienten an den Tag legen. Der Coach ist zwar kein Ja-Sager und seine Rolle verlangt es, unbequem sein zu dürfen, aber er hat immer ein positive Einstellung zu seinem Klienten. Scharlatanen hingegen ist dies egal, sie legen primär Wert auf finanzielle Zuwendungen und die Betonung ihrer "Großartigkeit". Solche Personen disqualifizieren sich selbst, dennoch gibt es sie immer noch - und zuweilen sogar in Positionen, bei denen man dies nicht erwarten würde.
Die wohl größte Gefahr im Coaching besteht darin, auf einen unqualifizierten Coach zu treffen. Leider bieten diverse "Coach-Titel" und "Lizenzen" keinen Schutz davor, sondern sind - wenn man die aktuelle Praxis analysiert - eher geeignet das Problem zu verschärfen. Bei der Auswahl von Coachs sollte man sich daher auf selbst überprüfte Fakten verlassen, mehrere Anbieter vergleichen und nur Coachs akzeptieren, die einen offenen und fördernden Arbeitsstil pflegen.