Es handelt sich um einen Klassiker unter den Coaching-Anliegen: der Leidensdruck hinsichtlich der eigenen Work-Life-Balance. Der ideal ausgewogene Zustand zwischen dem eigenen Wirken und Werken in der Arbeitswelt und dem wohligen Gefühl im Privatleben wird angestrebt und soll nachhaltig im eigenen Leben verankert werden. Es ist doch perfekt, wenn man die Welt bereisen kann, fremde Menschen und Kulturen kennenlernen darf, zu Hause seine eigene kleine heile Welt mit Freunden und Familie als Rückzugsort und Lebenselixier hat – der Traum vom Dasein als Erfolgsmensch schlechthin, der mit toller Arbeit, großartigen Weiterbildungen und Auszeichnungen aufwarten kann und darüber hinaus auch noch genug Zeit für sich persönlich findet. Schwierig wird es nur, wenn man aus diesem Traum aufwacht und die Keule der Realität spürt.
Das Konzept der Work-Life-Balance geht davon aus, dass der Mensch in verschiedenen Lebensbereichen agiert. Das Umfeld wird nach diesen Bereichen differenziert und kategorisiert:
Die systemische Sicht: Der Kontext des Lebens wird in Teilkontexte zerlegt. So können verschiedene Perspektiven eingenommen werden. Jeder Teilkontext ist mit Anforderungen, Aufgaben und einem bestimmten Kontingent an Ressourcen verbunden. Aus dem Wechsel der Perspektiven, dem Erkennen von Zusammenhängen und Abhängigkeiten zwischen den Teilkontexten sowie dem Einsatz von Ressourcen wird oft ein Sollen. Dieses Sollen drückt mehrere Möglichkeiten aus, wie z.B.: Das Soll als Zielformulierung (Idealzustand, abgeschlossener Zustand in der Zukunft, Haltungsziel), das Soll als Klarheit über die Zusammenhänge des Systems, das Soll als Verbindlichkeit zur Selbstentwicklung.
Die konstruktivistische Sicht: Jeder konstruiert, deutet und bewertet seine Welt selbst. Das Leben ist komplex, einzigartig und individuell. Das Leben kann aus verschiedenen Standpunkten und Meinungen heraus betrachtet werden. Aus dieser Fähigkeit, sich ein einzigartig komplexes Leben zu gestalten, wird oft ein Sollen. Das Sollen wird emotional als aktives Tun für die nachhaltige persönliche Entwicklung empfunden.
Das Sollen übt Druck auf den Menschen aus, weil er sich pro Teilkontext einen Anspruch an sich und seine Umwelt gesetzt hat. Er hat nicht nur die Hoffnung, diesen Anspruch zu erfüllen, sondern will dies unbedingt erreichen. Der Wille zum Erfolg nimmt Überhand. Man funktioniert, ist ständig erreichbar, man überfordert sich, man wird unzufrieden und lässt seine schlechte Laune an sich und seiner Umwelt immer ungefilterter aus. Dies kann in der Isolation oder gar Zerstörung (seiner sozialen Bindungen, seiner Selbst) enden.
In diesem Moment ist das Leben aus den Fugen, die Work-Life-Balance in eine ungesunde Schieflage geraten. Der Mensch leidet und sucht Abhilfe. Ein Coach wird engagiert.
Exemplarisch werden hier zwei anonymisierte Fälle skizziert. Der Coaching-Prozess setzt sich in beiden Fällen aus folgenden Phasen zusammen:
Der Klient ist ein sehr gut aussehender, gut gepflegter Mann, 40 Jahre alt. Er stieg direkt nach dem Studium im Konzern ein und kletterte etwa alle drei bis fünf Jahre die Karriereleiter hoch. Mittlerweile – nach 15 Jahren – ist er Bereichsleiter Business Development, hat 150 Mitarbeiter unter sich, davon sieben in leitender Funktion, die ihm direkt unterstellt sind, verteilt auf Deutschland, Österreich, Schweiz, England, USA, Südafrika und China. Er selbst berichtet dem Vorstand. Er ist dafür bekannt, dass alle von ihm geleiteten Projekte erfolgreich umgesetzt werden. Aufgrund seines BWL-Studiums kann er Sachverhalte gut analysieren, Zahlen, Daten und Fakten erkennen, priorisieren und diese nach Erfolg, Misserfolg und Potenzial differenzieren. Von seinen Mitarbeitern verlangt er Ergebnisse, eigenständiges Arbeiten und Ruhe.
Nun steht er vor der Frage, ob er eine Projektleitung übernehmen sollte, für die er monatelang in den USA, China und Südafrika arbeiten müsste. Er möchte die Aufgabe unbedingt annehmen, weil er die Dynamik liebt, die unterschiedlichen Kulturen schätzt, das Unternehmen einen enormen Schritt nach vorne bringen, dessen Marktposition ausweiten und verstärken könnte. Insgeheim ist er irritiert, warum er das Projekt nicht ohne mit der Wimper zu zucken übernimmt. In der Zusammenarbeit mit dem Coach wird schnell klar, dass der Manager seinen Fokus stets auf sein Wirken in der Arbeits- und Wirtschaftswelt gesetzt hat.
Der Mann wirkt sehr selbstbewusst und in sich ruhend. Er redet wenig, aber mit sonorer und warmer Stimme. Schnell ist das Veränderungsthema beschrieben, der Ist-Zustand erklärt, notiert und bewertet. Neue Informationen sind, dass er glücklich verheiratet ist und eine Tochter und einen Sohn im Kindergartenalter hat.
Während der eigentlichen Coaching-Arbeit, der Arbeit mit den themenrelevanten Ressourcen des Klienten, verändert sich dieser. Als er über seine intrinsische Motivation reflektiert, wirkt der Klient nachdenklicher, langsamer und noch ruhiger, wirkt leicht unsicher, weicher und emotionaler als zu Beginn des Coachings. Seine Augen werden glasig, seine Gesichtsfarbe wechselt, eine Träne kullert über seine Wange. „Was habe ich bloß getan, ich bin ein Rabenvater“, fängt er an, sich Vorwürfe zu machen. Nach ein, zwei Minuten beruhigt er sich, schaut den Coach an und sagt: „Nein, das kann ich nicht machen, darf mir nichts mehr vorlügen, darf kein Egoist mehr sein. Das Projekt ist mir zwar wichtig und ich habe zwei Jahre auf diese Gelegenheit hingearbeitet, aber ich habe nur eine Chance, meine Kinder aufwachsen zu sehen. Ich darf nicht mehr weg sein.“
Was passiert hier gerade? Der Klient hat seinen Rubikon erreicht, er erkannte, was ihm schadet, (Abwendungsmotivation) und entwickelt – hierdurch angestoßen – gerade seine Lösung. Er hinterfragt, welche Veränderung ihm guttäte (Hinwendungsmotivation). Hier wird deutlich, dass die Lösung im Klienten steckt.
Wenn er das Projekt annehmen würde, hätte er eine richtig gute Chance, sich nach erfolgreichem Abschluss für einen Posten in der Unternehmensleitung zu empfehlen, Geschäftsführer eines anderen Unternehmens zu werden oder sich selbstständig zu machen. Alle Wege stünden offen. Er bemerkt aber, dass er diesmal nicht wirklich erfolgreich werden kann, weil er im Grunde seines Herzens traurig ist, was ihn bei wichtigen Verhandlungen stören und blockieren würde. Wenn er das Projekt nicht annehmen würde, könnte er ein guter Vater sein und seinem derzeitigen Job weiter nachgehen, was allerdings keine Herausforderung mehr ist. Eine andere Möglichkeit sieht er (noch) nicht.
Was ist konkret passiert? Als der Klient über sein Bedürfnis, seine Motive und seine Werte zum Thema reflektierte, ist ihm etwas aufgefallen. Hierzu setzte der Coach die Maslowsche Bedürfnispyramide, die Wertesonne sowie die MotivStrukturAnalyse (MSA) als Reflexionsangebot ein und nutzte die typischen Fragen eines Coachs, nämlich geschlossene, offene, hypothetische und skalierende Fragen. Der Klient bemerkte zu seiner Überraschung einen Widerspruch, der sich als innerer Konflikt seiner arbeits- und familienbezogenen Werte beschreiben lässt. Ihm sind Erfolg sowie Familie sehr wichtig. Weil er beides hat und genießt, hatte er nie über seine Prioritäten oder die gegenseitige Abhängigkeit beider Lebensbereiche nachgedacht. Erfolg verortet er ausschließlich in der Arbeitswelt, Familie im Privatleben. Diese Trennung hat er bewusst vorgenommen, weil seine Vorbilder dies erfolgreich praktizierten.
Mittlerweile aber steht der Familienwert an erster Stelle, weil dieser in den letzten zehn Jahren immer hintenanstand. Weitere Werte wie Loyalität, Disziplin, Genuss und Zusammenhalt findet er sowohl in der Arbeitswelt als auch im Familienleben. In der Zusammenschau dieser Ressourcen unter Einsatz des Tools „Motiv-Wert-Interaktion“ ist ihm bewusst geworden, dass er sich seit längerer Zeit nicht wohlfühlt, sich ungern von seinen Kindern trennt, es ihm wehttut, wenn er längere Zeit weg ist. Sobald er in die Arbeit vertieft war, ging es ihm hingegen wieder gut, er fühlte sich tatkräftig.
Im Ergebnis stellt er fest, dass er zwar beide Werte in seinem Leben hat, beide dieselbe tolle Wirkung auf ihn haben, aber im Endeffekt der Familienwert lange zu kurz kam. Er dachte, es sei alles in Ordnung, was aber nicht stimmte. Er kann beide Lebensbereiche nicht mehr messerscharf voneinander trennen. Sie gehören zusammen, sind miteinander verwoben, ja, sie bedingen sich. Hier bemerkte der Klient, dass Gehirn, Geist, Körper und Emotion eine unzertrennbare Einheit bilden.
Des Weiteren konnte er mittels der „acht Grundeinsichten von Führung“ und den „14 Führungsaufgaben“ einen Vergleich für den Zeitaufwand für seine sieben direkten Mitarbeiter und seinen beiden Kindern gegenüberstellen. Er widmet sich jeder Person, seinen Kindern allerdings – qualitativ und quantitativ (insbesondere im Vergleich zu seinen sieben Mitarbeitern) betrachtet – zu wenig. Auch dies verdeutlichte ihm, warum er sich nicht mehr wohlfühlte. Die Lösung steckt im Klienten.
Was passiert nun? Sowohl sein Berufs- als auch Familienleben musste der Klient gründlich reflektieren. Die Erkenntnis: Beides, nicht ausschließlich der Job, ist ihm wichtig, sein Lebenselixier. Die Ableitung hieraus: Er muss Bedingungen schaffen, die es ihm ermöglichen, seine Kinder trotz Weiterentwicklung seiner Karriere regelmäßig zu sehen.
Auf seiner To-do-Liste steht ein Gespräch mit seinem Chef, dann mit seinen sieben direkten Mitarbeitern, um eine Lösung zu finden, wie er das Projekt leiten und gleichzeitig abends bei seinen Kindern sein kann. Auf diese Gespräche bereitet er sich intensiv vor.
Während der Entwicklungsbegleitung bemerkte der Coach, dass der Klient sich immer wohler fühlte. Er hat alle Aspekte, die für bzw. gegen den Job sprachen, erkannt und bewertet. Er kam zum Schluss, dass er beides braucht und diesbezüglich eine vermittelnde Lösung anstrebt. Wen musste er nun alles involvieren? Das ist strategische Arbeit, die ihm liegt. Er gab dem Coach Rückmeldung nach jedem weiteren Schritt zur Zielerreichung. Er konnte über viele Gespräche akzeptierte Bedingungen schaffen, sodass er das Projekt letztendlich leiten, dabei 80 Prozent seiner Zeit in Deutschland verbringen konnte und nur 20 Prozent der Zeit ins Ausland reisen musste. Während des Projektes verdiente er sich Respekt seiner Kollegen und vor allem des Vorstands. Seinen sieben direkten Mitarbeitern, ihrerseits Führungskräfte, war er ein gutes Vorbild. Er lernte, den Druck eines Workaholics nicht an seine Mitarbeiter weiterzugeben, sondern Qualität und eigenverantwortliches Arbeiten vorzuleben.
Noch zwei Jahre später ist er mit seiner Entscheidung glücklich. Der entscheidende Faktor seiner Selbstentwicklung bestand darin, seine Werte in Einklang zu bringen.
Die Klientin ist eine quirlige, fürsorglich und sympathisch wirkende vierzigjährige Frau, die mit einem weiblichen Hüftschwung durch die Flure von Meeting zu Meeting läuft. Auch sie stieg direkt nach dem Studium im Konzern ein, lernte ihren Ehemann kennen, bekam mit 30 Jahren ihre beiden Kinder und ließ ihre Wochenarbeitszeit daher von 40 auf 30 Stunden reduzieren. Ihr Mann hat sich mit 35 Jahren selbstständig gemacht, arbeitet viel und ist oft unterwegs. Karriere machte sie, indem sie alle fünf Jahre einen neuen Bereich im Projektmanagement übernahm, diesen aufbaute, stark machte, etablierte und an einen Nachfolger übergab. Drei derartige Bereichsprojekte hat sie bisher erfolgreich durchgeführt, das vierte Projekt wird ihr gerade angetragen.
Nun steht sie vor der Frage, ob sie ihre Arbeitseinteilung in Beruf und Familie richtig geregelt hat. Denn ihre Kinder sind bis 16 Uhr in der Schule bzw. in der Betreuung, sie holt die Kinder ab und verbringt die Zeit bis zum Schlafengehen mit ihnen. Danach kommt es immer öfter vor, dass sie sich nach 20 Uhr noch an den Schreibtisch setzt und arbeitet. Am Wochenende ist die Familie komplett.
Die Frau wirkt sehr selbstsicher, redet sehr schnell, akzentuiert wichtige Passagen mit stimmlicher Betonung und rhetorischen Pausen. Sie strahlt mit ihren Augen, wirkt lebenslustig, total locker und auf subtile Weise witzig. Schnell ist das Veränderungsthema beschrieben, der Ist-Zustand erklärt, notiert und bewertet. Neue Informationen sind, dass sie sich um jeden und alles kümmert. Sie unterstützt ihre Chefin, hilft ihren Kollegen, ist für ihren Mann und die Kinder da, schmeißt den Haushalt und führt nationale und internationale Verhandlungen. Sie wirkt sehr energiegeladen und als ob sie alles im Griff hätte. Nun wird gemeinsam an der Zielfindung gearbeitet. Hier wirkt sie tatkräftig und emotionaler als zu Beginn des Coachings.
Während der eigentlichen Coaching-Arbeit, bei der auf die themenrelevanten Ressourcen der Klientin zurückgegriffen wird, verändert sich diese. Sie fühlt sich plötzlich angegriffen, als sie über ihre Karriere und ihre Fachexpertise spricht. Es gebe eine Kollegin, die neidisch sei und immer etwas an der Klientin zu kritisieren habe. Diese Kollegin hat ihr Studium mit 1,0 abgeschlossen und bereist für den Konzern die Welt, sie ist Single und gönnt sich pro Jahr sechs Wochen paradiesischen Urlaub. Andererseits fühlt sich die Klientin von ihrer Chefin und den Verhandlungspartnern angegriffen, weil diese ihre Arbeit nicht machen und ihr jedes misslingende Detail in die Schuhe schieben würden, obwohl sich die Klientin um alles kümmere, sich fürsorglich um diese Menschen bemühe und keinen Fehler begangen habe. Sie fühlt sich, als ob sie die Mutter dieser Menschen wäre, die in Ungnade gefallen ist.
Plötzlich wird die Klientin laut: „Das muss aufhören, immer bin ich die, die sich um alles kümmert! Ich organisiere die Verhandlungen und leite sie, ich ziehe neue Projekte an Land und ich führe sie mit den Projektbeteiligten zum Erfolg. Ach und daheim schmeiße ich den Haushalt, organisiere ich die Familienausflüge und ich buche die Urlaube. Mein Mann ist quasi mein drittes Kind, genießt nur die Zeit mit den Kindern und lässt mich alles alleine machen.“ Sie fängt an, wütend zu werden, weil sie immer stark sein und funktionieren müsse, sich keine Ruhe gönnen könne. Sie bemerkt, dass sie keine Kraft und keinen Elan mehr für ihr Yoga hat. Hier quietscht sie plötzlich geradezu vor Aufregung. Nach ein paar Minuten beruhigt sie sich wieder, schaut den Coach an und sagt: „Warum mache ich das? Momentan geht es mir noch gut, aber warum kümmere ich mich um jeden und alles und bitte nicht mal um Hilfe?“
Was passiert hier gerade? Die Klientin hat – eine Parallele zum ersten Fall – ihren Rubikon erreicht und erkannt, was ihr schadet (Abwendungsmotivation) und entwickelt – auf Basis dieser Erkenntnis – ihren Lösungsansatz. Sie fragt sich, was ihr gut täte (Hinwendungsmotivation). Hier wird abermals klar, dass die Lösung grundsätzlich vom Klienten selbst ausgeht. Eine Beurteilung durch Fremde oder den Coach wäre falsch, manipulativ und nicht im Sinne der Klientin und ihres Lebens.
Aber was ist konkret passiert? Als sie über ihr Fachwissen plauderte, stolperte sie über ihre intrinsische Motivation. Insgeheim wurden ihre Bedürfnisse, ihre Motive, ihre Werte zum Thema reflektiert. Stolpersteine sind die Wertekollisionen und der innere Antreiber „sei stark“ und „sei fürsorglich“. Der Coach setzte die Maslowsche Bedürfnispyramide, die Wertesonne, die MotivStrukturAnalyse (MSA) und die Inneren Antreiber Tahibi Kahlers ein, um zur Reflexion über die Ressourcen anzuregen, die bei der Klientin zum Veränderungsthema vorhanden sind. Diese bemerkte sowohl einen inneren als auch einen äußeren Konflikt ihrer Werte und dem inneren Antrieb. Sie ist sehr selbstbewusst und stark in der Sache sowie fürsorglich und verständnisvoll gegenüber anderen Menschen. Da sie niemanden auf der Arbeit und in der Familie hat, der ihr Schutz gibt, steht sie die ganze Zeit unter Anspannung. Sie ist die Starke und muss alles aushalten.
In letzter Zeit fühlt sie sich einfach angegriffen, weil bestimmte Aufgaben nicht zu ihrer Zufriedenheit erfüllt wurden und diese dann ungefragt an einen Kollegen und eine Kollegin übergeben worden sind. Man hat sie übergangen, sie fühlt sich in ihrem Stolz verletzt. Fürsorglich und hilfsbereit durfte und konnte sie in diesem Fall nicht mehr sein. Das verletzte den Wert der Qualität der Arbeit sowie des respektvollen Miteinanders. Da sie stark ist, stark sein muss und stark sein will, verletzte dieser Fakt ihr Wertesystem enorm. Das duldet sie nicht. Nicht mehr.
In der Zusammenschau dieser Ressourcen unter Einsatz des Tools „Motiv-Wert-Interaktion“ ist ihr bewusst geworden, dass sie sich seit längerer Zeit nicht wohlfühlt und keinen Rückzugsort hat – weder auf der Arbeit noch im familiären Kreis. Sie erkannte, dass sie ihre schwache, sensible, emotionale Seite nicht ausleben kann. Ihr inneres Gleichgewicht ist in Schieflage geraten. Des Weiteren konnte sie mittels Anwendung der „14 Führungsaufgaben“ und dem JoHarI-Fenster konkrete Maßnahmen für sich erkennen.
Was passiert nun? Die Klientin widmet sich ihren eigenen Ressourcen und aus dem Coaching gezogenen Erkenntnissen, um sich eine konkrete To-do-Liste zu erstellen, bestehend aus Aufgaben, mittels derer sie ihr Ziel erreichen kann.
Sie achtet zukünftig darauf, dass sie nur hinsichtlich der Sache – egal ob diese die Arbeit oder das Privatleben betrifft – auf Stärke bedacht ist und gleichzeitig auch eine sensible und passive Seite hinsichtlich anderer Personen zulässt. Letzteres wurde vernachlässigt.
Auf ihrer To-do-Liste steht, dass sie sich ein Symbol zur Erinnerung an das innere Gleichgewicht sucht, ein Ritual mit ihrer Familie findet, welches dafür steht, dass sie auch Kind sein darf, dass sie Ruheräume braucht, und mit der Chefin, den Kollegen sowie ihrem Ehemann stärker in den Dialog tritt. Ersteres bedarf mehr Aufmerksamkeit, weil es im Arbeitskontext viele unterschiedliche Bedingungen zu berücksichtigen gilt, die es im Familienleben nicht gibt. Auch auf diesem Weg der Strategieplanung und Maßnahmenumsetzung gibt es die weitere Begleitung des Coachs.
Im Endeffekt stellt sich nach einem Jahr heraus, dass sie zwar weiterhin im Unternehmen arbeitet, aber zu allen Projekten als vermittelnde Person hinzugezogen wird, weil sie sich am besten um die betroffenen und beteiligten Menschen kümmern kann. Noch zwei Jahre später ist sie glücklich mit ihrer Entscheidung.
Die Balance zwischen innerem Gleichgewicht und der Erfüllung beruflicher und familiärer Anforderungen und Herausforderungen ist entscheidender Faktor für Zufriedenheit. Werte und Motive sind essentiell und Konflikte entstehen im Kern bei Wertverletzung – unabhängig davon, ob sie von anderen oder der eigenen Person verursacht werden.