Die Globalisierung, Internationalisierung und Homogenisierung der Produkte und Dienstleistungen stellen Führungskräfte vor diverse Herausforderungen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie lernen, schnell mit Veränderungen umzugehen. Business-Coaching kann auf individueller und organisationaler Ebene einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.
Wie können Unternehmensakteure bei der Realisierung ihrer Ziele durch Business-Coaching gefördert werden? Dieser Beitrag beleuchtet, welche Haltung, Einstellung und Tools für die Führung der Zukunft relevant sind.
Das Verständnis von Führung ist gekennzeichnet durch schnelllebige Veränderungen, welche sich durch individuelle, organisationale, technologische und gesellschaftliche Entwicklungen manifestieren. Die Arbeitswelt ist unvorhersehbarer und unsicherer geworden. Demzufolge sind herkömmliche tradierte Konzepte für wirksame Führung nicht mehr ausreichend und es benötigt Überlegungen, wie Führung unter unsicheren Bedingungen wirksam sein kann. Laut Malik (2006, S. 388) ist „richtiges und gutes Management [...] der Schlüssel zur Funktionsfähigkeit der Gesellschaft (…)“ Unter wirksamer Führung versteht der Managementwissenschaftler, sowohl sich selbst als auch andere Unternehmensakteure richtig zu managen. „Es braucht keine Investitionen. Was es braucht, sind die richtigen Erkenntnisse, richtiges Wissen und richtige Informationen, die Einsicht, dass es nötig ist, und den Willen, es zu tun.“ (Malik, 2006, S. 388)
Die Zukunftsforscher Gebhardt, Hofmann und Roehl haben bereits 2015 konstatiert, dass Führung sich verändern muss, und beleuchten in ihrem Beitrag Rahmenbedingungen für Führung, abgeleitete Veränderungen für Konzepte sowie Empfehlungen für die Führungspraxis. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen werden wie folgt beschrieben (Gebhardt et al., 2015, S. 6):
Auch die organisationalen Rahmenbedingungen wie z.B. Veränderungen in der Art zu arbeiten, Einflüsse durch die Automatisierung, das Prinzip der Selbstorganisation, Auswirkungen der Netzwerkökonomie, Zunahme der Geschwindigkeit sowie die Kultur des Teilens führen zu vielfältigen Veränderungen auf personaler, struktureller und kultureller Unternehmensebene (ebd.).
Die personellen Veränderungen haben ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf Führung (ebd., S. 16):
Führungskräfte sind ambivalent in Bezug auf die Umsetzung von Maßnahmen, die zur Durchsetzung der geforderten Ziele notwendig sind, und hinsichtlich der gemeinschaftlichen Suche nach den besten Lösungsoptionen. Aktuelle Führungsmodelle sind plural, multidisziplinär und situativ (ebd.). Von Führung wird gefordert, „den Wandel zu einer flexiblen und vernetzten Arbeitskultur einzuleiten, anzupassen und vorzuleben. Die Hauptschwierigkeit liegt dabei nicht in einer technischen Anpassung, sondern in der Weichenstellung zur kulturellen Akzeptanz“ (ebd., S. 23).
Weitere Herausforderungen entstehen durch technologische Einflüsse wie eine Verringerung der „Face-to-Face“-Kontakte und Entlassungen aufgrund von Automatisierungen sowie eine Verständigung bei multinationalen Teams. Bei allen vorgestellten Veränderungen ist es notwendig, die Handlungsfähigkeit der Organisation immer wieder neu zu entwickeln – weg von einem hierarchisch-bürokratischen Apparat hin zu einem reaktionsschnellen evolutionären Organismus (Dehner et al., 2018), der für lebendige Organisationen charakteristisch ist.
Die dargestellte Veränderungsproblematik in den unterschiedlichen Bereichen erschwert es, wirksame Führung zu diagnostizieren. Es existiert zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Fragebögen zur Erfassung von bestimmten Führungsmerkmalen, wie beispielsweise der Fragebogen zur Integrativen Führung (FIF) oder der Fragebogen zur Vorgesetzten-Verhaltens-Beschreibung (FVVB), die jedoch nicht den Status quo einer Führungssituation abbilden können.
Neben der Evaluation von Führungsitems ist u.a. auch eine Erfassung relevanter Kriterien für die Unternehmenskultur von Bedeutung. Nach Schein (2002) sollte die Dekodierung der Unternehmenskultur durch einen qualifizierten Berater in Form von Interviews durchgeführt werden. Diese Erhebung sollte in Zusammenhang mit einer Problem- oder Fragestellung erfolgen, um effizient zu sein: „Erst nachdem wir einiges über den Prozess der Erhebung einer Unternehmenskultur erfahren haben, können wir darüber nachdenken, wie man eine solche Kultur aufbauen, entwickeln, erweitern und vielleicht sogar verändern kann.“ (ebd., S. 9) Selbst bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter wird auf eine gute Passung der Kultur Wert gelegt, wobei zwischen komplementärer und supplementärer Übereinstimmung unterschieden wird (Adler et al., 2019). Es ist also bei den genannten Veränderungen nicht mehr ausreichend, einen guten Werte-Fit von Organisation und Mitarbeiter zu haben, sondern auch vorausschauend unterrepräsentierte Kultureigenschaften für einen erfolgreichen Fortbestand der Unternehmung frühzeitig zu integrieren. Schein (2010) beschreibt die Unternehmenskultur auf mehreren Ebenen nach Grundannahmen, Werten und Normen sowie Organisationsstrukturen und sichtbaren Prozessen.
Organisationen fördern Coaching-, Beratungs- und Change-Management-Kompetenzen als Führungsaufgaben (Fatzer, 2005). Die Vorteile interner Akteure eines Unternehmens sind die Nachteile externer und umgekehrt. Daher sollte eine effiziente Arbeitsteilung zwischen internen und externen Coaches angeregt werden.
Kantor (2012) vertritt die Ansicht, dass für die Entwicklung einer Organisation ein Führungsmodell mit mindestens fünf Führungstypen realisiert werden soll. Coaching als Beratungsansatz ist geeignet, gesellschaftliche Entwicklungen wirkungsvoll zu unterstützen (Fischer, 2016a). Der Einsatz von Coaching kann sowohl die Führungskompetenz als auch die Führungskommunikation von Organisationsakteuren verbessern (Fischer, 2016b).
Schein hat mit seinem Grundlagenwerk „Organizational Culture and Leadership“ einen bahnbrechenden Ansatz konzipiert, welcher in der heutigen Zeit aktueller und zukunftsorientierter denn je ist. Betrachtet man die heutige Lage eines CEOs, dann wird deutlich, dass Unternehmensführung nicht ausschließlich mit strategischen und operativen Überlegungen erfolgen kann (Fatzer, 2019). Um schnellstmöglich Veränderungen personeller, organisationaler und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zu erfassen und darauf reagieren zu können, benötigt er das ehrliche und umfassende Feedback seiner Mitarbeiter aller Hierarchieebenen. Führung ist demnach ein Prozess, der eine gemeinsame Steuerung voraussetzt. Schein (2010) geht davon aus, dass mit Fokus auf die kulturellen Dimensionen nur die persönlichen Beziehungen einer Organisation dabei helfen, wichtige Herausforderungen zu meistern und Komplexität zu überwinden. Im Zentrum steht dabei eine „Kultur des Befragens und der Offenheit“ statt einer „Kultur des Anordnens und Befehlens“. Dadurch entsteht eine „professionelle Nähe“, die dafür sorgen kann, im Idealfall agil und flexibel zu sein.
Schein macht deutlich, dass für eine nachhaltige wirksame Führung das Verstehen von Kultur eine entscheidende Rolle spielt. „In unserer Sicht ist Führung immer eine Beziehung, und wirklich erfolgreiche Führung gedeiht in einer Gruppenkultur von hoher Offenheit und hohem Vertrauen. Führung und Kultur können gesehen werden als zwei Seiten derselben Medaille, und Kultur ist ein Gruppenphänomen und entsteht gemeinsam.“ (Schein & Schein, 2018, S. 20) Unter Humble Leadership verstehen Schein und Schein „vorurteilslose Führung“.
Der englische Begriff „humble“ wird fälschlicherweise häufig mit „demütig“ übersetzt, wobei es grundsätzlich um eine bewusste Offenheit gegenüber den eigenen Vorurteilen geht. Das klingt zunächst einfach, ist aber in der professionellen Praxis eine Herausforderung. Kaum ein CEO, Manager oder Berater mit viel Erfahrung kann weder vorurteilslos kommunizieren noch handeln. Sowohl der CEO als auch der Berater sind fokussiert auf „die magische Lösungsfrage“, wodurch vorurteilsfreies Agieren erschwert wird. In der heutigen Praxis ist zu beobachten, dass CEOs schnelle Lösungen wollen und Berater gerne ihre Tools verkaufen. Dies führt in den seltensten Fällen zu sinnhaften, nachhaltigen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen. Führung bedeutet „die Fähigkeit, durch direkte Beziehungen zu erreichen, dass in einem Klima der Zusammenarbeit die besten Teammitglieder die für sie passenden Aufgaben erfüllen können“ (ebd., S. 20). Eine Führung ohne Vorurteile ist weder ein Ansatz noch ein Tool, sondern vielmehr eine innere Haltung. Dabei ist der Coach in seiner Person gefordert, eine echte, stabile und nachhaltige „professionelle Nähe“ zu erzeugen. Denn erst durch diese Art des Kontaktes ist es möglich, etwas zu erschaffen, das neu und zudem auch besser ist. In einem früheren Werk hat Schein (2010, S. 39) die Kernkompetenzen guter Führung zusammengenfasst:
Es existiert kein allgemein gültiges Führungsmodell. Führungskräfte sollten sich bei ihrem Tun stets an der Organisationskultur, -situation und ihren Kunden orientieren.
Die Grundhaltung im Humble Consulting zeigt sich durch ein echtes Interesse für den Kunden. Dieses ist gekennzeichnet durch den Wunsch, mit maximaler Präsenz und minimaler Voreingenommenheit zu unterstützen. Es gibt vier Ebenen des Befragens. Die erste Ebene ist die Erzählebene mit Storytelling, auf der zweiten Ebene findet das diagnostische Befragen statt mit der Bildung erster Hypothesen. In der dritten Ebene, der Hypothesenebene des Befragens, versucht man, Muster zu erkennen. Die vierte und letzte Ebene ist die des konfrontativen Befragens. Hier werden Angebote gemacht und Empfehlungen ausgesprochen. Das Humble Consulting besteht aus folgenden neun Schritten (Schein, 2016, S. 33):
Für die Durchführung von Einzel- und Team-Coachings in Organisationen als Begleitung von Lern-, Veränderungs- und Entwicklungsprozessen sollten folgende Erkenntnisse etabliert werden:
Hilfreiche Fragen zum Coaching-Prozess:
Unter der „Theory of the Thing“ versteht man den Beratungsgegenstand. Im Einzel-Coaching bedarf es einer Vorstellung, wer die zu coachende Person ist, und bei Gruppen- oder Team-Coachings einer Idee von idealer Teamentwicklung. Wie Veränderungsprozesse aussehen, beschreibt die „Theory of Change“: Es ist von großer Bedeutung, bei einem Beratungsprozess dem Kunden aufzeigen zu können, welche Vorstellung von Veränderung der Coach hat. Oft kommt es zum Scheitern bei Veränderungsprojekten, weil sie dies nicht klarmachen und die Betroffenen dann häufig desorientiert sind. Das „Practice Model“ beschreibt, wie gearbeitet wird, welche Diagnosen, Hypothesen gestellt werden und welche Gesprächs-, Interventions- oder Fragetechniken angewendet werden. Je nach Coaching-Thema benötigt es verschiedene Kompetenzen der Coaches, welches unter „Capacity Building“ verstanden wird. Demzufolge ist auch bei dem Coaching von Teams auf ein entsprechendes Teamprofil zu achten (Fatzer, 2005). Darüber hinaus ist für die Coaching-Praxis eine gute Prozessgestaltung wichtig (Schein, 2003, S. 63):
Weitere wichtige Grundlage stellt der Basisprozess guter Veränderungsarbeit dar. Bei dem von Lippitt (1995) entwickelten Prozess des „Preferred Futuring“ handelt es sich um ein geeignetes Modell. Es zeigt einen gut strukturierten Prozess, der die Kreativität von Gruppen und Organisationen in den wichtigsten Schritten aufzeigt. Dieser Prozess wurde erfolgreich in unterschiedlichen Branchen angewendet.
Coaching kann Lern-, Veränderungs- und Entwicklungsprozesse von Einzelpersonen, Teams, Gruppen oder ganzen Organisationen fördern. Die Basis des Coachings sollte konzeptionell als Handwerk, Philosophie und Wissenschaft definiert werden. Im Feld der Organisationsentwicklung ist dies bereits erfolgt. Beim Coaching sollten Werte und Kultur stets berücksichtigt werden. Häufig wird Coaching in Unternehmen eingesetzt mit dem Ziel, die Führungskompetenz zu verbessern. Daher sollten Coaches, Führungskräfte und CEOs gleichermaßen lernen, vorurteilsfrei vorzugehen.