Führung

Coaching im Umfeld agiler Landschaft

Neuland

Wie verändert sich das Geschäftsmodell Business-Coaching im digitalen Wandel? Bedeutet dies, bestehende Produkte und Dienstleistungen einfach weiterzuentwickeln (mehr vom Gleichen)? Werden lediglich Kanäle und Formate digitalisiert? Oder beeinflusst die digitale Transformation auch die Coaching-Kunden und deren Nutzen? Wie kommen Agilität und Coaching zusammen? Der Artikel entwirft ein mögliches Szenario.

14 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2018 am 09.05.2018

Sie sei eine „Wanderungsbewegung, die viele Organisationen auf unbekanntes Terrain zwingt“, so beschreiben Bernardis et al. (2017, S. 6)  die digitale Transformation. Der Mensch bricht auf und sucht nach Orientierung, nach Landmarken, aber auch nach Freiraum. Nicht nur in der Wirtschaft verändert und beschleunigt sich gerade das System, in dem er oder sie sich bewegt. Auch Coaching im Businesskontext ist als Profession, als Geschäftsmodell und als Kundennutzen in Bewegung.

Störenfried

In der Wirtschaft herrscht vielerorts das Paradigma der Effizienz, Planbarkeit, Standardisierung und Kontrolle. Basis war und ist das Denken aus einer hierarchischen Konzernwelt in vertikal geprägten Unternehmen.  

Im Herbst 2017 fand die Tagung „Industrie 4.0“ der Technischen Akademie Esslingen statt. Wolfgang Dorst, damals Bereichsleiter Industrial Internet beim Digitalverband Bitkom, sprach über das Thema „Industrie 4.0 – Störenfried oder Chance?“. Seine These: Die bisher vertikal strukturierte Produktion in deutschen Industrieunternehmen benötige als organisatorischen Rahmen auch entsprechende vertikale Strukturen. Die horizontale Vernetzung in der Industrie 4.0 (Mensch – Prozesse – Daten – Maschinen – Produkte) sei jedoch auf horizontale Strukturen angewiesen, insbesondere auf hierarchieübergreifende, stärker selbstorganisierte Kooperationen. Dorsts Fazit lautete, dass damit die Industrie 4.0, einer der stärksten Treiber der Digitalisierung, als Störenfried der bisherigen Ordnung wirkt.

Digitalisierung bedeutet, den Kundennutzen als zentralen Wert der betrieblichen Wertschöpfung zu verstehen. Geschäftsmodelle müssen weitergedacht und neu entwickelt werden, idealerweise von den eigenen Mitarbeitern als Netzwerk- und Teamleistung. Für diese Innovationskultur sind vertikale Führungs- bzw. Entscheidungsstrukturen kontraproduktiv. Sie stören.

Hypothesen I: Digitalisierung

Durch die digitale Transformation verändern sich Geschäftsmodelle. Schnell, flexibel und nah am Kunden sollen sie sein. Angenommen, die an der Wertschöpfung direkt Beteiligten, die Mitarbeiter und Teams, rücken dadurch stärker in den Mittelpunkt. Der Rest – Strukturen, Prozesse, Führung – ist vor allem dazu da, sie zu unterstützen und ihnen den Rücken frei zu halten. Das Machtgefüge verschiebt sich. 

Angenommen, Führung ist folgendes nicht (mehr): hierarchischer Status, ererbtes Fürstentum, Endstation hervorragender Fachkräfte, Bühne für Narzissten und Fahrstuhl nach oben. Wie zeigt sich Führung dann und wie sieht eigentlich ihr Wertbeitrag aus? 

Angenommen, der Kern erfolgreicher Arbeit im Unternehmen liegt in der Qualität der Zusammenarbeit von Menschen: in dauerhaften Teams und Netzwerken, temporären, übergreifenden, interkulturellen, gemischten und flexiblen Teams. In agilen Teams. Angenommen, Agilität ist kein abgenutztes Schlagwort, sondern das Betriebssystem erfolgreicher Unternehmen.

Kulturwandel

Erfolgreiche Digitalisierung beschränkt sich nicht auf technische Innovationen. Echte Transformation wird mit einer veränderten Kultur im Unternehmen einhergehen müssen. Wie arbeiten Menschen zukünftig jenseits von Silodenken und von Ober sticht Unter zusammen? 

Unter dem Sammelbegriff New Work gehen Initiativen und Think Tanks andere Wege. Mit neuen Formen der Zusammenarbeit, flexiblen Strukturen, einer agilen Haltung sowie der Dezentralisierung von Führung und Entscheidungen entwickeln sie unternehmerische Prototypen für ein Arbeiten auf Augenhöhe. Scheitern ist möglich, Fehler machen inbegriffen. 

Ideengeber sind Unternehmensberater wie Otto Scharmer oder Frederic Laloux, Unternehmer wie Ricardo Semler von Semco oder Manager wie Helmut Lind von der Sparda Bank München. In den USA formulierten Softwareentwickler im Jahr 2001 auf der Grundlage ihrer Lean-Management-Erfahrungen das Agile Manifest. Auf dessen vier Werten und den dahinter liegenden zwölf Prinzipien basiert der Begriff agil.

Agiles Betriebssystem

Digitale Geschäftsmodelle setzen eine Kultur der Agilität voraus, „eine Managementtheorie, die aus der Softwareentwicklung kommt. In einem agilen Arbeitsverbund lösen funktionsübergreifende, selbstverwaltete Teams komplexe Probleme. Sie setzen dabei auf iterative und adaptive Vorgehensweisen, arbeiten wenn möglich unmittelbar mit dem Kunden zusammen und reagieren schnell und flexibel auf veränderte Kundenwünsche.“ (Bernstein et al., 2017, S. 33) Einige typische Merkmale für agiles Vorgehen sind:

  • Teams sind interdisziplinär besetzt.
  • Teams sind möglichst selbstorganisiert.
  • Interne oder externe Kunden werden einbezogen.
  • Das Vorgehen erfolgt iterativ in kleinen Schritten.
  • Das Gesamtziel ist eher skizzenhaft und wird runtergebrochen.
  • Geplant werden immer nur kurze Etappen zum nächsten Zwischenziel.

2017 wurde die Studie „Kulturwandel in der digitalen Transformation messen und gestalten“ veröffentlicht. Fazit der Autoren (Ricker & Pütz, 2017): „Agilität ist eine Haltung, kein Tool: Kern agilen Arbeitens ist die Haltung, die es braucht, um in einer digitalen 4.0 VUCA-Welt erfolgreich zu sein.“ Agile Organisationen sind ein Weg, der Komplexität zu begegnen, auf schmalen Pfaden unterwegs im Gelände. Dafür braucht es nicht nur Methoden und Tools wie das Schweizer Taschenmesser. Dafür braucht es Kultur. 

Agilität als Allheilmittel? Dr. Stefan Hölscher (2017, S. 108) differenziert: „Als Agilität von Teams und Organisationen lässt sich die Fähigkeit verstehen, in einem hochgradig wechselhaften, dynamischen und komplexen Umfeld flexibel und schnell effektiv agieren zu können.“ Einige Hürden für agiles Arbeiten aus seiner Sicht: die Anordnung von oben „Wir werden jetzt agil!“ und ein Rollout Top-down, der gerade das mittlere Management noch mehr unter Ergebnisdruck stellt, die unkritische Übertragung agiler Arbeitsformen auf alle Bereiche und ein grundlegendes Unverständnis, was agiles Arbeiten beinhaltet.  

Agile Methoden wie Scrum, Kanban oder Lean Startup erleichtern vor allem den Zugang zu Innovationen und die strukturierte Entwicklung von Neuem. Ihr Nutzen sinkt im Abarbeiten von Routinetätigkeiten, die im Zuge von Digitalisierung und Automation zwangsläufig auf den Prüfstand kommen. Was bedeutet agile Kultur nun für die Arbeit im Coaching?

Hypothesen II: Coaching

Angenommen, die Blütezeit des klassischen Führungskräfte-Coachings geht zu Ende. Angenommen, auch das Executive-Coaching von heldenhaften Einzelkämpfern hilft Unternehmen nicht wirklich weiter. Angenommen, Führungskräfte sind weder der direkte noch der wichtigste Hebel für das, was Unternehmen 4.0 überlebensfähig macht: Zusammenarbeit, Veränderung, Innovation, Schnelligkeit und Mut. Angenommen, die Coaching-Branche ist mit den Führungskräften eine bequeme Schicksalsgemeinschaft eingegangen und verkennt, wie weit sich ihre Klientel von Kundennutzen und Wertschöpfung entfernt hat.

Führung in Transformation

„Agile Innovationsmethoden haben die IT revolutioniert (…). Inzwischen breiten sich agile Ansätze über die unterschiedlichsten Branchen und Funktionen aus und reichen bis in die Vorstandsetagen hinein. Damit verbunden sind neue Werte, Prinzipien und Vorgehensweisen sowie eine Abkehr von der traditionellen Führung nach Befehl und Gehorsam“, so Jeff Sutherland, einer der Unterzeichner des Agilen Manifests (Rigby et al., 2017, S. 13). 

Führung als Mandat wird künftig weniger auf formalen Zuschreibungen zu einer hierarchischen Position basieren. Dieses Modell wird abgelöst von Menschen, die führen, weil andere Menschen ihnen freiwillig folgen. Hierarchieorientierung wird durch Vernetzung auf Augenhöhe ersetzt. Einfluss entsteht dann primär über Beziehungsmanagement („Follower“). 

Autorität, bisher hierarchisch legitimiert, wird zur „Führungshaltung für das 21. Jahrhundert“, wie Frank Baumann-Habersack den Untertitel seines Buches „Mit neuer Autorität in Führung gehen“ nennt. „Die alte Haltung aus der Industriekultur ist das Gegenteil von Selbstorganisation, das Gegenteil von agiler Führung. Sie drückt sich am besten mit den Worten Intransparenz, Kontrolle, Misstrauen, Distanz, Eskalation, Willkür oder auch Vergeltung aus. Für agile Führung braucht es daher zunächst einmal in einer Führungskraft einen Wandel in der Haltung zu Autorität. Hin zu einer neuen Autorität, die auf Nahbarkeit, Vernetzung, Beharrlichkeit, Transparenz, Wiedergutmachung oder auch Deeskalation baut.“ (Baumann-Habersack, 2017, S. 170)

Neue Rollen schaffen

Digitale und agile Arbeitsweisen setzen Transparenz, Rollenklarheit, direktes Feedback und dezentrale, lokale Entscheidungen voraus. Informationen zurückzuhalten, funktioniert in einer auf Daten basierenden Ökonomie nicht mehr. Rollenklarheit bedeutet auch, als Führungskraft nicht ständig operativ „reinzugrätschen“. Rick Cohen, CEO des Großhandelsunternehmens C&S Wholesale Grocers, über die Erfolge seines Unternehmens mit selbstverwalteten Teams: „Das Schwierigste ist, die Manager aus dem Prozess herauszuhalten und die Teams ihre Arbeit machen zu lassen.“ (Bernstein et al., 2017, S. 32)  

Auch der einsame, getriebene „Top-Executive-…“ sollte von den Top-Executive-Coaches entheroisiert werden. Innovationen entspringen heutzutage selten der obersten Etage. Sie entstehen in Innovationsteams, in Netzwerken, in Start-ups, direkt am Shopfloor durch die Werker und in direkter Zusammenarbeit mit internen oder externen Kunden. Vorgesetzte und Management tragen dazu bei, den Raum dafür zu schaffen: Lieber Hausmeister innovativer Teams als einsamer Held sein!

Chancen für Coaching

Im Störfeld der digitalen Transformation steht Führung als Mandat und als Knoten im Organigramm unter Beobachtung. Unternehmen, die sich schlanker, agiler und hierarchiereduziert aufstellen, prüfen besonders den Mehrwert des mittleren Managements. Denkbar sind viele Szenarien vom Wegfall bis zur vollständigen Neudefinition von Führungsfunktionen.  

Damit wird sich ein bestehendes Aufgabengebiet für Coaching deutlich weiterentwickeln, nämlich die Begleitung von Übergängen sowie die Integration in neue Arbeitsformen und Denkweisen. Coaches werden auch explizit als Moderatoren von Trennungen gefordert sein. Auch die Trennung von Überzeugungen, vom Besitzstand und dem liebgewonnenen Status verdient eine wertschätzende Begleitung. Ein weiteres interessantes Tätigkeitsfeld für Coaches wird sein, Teams und Vorgesetzte in Bezug auf angemessene Entscheidungsstrukturen zu coachen.

Teams in Transformation

Mit der Digitalisierung steigt der Druck in Unternehmen, Entscheidungen schnell zu treffen und umzusetzen. Sie werden zukünftig näher am Ort ihrer Entstehung, vorzugsweise durch die Teams selbst und weniger per Hierarchie gefällt werden. Die Führungskräfte verfügen einfach nicht mehr über ausreichend Zeit, Fachwissen oder Nähe zu Produkt und Kunden. 

Teamarbeit in diesem komplexen Umfeld wird deshalb hierarchieübergreifend, selbstorganisiert(er) und näher an den Kundenbedürfnissen sein – agil: „Agilität steht für ein neues Denken, das mutig genug ist, den Teams wieder die Verantwortung über ihre Prozesse zurückzugeben.“ (Ricker & Pütz, 2017, Vorwort) 

Agile Teams sind am wirkungsvollsten, wenn sie sich an den Bedürfnissen ihrer Kunden ausrichten, um deren Probleme direkt und zeitnah zu lösen. Deshalb sollten sie möglichst beweglich und anpassungsfähig sein. Abhängigkeiten von funktionalen Silos und vertikalen Organisationsstrukturen stören dabei. Stabilität ist die Basis, Agilität das Betriebssystem.

Coaching in einem agilen Kontext

Coaching wird als Führungskräfte-Privileg und als Dienstleistung von außen, die bei Bedarf und meist singulär eingekauft wird, an Bedeutung verlieren. Coaching wird gezielt die Menschen mit dem höchsten Anteil an der Wertschöpfung unterstützen, damit diese weiter produktiv sein können: seltener also Management und Führungskräfte, öfter agile Teams oder Netzwerke. Diese müssen sich schnell finden, unter möglichst wenig Schmerzen teilen, verbinden, verändern oder wachsen und dabei ihren Teammitgliedern eine gute Balance vermitteln können. Wunderbare Aufgaben für das Coaching von Teams und Teammitgliedern warten hier! 

Agiles Arbeiten setzt eine hohe Selbstwirksamkeit voraus. Coaching wird sich deshalb als Rollenkompetenz von Teams und Teammitgliedern verankern. Jede Rolle wird auch Coaching-Funktionen ausüben. Coaching wird dadurch dezentralisierter und internalisierter. Unterstützt wird das Team durch eine Führungskraft, die ebenfalls Coaching-Kompetenzen hat.

Coaching als Geschäftsmodell

Coaching as a service: In der Welt der Digitalisierung definiert der Kunde als User Wert und Nutzen von Produkten, Service oder Dienstleistungen. Dieser Wert ist hochgradig personalisiert. Der Trend zur Losgröße 1 in Produktion und Service gilt auch für Dienstleistungen wie Coaching, Beratung und Training. Durch die Digitalisierung aufgeworfene Fragen stellen sich hier auch: Wo und für wen schafft Coaching Wertschöpfung? Wie zeigt sich der Kundennutzen? Welchen Gesamtnutzen für das Unternehmen erbringt Coaching? 

Zugespitzt formuliert werden heute Führungskräfte gecoacht, damit Mitarbeiter Probleme lösen können. Coaching ist meist noch an die alte, vertikale Sicht gekoppelt. Wie kann Coaching zukünftig die Entwicklung horizontaler, kooperativer, kunden- und datengetriebener Netzwerke unterstützen? Mit welcher Haltung, in welchen Rollen, in welchem Kontext? Wie entwickelt sich die Branche dabei mit ihren Kunden weiter? 

Antworten auf diese Fragen liefert das Denken in sich immer wieder verändernden Geschäftsmodellen. Durch die Digitalisierung, die zunehmende Komplexität und eine agile Arbeitskultur sind für das „Berufsbild Business-Coach“ neue Rollen und noch fremde Konstellationen denkbar. Dazu einige Überlegungen:

  • Organisationen bevorzugen Coaches mit einem fundierten Hintergrund in Organisationsentwicklung, praktischem Know-how zu Agilität und dem Bewusstsein für die Dynamiken des digitalen Wandels.
  • Externe und verstärkt auch interne Coaches unterstützen Teams, indem sie ihnen Haltung, Idee und Methodik von Coaching und Selbst-Coaching vermitteln.
  • Coaches unterstützen Organisationen in der Frage, wie und wo Entscheidungen getroffen werden.
  • Coaches begleiten Führungskräfte, sich neue Rollen und Aufgaben anzueignen, durch die sie einen produktiven und sinnerfüllenden Anteil an der Wertschöpfung schaffen.
  • Coaches begleiten Führungskräfte bei der Frage, wie sie zukünftig präsent sein können und woraus sich ihr neuer Status speist (Lernbegleiter, Senior Expert, Agile-Coach, Koordinator, Netzwerker …).
  • Coaches bilden im Unternehmen interne Coaches für ein „ansteckendes“ Arbeiten auf Augenhöhe aus.
  • Coaching unterstützt Führungskräfte in ihrer Rolle als interner Change Manager. Sie lernen, dass Veränderungen inzwischen chronisch sind und nicht mehr aus einzelnen, isolierten Großprojekten bestehen. Deshalb gewinnen Konzepte wie die resiliente Organisation an Bedeutung.
  • Executive-Coaches begleiten den einsamen Helden an der Spitze herunter vom Gipfel ins Basislager.

Ob Coaching dabei analog oder digital abläuft, wie und mit welchen technischen Mitteln man sich begegnet, ob Coaching ein langer, strukturierter Prozess ist oder ein Ad-hoc-Bedarf, ist sekundär, solange das Auftrag gebende Unternehmen und der Klient Nutzen und Mehrwert von Coaching erfahren. 

Coaching wird sich noch stärker im Spannungsfeld bewegen: Hier der Coach als Dienstleister für bereits gut ver- und umsorgte Menschen im exponierten Management. Da eine agile Kultur, die mehr Selbstorganisation und Vielstimmigkeit (dafür weniger Helden und Hierarchie) braucht. In dieser verschiebt sich der Spannungsregler in die andere Richtung: Dort versteht sich Coaching als Kompetenz für die gesamte Belegschaft, damit diese mutig und innovativ mit den digitalen Herausforderungen umgeht. Da Mensch und System nicht überfordert werden dürfen, müssen alle Beteiligten in den bestehenden Polaritäten (Verändern / Bewahren oder Sicherheit / Ungewissheit) handlungsfähig bleiben. Hier setzt Coaching an und wäre dann nicht nur als Dienstleistung für, sondern als anerkannter Kulturträger im Unternehmen zu begreifen, sozusagen als kostbares betriebliches Allgemeingut.

Agile-Coach

Agiles Arbeiten bedeutet auch: Jeder bezieht Stellung. In den letzten Jahren entwickelten sich im agilen Umfeld Rolle und Funktion des Agilen Coachs. Er verbindet Kompetenzen eines Scrum Masters, Change-Experten und Systemischen Coachs. Agile Coaches verfügen meist nicht über die in der Coaching-Branche immer wieder geforderten Berufswege als Psychologen oder Psychotherapeuten. Die braucht es nicht unbedingt: Sie sind stark von der Unternehmenspraxis geprägt und mit ihrem hybriden Profil anschlussfähig und experimentierfreudig. Von ihnen und ihrem Coaching-Ansatz gibt es einiges zu lernen: kontinuierliche Verbesserung in kleinen Schritten zu verfestigen, vorzugehen wie in der agilen Entwicklung (Beobachten, Ausprobieren, Testen, Feedbackschleifen und Mut zu Fehlern), die Haltung „fail early, fail often, fail cheap“ zu pflegen.

Gute nächste Schritte

Auch im Berufsfeld Business-Coaching gibt es einige derzeit noch vernachlässigte Treiber von Innovationen: (1) Junge Wilde ermutigen, die die Glaubenssätze der Coaching-Branche herausfordern. Das mittlere Alter, die „Erfahrung von über tausend Coaching-Prozessen“ und das Senioritätsprinzip dominieren – auch die Verbandslandschaft. (2) Eine Startup-Kultur initiieren, die „Coaching-Prototypen“ baut, austestet, reflektiert, aus Fehlern lernt und weiß, dass Innovationen Offenheit und Kooperation brauchen. (3) Den kollegial interessierten Umgang mit dem agilen Umfeld pflegen, das seine Türen aktuell durch Konferenzen etc. bereitwillig zum Austausch öffnet.

Wohin des Weges?

Viele Unternehmen sind bereits auf digitalen Pfaden unterwegs und gestalten dabei ihre Arbeitswelt neu. Meist schlagen sie sich im Zickzack mühevoll ihren Weg durch das Neuland. Erfreulicherweise können sie eine Menge überflüssiges Gepäck wie veraltete Hierarchie- und Führungsvorstellungen zurücklassen.  

Auch die Coaching-Branche ist aufgerufen, die eigenen Geschäfts- und Denkmodelle zu überprüfen, weiterzuentwickeln und diese mutig auszutesten. Etwas wagen. Unternehmen, ihre Teams und Mitarbeiter, die sich bereits aufgemacht haben, können Unterstützung von Coaches in unterschiedlichen Rollen gut gebrauchen: Ob als Wanderführer, die helfen, angepeilte Ziele zu erreichen, und die vor Lawinen und dem drohendem Wettersturz warnen. Ob als Trainer und Coach in der Bergschule, die Lernerfahrungen im unwegsamen Gelände ermöglichen. Und nicht zuletzt auch als Hüttenwirte, die ihre Klienten einladen zum Genießen, zum Verweilen, zum Durchschnaufen und zum gemeinsamen Feiern. Der Tisch ist gedeckt.

Literatur

  • Baumann-Habersack, Frank (2017). Mit neuer Autorität in Führung. Wiesbaden: Springer Gabler.
  • Bernardis, Alexander; Hochreiter, Gerhard; Lang, Matthias & Mitterer, Gerald (2017). Auf zu neuen Ufern. Harvard Business Manager, Edition 4, (S. 6–12).
  • Bernstein, Ethan; Bunch, John; Canner, Niko & Lee, Michael (2017). Was ist dran am Holokratie-Hype? Harvard Business Manager, Edition 4, (S. 30–42).
  • Ricker, Saskia & Pütz, Horst (2017). Change Engine, while you are flying. Great Place to Work®.
  • Hölscher, Stefan (2017). Warum Agilität kein Allheilmittel ist. ZOE, 4, (S. 108–109).
  • Rigby, Darrell K.; Sutherland, Jeff & Takeuchi, Hirotaka (2017). Schnell und flexibel. Harvard Business Manager, Edition 4, (S. 13–21).

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