Wie sonst sollen Arbeitspakete geschnürt, Einsätze geplant, Projekte gesteuert, Mitarbeitergespräche geführt werden? Es gibt Coaches, die Führungskräften dieses coachende Führungsverhalten absprechen. Deren Hauptargumente:
Chefs wollen manipulieren! Sie verfolgen handfeste Ziele und können daher nicht neutral sein. Sie missbrauchen Coaching, um Mitarbeitern „von hinten durch die Brust ins Auge“ eigene Ziele und Interessen unterzujubeln.
Was für ein verschnarchtes Vorurteil, oft kolportiert von Coaches außerhalb der freien Wirtschaft. Das ist natürlich indiskutabel. Chefs sollen Fähigkeiten von Mitarbeitern fördern und ihnen dadurch Selbstvertrauen und Rückhalt geben. Warum sollen sie dabei ihre eigenen beruflichen Ziele oder Zielvorgaben beiseitelegen? Wenn sie diese Ziele ihren Mitarbeitern transparent machen, was soll ihrem Coaching-Verhalten dann noch im Wege stehen?
Ohne Coaching-Ausbildung kein Coaching-Verständnis. Nur ausgebildete Coaches können das Kernanliegen sowie die Kernelemente und -systematik verstehen und korrekt verwenden.
Wer wissen will, welche Erwartungen, Befürchtungen, Pläne, Ziele und Bedarfe Mitarbeiter haben, der hört aufmerksam zu, stellt viele offene Fragen, fragt nach, fasst gelegentlich zusammen. Diese Elemente des „kooperativen Führungsstils“ seit 1991 auch als Coaching-Kernelemente bezeichnet, sollen nur ausgebildeten Coaches vorbehalten sein? Wir wissen doch, womit viele Chefs über 60 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen: Mit Kontrollaufgaben. Sollen Führungskräfte etwa nur Ratschläge und Anweisungen geben? Und damit ent-verantworten und demotivieren?
Hilfe zur Selbsthilfe bewirkt, dass Ziele, Lösungen und Maßnahmen selbst erarbeitet werden. Das ist auch das Coaching-Kernanliegen. Wer selbst Erarbeitetes umsetzt, ist schlicht engagierter bei der Sache. Die Systematik eines Fördergesprächs lautet: Was wollen Sie bis wann erreichen, wenn Sie das Problem anpacken (Ziel)? Wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen (Lösungsideen)? Was werden Sie tun, um Ihre Lösung konkret umzusetzen (Maßnahmen)? Diese Unterscheidung ist auch Moderatoren-Grundwissen, ist Basis der Projektarbeit und, seit 1991, die Kernsystematik im Coaching-Gespräch.
Entweder – oder: Chefs dürfen sich keine Versatzstücke aus dem Coaching herauspicken und anwenden, weil sonst die professionelle Coaching-Kompetenz zerfasert wird.
Doch, das dürfen Chefs. Das müssen sie sogar. Förderndes Führen ist dringend notwendig, wie zum Beispiel der Gallup-„Engagement Index 2010“ aufzeigt: 13 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind emotional an ihr Unternehmen gebunden. 66 Prozent machen teilnahmslosen Dienst nach Vorschrift. 21 Prozent verhalten sich destruktiv. Schaden: etwa 123 Mrd. Euro jährlich.
Was bleibt für Coaches? Sehr viel, in unterschiedlichen Formaten bis hin zum virtuellen Transfer-Coaching. Mit zahlreichen Schnittstellen zur fördernden Führung. Diese gilt es zu nutzen, statt abgrenzungshysterisch und mit trotzigem (G)Eifer weitere Gräben auszuheben: Wer, wenn nicht fördernde Chefs, wissen, wann ihre Grenzen erreicht sind und ein Coach her muss? Sie wissen es zu schätzen, selbst gecoacht zu werden. Sie ermuntern Kollegen und Mitarbeiter, mit Coaches zu arbeiten.
Pseudotherapeutische Allüren schrecken allerdings ab: Imponiersprachliche Eskapaden in Coaching-Angeboten wie „systemisch-ganzheitlich“, „daseinstheoretisch“, „wirkelementarisch“, „tiefenpsychologisch“ oder gar „reflexionsauthentisch“ laden eher zu Vermutungen über die Reflexionsfähigkeit der Anbieter ein. Zur Verwirrung tragen auch „Coaches“ bei, die sich beharrlich als Mentoren, Lehrer und Vorbilder bezeichnen.
Coaching-Entwertung: Wer „Coaching-Verhalten“ grundsätzlich Führungsverhalten nennt, der profaniert Coaching – wozu Coaches, wenn Chefs das auch alles (lernen) können? Das befeuert auch den Irrtum, mit Checklisten, Persönlichkeitsanalysetools und so weiter Menschen bewerten zu können. Diese Variante einer Dolchstoß- und Nestbeschmutzerlegende gibt Gelegenheit zum Fazit:
Die Führungskraft sollte man nicht Coach nennen. Fünf Argumente:
Man tut den Führungskräften nichts Gutes, wenn man sie mit der Rolle des Coachs überfordert. Vielleicht fühlen sich nicht wenige dadurch geschmeichelt, da die mit der Rolle assoziierte Kompetenz zu Projektionen einlädt. Aber man sollte den Rettungswagenchauffeur auch nicht Arzt spielen lassen. Dass Coaching als Profession noch nicht geschützt ist wie etwa der Psychotherapeut, verwischt hier die wirklichen Kompetenzanforderungen für Coaches. Dazu tragen leider auch manche Ausbildungsinstitute bei, die nicht immer sauber proklamieren, dass sie lediglich in Coaching weiter-, und nicht ausbilden.