Der Anwender dieser systemisch-lösungsorientierten Interventionsmethode kann das Verhalten, die innere Einstellung, bestimmte Grundmuster etc. von Personen im Gesprächsverlauf sichtbar machen. Durch Analyse des ganz persönlichen Kommunikationsverhaltens ist es möglich, Menschen in unterschiedliche „Gesprächs-Typen“ (Kommunikations-Sessel) einzuordnen. Zum einen erleichtert dies, sich auf das Gegenüber einzustellen, das Gespräch leichter und gewinnbringend zu führen und den Gesprächspartner besser einzuschätzen. Zum anderen verhilft das Tool aber auch dem Klienten dazu, sich der eigenen „blinden Flecken“ bewusst zu werden, sich auf anderen – neuen – „Sesseln“ auszuprobieren und andere Sichtweisen zuzulassen. Dies ebnet Führungskräften, Unternehmen und Coaches den Weg zu ziel- und lösungsorientierten Gesprächen.
Das Tool ist in der Führungsarbeit, in Kritik-, Konflikt- und Jahresgesprächen, in Team-Meetings und – sehr effektiv und zielführend – im Coaching einsetzbar. Im Coaching-Prozess unterstützt es den Coach darin, dem Klienten sein individuelles Kommunikationsverhalten aufzuzeigen, Ansatzpunkte für Veränderungen zu entdecken und gezielte systemische Fragen zu formulieren. Antrainiertes Verhalten, Ängste, unbewusste Muster etc. werden dadurch sicht- und lösbar.
Aus konstruktivistischer Sicht gibt es kein „Richtig“ und „Falsch“, denn was richtig und falsch ist, bewertet jeder Einzelne nach seinen eigenen Erfahrungen. Aus diesem Grund ist es auch für Führungskräfte wichtig, zu lernen, in die Rolle des anderen zu schlüpfen und die Blickwinkel des anderen zu erkennen. Führung mit systemischer Haltung – und hier unterstützt die Interventionsmethode – beruht darauf, dass Probleme in wertschätzender Art und Weise aufgezeigt werden und die Führungskraft ihren Mitarbeitern bei Lösungsversuchen unterstützend zur Seite steht. Im Unternehmen bietet sich der Einsatz des Tools insbesondere an, wenn …
Menschen kommunizieren und interpretieren in das Gehörte, in die Geste, den Tonfall, die Mimik des anderen die ganz eigene, persönliche Wahrheit hinein – sei es aufgrund eigener Denk- und Verhaltensmuster, sei es aufgrund von Erlebnissen, Erziehung, Gewohnheit oder erlernter Mechanismen. Das subjektiv Wahrgenommene – egal ob positiv oder negativ – erzeugt unbewusst Emotionen in Bezug auf den Gesprächspartner. Der Coach oder die Führungskraft kann aufgrund von Hellhörigkeit und genauem Beobachten das Gegenüber leichter einschätzen und auf das Verhalten passend reagieren.
Indem dem Gegenüber gespiegelt wird, wie sein Verhalten wirkt, ermöglicht man dem Menschen im ersten Schritt ein Erkennen seines Verhaltens und im zweiten Schritt – mithilfe der richtigen Fragen – einen Denkanstoß. Der dritte Schritt ist, dass dem Klienten bzw. Mitarbeiter die Möglichkeit geboten wird, sich auf einem neuen Sessel auszuprobieren, d.h., einen anderen Gesprächstypus zu wählen als bisher. Hierdurch werden neue Sichtweisen erschlossen und Reflexion gefördert. In der Konsequenz können falsche Interpretationen und Emotionalisierungen, die der eigenen subjektiven Wahrnehmung geschuldet waren, abgebaut werden.
Aufgrund von Glaubenssätzen oder Erlebnissen hat jeder Erwachsene seinen „Lieblingssessel“ entwickelt. Denkstrukturen und emotionale Empfindungen laufen automatisiert. Bei der Interventionsmethode geht es darum, dem Kommunikationspartner seinen Typus und die innere Einstellung aufzuzeigen, damit eine bewusste Wahrnehmung stattfinden kann. Nur so ist es möglich, aus antrainierten Positionen auszusteigen.
Die Grundlage für die Interventionsmethode ist die Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, von Unterstützung zur Selbsthilfe, sei es im Coaching-Prozess oder als Führungs-Tool im Unternehmen. Der Prozess baut auf die ressourcen- und lösungsorientierten Kompetenzen des Gegenübers, die gefördert und aktiviert werden sollen, auf.
Jede Person hat ihre persönliche Wirklichkeitskonstruktion. Fixierung, lähmende Gewissheit, feste Positionierung zu einer Thematik sind die Folge. Die Kunst bei der Interventionsmethode besteht darin, das „Skript“ und die Positionierung des Gegenübers zu lesen und herauszuhören, aus welchem Gedankenkonstrukt das Gegenüber zu seiner Einstellung gekommen ist. Voraussetzung für die Anwendung von Interventionsmethoden ist das Beherrschen einer generellen Gesprächsstruktur. Vor und während der Interventionsmethode sind das zentrale Thema, die Zukunftsperspektive, das Ziel des heutigen Gesprächs und der Zusatzfokus immer wieder herauszuarbeiten bzw. im Fokus. Im Rahmen der Anwendung des „Kommunikations-Sessels“ hat sich die 4Z-Struktur als sehr praktikabel erwiesen.
Um das Tool im Gespräch effektiv anwenden zu können, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen und Grundhaltungen zu verinnerlichen. Zunächst sollte eine positive Grundstimmung hergestellt werden, die etwa in Kommunikation auf Augenhöhe, Fokussierung auf Ressourcen und ausreichender Gesprächszeit zum Ausdruck kommt. Die Gesprächsführung erfolgt empathisch, respektvoll und mit voller Aufmerksamkeit, sprich aktivem Zuhören. Aufseiten des Klienten bzw. des Mitarbeiters trägt das positive Klima zu kognitiver Erleichterung bei. Der Coach bzw. die Führungskraft sollte dem Gesprächsthema mit Neutralität begegnen. Insbesondere für Führungskräfte, die zugleich den Unternehmenszielen verpflichtet sind, stellt dies mitunter eine Herausforderung dar.
Die inhaltliche Arbeit beginnt mit dem Festlegen und Beschreiben des zentralen Themas (Z 1) des Gesprächs. Folgende, einfache Fragen sind hierbei hilfreich:
Eine der wichtigsten Aufgaben des Coachs bzw. der Führungskraft ist es, das Thema mit der passenden „Überschrift“ zu fixieren, da die Themen vom Klienten bzw. Mitarbeiter oft zunächst schwammig beschrieben werden.
Ist die Thematik ausreichend präzise beschrieben, so folgt das Formulieren einer Zukunftsperspektive, eines langfristigen Ziels (Z 2). Weshalb ist dies wichtig? Aus einem Problem heraus kann aus systemisch-konstruktivistischer Sicht keine Lösung erarbeitet werden, da man in Defiziten und in der Vergangenheit verhaftet bleibt. Die Definition eines Ziels als Perspektive eröffnet hingegen einen lösungsorientierten Blick. Die wichtigsten Fragen in dieser Phase:
Bei der Zielfindung ist zu beachten: Das Ziel soll SMART (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert) sein. Ob das Ziel SMART genug ist, lässt sich anhand verschiedener Fragetechniken wie z.B. Skalierungs- oder Verschlimmerungsfragen ermitteln.
Ist eine Zukunftsperspektive abgesteckt, so wird der Bogen zum Ziel des heutigen Gesprächs (Z 3) gespannt. Dieses zu definieren, ist wichtig, da die zuvor formulierten Inhalte (Thema und Zukunftsperspektive) im Klienten Erwartungen an das Ergebnis des Gesprächs erzeugen. Diese sollten ganz konkret ausgesprochen werden. Der Coach fragt: „Was muss am Ende des heutigen Gesprächs herauskommen, damit Sie sagen, es war zielführend, hilfreich und effektiv?“
Anschließend ermitteln die Gesprächspartner den Zusatzfokus (Z 4). Dieser richtet sich auf die „Umwelt“ des Klienten bzw. Mitarbeiters. Relevante Personen, Situationen oder Emotionen werden in das zentrale Thema (Z 1) einbezogen. Wurden diese Zusatzfaktoren unter Z 1 bereits angesprochen, so werden sie erneut aufgegriffen. Ist dies nicht der Fall, so wird gefragt: „Gibt es etwas, worauf ich besonders achten muss, damit unser heutiges Ziel (Z 3) gut erreicht werden kann?“ Kommen an dieser Stelle neue relevante Themen zum Vorschein, sollte mittels zirkulärer Fragen darauf Bezug genommen werden.
Die Lösungsarbeit beinhaltet Interventionsmethoden zur Erreichung der Zukunftsperspektive (Z 2) sowie des Ziels des heutigen Gesprächs (Z 3) – unter Beachtung des Zusatzfokus (Z 4). Eingesetzt werden unterschiedliche Techniken wie z.B. eine Timeline, das Systembrett, eine Ideenbörse, lösungsorientierte, ressourcenorientierte, zirkuläre, konstruktivistische und skalierende Fragen.
Bereits zum Einstieg, aber auch im weiteren Verlauf eines Gesprächs kann der Coach bzw. die Führungskraft anhand der Körperhaltung, der Stimme, einer zögerlichen oder raschen Antwort, der Mimik etc. des Gegenübers mit Empathie und Aufmerksamkeit erkennen, welchem Gesprächstypus der Klient bzw. Mitarbeiter angehört, mit welcher Einstellung und Rolle dieser an das Gespräch herangeht. Das Achten auf den Inhalt und auf die Zwischentöne erfordert höchste Konzentration.
Die Rolle, das Verhalten oder die innere Einstellung entwickeln sich oft schon in frühester Kindheit. Ein (stark vereinfachtes) Beispiel, wie es zu festgefahrenen Kommunikationsmustern kommen kann: Ein Kind nimmt im Kindergarten dem anderen Kind das Spielzeug weg. Das benachteiligte Kind weint. Die Pädagogin tröstet das weinende und fordert das wegnehmende Kind auf, das Spielzeug zurückzugeben. Was hat das weinende Kind nun gelernt? „Die sind so böse zu mir! Aber wenn ich weine (wenn ich als Opfer agiere), hilft man mir (habe ich eine Chance, dass sich ein Anderer (ein Retter) um mich kümmert und die Sache wieder in Ordnung bringt).“ Wird dies nun mehrfach erfolgreich ausprobiert, entwickelt das Kind ein Kommunikationsmuster, das sich als Opfer-Muster bezeichnen lässt. In der Kommunikation äußert sich dies in bestimmten Verhaltensweisen: Das Kind schweigt, schluckt, weint oder demonstriert Hilflosigkeit.
Später – im beruflichen Kontext – wird sich dies darin auswirken, dass der Betroffene seine eigenen Handlungsspielräume nicht erkennen und nutzen kann. Der Coach bzw. die Führungskraft sitzt nun einem „Opfer“ auf dem Ohnmachts-Sessel gegenüber. Erkennbar wird dies anhand zögerlich gegebener Antworten, leiser Stimme, gebückter Haltung, ausweichenden Blicken, offensichtlicher Nervosität und Unsicherheit. Das Gespräch gestaltet sich schleppend. Das Erscheinungsbild des Klienten/Mitarbeiters drückt aus: „Ich bin so arm! Ich kann nichts dafür! Ich weiß nicht weiter!“
Um den Klienten aus seiner Opfer-Rolle und seinem Ohnmachts-Sessel herauszubekommen, ihm in der Folge neue Perspektiven und Handlungs- und Lösungsoptionen aufzuzeigen, stellt der Coach nun – je nach Situation und verfügbarer Zeit – bis zu fünf weitere Stühle (Sessel) auf (der Sessel, auf dem der Klient am Anfang sitzt, ist und bleibt immer der „Ausgangs-Sessel“, auf den der Klient jederzeit zurück kann). Dem Klienten wird angeboten, einen neuen Sessel auszuprobieren. Jeder Sessel wird davor benannt und das Verhalten des dazu passenden Kommunikations-Typus bzw. -Musters beschrieben (siehe Tabelle).
Es besteht nun die Möglichkeit, dass sich der Klient bzw. Mitarbeiter einen Sessel (oder auch alle) aussucht, oder der Coach bzw. die Führungskraft ihn bittet, auf einem ganz bestimmten Sessel Platz zu nehmen. Kurz, aber einfühlend und prägnant beschreibt der Coach den Charakter des neuen Sessels. Dem Klienten wird nun etwas Zeit gegeben, um sich in den Charakter des neuen Sessels und die damit verbundene, ungewohnte Rolle im Gespräch einfühlen zu können. Anschließend wird die generelle Gesprächsstruktur nochmals durchgearbeitet. Gestellt werden Fragen wie:
Der „Szenenwechsel“ bewirkt innerlich beim Klienten bzw. Mitarbeiter, dass er sich von seiner Wahrheit lösen kann, die unbewussten Strukturen aufgeweicht oder sogar verlassen werden können. In der Konsequenz wagt sich der Klient an neue „Ufer“ heran und traut sich, in für ihn neuer Art und Weise zu denken und zu agieren.
In Unternehmen fehlt oftmals die Zeit, einen Mitarbeiter alle Sessel bzw. Rollen ausprobieren zu lassen. Es hilft aber auch schon ein einziger Szenen- und Perspektivwechsel, um lösungsorientiert eine Veränderung herbeizuführen. Im Coaching wird der Klient häufig ganz bewusst auf den zur gewohnten Rolle konträren Sessel gesetzt. So bietet es sich beispielsweise an, ein „Opfer“ (Ohnmachts-Sessel) auf dem Konfrontations-Sessel zu platzieren. Versteckte, unbewusste, unterdrückte Emotionen können durch den Perspektivwechsel bewusst wahrgenommen werden. Die Lösung solcher Blockaden kann für den Betreffenden eine Befreiung und Erleichterung sein.
Der Anwender sollte eine fundierte Coaching-Ausbildung und Kompetenztrainings absolviert haben. Er sollte über systemische Grundkenntnisse sowie Kenntnisse der systemisch-lösungsorientieren Gesprächsführung verfügen.
Bei dem Tool handelt es sich nicht um ein Instrument der Persönlichkeitsanalyse. Es dient ausschließlich dem Verdeutlichen und Sichtbarmachen aktueller Einstellung und Kommunikations- bzw. Handlungsmuster.