Das beschriebene Tool kombiniert Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie, Byron Katies ‚The Work‘, dem NLP, dem systemischen Coaching und der Gewaltfreien Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg. Der Klient erkennt, durch welche unbewussten Überzeugungen (Glaubenssätze) sein Verhalten und seine Gefühle in bestimmten Situationen ‚genährt‘ werden. Nachdem er diese Überzeugungen von mehreren Perspektiven beleuchtet hat, entscheidet er bewusst, was er mit ihnen tun möchte – behalten oder verändern – und etabliert ggf. neue Verhaltensweisen.
Das Tool eignet sich besonders dann, wenn Klienten ungute Gefühle erleben, die sie lieber nicht hätten (z.B. Anspannung in Gegenwart des Chefs, Nervosität vor Präsentationen) oder wenn sie sich an einer eigenen Verhaltensweise stören, die sie aber bisher nicht ändern konnten (z.B. möchte man aktiv Kunden akquirieren, setzt sein Vorhaben aber nicht um, obwohl es keine äußeren Hinderungsgründe dafür gibt).
Der Klient erkennt, durch welche unbewussten Überzeugungen sein Verhalten und seine Gefühle in bestimmten Situationen, die er als unbefriedigend erlebt, gesteuert werden. Durch das anschließende Beleuchten der ‚ausgebuddelten‘ Überzeugungen von verschiedenen Perspektiven wird ihm bewusst, welche positiven und negativen Konsequenzen damit einhergehen. Auf dieser Basis kann er dann selbst-bewusst entscheiden, ob er diese Konsequenzen auch in Zukunft haben bzw. tragen möchte. Falls nein, kann er seine Überzeugungen so verändern, dass sie ihm uneingeschränkt gut tun.
Das Vorgehen wird anhand eines Beispielfalls geschildert. Der Klient berichtet, er fühle sich wie ein Getriebener. Im Urlaub mit Freunden sei ihm aufgefallen, dass die anderen viel lockerer seien als er. Das störe ihn sehr an sich selbst. Er würde auch gerne ab und zu mal „alle Fünfe gerade sein lassen können“. Aber es gelinge ihm einfach nicht. Während die anderen ausgelassen feierten, habe er sich darüber aufgeregt, dass etwas, was man zuvor vereinbart hatte, nicht eingehalten worden war. Und so wie in dieser Situation gehe es ihm oft. Er könne z.B. auch nicht zur Entspannung einfach mal eine Stunde auf dem Sofa liegen ohne etwas zu tun. Das gehe irgendwie nicht.
Der Klient berichtet von einem Verhalten, das ihn an sich selbst stört, er aber bisher „irgendwie einfach nicht ändern konnte“. Er wird vom Coach darauf aufmerksam gemacht, dass dies mit unbewussten Überzeugungen zu tun haben könnte, die sein Verhalten beeinflussen, ohne dass es ihm bewusst ist. Falls der Klient diese Annahme teilt, beginnt das Prozedere wie folgt:
Der Klient wird gebeten, die Verhaltensweise (oder das Gefühl), das ihn an sich selbst stört, in einem Satz auf den Punkt zu bringen. Im Beispiel beantwortet der Klient diese Frage wie folgt: „Was mich an mir selbst stört, ist, dass ich nicht locker und entspannt bleiben kann, wenn etwas, was vereinbart wurde, nicht eingehalten wird.“
Der Coach fragt den Klienten: „Was muss ein Mensch denken oder glauben, der sich so verhält/ fühlt?“. Die Formulierung „ein Mensch“ ist dabei bewusst gewählt; durch das dissoziieren fällt es dem Klienten i.d.R. leichter, mit sich in Verbindung zu kommen. Der Klient im Beispiel antwortet auf die Frage „Was muss ein Mensch denken oder glauben, der nicht locker und entspannt bleiben kann, wenn etwas, was vereinbart wurde, nicht eingehalten wird?“ mit: „Er muss denken, dass man immer zuverlässig sein muss.“
In Anlehnung an die aus der kognitiven Verhaltenstherapie stammende Methode des vertiefenden Fragens (Downward Arrow Technique) fragt der Coach dann liebevollneugierig weiter „weil?“ oder „und dann?“ oder „sonst passiert was?“. Um den Klienten bei seiner Selbsterforschung nicht zu stören, tut der Coach gut daran, sein Beurteilungssystem im Kopf auszuschalten, die eigenen Hypothesen loszulassen und einfach ‚nur‘ neugierig, offen, wohlwollend und präsent zu sein und keine bestimmten Antworten vom Klienten zu erwarten. Im Beispielfall antwortet der Klient auf die genannten Nachfragen des Coachs unter anderem mit: „Weil er sonst die Zeit anderer Leute verschwendet … Weil er auch erwartet, dass man so mit ihm umgeht … Weil er denkt, dass es etwas Besonderes ist, wenn man so vertrauenswürdig ist … Sonst verliert er sein vertrauenswürdiges Image“.
Der Coach notiert das Gesagte wörtlich und liest es dem Klienten langsam Satz für Satz vor – verbunden mit der Vorgabe an den Klienten, in sich hinein zu spüren/schauen/ hören, welche Überzeugungen in den Sätzen mitschwingen. Zur Orientierung kann der Coach vorab erläutern, dass Überzeugungen häufig mit „man muss“, „man soll“, „man darf nicht“, „wenn X, dann Y“ oder „ich bin“ beginnen oder in Redewendungen versteckt sind. Der Klient im Beispielfall gräbt unter anderem die folgenden Überzeugungen aus: „Wenn ich mich zurücklehne, wird’s unkontrolliert. … Es ist bei vielen Menschen nicht sicher, ob man sich auf sie verlassen kann. … Man muss immer verlässlich sein und die Erwartungen erfüllen, die in einen gesetzt werden.“
Im nächsten Schritt wird der Klient angeregt, die ‚ausgebuddelten‘ Überzeugungen dahingehend zu beleuchten, welche Gefühle und körperlichen Reaktionen sie in ihm auslösen, welche positiven und welche negativen Auswirkungen sie mit sich bringen, welche Bedürfnisse durch sie erfüllt werden und welche nicht erfüllt werden und was er schlussendlich mit den Überzeugungen machen möchte.
Bei einer größeren Zahl ‚ausgebuddelter‘ Überzeugungen wie im Beispielfall, hat es sich als hilfreich erwiesen, den Klienten zunächst anzuregen, die einzelnen Überzeugungen zu bewerten (z.B. mit Hilfe einer Skala) und ihn dann dabei zu unterstützen, diejenige Über zeugung, die am meisten in negative Resonanz mit ihm geht, tiefergehend zu beleuchten. Dabei können z.B. die folgenden Fragen hilfreich sein (die ‚ausgebuddelte‘ Überzeugung, hier als Glaubenssatz bezeichnet, ist bei jeder Frage zu wiederholen):
Um den inneren Dialog des Klienten zu erleichtern, ist es auch hier wieder besonders wichtig, als Coach in der lethologischen Haltung zu agieren und dem Klienten einfach ‚nur‘ einen Raum zu geben, in den er hinein sprechen kann und anzunehmen (und am besten zu notieren), was immer vom ihm gesagt wird, ohne das Gesagte zu bewerten. Der Coach muss das Gesagte weder verstehen noch gut finden. Es ist hilfreich, wenn der Coach in der Lage ist, den Klienten ggf. dabei zu unterstützen, die tieferen Bedürfnisse hinter seiner Überzeugung zu erkennen. Die Erkenntnis darüber kann Klienten besonders tief berühren. Abgeschlossen wird diese Phase mit der Frage: „Und jetzt? Was möchten Sie mit Ihrer Überzeugung … (Glaubenssatz) machen?“ Wie immer der Klient sich entscheidet, es ist seine Entscheidung. Der Coach muss ihr nicht zustimmen. Das Reiseziel bestimmt der Klient. Der Coach trägt lediglich dazu bei, dass er es sich gut überlegt, wo er hin will und dass er, wenn er seine Entscheidung getroffen hat, Wege findet, um sein Ziel zu erreichen.
Für den Klienten im Beispielfall war die Überzeugung „Man muss immer verlässlich sein und die Erwartungen erfüllen, die in einen gesetzt werden“ seinem Gefühl nach am schlimmsten zu ertragen. Beim tiefergehenden Beleuchten dieser Überzeugung erkannte er unter anderem, dass er die Überzeugung von seinem Vater – einem aus seiner Sicht tugendhaften Lehrer – übernommen hatte. Er realisierte, dass ihm die Ausstrahlung des ‚Unkaputtbaren‘ zwar ein gewisses Standing bei anderen verschafft und ihm hilft, Anerkennung und Respekt zu bekommen, aber gesundheitlich ihren Preis hat, weil das Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung und Erholung zu wenig erfüllt wird. Weitere negative Aspekte sah er darin, dass man mit dieser Überzeugung dazu neigt, von anderen zu viel zu verlangen und Stress zu produzieren, statt den Mitmenschen Raum zur Entfaltung zu geben. Nach eingehender Überprüfung entschied er sich dafür, die Überzeugung zu verändern, weil sie es ihm erschwerte, sich zu entspannen und offen zu sein.
Wenn der Klient sich dafür entscheidet, die bisherige Überzeugung zu behalten, wird er vom Coach dabei unterstützt, die Bedürfnisse zu würdigen, die er sich dadurch erfüllt.
Entscheidet er sich hingegen dafür, die Überzeugung aufzugeben oder zu verändern, wird er angeregt, diese zu schwächen. Dafür haben sich z.B. die folgenden Fragen als hilfreich erwiesen:
Er wird angehalten, sich diese Fragen falls erforderlich über einen längeren Zeitraum von einigen Wochen hinweg regelmäßig (möglichst täglich) zu stellen und die bisherige Überzeugung dadurch weiter zu schwächen – solange bis sie ihre Wirkung verloren hat.
Parallel dazu kann man dem Klienten vorschlagen, z.B. mit Hilfe einer Affirmation, eine neue, förderliche Überzeugung zu etablieren. Mit Affirmationen zu arbeiten bedeutet, dass man sich selbst Botschaften schickt, die einem gut tun. Affirmationen sind wie ein Kurzurlaub für den Organismus und bewirken langfristig, dass neue Verknüpfungen von Nervenzellen im Gehirn gebildet werden. Für das Finden und Formulieren von Affirmationen haben sich die folgenden Fragen als hilfreich herausgestellt:
Um zu verhindern, dass eine Affirmation, die zu weit von dem entfernt ist, was der Klient bisher geglaubt hat, innere Konflikte produziert, sollte man als Coach tunlichst darauf achten, dass die Affirmation rundum Positives im Klienten auslöst. Neben dem achtsamen Beobachten von Mimik, Gestik und Stimmlage kann es hilfreich sein, den Klienten etwas zu fragen wie „Was löst das in Ihnen aus?“. Und ihn dann ggf. dabei zu unterstützen, solange an der Affirmation zu ‚feilen‘, bis sie rundum positiv für ihn ist. Prozesshafte Formulierungen (z.B. „mit jedem Tag mehr und mehr“) sind dabei häufig vorteilhafter als statische („ich bin …“). Der Klient im Beispielfall fand für sich den Satz „Ich kann auf meine Stärken bauen und anderen vertrauen und es tut mir gut, mit jedem Tag ein bisschen lockerer zu werden.“
Durch das Schwächen einer unerwünschten Überzeugung und Etablieren einer neuen Überzeugung mit Hilfe einer Affirmation entstehen nicht automatisch neue Verhaltensweisen. Der Weg ist nun zwar frei, aber das gewünschte neue Verhalten muss unter Umständen erst noch erlernt werden. Hilfreiche Fragen in diesem Zusammenhang sind:
Geeignet ist das Tool für Coaches, die geübt darin sind, Dinge wohlwollend, achtsam und präsent wahr-/aufzunehmen ohne sie zu bewerten. Basis ist die systemische Haltung, dass der Klient seine Antworten in sich finden wird, wenn man ihn nur lässt und ihn nicht dabei stört. Diese Haltung sollte der Coach verinnerlicht haben – und darüber hinaus genügend eigene Erfahrungen mit dem Tool.
Bei der Anwendung dieses Tools ist es besonders wichtig, als Coach das eigene Beurteilungssystem im Kopf auszuschalten und in der lethologischen Haltung zu agieren und dem Klienten einen Raum zu geben, in den er hinein denken/sprechen kann, ohne dass das Gesagte bewertet und analysierend hinterfragt wird. Hilfreich ist es darüber hinaus, langsam zu arbeiten (damit der Klient angeregt wird, tiefgehend in sich hinein zu hören/ schauen/spüren) und Teile des Gesagten nach Möglichkeit wortwörtlich zu notieren (damit man dem Klienten das, was ihn bewegt, mit seinen eigenen Worten rückmelden kann und ihm dadurch die Möglichkeit geben, es noch mal auf sich wirken zu lassen und tiefergehend nachzuspüren). Es geht nicht darum, Fragen schematisch nach dem ‚Funkkolleg‘-Prinzip abzuarbeiten, sondern den Klienten dabei zu unterstützen, sich neugierig-wohlwollend selbst zu befragen und den Schatz in seinem Inneren zu bergen.
Die Arbeit mit dem Tool dauert im Schnitt zwischen 1 und 2,5 Stunden. Die einzelnen Schritte können auch in kleineren ‚Häppchen‘ im Rahmen von 20–30minütigen Coaching-Sessions durchlaufen werden. Hilfreich sind Papier und Stift oder ein Laptop zum Mitschreiben des Gesagten. Alternativ zum Einstieg über Situationen, in denen der Klient Gefühle oder Verhaltensweisen an sich wahrnimmt, die ihn stören, er sie bisher aber nicht ändern konnte, kann die Glaubenssatzarbeit auch mit inneren Stimmen zu seinem Ziel oder mit Glaubenssätzen, die er beim Erzählen ausspricht, beginnen.