Coaching-Tools werden offenbar aus der Intention heraus veröffentlicht, das eigene Wissen und die Erfahrungen mit Kollegen zu teilen, bieten für den Autor aber auch die Gelegenheit, sich als Coach bekannt zu machen. Mit jedem veröffentlichten Coaching-Tool wächst jedoch auch die Kritik an der Konzentration auf reine „Werkzeuge“ und es stellt sich die berechtigte Frage nach der Qualität der zahlreich auf den Markt geworfenen Tools. Stellen Coaching-Tools tatsächlich eine Hilfe zur Durchführung möglichst wirksamer Coachings dar? Oder sollte auf deren Einsatz besser verzichtet werden, weil sie bloß zur „gedankenlosen Tool-Klempnerei“ verleiten?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es natürlich nicht. Selbstverständlich birgt der wahllose und unreflektierte Einsatz von Coaching-Tools Gefahren wie beispielsweise die leichtfertige Vereinfachung der Probleme des Klienten, die Vermittlung widersprüchlicher Botschaften durch Verwendung von Coaching-Tools aus unterschiedlichen methodischen Richtungen oder den Verlust des Vertrauens des Klienten durch eine unsichere Anwendung – um nur einige Punkte aus der Literatur zu nennen. So warnte ja schon Paul Watzlawick vor geraumer Zeit: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel“. Auf der anderen Seite können Coaching-Tools jedoch auch eine Hilfe zur Erweiterung der Methodenkompetenz oder einen kreativen Input darstellen.
Die Lösung scheint also in einem goldenen Mittelweg zu liegen: Damit Coaching-Tools wirksam eingesetzt werden können, müssen etliche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen eingehalten werden. Dazu zählen zum Beispiel:
Ein wichtiger Punkt, der bisher in der Literatur noch kaum Beachtung gefunden hat, ist die Beachtung der Umsetzung von Wirkfaktoren bei der Auswahl und Anwendung von Coaching-Tools. Wirkfaktoren sind Merkmale, welche wirksame Coachings gemeinsam haben und auf die die Wirkungen eines Coachings zurückzuführen sind (s. Kasten). Deren Umsetzung in Coaching-Tools ist deshalb sowohl aus wissenschaftlicher Perspektive als auch für Praktiker, die Coaching-Tools möglichst erfolgversprechend anwenden möchten, von Interesse.
Während die Wirkungen die tatsächlichen Effekte eines Coachings bezeichnen, geht es bei der Wirksamkeit darum, ob die angestrebten Wirkungen erreicht wurden. Demzufolge wird ein Coaching dann als wirksam bezeichnet, wenn vorher festgelegte Wirkungen eintreten. Wirkungen von Coaching sind beispielsweise Veränderungen des Verhaltens, die Verbesserung interpersonaler Beziehungen oder eine Steigerung des Wohlbefindens (s. Mäthner et al., 2005). Wirkfaktoren schließlich sind Merkmale, die wirksame von weniger wirksamen Coachings unterscheiden und die als Mechanismen dazu beitragen, dass die Wirkungen erreicht werden oder das Coaching wirksam ist.
Im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg hat sich die Autorin den Aspekt der Umsetzung von Wirkfaktoren herausgegriffen und die derzeit so beliebten Coaching-Tools hinsichtlich der darin verwirklichten Wirkfaktoren genauer unter die Lupe genommen. Eine solche wissenschaftlich fundierte Analyse von Coaching-Tools hinsichtlich ihrer Wirkfaktorenausprägung kann Erkenntnisse bezüglich eines möglichst wirksamen Einsatzes generieren und erscheint aufgrund der Popularität von Coaching-Tools bei Praktikern mehr als sinnvoll.
In der Literatur existieren mehrere Wirkfaktorenmodelle, wobei das aus der Psychotherapieforschung stammende Wirkfaktorenmodell von Klaus Grawe das bekannteste sein dürfte. Speziell für den Coaching-Bereich entwickelt wurde zudem das Modell von Siegfried Greif. Für die sinnvolle Auswahl von Coaching-Tools sind diese Wirkfaktoren jedoch nur eingeschränkt von Bedeutung. Wirkfaktoren wie beispielsweise „Wertschätzung und emotionale Unterstützung“ sind viel zu sehr abhängig von der Person des Klienten und des Coachs, als dass es möglich wäre, diese als konkrete Vorgehensweise in einem Coaching-Tool zu beschreiben. Es stellt sich also die Frage: Welche Wirkfaktoren spielen speziell in Bezug auf Coaching-Tools eine Rolle?
Obwohl mittlerweile neben dem Greif-Modell für den Coaching-Bereich weitere Wirkfaktorenmodelle – so zum Beispiel von Wissemann (2006) und Riedelbauch & Laux (2011) – existieren, gibt es bisher noch kein Wirkfaktorenmodell, welches speziell auf Coaching-Tools bezogene Wirkfaktoren enthält. Die Entwicklung eines solchen Wirkfaktorenmodells hat sich die Autorin deshalb zur Aufgabe gemacht. Der erste Schritt bestand darin, die Wirkfaktoren von Grawe, Greif und Wissemann dahingehend zu untersuchen, ob sie in Coaching-Tools umgesetzt sein können. Im zweiten Schritt wurden unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse geeignete Wirkfaktoren ausgewählt, gegebenenfalls modifiziert und neu strukturiert.
Das Resultat stellt das sechs Wirkfaktoren umfassende „coachingtoolspezifische“ Wirkfaktorenmodell (Wechsler, 2011) dar. Es ist aus dem Wirkfaktorenmodell von Greif als Ausgangsmodell abgeleitet und kombiniert Aspekte dieses Modells mit Aspekten des Wirkfaktorenmodells von Grawe. Die Besonderheit besteht darin, dass es ausschließlich solche Wirkfaktoren enthält, die in Coaching-Tools mit deren Besonderheiten in Aufbau und Inhalt umgesetzt sein können. Sie sollten bei der Auswahl und dem Einsatz von Coaching-Tools unbedingt berücksichtigt werden.
Um der Frage nachzugehen, ob die „coachingtoolspezifischen“ Wirkfaktoren auch in Tools aus bekannten Sammlungen umgesetzt sind, wurden im Rahmen der Diplomarbeit exemplarisch 71 Coaching-Tools der Sammlungen „Coaching-Tools“ und „Coaching-Tools II“ des Herausgebers Christopher Rauen hinsichtlich der Umsetzung der sechs Wirkfaktoren untersucht. Dazu wurde im Rahmen eines inhaltsanalytischen Vorgehens die Ausprägung der sechs Wirkfaktoren in jedem einzelnen Coaching-Tool mit Hilfe eines ausführlichen Bewertungsleitfadens auf einer dreistufigen Skala eingeschätzt. Das Ergebnis stellt auf die Bewertungen der Autorin beruhende Wirkfaktorenprofile für alle 71 analysierten Coaching-Tools dar.
Die Analyse der Profile einzelner Coaching-Tools zeigte, dass in den Sammlungen von Rauen sowohl Coaching-Tools mit einer starken Ausprägung eines oder mehrerer Wirkfaktoren als auch Coaching-Tools mit einer geringen oder gar nicht vorhandenen Ausprägung aller sechs Wirkfaktoren existieren. Bei einer zufälligen Auswahl eines Coaching-Tools kann demnach sowohl ein „wirkfaktorenstarkes“ als auch ein „wirkfaktorenschwaches“ Coaching-Tool gezogen werden. Aufgrund dieser großen Unterschiede in der Wirkfaktorenausprägung von Coaching-Tools ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass bei der Auswahl eines Tools unbedingt auf die Umsetzung von Wirkfaktoren geachtet und nur solche mit einer starken Verwirklichung mindestens eines Wirkfaktors eingesetzt werden sollte. Im Rahmen der Diplomarbeit wurden deshalb auch für jeden Wirkfaktor besonders empfehlenswerte Coaching-Tools mit einer hohen Ausprägung desselben zusammengestellt.
Die übergreifende Analyse aller Wirkfaktorenprofile zeigte, dass Wirkfaktoren in den Coaching-Tools der Sammlungen von Rauen grundsätzlich eine Rolle spielen. Die sechs Wirkfaktoren sind in 14,1 bis 39,4 Prozent der Coaching-Tools verwirklicht und in 12,7 bis 32,4 Prozent der Tools sogar stark verwirklicht. Coaching-Tools müssen also nicht prinzipiell aufgrund mangelnder Umsetzung von Wirkfaktoren abgelehnt werden.
Als der in den Coaching-Tools am stärksten ausgeprägte Wirkfaktor erwies sich der Wirkfaktor „ergebnisorientierte Selbstreflexion“, welcher in 67,6 Prozent der bewerteten Coaching-Tools (stark) verwirklicht ist. Neben dem Vergleich der relativen Häufigkeiten ergab der sogenannte Vorzeichen-Test sogar eine signifikant stärkere Ausprägung des Wirkfaktors „ergebnisorientierte Selbstreflexion“ gegenüber den anderen Wirkfaktoren. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass alle anderen Wirkfaktoren in den bewerteten Coaching-Tools am häufigsten in der Ausprägung „Wirkfaktor geringfügig oder gar nicht verwirklicht“ umgesetzt sind. Somit kann von einem leichten Mangel an Coaching-Tools, in denen die Wirkfaktoren ergebnisorientierte Problemreflexion, Zielklärung, Umsetzungsunterstützung, Ressourcenaktivierung und Erlebnisaktivierung stark ausgeprägt sind, ausgegangen werden.
Dies wirft natürlich zahlreiche Fragen auf wie etwa: Stellt die Betonung des Wirkfaktors „Selbstreflexion“ eine bewusste Schwerpunktsetzung der Rauen-Sammlung dar? Ist die Umsetzung des Wirkfaktors „Selbstreflexion“ im Coaching-Bereich – im Vergleich zum Psychotherapiebereich – insgesamt wichtiger als beispielsweise die der „Umsetzungsunterstützung“? Oder werden die anderen Wirkfaktoren in ungerechtfertigter Weise vernachlässigt?
Da auf obige Fragen bisher keine abschließende Antwort gefunden werden konnte, bleibt für die Auswahl und Anwendung von Coaching-Tools die Schlussfolgerung zu ziehen, dass unbedingt auf die umfassende Umsetzung aller relevanten Wirkfaktoren geachtet und die einseitige Umsetzung eines bestimmten Wirkfaktors vermieden werden sollte. Dies ist auch deshalb von besonderer Relevanz, da je nach individuellen Merkmalen des Klienten oder der Phase des Coaching-Prozesses die Umsetzung ganz unterschiedlicher Wirkfaktoren von Bedeutung ist.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Einsatz wirkfaktorenstarker Coaching-Tools durch die Verbesserung der Umsetzung von Wirkfaktoren zu einer höheren Wirksamkeit eines Coachings beitragen kann. Das heißt, dass Coaching-Tools nicht grundsätzlich abzulehnen sind, da wirkfaktorenstarke Tools durchaus eine Hilfe zur Durchführung wirksamer Coachings darstellen können. In diesem Zusammenhang sei jedoch angemerkt, dass die Umsetzung eines Wirkfaktors in der schriftlichen Beschreibung eines Coaching-Tools natürlich nicht der Umsetzung des Wirkfaktors in der realen Durchführung des Coaching-Tools entsprechen muss. Diese ist unter anderem abhängig von der Person des Coachs und dessen praktischer Durchführung der Coaching-Tool-Beschreibung. Die tatsächliche Wirksamkeit des betreffenden Coaching-Tools hängt auch zusätzlich von der Einhaltung verschiedener Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ab – wie der Passung des Tools zum Thema des Klienten oder aber der Ausprägung „nicht-coachingtoolspezifischer“ Wirkfaktoren wie zum Beispiel einer guten Coaching-Beziehung, welche deshalb nicht weniger relevant sind.
Wie können nun Coaching-Praktiker von den Erkenntnissen über die Wirkfaktorenausprägung von Coaching-Tools profitieren?
So könnten Anwender von Coaching-Tools das Spektrum dessen, wie Coaching wirken kann, optimal nutzen. In diesem Zusammenhang wäre auch an eine Kennzeichnung der Coaching-Tools hinsichtlich der Verwirklichung der verschiedenen Wirkfaktoren, zum Beispiel in Form von Wirkfaktorenprofilen, zu denken. Dies würde Praktikern die Möglichkeit eröffnen, Tools noch gezielter auszuwählen und ihr Vorgehen den Besonderheiten des jeweiligen Coaching-Prozesses anzupassen.