Wie bereits im ersten Teil berichtet, lassen sich Qualitätskriterien für das Coaching in drei Dimensionen einteilen: Die Strukturqualität (Was benötigt man für ein Coaching?), die Prozessqualität (Wie läuft das Coaching ab?) und die Ergebnisqualität (Was ist das Ergebnis?). Heß & Roth (2001) ordnen diesen drei Qualitätsdimensionen über 50 Kriterien zu. Im Folgenden möchte ich einige Kriterien der Strukturqualität näher erläutern. Generell bezieht sich die Strukturqualität auf vier Bereiche:
a) Personelle Strukturqualität (Coach)
- Fachliche Qualifikation (Wirtschaftliches/psychologisches Wissen; Coaching-Erfahrung/Spezialisierung; Betriebs-, Führungserfahrung; Feldkompetenzen; Philosophische Kenntnisse)
- Methodenkompetenz (Methodenvielfalt; Transparenz und Erklärbarkeit der Methoden; Handlungskonzept; Diagnostische Kompetenz; Fähigkeit, Organisationsmuster zu erkennen; Kommunikationsfähigkeiten; Selbstreflexion; Kognitive Fähigkeiten)
- Beziehungsgestaltungskompetenzen
- Persönliche Qualifikationen
- Supervision, Intervision
- Fortbildung
- Ausbildungsweg
- Professionsgemeinschaft/Kooperation
- Referenzen
- Praxis
b) Klient
- Freiwilligkeit
- Veränderungsbereitschaft
- Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit u. zeitl. Aufwand
- Selbstregulationsfähigkeit/Wohlbefinden
- Problembewusstsein- Bereitschaft, Emotionen zuzulassen
- Verantwortungsübernahme
c) Beziehung
- Passung (persönliche, berufliche)
- Vertrauen- Akzeptanz
- Sympathie
- Solitär-Beziehung
- Offenheit
- Gleichwertigkeit
- Ehrlichkeit
d) Unternehmen
- Transfermöglichkeiten
- Bereitschaft zur Auseinandersetzung (keine Funktionalisierung)
- Ziel verhandeln (keine Zielvorgaben)
- Passung zwischen Coach und Unternehmen (keine Diskrepanz)
Wie können diese Qualitätskriterien nun im einzelnen überprüft bzw. gesichert werden? Aus der Sicht eines Unternehmens bzw. potenziellen Klienten rate ich dringend zum Erstellen einer Checkliste, um die genannten Kriterien der Strukturqualität eines Coachs abzufragen. Dies stellt keinen allzu großen Aufwand dar und hilft entscheidend, verschiedene Coachs strukturiert miteinander vergleichen zu können. Da ein Coaching eine nicht unbeträchtliche (finanzielle) Investition darstellen kann, sollte entsprechend genau hinterfragt werden. In jedem Falle ist der Aufwand geringer als der mögliche Schaden, den das Engagieren eines ungeeigneten Coachs anrichten mag (weitere Anregungen zur Auswahl von Coachs finden sich im Coaching-Report).
Gleichzeitig sollte sich eine potenziell am Coaching interessierte Person auch selbstkritisch fragen, ob ein Coaching wirklich gewollt ist und angemessen erscheint. Auch dies fördert die Qualität des Coachings, d.h. die Qualität wird nicht nur durch den Berater bestimmt, sondern sehr wesentlich durch den Klienten.
Manche Berater halten den Klienten sogar für den bedeutsamsten Erfolgsfaktor eines Coachings, was zumindest durch Studien aus dem Bereich der Psychotherapie belegt wird (s. Hubble, M. A., Duncan, B. L & Miller, S. D. (2001). So wirkt Psychotherapie. Dortmund: Verlag Modernes Leben - Herausgeber der deutschen Übersetzung: Jürgen Hargens).
Aus Sicht des Coachs ist es - neben dem Erwerb und der Aufrechterhaltung seiner Coaching-Kompetenz - besonders wichtig, den Klienten, die Beziehung und ggf. das Unternehmen des Klienten zu berücksichtigten. Eine gute Strukturqualität ist dann möglich, wenn der Klient freiwillig das Coaching wünscht und veränderungsbereit ist. Als Prozessberater ist es die Aufgabe des Coachs, dies möglichst vor dem Coaching zu klären und ggf. anderslautende Aufträge (Manipulation, Funktionalierung nach dem Motto "Bringen Sie uns Herrn X mal wieder in Ordnung.") klar begründet abzulehnen. Wer sich nicht beraten lassen will oder unter Zwang beraten werden soll, kann nicht beraten werden. Anderslautende Aufträge von Personal(entwicklungs)abteilungen sind deswegen zurückzuweisen, weil weder für den Klienten noch für den Coach ein fruchtbarer (d.h. qualitativ guter) Prozess entstehen dürfte. Entsprechendes gilt für viele andere genannte Kriterien.
Natürlich wäre es weltfremd, anzunehmen, alle oben aufgeführten Kriterien könnten stets 100%ig erfüllt sein. Vielmehr sind diese Kriterien als Ideale anzusehen, deren Sinn darin besteht, einen falschen Kompromiss von einem tragfähigen Kompromiss zu unterscheiden. Und dies ist in jedem Einzelfall neu abzuschätzen. Beziehungskriterien wie Vertrauen, Akzeptanz und Offenheit können sich z.B. erst während des Prozesses aufbauen. Ist dies jedoch letztlich nicht möglich, hat der professionelle und an Qualität orientierte Coach daraus die Konsequenzen zu ziehen.
Im Teil III des Artikels werde ich auf die Kriterien der Prozess- und Ergebnisqualität näher eingehen.