Der dritte und vorerst letzte Teil meiner Ausführungen über Qualitätskriterien beschäftigt sich mit der Prozess- und Ergebnisqualität im Coaching. Die Prozessqualität (Kernfrage: Wie läuft ein fundiertes Coaching ab?) beschäftigt sich mit allen Aspekten, die zu einer Sicherung/Verbesserung des Coaching-Ablaufes beitragen können. Hier haben Heß & Roth (2001) in ihrer Erhebung folgende Kriterien aufgestellt:
Mit Ausnahme der letzten beiden Punkte lassen sich fast alle dargestellten Kriterien problemlos in dem Vorgespräch mit einem Interessenten klären, das ca. 1-2 Stunden in Anspruch nehmen sollte. Professionell organisierte Prozessqualität ist somit (auch zeitlich) problemlos in einen Coaching-Prozess integrierbar. Das Argument, sich umfassend um Qualität zu bemühen sei praktisch gar nicht realisierbar, ist daher ein Scheinargument. Meiner Meinung nach soll damit eher Unwille oder Unfähigkeit verschleiert werden. Eine aufgeklärte, an einem Coaching interessierte Person wird wissen, was sie von einem "Coach" mit einer solchen Einstellung zu erwarten hat. Viel wird es nicht sein.
Die Qualitätsdimension "Ergebnisqualität" (Kernfrage: Was hat es genutzt?) - sie wurde bisher fast ausschließlich bei Fragen der Qualität beachtet - bietet im Vergleich zur Struktur- und Prozessqualität relativ wenig Kriterien. Dennoch ist sie deswegen nicht unwichtiger (aber auch nicht wichtiger) als die anderen beiden Qualitätsdimensionen. Subjektiv gesehen mag sie für den Klienten sogar am wichtigsten sein, da dieser i.d.R. als Laie die Fragen der Struktur- und Prozessqualität gar nicht beurteilen kann. Diese Unwissenheit nutzend beschränken sich auch viele "Coachs" auf die Ergebnisqualität - und selbst dabei begnügen sie sich mit der Frage "Wie es denn war". Dass dies der Weisheit letzter Schluss nicht ist, zeigen die folgenden Kriterien:
Grundsätzlich scheint die Ergebnisqualität von der Zielerreichung abhängig. Dies ist richtig und falsch zugleich. Denn immer wieder zeigt sich in Coaching-Prozessen, dass ein (ursprünglich gesetztes) Ziel erreicht sein mag, der Klient aber trotzdem "nicht richtig" zufrieden ist. Eine mögliche Ursache kann sein, dass sich die Ziele des Klienten während des Coachings verändert haben und dieser Entwicklung vom Coach nicht genügend Rechnung getragen wurde (hier zeigt sich auch die Bedeutsamkeit der Prozessqualität und die Tatsache, dass alle drei Qualitätsdimensionen miteinander verwoben sind). Zufriedenheit und Zielerreichung müssen also nicht zwangsläufig zusammenhängen.
Zudem verfolgt ein fundiertes Coaching als implizites Ziel immer die Förderung von Bewusstsein, Selbstreflexion und Verantwortung des Klienten. Auch diese Punkte muss der Coach - zumindest für sich - klären.
Da Coachings oftmals erst in Belastungssituationen in Anspruch genommen werden, ist ggf. auch der Aspekt der emotionalen Entlastung zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Verhaltensflexibilisierung und Einstellungsänderung.
Als taugliches und einfach zu handhabendes Instrument der Erfolgskontrolle kann ein Vorher-Nachher-Vergleich eingesetzt werden. Durch die teilweise schleichende Veränderung im Coaching-Prozess ist dem Klienten zuweilen seine Entwicklung gar nicht bewusst. Damit ihm dennoch bewusst wird, was das Coaching ihm genutzt haben mag, ist es hilfreich, am Ende des Coachings die ursprüngliche Ausgangslage zu rekapitulieren. Hier bewährt es sich dann, wenn auf die bereits im vorigen Newsletter erwähnte schriftliche Dokumentation des Coaching-Prozesses zurückgegriffen werden kann (kurze Ergebnisprotokolle sind vollkommen ausreichend, der Aufwand dafür ist vergleichsweise gering).
Abschließend möchte ich betonen, was das Besondere an diesen Kriterien der Qualitätssicherung ist: Es geht hier nicht darum, einem Coach jeweils allgemeingültige Kriterien aufzunötigen (dies ist für einen individuellen Prozess wie dem Coaching ohnehin nicht möglich), sondern mögliche Punkte aufzuzeigen, deren konkrete Inhalte für jeden einzelnen Coaching-Prozess individuell ausgehandelt werden sollten - jedenfalls, wenn der Coach einen entsprechenden Qualitätsanspruch an seine Arbeit stellt. Sofern dies in einem offenen und für den Klienten transparenten Prozess geschieht, sind sehr individuelle Lösungen möglich, die den Coaching-Freiraum nicht beschneiden, sondern seine Qualität sichern und fördern.
Qualität im Coaching ist nicht nur möglich, sondern unumgänglich, wenn Coaching den Status eines professionellen Personalentwicklungsinstrumentes erreichen bzw. erhalten will. Ohne vom Coach anwendbare und von Dritten überprüfbare Qualitätskriterien besteht für das Coaching die Gefahr, ein undurchsichtiges und beliebig missbrauchbares Beratungskonzept zu werden. Oder provokanter formuliert: Wenn Sie glauben, Qualität sei nicht wichtig, versuchen Sie es gerne mal ohne... das Ergebnis wird Sie wenig begeistern, egal ob Sie Coach oder Klient sind.
Ohne Transparenz ist keine Qualität möglich. Coaching braucht daher verständliche und allgemein akzeptierte Qualitätsmerkmale. Diese Merkmale sollten allerdings nicht beliebig, sondern vorzugsweise wissenschaftlich erarbeitet und praktisch evaluiert werden. Mit dem hier vorgestellten Qualitätskriterien nach Heß & Roth (2001) ist ein wichtiger erster Schritt getan, die Forschung im Bereich Coaching hat aber noch einiges nachzuholen. Daher wird sich der Coaching-Report auch in Zukunft weiterhin verstärkt für Qualität und wissenschaftliche Forschung im Coaching einsetzen.