Beruf Coach

Life-Coaching im Fokus

Pro- und Kontra-Argumente

6 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2010 am 27.01.2010

Pro

Plädoyer für einen weit gefassten Coaching-Begriff

von Günter Mohr

Coaching auf einen Business-Ansatz zu beschränken, ist fachlich bedenklich und risikoreich. Es suggeriert dem Kunden zwar Vertrautheit, aber auch, dass Coaching im Prinzip von Managern geleistet werden könnte; aber wegen deren Zeitmangel oder anderer Fokusse durch den Coach eben ein bisschen besser verrichtet werden könnte.

Eine auf die Business-Unterstützung verkürzte Vorstellung verkennt das eigene System, das Coaching darstellt. Beide Systeme, Unternehmen und Coaching, haben eine jeweils eigene Logik, eigene Prinzipien, eigene System-Dynamiken:

Ein Unternehmen entsteht, wenn ein größeres Ziel erreicht werden soll, als es ein Einziger zustande bringen kann. Dann begeben sich Menschen in das hinein, was eine Organisation ausmacht.

Coaching hat die rollen- und personenbezogene Kompetenzentwicklung einzelner Unternehmensangehöriger oder beruflich Tätiger zum Ziel. Kompetenzen sind Selbstorganisationsfähigkeiten.

Coaching koppelt dazu als eigenständiges System an die Unternehmenswelt an, um einen Menschen zu dessen individuellen Potenzial zu führen. Ob der Coach selbst ein erfolgreicher Unternehmer ist, spielt für das erfolgreiche Coaching eine völlig untergeordnete Rolle.

Coaching fokussiert als Veränderungsprozess die Persönlichkeit, die ich, um die gelernte Seite des Konstrukts zu bezeichnen, „Persönlichkeitskostüm“ nenne. Persönlichkeit entwickelt sich auf sechs Aufmerksamkeitsebenen, die das Coaching beobachten und adressieren sollte: die körperliche und äußere Verhaltensebene, die emotionale Ebene, die rationale Denkebene, die Selbstbildebene, die mehrgenerationelle Verwurzelung einer Person und auch ihre spirituelle oder Lebenssinn-Orientierung. Letztere bedeutet den persönlichen Bezug zu den Grundfragen des Lebens, zu denen es bisher keine naturwissenschaftlichen Antworten gibt. Die Ebenen brauchen Kohärenz, um Persönlichkeit kraftvoll zu gestalten.

Wird das nicht schon fast Therapie? Nein, der Unterschied zwischen Therapie und Coaching liegt in der Zielsetzung. Therapie ist auf die Heilung klinisch relevant definierter Störungsmuster gerichtet. Dies ist nicht Coaching-Feld. Aber Coaching hat methodisch aus der Breite der therapeutischen Schulen viel, wenn nicht sogar entscheidende Linien über Veränderungsprozesse von Menschen gelernt.

Das zeitweise geschaffene Coach-Klienten-System setzt weit über Businessfragen hinaus auch eine klare systemische Orientierungsfähigkeit in einer Unternehmens- oder Branchensituation mit normativen, strategischen und operativen Fragen voraus. Dies bedeutet für Coaching, Fragen des Sinns der langfristigen Ausrichtung, wie auch der praktischen Effizienzgestaltung, in den Blick zu nehmen. Es beinhaltet ebenso den Zusammenhang zu anderen Lebensbühnen wie Privatwelt und Gemeinwesen. Nachhaltige und krisenfeste Kompetenz erfordert Verankerung in unterschiedlichen Lebensrollen und -bereichen.

Diese professionelle Individuation muss die Perspektiven Systeme, Rollen und Persönlichkeit im Auge behalten. Eine schnelle Übernahme eines für die Unternehmensorganisation gewünschten Rollenverhaltenselements durch einen Klienten ist ein Glücksfall, der sich bezüglich der Etikettierung als Coaching eher einmal hinterfragen lassen sollte.

Coaching muss, um wirksam zu sein, konzeptionell eine breite Aufmerksamkeit haben. Es kann dann entscheidende Fragen der Potenzialentwicklung fokussieren, wie etwa, welche inneren Leitbilder und Beziehungsmuster der Klient schon früh zum Beruf oder zu anderen Themen entwickelt hat. Ich betrachte mit vielen Klienten beispielsweise, welche Berufsthemen bisher in der Familie über die letzten drei Generationen eine Rolle spielten und wie Menschen darin ihr Glück fanden. Dies impliziert ressourcenorientiertes Vorgehen, Perspektivenerweiterung und Förderung der Verwurzelung. Ich habe da nicht die Vorstellung eines tiefen Kerns, den es zu finden gilt, sondern eines breiten Raums und Spektrums, der über das Aktuelle einer Person hinausgeht, dieser oft noch gar nicht bekannt ist, aber rund um diese Person möglich ist.

Contra

Ein irreführendes Label

von Dr. Elke Berninger-Schäfer

Coaching, als rechtlich nicht geschützter Begriff, kann genauso für ein hochprofessionelles Beratungsformat, wie für ein Sammelsurium von Angeboten unterschiedlicher Herkünfte und auch zweifelhafter Seriosität stehen. Die Art und Weise aber, wie das Label Life-Coaching eingesetzt wird, läuft Professionalisierungsbestrebungen zuwider:

Zum Teil wird es als Label für unprofessionelle Angebote gebraucht, beispielsweise für Coaching als „Hilfe zum Leben in Wohlstand und Zufriedenheit“, für Singles, die nicht alleine bleiben wollen, für Finanzdienstleistungen oder als „intelligente Alternative zu Psychotherapie“. Hiermit reiht sich Life-Coaching in das ausufernde Feld der Lebensberatung ein und unterstützt den inflationären Gebrauch von Coaching. Professionalisierung benötigt aber klare Grenzen.

Andererseits wird es als ganzheitliches Coaching verstanden, das den Menschen in seinen privaten und existenziellen Bezügen beachtet. Ferdinand Buer und Christoph Schmidt-Lellek (2008) weisen zu Recht auf die Notwendigkeit der Bearbeitung von Werte- und Sinnfragen im Coaching hin. Diese Abgrenzung ist aber nicht zur Begründung einer eigenständigen Perspektive im Coaching geeignet, denn professionelles Coaching ist per definitionem ganzheitlich und sinnbezogen.

Die Trennung zwischen Business- und Life-Coaching macht wenig Sinn, wenn man sich typische Coaching-Themen wie zum Beispiel Zeit- und Selbstmanagement, Stressbewältigung, Rollenfindung und -konflikte oder Führung ansieht. Dahinter steht immer ein Mensch in seinen beruflichen und persönlichen Bezügen.

Business- oder Life-Coaching ist daher eine Scheinalternative. Die reflexive Arbeit an der eigenen Person beinhaltet Werte-Sinn-Reflexionen, die häufig auch ein Anliegen sind, weshalb Klienten überhaupt einen Coach aufsuchen. Dies geschieht durchaus auch im Business-Kontext, wenn es z. B. um die Übernahme neuer Rollen und Aufgaben geht, um Themen der Demotivation oder im Kontext des Zusammenspiels von Einzelpersonen mit Organisationskulturen.

Siegfried Greif (2008) verdeutlicht dies in folgender Coaching-Definition: „Coaching ist eine intensive und systematische Förderung ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexion sowie Beratung von Personen oder Gruppen zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung. Ausgenommen ist die Beratung und Psychotherapie psychischer Störungen“.

 Professionelles Business-Coaching, um die Werte-Sinn-Dimension reduzieren zu wollen und diesen Aspekten ein getrenntes Label zu geben, macht keinen Sinn, wenn bestimmte Qualitätsansprüche an Coaching eingehalten werden sollen. Sinnvoller ist die Unterscheidung zwischen professionellem und unprofessionellem Coaching. Diese allerdings kann nur auf dem Wege der Begriffsbestimmung und -abgrenzung, der Definition von Qualitätsstandards für die Durchführung von Coachings sowie für die Aus- und Weiterbildung von Coachs, der Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten und der Qualitätssicherung erfolgen – ergänzt durch wissenschaftliche Forschung.

Professionelle Coachs sind verpflichtet, sich immer wieder in eigenen Reflexionsprozessen, Supervisionen und Fortbildungen diesem Thema zu stellen, um die Qualitätssicherung ihrer Arbeit zu gewährleisten. Coaching-Weiterbildungsanbieter sind verpflichtet, die ethische Haltung im Coaching (s. Ethik-Kodex im Kompendium des DBVC, 2007) als wesentlichen Bestandteil von Coaching-Kompetenz einzuüben, aber auch ein methodisches Repertoire für den Umgang mit Sinn- und Wertefragen zu schulen.

Die Qualität der Anwender (Coach; dessen Aus- und Fortbildung sowie Supervision), der Methoden (Einsatz evidenzbasierter Methoden, die vom Coach beherrscht werden müssen) und des organisatorischen Kontexts (Struktur,Prozess- und Ergebnisqualität) muss ständig mit Bezug zur Best Practice der Professionsgruppe und des wissenschaftlichen State of the Art diskutiert und gesichert werden.

Nur auf diese Weise lässt sich unprofessionelles Verhalten benennen, bewerten und abgrenzen. Angesichts eines inflationären Gebrauchs von „Coaching“ mag dies mühsam und vielleicht sogar aussichtslos erscheinen. Doch was wäre damit gewonnen, wenn professionelle Coachs es unterließen, „die Latte derart hoch zu legen“? Unprofessionelle „Coachs“ machen Versprechungen. Professionelle Coachs übernehmen Verantwortung.

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