Beruf Coach

Spannungsfeld Internes Coaching

Pro & Kontra

6 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2009 am 24.02.2009

Pro

Der angestellte Coach – im Spannungsfeld von Nähe und Distanz

von Gabriele Bollhöfer

In der Auseinandersetzung über internes Coaching mischen sich methodische, ethische und Kompetenzfragen. Ich greife die prominentesten hier auf:

  • Der angestellte Coach sei zu abhängig und würde kritische Themen meiden. – Auch bei Coachs, die in einer Auftragsbeziehung stehen, sind Existenzüberlegungen wirksam und die Unabhängigkeit von den Interessenlagen und Zielen des Auftraggebers. Es kommt meines Erachtens viel stärker auf die Persönlichkeit des Coachs, seine Ambitionen und den ökonomischen Druck an, wie stark seine Vermeidungsstrategie ausgeprägt sein wird. Immerhin hat der angestellte Coach auch einen gewissen arbeitsrechtlichen Schutz.
  • Loyalitätskonflikte können entstehen, wenn in einer Organisationseinheit die Führungskraft und die Teammitglieder durch denselben internen Coach beraten werden. – Solange die internen Kunden wissen, dass das Coaching auch anderen im Umfeld zur Verfügung steht und der Coach seine Perspektive im individuellen Coaching-Prozess klar hält, muss das nicht problematisch sein. Die verschiedenen Perspektiven sind manchmal sogar hilfreich, um Aspekte der Interaktion in einem Team zu erkennen und in das Coaching einzubringen. Einen Coaching-Prozess in eine Richtung zu bewegen, die nicht im Interesse der ebenfalls gecoachten Führungskraft ist, muss natürlich möglich sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Coaching-Methode kommuniziert ist und der Coach nicht als Stellvertreter für die Umsetzung der Ziele der Führungskräfte missverstanden wird.
  • Die Komplexität ist schwer zu bewältigen. – Internes Mehrebenen-Coaching lässt die Komplexität von Organisationen ggf. deutlicher zu Tage treten. Darum ist die kritische Betrachtung des eigenen Tuns mit externer Begleitung (Supervision) hilfreich. Dies dürfte sich nur graduell von der Position des externen Coachs unterscheiden, der mehrere Mitglieder eines Unternehmens coacht.
  • Internes Coaching ist für die unteren Ebenen ok, bei oberen Führungsetagen muss man externe Coachs holen. – Benannt werden gerne Akzeptanzprobleme, die sich im Ernstfall aber zumeist in Luft auflösen. Ich vermute hier historische Altlasten. Coaching wurde vor 20 Jahren beispielsweise unter dem Produktnamen „individuelle Beratung von Führungskräften“ vorzugsweise durch Unternehmensberatungen „vertrieben“. In der Regel besaßen die Unternehmen keine entsprechenden internen Kompetenzen für dieses Feld. Heute stellt sich die Situation völlig anders dar, wir haben heute ausgebildete Experten in den Unternehmen.

Soweit zu den häufigsten Kritikpunkten. Ich sehe die Stärken des internen Coachings vor allem hier:

  • Die Schwelle, Coaching nachzufragen, ist deutlich niedriger als bei externem Coaching. Ein interner Coach „verkörpert“ eine innovative Personalentwicklung. Internes Coaching dient dem Aufbau eines Employer Brand.
  • Mehrwert entsteht durch internes Coaching, da aufgrund einer hohen Beteiligung generalisierbare Entwicklungsthemen deutlich werden und Beiträge für weitere Aufgaben-Bereiche der Firma durch den Coach geleistet werden: Recruiting, Training, Management-Entwicklung. Coaching kann so Beiträge zur Organisationsentwicklung leisten.
  • Ein bei den internen Kunden sehr geschätzter Vorteil ist die gute Kenntnis der internen Systeme, Prozesse und Personen. Sie sagen: „Ihnen muss ich nicht erst die besonderen Umstände in unserer Praxisgruppe erläutern“.

Kontra

Coaching braucht – externe – Neutralität

von Heidi Reimer

In vielen Unternehmen ist es üblich, dass Personalverantwortliche, meist Personalentwickler, für Mitarbeiter und Führungskräfte intern als Coach zur Verfügung stehen. Diese Personen üben neben dieser Tätigkeit als Begleiter im persönlichen Entwicklungsprozess ihrer Klienten oft auch noch andere HR-Aufgaben, wie Bildungsbedarfsplanung oder Potentialanalyse aus – beziehungsweise sind dafür verantwortlich.

Es ist gut, einen Sparringspartner zur Verfügung zu haben, mit dem man schnell und unkompliziert aktuelle Fragestellungen oder Konfliktsituationen durchsprechen kann, einen Gesprächspartner, dem man nicht erst lang und breit die Unternehmenskultur oder -struktur erklären muss. Dennoch sollte klar zwischen kollegialer Beratung und Coaching unterschieden werden: Eines der wichtigsten Prinzipien im Coaching – die Neutralität des Coachs – ist durch internes Coaching nicht realisierbar.

Durch die Nicht-Zugehörigkeit des Coachs zum System seines Klienten stellt der Coach einen geschützten Raum zur Verfügung. Der Klient kann seine Gedanken ungefährdet artikulieren, kann auch mal Schwächen zugeben, Unternehmensstrategien anzweifeln und muss nicht befürchten, dass seine Äußerungen negative Folgen haben. Diese Freiheit der Gedankenäußerung wird erheblich erschwert, wenn ein Mitarbeiter desselben Unternehmens, der womöglich noch Personalentscheidungsbefugnisse hat, als Coach fungiert.

Der interne Coach sollte sich der Gefahr der Rollenkollision bewusst sein. Immerhin hat er auch seinem Unternehmen gegenüber loyal zu sein. Da kann ein Gespräch schnell mal in die falsche Richtung abgleiten. Das Prinzip der Vertraulichkeit eines solchen Gespräches steht möglicherweise in Konflikt mit der Wahrung der Unternehmensinteressen.

Auch bei weniger brisanten Gesprächsinhalten ist Vorsicht geboten: Personaler sind auch nur Menschen! Auch wenn sie nur die besten Absichten verfolgen, bilden sie sich durch intensive Coaching-Gespräche doch unbewusst ein Bild von ihrem Klienten. Ein Bild, das sich im Einzelfall womöglich negativ auf zukünftige Beurteilungen auswirkt.

Grundsätzlich sollte bei Inanspruchnahme eines „internen Coachings“ auch die Intention des Klienten infrage gestellt werden. Hier besteht die Gefahr, dass das Gespräch mit dem Coach für Karrierezwecke instrumentalisiert wird und der Personalverantwortliche subtil in seiner Meinung beeinflusst werden soll. Auch Personalverantwortliche sollten sich der Gefahr bewusst sein, dass sie sich mit ihrem Angebot als interne Coachs auch angreifbar machen. Was zum Beispiel, wenn ein „Coaching“ nicht so gut läuft? Was, wenn ein Gesprächspartner eine herausfordernde Frage oder Intervention in den „falschen Hals“ bekommt? Hier muss die Unternehmenskultur schon im Vorfeld kritisch beleuchtet werden: Gibt es eine konstruktive Fehlerkultur, die Lernen, Veränderungen, das Entwickeln neuer Ideen ermöglicht?

Die mangelnde Neutralität wirkt sich auf die Wirksamkeit des internen Coachings jedoch auch in anderer Hinsicht negativ aus. So erschwert die Zugehörigkeit zum Klientensystem auch den im Coaching so wichtigen Perspektivenwechsel. Ein interner Coach hat die Unternehmensgewohnheiten und -regeln meist ebenso „internalisiert“ wie sein Kollege. Er wird Mühe haben, genau die Fragen zu stellen, die seinen Klienten aus seinem Paradigma holen und ihn seine Situation von „außen“ betrachten lassen.

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