Nach der Umwandlung des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main (KGU) in eine Anstalt des öffentlichen Rechts und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Veränderungen begannen 2005 Umstrukturierungen in der mittleren Führungsebene. Insbesondere vom Pflegepersonal in Führungspositionen wurden vermehrt Management-Aufgaben gefordert. Abteilungen wurden vergrößert, dadurch stieg die Anzahl der nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Führungskräfte.
Der zunehmende Erwartungsdruck, dem die Führungskräfte nun ausgesetzt wurden, führte jedoch auch zu Versagensängsten, Handlungsunsicherheiten und Konflikten, teilweise standen Positionen zur Disposition oder Burnout drohte. Unterschiede im Führungsverständnis wurden erkennbar und es wurde auch offensichtlich, dass eine professionelle „Begleitung“ fehlte, diesen allgemeinen Veränderungsprozess so zu gestalten, dass die Akteure entsprechend der neuen Ziele wieder Handlungsfähigkeit erlangen konnten.
In einzelnen Bereichen entwickelten sich erste Lösungsansätze, zum Beispiel im Pflegedienst: Dort wurde ein Coaching-Konzept für Führungskräfte entwickelt und implementiert. Klärung von Beziehungen, Übernahme neuer Funktionen oder Hierarchie-Aufstieg, Umgang mit veränderten Rahmenbedingungen, Loyalitätsfallen oder einer Sandwich-Position waren beispielsweise Themen, die dort im Einzel-Coaching bearbeitet wurden.
Aufgrund der steigenden Nachfrage und der sehr positiven Resonanz auf das Einzel-Coaching wurde allgemein ein zusätzlicher Bedarf in der Entwicklung von Führungskräften, Teams und der Begleitung von Reorganisationsprozessen offenbar. Der Vorstand des Universitätsklinikums beschloss daher im Dezember 2008 die Gründung einer Abteilung Personalentwicklung.
Nach einer Bedarfserhebung der Personalentwicklungsabteilung wurde deutlich, dass lediglich drei Prozent der Führungskräfte das Instrument Coaching kannten. In der konzeptionellen Phase wurde das Ziel, ein Coaching-Angebot für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Berufsgruppen, Funktionen und Positionen am Klinikum aufzubauen, entwickelt. Hilfreich war dabei die Überlegung, dass Coaching-Kompetenzen im Hause vorhanden sein mussten. Schließlich war von einzelnen Mitarbeitern bekannt, dass sie schon entsprechende Angebote in einzelnen Klinikbereichen etabliert hatten. Es wurde aber auch vermutet, dass etliche Kompetenzen bislang unbekannt waren, da Mitarbeiter in ihrer Freizeit Aus- und Fortbildungen absolvierten und die Kompetenzen informell in ihrer Arbeit im Klinikum oder frei- oder nebenberuflich einsetzten. Aufgrund dieser Überlegungen und den bisherigen positiven Erfahrungen mit Coaching im Pflegedienst entschloss sich die Abteilung in Absprache mit dem Personaldezernenten für den Aufbau eines internen Coach-Pools.
Mittels einer Ausschreibung wurde gezielt in allen Berufsgruppen nach weiteren Qualifizierten oder an Coaching interessierten Mitarbeitern gesucht. Es fand sich so eine Konzeptgruppe von elf interessierten Personen. Sie kamen aus den Berufsgruppen Personalentwicklung, Verwaltung, Pflegedienst, Ärztlicher Dienst, Sozialdienst und Aus- und Weiterbildung. Die viermonatige Arbeit der Konzeptgruppe wurde von der Abteilung Personalentwicklung koordiniert und verantwortet.
In einer ersten Arbeitssitzung wurde diskutiert, was die Einzelnen unter Coaching verstanden und was eine gemeinsame Basis sein sollte. Es ging darum zu klären, welche Voraussetzungen ein Coach mitbringen müsste, denn manche verfügten schon über eine gediegene Coaching-Ausbildung, andere hatten noch keine Qualifikationen, aber großes Interesse. Welche Angebote sollten dem Klinikum gemacht werden? Schließlich waren einzelne Mitarbeiter bislang in unterschiedlichem Ausmaß als Coach tätig. Rahmenbedingungen und Organisationsform standen ebenfalls als zu klären auf der Agenda.
In der zweiten Sitzung ging es um Themen und Coaching-Formen sowie um die Darstellung in einem „Coaching-Katalog“. Dies ist eine Broschüre, die Hintergründe zum Coaching, konkrete Angebote, Prozedere und Formblätter, aber auch die Selbstdarstellungen der beteiligten internen Coachs enthält und den potenziellen Klienten zur Information dienen soll. Auch die zukünftige Zusammenarbeit der internen Coachs musste abgesprochen und die Qualitätssicherung sowie Weiterentwicklung mussten gewährleistet werden. Ebenfalls mussten die Schritte bis zur Bekanntmachung des internen Coach-Pools definiert werden.
In der dritten und letzten Sitzung wurden der allgemeine Teil des Coaching-Konzepts, das Coaching-Verständnis, die Organisation des Coach-Pools sowie das Coaching-Angebot für die Veröffentlichung im Coaching-Katalog abgeschlossen.
Im Weiteren klärten alle Coachs für sich, ob sie das entwickelte Konzept mittragen wollten und inwieweit sie von ihren Vorgesetzten für diese neue Aufgabe freigestellt werden konnten oder wollten. Schließlich wurden sieben Personen –durch teilweise Entbindung von anderen Aufgaben – für die Mitarbeit im Coach-Pool freigestellt – von zehn Stunden im Monat bis zu 45 Prozent der Arbeitszeit reichte die Palette.
Die Grundvoraussetzungen für eine Tätigkeit als Coach im Klinikum sind eine zertifizierte Weiterbildung zum Coach oder ein entsprechendes Studium sowie Berufserfahrung. Die meisten internen Coachs haben ihre einjährige Weiterbildung an der Fachhochschule Wiesbaden (jetzt Hochschule RheinMain) im Fachbereich Sozialwesen absolviert. Darüber hinaus verfügen mehrere über Zusatzqualifikationen für Team- und Gruppen-Coaching und zu verschiedenen Coaching-Methoden.
Nach Zustimmung des Klinikumsvorstandes und der Verankerung von Coaching im Rahmenkonzept der Personalentwicklungsabteilung startete der interne Coach-Pool am 1. Januar 2009 mit seiner Arbeit.
Für alle Arbeitsbereiche des Klinikums, für die Leitungsgremien und Schnittstellen wurden Informationsveranstaltungen durchgeführt, persönliche Präsentationen und Publikationen in den internen Medien, wie Klinikumsnachrichten, Intranet und Flyer erfolgten.
Da Coaching nur Wenigen im Klinikum bekannt war, herrschte anfänglich Skepsis gegenüber diesem Instrument. Um dieser skeptischen Haltung positiv entgegen zu wirken, erfolgten viele persönliche Gespräche und regelmäßige Veröffentlichungen in den Klinikumsmedien. Ebenso wichtig war es, das Vertrauen der Schnittstellen Personalberatung, Frauenbeauftragte, betriebsärztlicher Dienst und Personalrat zu gewinnen. Das gelang durch eine gezielte Aufklärungsarbeit. Das Potenzial von Coaching zur Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter, aber auch ganzer Teams, wurde so zunehmend erkannt und die Schnittstellen empfehlen inzwischen bei Bedarf Coaching.
Unsicherheit bestand zu Beginn der Arbeit des internen Coach-Pools insbesondere in Bezug auf die Vertraulichkeit und eine eventuelle Zusammenarbeit mit Coachs in einem anderen beruflichen Kontext.
In allen Gesprächen, Präsentationen und Auftragsklärungen versichern die Coachs jedoch selbstverständlich die Vertraulichkeit ihrer Coaching-Arbeit. Da die internen Coachs aus verschiedenen Arbeitsbereichen und Berufsgruppen des Klinikums kommen, ist sichergestellt, dass das Coaching bei einer Person in Anspruch genommen werden kann, die keinen direkten Arbeitsbezug zum Klienten hat. Grundsätzlich hat der Klient immer die Freiheit zu wählen, mit welchem Coach er arbeiten möchte.
Sollte der Klient ein Coaching bei einem Coach außerhalb des internen Coach-Pools wünschen, ist auch das im Einzelfall möglich. Die Abteilung Personalentwicklung hat parallel zum internen auch einen externen Coach-Pool aufgebaut.
Um die Führungskräfte gezielt und aktiv in die Verantwortung für die Personalentwicklung vor Ort mit einzubinden, wurde das Coaching so verankert, dass der direkte Vorgesetzte, in Absprache mit dem Klienten, den Auftrag zum Coaching an den Coach erteilt. Bei den Mitarbeitern entstand nun allerdings die Frage, warum das Coaching durch die Vorgesetzten in Auftrag gegeben werden muss. Obwohl dies im Coaching-Katalog schon beschrieben ist, wurde hier persönlicher Gesprächsbedarf deutlich. Dass das Coaching innerhalb der Arbeitszeit stattfindet und der offizielle Auftrag die Teilnahme sicherstellt, musste einfach noch einmal klargestellt werden. Nicht minder wichtig war darauf hinzuweisen, dass Coaching als ein positives Instrument zur Weiterentwicklung der Mitarbeiter angesehen wird und die Ziele und Inhalte vertraulich sind. Auf Wunsch hat die Personalentwicklungsabteilung in weiteren Arbeitsbereichen das Konzept detailliert vorgestellt und gemeinsam mit der Führungskraft Bedenken ausgeräumt.
Bereits nach einem halben Jahr hatte der Coach-Pool Aufträge aus allen Berufsbereichen: Gesundheitsfachberufe, Ärztlicher Dienst und Verwaltung. Hinzu kamen Anfragen von Wissenschaftlern aus dem Fachbereich Medizin der Universität. Das Coaching-Angebot wurde deshalb auf alle wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter des Fachbereiches erweitert. Es besteht eine stetige Nachfrage nach Coaching, wobei die meisten Klienten aus dem Pflegedienst kommen. Die Nachfrage aus dem Verwaltungsbereich steigt jedoch ebenfalls. Dabei werden sowohl Coachings für Einzelpersonen als auch für Teams nachgefragt.
Die häufigsten Themen in Coaching-Prozessen im Jahr 2009, dieses Bild zeichnet sich aber auch für 2010 ab, waren
Weitere Coaching-Themen sind Beziehungsgestaltung, Perspektiven im Klinikum, Loyalität und die Begleitung der Mitarbeiter in Prozessen des Change-Managements. Durch die stetigen Veränderungen im Gesundheitswesen werden an jeden Einzelnen ständig neue Anforderungen gestellt. Um diesen gerecht zu werden und gleichzeitig die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, erwies sich Coaching als das passende Instrument.
Das Vertrauen in die Arbeit der Coachs ist zunehmend gestiegen. Das zeigt sich besonders, in Weiterempfehlungen durch Klienten als auch durch Führungskräfte, die Coaching in Auftrag gegeben hatten. In der Evaluation gaben 85 Prozent der Klienten an, dass sie ihren Coach uneingeschränkt weiterempfehlen würden; bei den Auftraggebern liegt der Anteil sogar bei 94 Prozent.
Der Nutzen von Coaching, sowohl für den einzelnen Mitarbeiter als auch für den Arbeitsbereich und somit das Gesamtklinikum, wurde bereits von vielen erkannt und in Anspruch genommen (s. Kasten). Dabei ist es inzwischen eine Selbstverständlichkeit, dass die Prozesse vertraulich sind. Auch wurden Verwechslungen mit Mentoring, Supervision oder Training korrigiert.
Die Coachs werden von den Führungskräften in ihrer Profession und Professionalität anerkannt. Das zeigt sich auch daran, dass inzwischen neun Coachs für Coaching freigestellt wurden. Somit konnte der Coach-Pool seine Angebote erweitern. Die Coachs haben zudem die Möglichkeit, sich auf bestimmte Themen, Berufsgruppen oder Coaching-Formen zu spezialisieren. Dies wird zusätzlich gefördert durch die Teilnahme an Fortbildungen und Netzwerktagungen sowie die interne konzeptionelle Zusammenarbeit.
Mit der Implementierung des internen Coachs-Pools am Klinikum wurde ein Weg zur Personalentwicklung beschritten, der im Gesundheitswesen neuartig ist. Die gezielte Förderung der Beschäftigten wurde ein wesentlicher Baustein der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Klinikums.
Der Erfolg eines Unternehmens wird stark mitbestimmt durch sein Personal. Dieses zu gewinnen und zu halten wird zukünftig gerade im Gesundheitswesen ein zentrales Thema sein. Das umfassende Personalentwicklungsangebot des Klinikums, in dem Coaching ein wichtiger Baustein ist, begleitet und unterstützt die aktuellen und zukünftigen Veränderungsprozesse. In den Evaluationsergebnissen werden die positiven Entwicklungen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der gecoachten Teams deutlich.