Den Klienten so zu unterstützen, dass ihm bewusst wird, wie er das, worunter er leidet, selbst herstellt. In der Branche ist das gegenteilige Paradigma – der Coach ist für die Veränderung zuständig – weit verbreitet. Damit koaliert aber der Coach automatisch mit den Persönlichkeitsanteilen im Klienten, die Veränderung wollen. Auf diese Weise droht er, mit dem Klienten zusammen, die stagnativen Persönlichkeitsanteile als Problem zu klassifizieren, um sie dann mit beraterischen Mitteln zu bekämpfen. Das verschärft aber auf Dauer die innere Not der Klienten, auch wenn sie vordergründig dies als gutes Coaching ansehen mögen.
Der Coach muss neutral sein, d.h., er muss sowohl die Funktion der Veränderungsabsichten als auch des Status Quo untersuchen und mit dem Klienten erarbeiten. Das ist kein rein kognitiver Vorgang, sondern ein Erlebensprozess, in dem der Klient den Sinn seiner inneren Konflikte und den Sinn einer Selbstablehnung erkennt. Erst dann kann sich eine wirklich nachhaltige und gesunde Veränderung entwickeln.
Ja. Coaching ist ein komplexes Geschehen, in dem gleichzeitig sehr unterschiedliche Prozesse ablaufen. Zum einen ein Kontaktgeschehen, das stark von der unbewussten und unausgesprochenen Steuerungslogik der Beteiligten geprägt ist. Zum anderen die eigene emotionale, sinnliche und körperliche Resonanz im Coach, die wahrgenommen, erlebt und sinnvoll genutzt werden muss. Zudem das „offizielle Gespräch“, in dem die dem Klienten wichtigen Inhalte besprochen werden. Dann das theoriegestützte Auswerten dieser drei Vorgänge auf der Metaebene im Coach. Schlussendlich das faktische Intervenieren, das situations-, personen- und problemgerecht sein soll.
Der Coach muss also verschiedene Informationskanäle verarbeiten und nutzen. Das muss man ausgiebig üben, aber es braucht auch Begabung; andernfalls wird man sich auf einen oder zwei dieser Prozesse beschränken. Dann coacht man entweder ohne tiefe Wahrnehmung, ohne echte Bezogenheit, ohne wirkliche kognitive Analyse, ohne Bezug zum Alltag des Klienten oder man handelt einfach mit den vermeintlich guten, wirksamen Tools, die man kennt.
Das ist eindeutig sein Vermögen, mit innerer Unsicherheit umzugehen. Die meisten Menschen wollen schnell wieder sicher werden, wenn sie sich unsicher fühlen. Als Coach kann man sich das nicht leisten. Coaching braucht eine ständige Achtsamkeit für schwache Signale beim Gegenüber als auch bei sich selbst. Unsicherheit ist eine wichtige Form von Offenheit. Darum sind die schlechtesten Coachings oft die, auf die sich ein Coach mit der Frage „Welches Tool setze ich heute ein?“ vorbereitet. Dann reagiert man nicht mehr auf das Hier und Jetzt.
Der Coach muss sich eine kultivierte Form der Unsicherheitstoleranz erarbeiten, die es ihm erlaubt, von Moment zu Moment wahrzunehmen, auszuwerten und zu intervenieren. Dann ist kein Coaching gleich, jeder Klient hat in jeder Sitzung eine neue Chance, sich zu zeigen. Die Antwort auf die Frage „Was mache ich als nächstes?“ findet sich in den Tiefen der eigenen Unsicherheit, nicht im Anwenden von Coaching-Tools o.ä.
Am meisten besorgt mich, wie oft in Coachings versucht wird, auf einer reinen Verhaltensebene zu arbeiten: „Was muss ich anderes machen oder tun?“. Verhalten ist aber eine Folge inneren Erlebens, problematisches Verhalten meist eine Folge unbemerkter innerer Konflikte. Die Arbeit an diesen Konflikten lässt sich als Coach nicht im Schnelldurchgang erlernen. Man muss vor allem selbst erlebt haben, wie schwer es sein kann, sich unangenehmen Gefühlen zu stellen und sich darauf einzulassen. Denn die meisten Manager haben nämlich in Wirklichkeit kein „Tun-“, sondern ein „Selbstwahrnehmungsproblem“. Sie wollen nicht spüren, was sie sind. Wenn dies nicht erkannt wird, wird Coaching oberflächlich und in der Tendenz schädigend.