Der Slogan nimmt unerwünschte und unpassende Empfehlungen aufs Korn. Das kann dann daneben gehen und eine selbständige und eigenverantwortliche Haltung des Klienten behindern. Doch ein Ratschlag-Verbot wäre statt geritten nur auf der anderen Seite vom Pferd gefallen. Warum sollte man nicht eigene Erfahrungen und Lösungsansätze anbieten? Wenn man sich das verbietet, wirken solche Impulse subversiv. Wichtig ist, auftauchende Ratschlag-Ideen zu beobachten und Überlegungen dazwischenzuschalten, was sich darin spiegelt. Manchmal zeigt der Ratschlag Reflexe, die problematisch sind, sei es aufseiten des Klienten oder seines Umfeldes, sei es aufseiten des Coachs und seiner Berufsgewohnheiten. Dann kann interessant sein, wie dieser Rat zustande kommt.
Ein Ratschlag impliziert meist eine Diagnose. „Warum möchte ich das raten?“ Dann ist hilfreich, die darin liegenden Hypothesen auf Plausibilität zu prüfen. Und manchmal ist ein Ratschlag der kürzeste Weg zu einer neuen Perspektive oder Hilfestellung. Oft wünschen sich Klienten genau das, trauen sich aber nicht, zu fragen. Dann ist entscheidend, dass sich der Coach traut, einen Rat anbietet und danach mit dem Klienten beobachtet, ob das gut war oder was daraus zu lernen ist.
Aber klar doch! Das ist zunächst eine Frage des Kontrakts. Dabei kann geklärt werden, wie viel Feld- und Lebenserfahrung der Klient erwartet. Aber auch der Coach muss sich ein Bild machen, welche Erfahrungen wichtig sein könnten, und überlegen, ob er sich da ausgestattet fühlt. Auf keinen Fall Erfahrung vortäuschen, sondern transparent arbeiten! Sollte ein Coaching-Prozess ins Stocken kommen, und ist zu vermuten, dass dies mit fehlender Erfahrung zu tun hat, sollte erneut darüber gesprochen werden.
Dabei kann man gemeinsam überlegen, wer solche Erfahrung haben könnte und wie sich Klient und/oder Coach diese zugänglich machen könnten. Man kann dann eine Lerngemeinschaft bilden und die so dazugewonnenen Erfahrungen gemeinsam auswerten. Will man mit eigenen Ideen experimentieren, kann man das auch hypothetisch tun. „Wenn ich Ihnen zuhöre, taucht in mir folgende Erfahrung, folgender Rat auf. Was meinen Sie dazu?“
Autorität ist eine Beziehungssache. Man muss sie sich erwerben und erhalten. Das gilt in allen Beziehungen. Zur Autorität gehört die Autorisierung. Da Coaching eine freiwillige Beziehung ist, kann Autorisierung nur von den Beteiligten kommen. Der Coach muss lernen, wie er zu seinen Erfahrungen und zu seiner Urteilsfähigkeit stehen kann. Man sollte in der Coach-Rolle keinen Weg mitgehen, den man damit nicht sinnvoll abgleichen kann. In der Kommunikation ist es wichtig, eigene Überzeugungen und Erfahrungen, aber auch Skepsis und Unsicherheit transparent zu machen. Speziell wenn der Coach deutlich jünger ist, kann es wichtig sein, das zu thematisieren. Dann kann man gemeinsam überlegen, wie im Coaching damit umgegangen werden soll.
Durch die Meta-Reflexion wird Augenhöhe erhalten, auch wenn im Prozess Positionen mit Autorität vertreten werden. Letztlich sollte der Coach aber seine Funktion infrage stellen, wenn sich keine Klärung ergibt, auch dann, wenn der Klient beschwichtigt. Transparent und verantwortungsvoll mit Desorientierung und Urteilsunsicherheit umzugehen, stärkt die Autorität. Wer traut schon einem Arzt, der Sicherheit vorgibt, wenn man spürt, dass das nicht stimmt.
Man kann auch die Frage der Autorität und Autorisierung selbst zum expliziten Fokus machen. Wie entscheidet der Klient, wem er Einfluss gewährt, und warum und ist er dabei bislang gut gefahren? Werden neue Erfahrungen gesucht? Wie sollen diese ausgewertet werden? Als wirksame und weniger riskante Vorgehensweise empfiehlt sich die „hypothetische“ Ausübung von Autorität: „Angenommen, ich würde auf Folgendem bestehen, welche Resonanz wäre bei Ihnen zu erwarten?“