Das große Themenfeld „Unternehmertum und Unternehmensentwicklung“ kann hier nicht umfassend dargestellt werden. Doch sollen einige Entwicklungsthemen vom Einzelkämpfer über mehr oder weniger ausdifferenzierte Beratungsunternehmen bis hin zu ausgewachsenen Unternehmen skizziert werden. Dabei werden Fragestellungen aus der Erfahrung des Autors als Coach und als Unternehmer angesprochen, deren Beachtung mancher Fehlentwicklung entgegenwirken kann.
Wenn Unternehmen in Schieflage geraten, sind technische, rechtliche oder finanzielle Gesichtspunkte oft weniger ausschlaggebend als Mentalitäten und Kultur-Dimensionen bezüglich des Unternehmertums. Seltsamerweise finden unternehmerische Erfahrungen selbst bei Beratern für Unternehmen in eigener Sache zu wenig Berücksichtigung. Dies liegt vielleicht daran, dass sie Unternehmertum nicht als Beruf und eigene Kompetenzperspektive begreifen oder nicht primär Unternehmer werden wollten. Manche versuchen ihr Unternehmerglück vielleicht eher, um die Chancen, die sich durch ihren freiberuflichen Erfolg bieten, wahrzunehmen. Oder sie vertrauen nicht auf Erfolg als Einzelkämpfer und hoffen, durch einen Zusammenschluss besser ins Geschäft zu kommen.
Dass mit einer Unternehmensgründung eine Weichenstellung in ein anderes Berufs- und Tätigkeitsverständnis verbunden ist, ist vielen nicht bewusst. Entsprechend kommen manche erst spät aufgrund schmerzlicher Erfahrungen zur Einsicht, dass Unternehmertum weit mehr erfordert, als für die meisten Menschen passend ist.
Meist wird zunächst eine berufliche Partnerschaft angestrebt, durch die man gemeinsam leistungsstärker werden soll. Die Initiative geht oft von einem erfolgreichen „Einzelkämpfer“ aus, der auf diese Weise Umsatzmöglichkeiten, die seine persönliche Kapazität übersteigen, nutzen möchte. Zusammen kann man größere Kapazitäten bieten. Die Partner sollen – vielleicht mit etwas anderen Schwerpunkten – im Wesentlichen vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Auch entstehen Partnerschaften oft, weil man Marktchancen durch Erweiterung der Dienstleistungspalette verbessern und dennoch möglichst bei eigenen Spezialitäten bleiben will. In der Regel hofft man auf Synergien, darauf, dass 1+1 mehr als 2 ergeben kann.
Jeder rechnet seine eigene Leistung ab, sei es direkt mit den Kunden oder durch entsprechende Honoraraufteilung. Gemeinsam sind vielleicht ein Logo, ein Büro und die Konditionen gegenüber den Kunden. Profitieren die anderen Partner von eingebrachten Aufträgen, kann dafür eine Vergütung wie eine Beteiligung am entsprechenden Umsatz vorgesehen sein. Im Wesentlichen handelt es sich um das Zusammenlegen einiger Funktionen, gemeinsame Dienstleistungen und wechselseitige Unterauftragsverhältnisse. Modelle dieser Art gibt es in Praxisgemeinschaften aller Art wie Rechtsanwaltssozietäten, Architekturbüros etc. Unternehmerisches Engagement, Entscheidungsbefugnisse und Risiken bleiben bei den Einzelnen und werden bestenfalls durch situative Vereinbarungen gemeinsam geregelt. Bildlich gesprochen bleibt jeder auf seinen eigenen Beinen oder kann diesen Zustand leicht zurückgewinnen, wenn die Verbindung gelöst wird.
Aus lockeren Partnerschaften können umfangreichere Projekte und gemeinsam genutzte unternehmerische Strukturen und Abläufe erwachsen. Diese müssen dann gemeinsam gesteuert und finanziert werden, was umso anspruchsvoller wird, je mehr angestellte Mitarbeiter und Freiberufler einbezogen werden und je mehr sich gemeinsamer Auftritt und Infrastruktur entwickeln. Dass hier eine Neugestaltung ansteht, merkt man oft erst, wenn informell gewachsene Provisorien an ihre Grenze kommen. Eine tüchtige Sekretariatskraft fällt aus, Verantwortungslücken schließen sich nicht mehr durch informelle Abstimmung oder Eigenmächtigkeiten und Enttäuschungen führen zu Problemen. Was als Beziehungsstörung empfunden wird, ist oft Ausdruck vernachlässigter Unternehmensentwicklung. Wichtig ist, es dann auch als solche zu begreifen, statt die Beziehung psychologisch bearbeiten zu wollen.
Das Unternehmen hat ein Eigengewicht und eine Eigendynamik bekommen, was erst mit Verzögerung in das Bewusstsein der Akteure dringt. Es ist ein gemeinsamer Kundenstamm entstanden, die Marke hat Gewicht bekommen und das damit verbundene Know-how, die Produkte und das dem Unternehmen zugeschriebene Programm sind im Markt ihr Geld wert geworden. Sich wieder ganz auf die eigenen Beine zu stellen, würde vielleicht Verlust oder Streit bedeuten. Auch wenn man beieinanderbleibt, sollte man die Frage beantworten, wem das alles wie zuzurechnen ist.
Das Unternehmen des Autors wurde ursprünglich als gleichberechtigte Partnerschaft zweier Freiberufler geführt. Als nach Jahren enger Zusammenarbeit und gegenseitiger Inspiration unterschiedliche Entwicklungsinteressen und Unternehmensvorstellungen zur Belastung wurden, kam es zur Trennung. Reibereien, die – im Nachhinein betrachtet – hauptsächlich in unterschiedlichen Unternehmensvisionen und Unternehmerstilen lagen und die Beziehung belastet hatten, wurden durch die Trennung beseitigt, bevor sie auch die freundschaftliche Beziehung nachhaltig geschädigt haben. Da geschäftlich gesehen nur wenig aufzuteilen war, kam man gut auseinander. Der Autor führte seinen Zweig des Unternehmens als Alleineigentümer, in Eigenregie und unter neuem Namen weiter – formal als Freiberufler – bis ein Ausbaustadium erreicht war, das eine GmbH im Alleineigentum erforderte.
Bei sich entwickelnden Unternehmen steht irgendwann eine Differenzierung der Rollen und Beziehungen an. Wer leistet – neben der Bearbeitung von Kundenaufträgen – in welchem Umfang und in welcher Qualität die Steuerung des Unternehmens, trägt Risiken, entscheidet, wenn es um Investitionskosten und um Verteilung von Erträgen, um Vergütung der jeweiligen Tätigkeiten, um Strategie-, Programm- und Produktentwicklung, das Geschäftsmodell und um die Einbeziehung weiterer Mitwirkenden etc. geht? Dabei ist die Unterscheidung der Unternehmerrolle(n) von den Rollen der angestellten Mitarbeiter und freiberuflichen Dienstleister für diese Betrachtungen entscheidend.
Der Autor übernahm neben seiner Funktion als Dienstleister für Kunden zunächst alle Unternehmerrollen selbst, entwickelte dafür eine Kulturgewohnheit in seinem Stil und übertrug sie nach und nach an Angestellte und freiberufliche Partner. Da er selbst darüber entscheiden konnte, wer an Bord kam und blieb, konnte bei allen persönlichen Unterschieden eine Kultur aus einem Guss entstehen. Dies wurde auch dadurch begünstigt, dass alle freiberuflichen Mitarbeiter im Hause ausgebildet wurden und Mitarbeiter davor meist lange als Praktikanten ihre Passung zum Unternehmensstil gezeigt hatten. Welch großer Vorteil dies war, begriffen alle erst allmählich, wenn sie Passungsschwierigkeiten mit Personen, die keine „Hausgewächse“ waren, erlebten. Allerdings kamen diese Umstände auch dadurch allen nachhaltig zugute, dass der Unternehmensstil i.d.R. zu langjähriger befriedigender Zugehörigkeit einlud. In einer solchen Konstellation ist die Persönlichkeit des Gründers kulturbestimmend.
Ist eine Weichenstellung für die Unternehmensentwicklung und das damit verbundene Geschäftsmodell anfangs unterblieben und sind mehrere Partner zunächst gleichberechtigt an den unternehmerischen Aktivitäten beteiligt, driftet das Unternehmen in eine heikle Phase, wenn die Dinge neu geregelt werden müssen. Die Schwierigkeit: Oft werden in der anfänglichen Begeisterung für die Partnerschaft egalitäre Modelle gewählt. Später kann sich zeigen, dass vielleicht ganz unterschiedliche Vorstellungen von Unternehmen, Motivationen und Talente zusammenkamen, ohne sich in der Anfangsphase zu stören. Die einen wollten vielleicht eigentlich nur einen Rahmen für ihr freiberufliches Dasein und Qualitäten einer persönlichen Partnerschaft, während andere ein von einzelnen Personen sich zunehmend emanzipierendes Unternehmen anstrebten. Nun muss neu geprüft werden, ob die Unterschiedlichkeiten unter einem Dach vereinbar und ob die jeweiligen Bedürfnisse in einem Unternehmensmodell mit neuen Differenzierungen unterzubringen sind. Wenn nicht, würde sich eine Auflösung der bisherigen Partnerschaft empfehlen und die verschiedenen Unternehmensideen könnten in getrennten Entwicklungen viel leichter verfolgt werden. Die Alternative ist, das Unternehmen zu erhalten und Änderungen in der Verfasstheit und den Rollenbeziehungen vorzunehmen. Ähnlich wie in einer Ehe nach dem Modell „Zugewinngemeinschaft“ müsste hierfür ein Zwischenstand des Zugewinns und dessen Verteilung bestimmt werden, um danach in gutem Einvernehmen getrennte Wege zu gehen oder den gemeinsamen Weg mit neuer Verfasstheit, neuen Rechten und Pflichten fortzusetzen. Allerdings kann dies umso schwieriger werden, je mehr man sich untergründig auseinandergelebt hat und die Klärung der Beziehung durch Enttäuschungen, Begierden und unrealistische Vorstellungen erschwert wird. Leider gibt es oft keine Regelungen, wie entschieden werden kann, wenn man sich uneins ist, und die Entwicklung endet in einem Patt. Ähnlich wie in der Neuordnung privater Verhältnisse droht hier das „Waschen schmutziger Wäsche“ und ein Unternehmen sowie Beziehungen können daran dauerhaft zerbrechen.
Ist dieser Fall erstmal eingetreten, dann ist fraglich, wie viel man durch Klärung und Beratung noch einfangen, wie man sich würdig und in Verbundenheit neu orientieren kann. Denn nun folgt der Stresstest für die Beziehung und das für sie gewählte unternehmerische Modell. Dieser kann umso besser bestanden werden, je erfolgreicher man bezüglich der jetzt als Konflikt aufgeworfenen Fragen gemeinsame Grundverständnisse und eine Kultur des aufrichtigen und fairen Austausches entwickelt hat. Je mehr dies vernachlässigt wurde, je mehr untergründige Vorbehalte gegeneinander aufgebaut wurden, umso unwahrscheinlicher ist es, dass dies nachgeholt werden kann. Daher gilt: Beachtet die Anfänge!
Bei denen, die künftig für das Unternehmertum stehen, steht eine Verschiebung von Identität, von Krafteinsatz und von für das Funktionieren entscheidenden Qualifikationen an – manchmal reflektiert und strategisch angelegt, meist jedoch eher allmählich mit nachträglicher expliziter Festigung. War der Beratungsunternehmer eher Berater, der sein Wirkfeld vergrößern wollte, so kümmert er sich nun mehr um Strukturen, Prozesse und Kultur des Unternehmens. War er als Person hauptsächlich kreativer Dienstleister, so geht es fortan stärker um die Organisation von Dienstleistungen durch andere. Kundenprojekte sind für ihn nun als Vehikel zur Produkt- und Programmentwicklung oder zur Entwicklung eigenen Nachwuchses interessant und werden nur insoweit selbst betrieben. Entscheidend ist, nicht die eigenen Kundenauftritte, sondern über Kundenbetreuung durch andere das Beratungsunternehmen voranzubringen. Wichtig sind demnach u.a. die Positionierung von Mitarbeitern beim Kunden und die Stärkung der Marke (unabhängig vom Gründer).
Entsprechend verändern sich Marketing, Vertriebs- und Abrechnungsmodalitäten. Wie sehr man hier mit Gewohnheiten zu kämpfen hat, merkte der Autor daran, dass er wiederholte Anläufe brauchte, beim Kunden nicht so aufzutreten, als würde er nachher persönlich dort tätig werden. Stattdessen lernte er, die Betreuer beim Kunden und sich selbst als Rahmen- und Qualitätsgarant im Hintergrund zu platzieren. Oft ist es wichtiger, mit den Top-Repräsentanten auf Kundenseite als Schirmherren (und -damen) Kontakt zu pflegen, im Alltag aber von vornherein den tatsächlichen Dienstleistern die Bühne zu bereiten und zu überlassen.
Nicht alle können ihre Prioritäten so umsteuern, dass sie Systempfleger werden und von den Hauptrollen auf der Bühne zu Regisseurs- und Intendantenfunktionen hinter der Bühne wechseln. Gelingt dies allerdings dem Unternehmer zu wenig, sind Folgeprobleme und Qualitäts- wie Kulturverluste vorgezeichnet. Der Unternehmer ist dann als Bottleneck überlastet und kann seine pflegerischen Funktionen nicht solide und mit Souveränität ausfüllen und sichtbar machen. Man kann solche Funktionen nur begrenzt delegieren – und die letztendliche Verantwortung und Zuwendung zu einem kulturmäßig hochwertigen Unternehmertum eigentlich gar nicht.
Im Unternehmen des Autors waren die formellen Rollen von Anfang an klar. Dies zeigte sich z.B. darin, dass das Programm vom Unternehmen festgelegt wurde, dass feste Honorare gezahlt wurden und entsprechend auch entschieden wurde, wann sich ein angebotener Kurs lohnt oder abgesagt werden sollte. Entwicklungskosten trug das Unternehmen, entschied aber auch über Investitionen und behielt Überschüsse ein. Auch über Berufungen neuer Partner und Mitarbeiter oder die Wahl von Unternehmerpartnerschaften und Vertragsbedingungen mit Partnern entschied die Unternehmensleitung. Alles transparent und im Dialog mit denen, die daran interessiert waren, aber klar bezüglich Zuständigkeiten und Letztentscheidungen.
Waren in den Anfangsjahren die Beziehungen so, dass nicht nur Mitsprache, sondern auch Mitentscheidung informell Bedeutung hatten, veränderte sich dies mit zunehmender Komplexität, der Anzahl und Geisteshaltung der Mitwirkenden. Da die notwendigen Abstimmungsprozesse für diese informelle Regelung immer schwieriger und kräfteraubender wurden und Enttäuschungen bzw. Spannungen zunahmen, kam es zu einer ganz offiziellen Änderung des informellen Selbstverständnisses und der gegenseitigen Erwartungen.
Die Pionierphase war endgültig vorbei. Manche bedauerten das. Andere waren froh, von gefühlter Mitverantwortung entbunden nur noch die vereinbarte Verantwortung ausfüllen zu müssen – natürlich mit einem weiterhin vorhandenen Bezug zum Großen und Ganzen. Besonders die nach der Gründungsphase neu Hinzugekommenen waren für geklärte Verhältnisse dankbar.
Oft wird der Versuch unternommen, freiberufliche und angestellte Mitwirkungen zu kombinieren. Dies führt mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Spannungen, die nicht leicht auszubalancieren sind und in vielen Fällen durch Wegentscheidungen entwirrt werden müssen.
In den Pionierjahren des Unternehmens des Autors stellte er zwei begabte und engagierte Kollegen nach ihren Praktika als Angestellte ein. Sie standen am Berufsanfang und waren froh, eine Festanstellung an einem für sie attraktiven Institut zu bekommen. Implizit zeichnete sich ab, dass sie nicht hinter der Bühne eines solchen Unternehmens tätig sein wollten, sondern eigentlich selbst auftreten und so ihre Berufswünsche ausleben wollten. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch keine freiberufliche Identität und keinen Markt hatten, der Autor an jungem Engagement und Entwicklungsimpulsen bei noch moderatem Gehalt interessiert war, einigte man sich auf ein Angestelltenverhältnis.
Ohne dass uns das bewusst war, waren hier Bruchlinien angelegt, die wir lange durch Abstimmungsbemühungen in gegenseitiger Loyalität zu überbrücken suchten. Das Interesse der jungen Kollegen richtete sich darauf, Curricula zu entwickeln, in denen sie selbst Lehrfunktionen übernehmen konnten. Dies gelang auch, doch wurde es schwierig, als diese Lehrfunktionen durch Freiberufler zu durchaus attraktiven Honoraren wahrgenommen werden und sie zu vergleichsweise geringerem Gehalt den Betrieb am Laufen halten und entwickeln sollten. Auch verzeichneten sie erste Erfolge, eigene Kunden für freiberufliche Aufträge auf eigene Rechnung zu gewinnen. Dies war eigentlich allen willkommen, konnten sie so ihre Einkommenswünsche auch außerhalb der Festanstellung befriedigen.
Aber trotz aller Loyalität und explizitem Willen führte diese Entwicklung schließlich zu einer Engagementverschiebung. Da war einerseits ihre eigene Freiberuflichkeit, andererseits standen Ambitionen im Raum, Rollen auszufüllen, die im Unternehmen an Freiberufliche vergeben wurden. Innerhalb der Anstellung hatte Systempflege im Hintergrund Vorrang davor, Dinge und Auftritte nach außen zu entwickeln, die sie spannend fanden, aber nicht selbst tragen konnten.
Hintergrundarbeit für das tägliche Geschäft anderer und dessen Qualitätssicherung sind eine andere Nummer und liegt Menschen mit anderer Berufung meist weniger. Irgendwann kam es zu einer spontanen Äußerung: „Es ist in Ordnung, dass Ihr Euer eigenes Unternehmen entwickeln wollt. Dann tut dies bitte auf eigenen Bühnen und in eigener Verantwortung! Wenn Ihr diesen Weg gehen wollt, dann beenden wir die Angestelltenbeziehung und wir engagieren Euch als Freiberufler, soweit wir darin einen Nutzen sehen.“ Gesagt und in gutem Einvernehmen getan, haben beide heute ein florierendes eigenes Beratungsunternehmen und sind seit Jahrzehnten als freiberufliche Kollegen auch für das isb tätig.
Gelernt haben wir daraus, interne Funktionen fortan durch solche Personen zu besetzen, zu deren Neigungen, Ambitionen, Qualifikationen und Lebensverhältnissen die internen Rollen auch längerfristig passen. Da man das meist nicht genügend in Vorstellungsgesprächen oder Kontakten in anderen Kontexten klären kann, empfiehlt sich eine Probezeit, die ihren Namen auch verdient.
Auch bezüglich unseres Geschäftsführers stand die Klärung der Berufslebensentwicklung an. Auch er hatte nach seinem Praktikum zeitweilig im Angestelltenverhältnis Rollen von Freiberuflern inne. Auch er hätte in Richtung einer freiberuflichen Tätigkeit für das Unternehmen gehen oder auf eigene Rechnung für andere Auftraggeber arbeiten können. Er kam jedoch zum Entschluss, die Intendantenrolle zu übernehmen, als Repräsentant des Unternehmens auf Bühnen in dieser Rolle aufzutreten, (als leidenschaftlicher Netzwerker) Kontakte zu pflegen und im Kern Geschäftsbetreiber, Führungskraft, Entwickler und Kulturpfleger für das Unternehmen zu sein. Obwohl interessante Auftritte und Freiberuflerhonorare locken konnten, entschied er sich klar, die Priorität auf die Geschäftsführerfunktion zu legen. Diese Entscheidung passte einerseits zu seinen unternehmerischen Ambitionen, andererseits zu seinem nicht ausgesprochen extravertierten Naturell und dazu, ein anwesender Vater seiner Kinder zu sein und überhaupt auf eine Balance zwischen Berufs- und Familienleben zu achten.
Im jahrelangen Zusammenspiel mit dem Gründer waren die wechselseitige langfristige Entscheidung füreinander und eine Identität als unternehmerisch verantwortlicher Geschäftsführer des 40-Jährigen gewachsen. Wie immer im Unternehmen des Autors wurden die Formalien auf das absolute Minimum begrenzt und stattdessen ein „seelischer Kontrakt“ geschlossen. Das Gehalt wurde entsprechend ausgestattet und vereinbart, immer wieder neu Geben und Nehmen so zu gestalten, dass beide Seiten zufrieden sind. Der Geschäftsführer traf mit der Übernahme der unternehmerischen Verantwortung eine Berufslebensentscheidung, das Unternehmen mit Engagement und langfristiger Loyalität zu führen und zu entwickeln.
Die oben beschriebenen Rollenwechsel gingen damit einher, dass der Geschäftsführer den Gründer in der Führung des Unternehmens ablöste und dieser nur noch bei wesentlichen Fragen konsultiert wurde. Hierbei hat sich bewährt, dass der Gründer die Bühnen, auf denen er selbst das Unternehmen nach innen und außen repräsentiert hatte, auch tatsächlich verließ bzw. nur selten und als gebetener Gast betrat. Der neue Geschäftsführer hatte viele Jahre im Unternehmen und im Berufsfeld Erfahrungen gesammelt, war daher im Umfeld des Unternehmens gut vernetzt und nahm in bestimmten Fällen Lehrenden- und Beraterfunktionen wahr. Er bekannte sich in seiner Rolle klar zur Priorität, das Unternehmen zu führen und andere Identitäten in diesen Dienst zu stellen.
Den Respekt in seiner Funktion musste er sich erarbeiten, insbesondere bei der älteren Mitarbeiter- und Partnergeneration. Schließlich wurde er als neue Leitfigur von allen akzeptiert und Neuankömmlinge in der Organisation oder neue Partner und Kunden banden sich von vornherein an seine Führungsrolle. Dabei half die uneingeschränkte Unterstützung durch den Gründer und dass auch er seine Zuständigkeit ohne Grenzüberschreitungen respektierte.
In dieser Phase der Unternehmensentwicklung geht es häufig um Fragen der Eigentumsbeteiligung und darum, wie Eigentum und unternehmerische Verantwortung beieinander gehalten werden können. Der Bereitschaft zur Eigentumsbeteiligung scheint öfter die Annahme zugrunde zu liegen, dass durch Miteigentum unternehmerische Kompetenz und Mitverantwortung gewonnen werden könne. Dies mag durchaus gelegentlich der Fall sein, wenn dies im Wesen der beteiligten Personen liegt. Doch sollte man dies, wie im nächsten Beitrag (Teil 5 dieser Reihe) an einem Beispiel erläutert wird, konkret im Vollzug prüfen und nicht einfach nur unterstellen.
Teil 5 der Reihe folgt im Oktober 2021