Welche Wirkung entfaltet Geld für unternehmerische Motivation sowie in der Beziehungsgestaltung zwischen Arbeitgeber und -nehmer? Mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen? Was sollte als unternehmerisches Einkommen gelten? Wodurch ist es gerechtfertigt und wer sollte daran mit welchen Konsequenzen beteiligt werden? Und schließlich: Gibt es so etwas wie ein „Unternehmer-Gen“? Zu diesen Fragen sollen Überlegungen angestellt werden, was unternehmerische Verantwortung bedeutet und wie sie nachhaltig erhalten werden kann. Anschließend werden Fragen zum Unternehmertum als Lebensform angefügt.
Bei allem sollte offen miteinander geredet und verhandelt werden. Hierbei ist zu beachten, dass marktwirtschaftliche Prozesse nur in relativ freiheitlichen Verhältnissen funktionieren können, in denen niemand Ausbeutung hinnehmen muss, sondern ein Geben und Nehmen fair verhandelt werden kann.
Idealerweise sollte mit Geld als Gestaltungsmittel freimütig und eher großzügig umgegangen werden. Ansonsten sollte das Thema Geld nicht im Vordergrund stehen. Es gibt genug fruchtbarere und befriedigendere Gesprächsthemen. Natürlich ist dies nur möglich, wenn der materielle Umgang mit Geld zufriedenstellend gelöst ist. Was sollten Unternehmer dafür tun, dass Geldfragen nicht dominieren, auch nicht im Hintergrund? Sie können z.B. alle Mitwirkenden überdurchschnittlich großzügig bezahlen und eigenmotiviert dafür sorgen, Vergütungen rechtzeitig sowie angemessen zu erhöhen. Sofern es Personalstruktur und Marktverhältnisse erlauben, sollte berücksichtigt werden: Wenn alle Freiberufler die gleichen Honorare und alle Angestellten die gleichen Gehälter bekommen – von Geschäftsführung und Hilfsfunktionen abgesehen – gibt es wenig Anlass zum Vergleichen oder zu Diskussionen über die Angemessenheit der Bezahlung.
Es ist davon auszugehen, dass berufliches Engagement eine Frage von Temperament, Selbstverständnis und Würde ist. Versucht man berufliches Engagement mit Geld zu steigern, kann sogar ein paradoxer Effekt einsetzen: Ehrenhaftes wird zur Handelsware und die monetäre Belohnung tritt in den Vordergrund. In Folge entsteht der Eindruck: Wer mehr bekommt, ist wichtiger.
Auch ihren Kunden gegenüber sollten sich Unternehmer entsprechend fair positionieren, z.B. indem Abrechnungen klar und transparent gehalten werden. Grundsätzlich sollte mit dem Geld Anderer so umgegangen werden, als wäre es das eigene.
Was sind unternehmerische Funktionen, die ein Einkommen speziell dafür rechtfertigen? Zunächst sind es Funktionen, die dazu führen, dass Produkte entwickelt werden, die über persönliche Dienstleistungen hinaus einen Marktwert erlangen, und dass ein Unternehmen entsteht, das mit seinem Leistungsangebot sowie seiner Kultur von allen Stakeholdern als eigenständig erlebt und für erhaltenswert gehalten wird. Wenn beides gelungen ist, rechtfertigen diese Umstände einen Besitzstand der Gründungsunternehmer, der -nach deren Rückzug aus der unternehmerischen Verantwortung- in ein Einkommen münden kann. Jedoch muss die Weiterentwicklung der Unternehmensfunktionen als unternehmerische Verantwortung erhalten bleiben. Unternehmen müssen wie Gärten laufend gepflegt werden, sonst verwildern sie. Ihr vitaler und kultureller Wert kann durch Branding und Sicherstellung von Rechten allein nicht gesichert werden. Versucht man dies übermäßig, fließt zu viel Aufmerksamkeit in Grenzsicherung statt in die Pflege des Gartens. Es muss also weiterhin eine Originalität gewahrt bleiben, aufgrund derer dieses Unternehmen immer wieder als attraktiv genug erachtet wird, in ihm eine Eigenleistung zu erbringen und das eigene Wirtschaften im Zusammenspiel mit ihm zu gestalten. Unternehmertum ist also anders als Eigentum kein Besitzstand, sondern muss laufend seinen Mehrwert schaffen. Dieser Mehrwert muss sowohl extern als auch intern deutlich gemacht werden, wenn Unternehmer ihre Leistung honoriert bekommen möchten:
Bei der Frage ob und wie Mitarbeiter am unternehmerischen Erfolg zu beteiligen sind, sollte zwischen verschiedenen Motiven unterschieden werden: Geht es darum, bereits Geleistetes zu würdigen, vielleicht weil dies fair ist, da die Ernte gemeinsamer Arbeit größer ausfiel als erwartet? Oder geht es darum, Ehrgeiz anzustacheln und Hoffnungsträger zu binden? In beiden Fällen sind vielfältige Formen von Gratifikation denkbar. In Beteiligung zu denken, kann voreilig und mit unliebsamen Konsequenzen verbunden sein.
Hier ein Beispiel aus der Geschichte des Unternehmens des Autors zum Thema nachträgliche Gratifikation: An den Anfängen des Unternehmens stand die Partnerschaft zweier Freiberufler. Über Jahre half eine sehr engagierte Mitarbeiterin beim Aufbau, die wir unserer damaligen Wahrnehmung gemäß ordentlich, aber im Nachhinein betrachtet zu sparsam bezahlten. Als erkennbar wurde, welcher Wert im Unternehmen auch durch sie entstanden war, wurde die bereits pensionierte Mitarbeiterin nachträglich mit einer Prämie gewürdigt. Besser spät als gar nicht. Seither wurde versucht mit der Bezahlung der Mitwirkenden besser auf dem Laufenden zu bleiben. Z.B. verdienten auch Praktikanten immer genügend, um in der Zeit des Praktikums davon leben zu können.
Wenn es darum geht, Mitarbeiter zum unternehmerischen Denken und zum Einbringen von besonderen Talenten oder zu zusätzlichem Engagement zu bewegen, wird der finanzielle Anreiz als Faktor vermutlich überschätzt. Denn: An nichts gewöhnt sich der Mensch so schnell wie an Privilegien! Sie werden schnell zur Selbstverständlichkeit und ob sie nachhaltig zu besonderen Anstrengungen führen, ist fraglich. Ob mit Geld zusätzliche Motivation geweckt werden kann, muss eigens geprüft werden. Man sollte hier besser über ein Geben und Nehmen sprechen und darüber, was es braucht, um eine Win-win-Situationen zu erhalten:
Ohne solche Abstimmungen werden Ressourcen oft unwirksam eingesetzt, findet persönlicher Eifer wenig Resonanz und führen unerfüllte Erwartungen zu Frustration. Bevor nun Fragen der unternehmerischen Beteiligung von Mitarbeitern diskutiert werden, erfolgen zunächst einige Überlegungen zum Unternehmereinkommen, das sich von Investoreneinkommen unterscheidet.
Unternehmereinkommen zeichnet sich durch Verantwortung sowie Engagement des Unternehmers und seinen tatsächlichen Aktivitäten in Unternehmerrollen aus. Davon zu unterscheiden ist Einkommen, das allein auf die Verfügung über Kapital und Eigentum am Unternehmen beruht. Letzteres sollte eher Investoreneinkommen genannt werden. So gesehen rechtfertigt sich Unternehmereinkommen durch unternehmerische Leistung und sollte an unternehmerische Mitverantwortung gebunden bleiben. Für Investoren sind auskömmliche Kapitalrenditen und dafür Eigentums- sowie Ertragsbeteiligung wichtig. Zur Erhaltung und Entwicklung eines Unternehmens ist jedoch die hochwertige Gestaltung von unternehmerischen Rollen nicht weniger entscheidend, wenn nicht sogar wichtiger. Renditen können eher mal für eine Zeit mager ausfallen, ohne dass nachhaltiger Schaden entsteht. Unternehmerische Fehlleistungen können die Leistungsfähigkeit sowie Kultur eines Unternehmens schwerer schädigen, als dies bei oberflächlicher Betrachtung erkennbar wird. Ähnlich wie bei einem gesunden Organismus kann Vieles lange Zeit kompensiert werden. Wenn sich Symptome zeigen, steckt dahinter oft schon eine längere ungesunde Entwicklung, die nicht so leicht korrigiert werden kann. Der Weg zur Genesung kann dann entsprechend lang sein (Schmid, 2019a). Längerfristig betrachtet hängen unter vernünftigen Bedingungen Unternehmensgesundheit und Rentabilität eng zusammen.
Denkt man an Eigentumsbeteiligung, so muss man klären, ob akzeptiert sein soll, dass früher oder später dieses Eigentum bei Menschen landen wird, die nicht an der Entwicklung des Unternehmens beteiligt sind, sondern nur Eigentümerinteressen haben. Die gesellschaftliche Auswirkung davon, dass in der Unternehmenssteuerung Geldrenditeinteressen vorherrschen und Engagement für einen gesellschaftlichen Beitrag durch Unternehmertum dominieren, lässt sich überall beobachten. Will man dies nicht, muss man eigene Konstruktionen finden, die unternehmerische Verantwortung und Eigentümerentscheidungen beieinander halten. Dies ist insbesondere Familienunternehmen anzuraten, bei denen die nächste Eigentümergeneration nicht als Unternehmer nachfolgen wird.
Einer weitverbreiteten Annahme zufolge führen Gewinn und Eigentum dazu, dass unternehmerische Kompetenz sowie Verantwortung gestärkt werden. Dieser Automatismus ist fraglich. Zunächst erhöht Gewinnbeteiligung nur das Einkommen und Eigentumsbeteiligung nur das Vermögen. Ist Gewinnbeteiligung nicht an langfristige Entwicklungen gebunden und ist die Eigentumsbeteiligung leicht liquidierbar, so ist die Bindungskraft an das Unternehmen anzuzweifeln. Beispiele über persönliche Bereicherungen von Top-Führungskräften, die das Unternehmen nach ihrem Ausscheiden geschädigt zurücklassen, gibt es genug.
Wenn ein Zusammenhang zwischen unternehmerischer Verantwortung und Beteiligung einen Sinn ergeben soll, dann doch eher umgekehrt: Geeignete und motivierte Mitarbeiter, die deutlich unternehmerische Kompetenz sowie unternehmerische Verantwortung zeigen, werden durch Beteiligung belohnt. Einerseits der Gerechtigkeit wegen, andererseits um sie an das Unternehmen zu binden. Geht es um Gerechtigkeit, sollte überlegt werden, ob diese Form der Gratifikation die richtige ist. Geht es um Bindung, muss sichergestellt werden, dass die Gratifikation das leistet und an der langfristigen Entwicklung orientiert bleibt. Sonst ist die Verlockung zu groß, die Wirkung im Unternehmen auf kurzfristige Gratifikationen hin zu optimieren, auch wenn dies danach zulasten der weiteren Unternehmensentwicklung geht. Eigentumsbeteiligung wird dies vermutlich nur dann leisten, wenn sie nicht verkauft werden kann, sondern nur zur Anteilnahme an künftigem Ertrag berechtigt.
Wenn Einkommenszahlungen durch Zukunftserwartung ersetzt werden, kann das leicht zu Enttäuschungen und Ungerechtigkeitsempfinden führen. Hoffnungen auf spätere Gratifikationen sollten nicht unbedacht geweckt werden. Es ist ratsamer, das Geben und Nehmen aktuell zu halten. Jeder weiß, warum er mitarbeitet und in das Unternehmen investiert. Für die Beziehungshygiene ist es auf Dauer besser, wenn offen verhandelt wird, ob das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen stimmt und der aktuellen Situation entspricht. Beziehungsrechnungen bleiben dann sauber, wenn sich keine unausgesprochenen Ansprüche aufbauen oder man nicht ungeklärt „Gutscheine“ sammelt. Man kann sie vielleicht nie einlösen. Sie werden aber stattdessen als Rechtfertigung für Einstellungen oder Verhaltensweisen dienen, die sonst deplatziert wären. Konzepte, wie das der Rabattmarken in der Transaktionsanalyse (siehe Schmid, 2017) oder das Konzept vom „Verrechnungsnotstand“ (Stierlin, 2021), haben solche Dynamiken im Blick. Ungeklärte Rechnungen und diffuse Erwartungen führen leicht zu Störungen von positiver Bezogenheit. Im Rahmen klärender Dialoge wird abgeglichen, ob sich beide Parteien beim Wert von Gegebenem und Genommenem in einer gemeinsamen Wirklichkeit oder zumindest im offenen Dissens befinden.
Bislang wurde die Bedeutung von Unternehmertum für die Unternehmensentwicklung betrachtet. Unternehmertum steht aber auch für Selbstverwirklichung von Menschen. Man spricht vom „Unternehmer-Gen“, das wichtig sei, um unternehmerische Rollen wirklich auszufüllen und das dafür Notwendige lernen zu wollen. Ob es einen wissenschaftlichen Beleg für eine solche Annahme gibt, ist hier nicht das Thema. Unternehmerisch Orientierte verstehen intuitiv, was gemeint ist. Es gibt anscheinend Menschen, die spürbar unternehmerisch aktiv sein wollen und die unruhig bleiben oder gar renitent werden, wenn sie zu entsprechenden Rollen keinen Zugang finden. Was da in einer Person steckt und in Vollzug gebracht werden will, erkennt diese nicht immer gleich, doch helfen intuitive Entscheidungen oft, sich für die richtigen Bühnen und Rollen zu interessieren und aus intrinsischer Motivation mehr darüber zu lernen. Wie hierbei innere Bilder und Familientraditionen (Schmid, 2016) mitspielen, kann durch speziell auf solche Fragen fokussierte Selbsterfahrung erhellt werden. Spiegelungen von Stakeholdern aller Art können hier sehr ermutigend, aber auch ernüchternd sein (Schmid, 2019b).
Manch einer fühlt sich zum Unternehmer berufen, unterschätzt dabei aber die dafür notwendigen Anforderungen. Kann oder möchte man sich den mit dem Unternehmertum verbundenen Konsequenzen wirklich stellen? Die gesellschaftliche Stellung mancher Personen erlaubt es ihnen, ohne besondere Eignung unternehmerisch tätig zu sein, doch ist fraglich, ob diejenigen damit zufrieden sein können. Manche entdecken ihre unternehmerische Berufung erst spät. Dann wäre zu prüfen, in welchen Rollen und auf welchen Bühnen dieses Talent noch ausgelebt werden kann und welche Gratifikationen diese Personen dadurch noch erlangen können.
Dass dem Autor Unternehmertum wichtig ist und er gekonntes sowie verantwortliches unternehmerisches Handeln als wertvoll ansieht, ist diesem Text deutlich anzumerken. Ihm war lange nicht bewusst, dass er in seiner Familie eine unternehmerische Tradition fortsetzen konnte. Die Mutter betrieb als Schneiderin eine Fabrikation ihrer eigenen Kollektionen und der Vater führte technisch eine Kleinmöbelfabrik, in der viele seiner eigenen Möbelentwürfe hergestellt wurden. Doch „vom Unternehmergen angetrieben“ überschritt der Autor intuitiv immer wieder berufliche Grenzen, sodass schließlich ein mittelständisches Unternehmen mit selbstentwickelten Produkten und einer eigenen Unternehmenskultur entstand.
In den meisten Unternehmen wäre so vieles an Entwicklung möglich und lebensnotwendig. An Geld und guten Ideen mangelt es selten, doch scheint ungenügend vorhandenes oder mangelhaft qualifiziertes Unternehmertum oft der entscheidende Engpass zu sein.