Beruf Coach

Coaches und ihre berufliche Identität. Teil 3

Partnerschaften und Unternehmensgründung

Aus welchen Gründen werden berufliche Partnerschaften, z.B. im Coaching, eingegangen? Sympathie der Akteure füreinander oder ein gemeinsames Professionsverständnis mögen oft eine Rolle spielen, ebenso rationale Erwägungen. Partnerschaften sollten jedoch nicht leichtfertig – im Gefühl der Euphorie – eingegangen, sondern von vornherein hinsichtlich ihrer langfristigen Tragbarkeit reflektiert werden, um dem Entstehen eines unternehmerischen Ungleichgewichtes, mangelhafter Effektivität und zwischenmenschlicher Enttäuschungen vorzubeugen.

17 Min.

Coaching-Magazin Online, 24.06.2021

Oft enden berufliche und unternehmerische Beziehungen im Zerwürfnis, weil implizite Rechnungen nicht aufgehen und man sich das gegenseitig anlastet. Hier durfte der Autor oft als Coach behilflich sein, Beziehungen und ihre Entwicklung aufzuarbeiten, sie wenn möglich neu zu justieren oder den Partnern eine gute Trennung und Neuorientierung zu ermöglichen. Vieles meint man dann, eigentlich von Anfang an gewusst haben zu können. Manchmal zeigen sich Unverträglichkeiten im Wirklichkeits- und Lebensplanentwurf auch erst in späteren Stadien langer, befriedigender und erfolgreicher Beziehungen. Dann gilt es, nicht die ganze Beziehungszeit rückwirkend infrage zu stellen, sondern die Verhältnisse für die weitere Zeit neu zu gestalten, möglichst ohne das, was gut war und bleiben kann, mit den Enttäuschungen zu entwerten. Je früher dies geschieht, desto größer sind die Chancen, irreparable Beziehungsschäden zu vermeiden.

Parallelen zu Privatpartnerschaften liegen auf der Hand. Wer ist sich schon bei einer Heirat über die Faktoren im Klaren, von denen lebenslange Zufriedenheit in der Partnerschaft abhängt. Das Leben bleibt ein Abenteuer. Dennoch kann bewussteres Durchdenken und Gestalten von Partnerschaften lehrreich sein.

In diesem Text greift der Autor anhand von Beispielen aus dem Coaching und eigener Erfahrung als Partner und Unternehmer Fragen auf, die implizit für das Schicksal der Beziehungen entscheidend sind, auch wenn sie explizit selten in größerem Umfang gestellt werden.

Verliebtheit

Komm, wir machen was zusammen! So fangen viele Partnerschaften an. Man ist sich sympathisch. Man tickt irgendwie gleich oder die andere kann was, was einem selbst fehlt. Der andere ist ein toller Typ, tut einem gut, kommt in den eigenen Kreisen gut an. Er sieht, was in einem selbst steckt und wird wohl helfen, das zur Geltung zu bringen. Man sieht Potentiale, hofft auf Synergien, wenn man zusammenlegt. Zusammen geht man leichter an die Umsetzung. So viele kreative Ideen bleiben sonst Gedankenspiele. Oder es läuft gut, aber man könnte die Chancen gemeinsam noch besser nutzen, mehr aus sich zu machen und eine nächste Karrierestufe anzugehen.

So oder ähnlich wird sich die Ausgangssituation für manche Kooperation oder Partnerschaft umschreiben lassen. Da sind Aufgeschlossenheit und Bereitschaft, sich in ein größeres Ganzes einzubringen und sich gemeinsam an Größeres zu wagen. Hineingemischt sind vielleicht auch Sehnsüchte, von denen fraglich ist, ob sie in diese Partnerschaft passen, ob sie überhaupt im Berufsfeld befriedigt werden können.

Häufig stehen, wie im Privatleben auch, Illusionen Pate, die Aufbruchsenergie und Bindungsbereitschaft erzeugen, die aber auf der Strecke dann zu Enttäuschungen und Misserfolg der Beziehung führen können. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Aber jeder weiß auch, wie leicht dieser Zauber durch unerkannt problematische Konstellationen verfliegen kann und Beziehungen notleiden (siehe auch Schmid, 2020).

Fragen an Partnerschaften

An einem fiktiven Beispiel sollen zunächst typische Fragen benannt werden, mit denen man idealerweise von Anfang an umgehen sollte. Das Beispiel von Walter, Anna und Fin:

Walter ist Freiberufler, ein erfahrener Lehrer und Berater. Ein Ich-Es-Typ (Schmid & Jokisch, 1998), eher introvertiert, würde gerne mehr konzeptionell arbeiten, weniger kontaktintensiv. Er ist mit eigenen sehr individuellen Seminaren erfolgreich, doch eher überlastet und würde gerne weniger selbst machen, mehr Unternehmereinkommen beziehen.

Walter hat schon zwei Kollegen, die freiberuflich für ihn arbeiten, keine großen Kontingente, spezifische Projekte, die immer wieder neu aufgesetzt werden müssen. Letztlich entlastet ihn das nur wenig und bringt auch finanziell nicht viel, weil er bei kleinen Umsätzen als Spanne nur ca. 20 Prozent behält. Er sucht Entlastung in Bereichen wie Kontaktpflege und Marketing, will mehr durch Konzipieren verdienen und insgesamt durch Unternehmereinkommen bessergestellt sein. Er hat im Duo mit Anna erfreuliche Zusammenarbeit erlebt.

Anna ist Interne beim Hauptkunden von Walter. Sie ist mit kaufmännischer Grundqualifikation im Personalwesen erfahren. Sie möchte sich gerne selbständig machen, damit sie ein freieres Leben führen kann. Gleichzeitig ist sie eher risikoscheu. Sie kann zumindest im Konzern gut kontakten, ist ein Ich-Du-Typ (Schmid & Jokisch, 1998), der in einer neuen Berufspartnerschaft auch „Familienanschluss“ sucht. Sie hat keine eigenen Produkte oder Aufträge außerhalb ihres Arbeitgebers. Sie ist von der Zusammenarbeit mit Walter beglückt, der sie mit seinen menschen- und sinnorientierten Seminaren beeindruckt.

Fin ist ein quirliger Kaufmann, hat tausend Ideen und kann damit beeindrucken. Dementsprechend ist er im Marketing tätig und dort auch erfolgreich. Auch er ist ein Ich-Du-Typ und möchte gerne selbständig arbeiten, sinnvollere Produkte vermarkten, interessantere Marktpartner treffen und noch besser verdienen. Er selbst hat keine marktreifen Produkte oder eigene Kunden für freiberufliches Engagement.

Weder Anna noch Fin haben Erfahrung als Freiberufler oder Unternehmer, sind eher gewohnt, dass ihnen ihr Arbeitsfeld und großzügige Ausstattung gestellt werden, verdienen bislang komfortabel und erwarten von einer unternehmerischen Partnerschaft auch positive Karriereeffekte. Die drei überlegen, ob sie sich zu einer Freiberufler-Partnerschaft zusammenfinden, vielleicht ein gemeinsames Unternehmen mit gleichen Gesellschaftsanteilen, Rechten und Pflichten gründen sollten. 

Lohnt sich eine Partnerschaft für die Beteiligten? Wenn ja, in welcher Form? Hierzu einige beispielhafte Fragen.

  1. Persönliche Konstellationen. Bringen die persönlichen Ergänzungen genug und mehr als sie Ankoppelungsenergie kosten?
  2. Berufliche Ergänzung. Haben alle drei etwas einzubringen, was durch Mitunternehmertum gesichert werden sollte? Wo täten es eine Anstellung oder freiberufliche Beauftragung genauso?
  3. Eigentumsbeteiligung. Wird Unternehmertum durch einen Zusammenschluss gestärkt? Worauf würde Miteigentum begründet werden? Werden Miteigner zur Risikoabsicherung gebraucht und rechtfertigt dies später dauerhafte Gewinnbeteiligung?
  4. Was können alle drei zusammen besser, was Walter allein oder mit seinen Mitarbeitern nicht kann? Wer würde bezüglich welcher Unternehmerfunktionen welche Rollen übernehmen? Wer trägt in Eigenregie die unternehmerische Verantwortung?
  5. Welche Produkte und Leistungen sollen Umsatzträger sein? Wer kann sie zur Befriedigung der Kunden dauerhaft liefern? Wer sichert dauerhafte Lieferfähigkeit? Wer erschließt neue Märkte?
  6. Welche Produkte sind marktgeeignet? Welche Produkte sollen weiterentwickelt und zur Serienreife gebracht werden? Wer kann das umsetzen und ist nachhaltig dafür motiviert?
  7. Entsteht ein Mehrwert in Bezug auf Umsatz und Gewinn? Wo? Für wen? Gibt es eine plausible Strategie, den notwendigen Markt zu erschließen und dann auch nachhaltig zu beliefern? Wer will und kann das tun?
  8. Welches Geschäftsmodell soll entwickelt werden? Worauf hin sollen Strukturen angelegt werden?
  9. Führt das Modell zu Unternehmereinkommen für die, die Mehrwert generieren? Würde das auch bei Vervielfachung als gerecht empfunden werden?
  10. Hat Walter die Chance auf Entlastung? Ist Miteigentum die passende Art der Beteiligung? Wohin entwickelt sich das Modell in 50 Jahren?

Idealerweise müsste man sich über solche Fragen einigermaßen klar werden, bevor eine Partnerschaft bzw. ein gemeinsames Unternehmen begründet werden. Das geschieht im wirklichen Leben selten. Es ist in der Regel nicht zu erwarten, dass als Unternehmer relativ unerfahrene Professionals diese Fragen gleich beantworten können. Aber die Beteiligten sollten sich  die entscheidenden Fragen vor einer näheren Bindung vor Augen führen und sich darauf einstellen, dass sie diese irgendwie werden beantworten müssen. Unglücklicherweise werden Versäumnisse hier häufig mit verstärkten Bindungswillen kompensiert. Dies kann funktionieren. Aber unzählige Misserfolge und zerbrochene Beziehungen erzählen eben auch vom Scheitern. Das Problem ist vielfach, dass – bei gefühlt plausibler Gleichberechtigung heute – später Schieflagen entstehen, die oft nicht korrigiert werden können, weil dies zur Aufgabe ungerechtfertigter Privilegien führen müsste.

Ob sich nun im vorliegenden Beispiel eine Partnerschaft lohnt, hängt davon ab, wie die Fragen beantwortet werden. Insofern müssen bei einer Diskussion Annahmen getroffen und Schlussfolgerungen daraus abgeleitet werden. Damit eine Partnerschaft gelingen kann, müssten zu kritischen Punkten wesentliche Entwicklungen bei den Beteiligten und in der Unternehmenskonstellation von vornherein ins Auge gefasst und entsprechende Verabredungen getroffen werden. Genau dazu können das Beispiel und die Fragen anregen.

Partnerwahl und Rollenklärung

Hierzu ein reales Beispiel aus der Coaching-Praxis des Autors:

Zwei befreundete Frauen gründeten eine Weiterbildungseinrichtung als gleichberechtigte Personengesellschaft, weil sie mit guter Resonanz gemeinsam Kurse geleitetet hatten. Die Schule entwickelte sich gut und machte zunehmend die Einbeziehung von Lehrbeauftragten und das Betreiben der wachsenden Organisation und das Beziehungsmanagement mit anderen Organisationen und Partnern erforderlich. Während die eine Gesellschafterin sich entsprechend umstellte und zunehmend Unternehmerinnen-Rollen zusätzlich übernahm, widmete sich die andere im Wesentlichen dem Ausbau ihrer Lehrtätigkeit. Unternehmertum war nicht ihre Sache. Dennoch hielten sie das Modell gleichberechtigter unternehmerischer Partnerschaft aufrecht. Dies führte zu Schieflagen bezüglich Entscheidungsbefugnissen, Einkommensverteilungen und Arbeitsbelastungen. Erst ein Burnout der unternehmerisch aktiveren Partnerin und ein bis nahe an eine Trennung eskalierender Beziehungskonflikt machten es möglich, die Gesellschaftsanteile und Einkommensverteilung neu zu regeln, sodass neue Strukturen und Prozesse wie z.B. eine angemessene Geschäftsführung etabliert werden konnten.

Bei der Geschäftspartnerwahl stehen oft Sympathien, Haltungen, persönliche Kompetenzen und Lebensstile im Vordergrund. Das ist unter dem Gesichtspunkt „harmonische Beziehung“ auch wichtig. Doch vom Standpunkt einer beruflichen Partnerschaft und eines künftigen Unternehmens aus betrachtet, werden auch andere Gesichtspunkte wichtig:

  1. Welche Talente, welches Engagement werden künftig insgesamt gebraucht?
  2. Wenn man Nötiges nicht selbst hat, ist es in der Partnerschaft dann an Bord? Oder wie hat man sonst Zugriff darauf?
  3. Entsteht durch die Verbindung eine Win-win-Situation oder kosten die Etablierung und Pflege der Partnerschaft mehr als sie Mehrwert bringen?
  4. Meist ist eine offene Version mit Probezeit gut, um die Passung zu prüfen und sich dann stärker zu binden oder sich ohne zu große Enttäuschung voneinander zurückzuziehen. Können sich die Partner das Risiko einer echten Probezeit leisten?
  5. Wie fest kann/sollte man sich wann gegenseitig verpflichten? Wie soll mit Veränderungen bis hin zur Trennung umgegangen werden? Eheverträge sind ja auch nicht für die Hochzeit, sondern für Scheidungen gemacht.
  6. Ist geklärt, wer welche Rollen im Unternehmen übernimmt, insbesondere, wer Unternehmer, Partner gegen Honorar und Angestellter ohne Risiko- und Gewinnbeteiligung ist? Wie werden Korrekturen vorgenommen, wenn erste Definitionen nicht mehr stimmen?
  7. Bei wem liegt welche unternehmerische Verantwortung? Diese bleibt bis zu Neuregelungen dort erhalten, auch wenn Tätigkeiten delegiert werden sollen.
  8. Wo liegen unternehmerische Risiken? Welche sind das? Wer kann und will diese tragen? Was bekommt er/sie dafür?
  9. Finden die Partner bei den anderen Anerkennung und konkrete Unterstützung? (Sympathie untereinander ist nicht alles.)
  10. Passen das Vorhaben und die Partnerschaft in die Lebensgefüge und Lebenspläne der Partner? Was, wenn Passung verloren geht? 

Oft fehlen Zukunftsbilder für das Unternehmen und Bewusstheit dafür, wer was wann braucht. Ohne solche Ideen und angemessene Probezeiten geschieht es häufig, dass dann doch die Falschen auf der Bühne oder die Richtigen in falschen Rollen wiederzufinden sind. Das kann an Fehleinschätzungen bei Beginn oder an unerwarteten Entwicklungen liegen. Dann ist es meist delikat, Korrekturen in den Besetzungen vorzunehmen, ohne Schäden zu produzieren. Wer ist hier zu gültigen Beurteilungen und Entscheidungen autorisiert?

Diffuse Modelle von Gleichberechtigung bei Gründung und fehlende Interessen- und Machtklärungen produzieren im Nachhinein oft böses Blut. Es muss dabei nicht alles im Einzelnen konkretisiert sein, doch müssen Grundverständnisse geklärt und ein „psychologischer Kontrakt“ geschlossen werden.

Timing

Oft sind Ideen und Adressaten richtig, doch ist die Zeit nicht reif. Auch wer zu früh kommt, den bestraft die Geschichte. Man muss lernen, was wann wie entwickelt werden muss, damit es in Anfängen schon platziert werden oder liegengelassen werden kann, bis die Zeit reif ist. „Der Samen der besseren Ideen muss oft lange auf den Pflug des Umbruchs warten.“ (Schmid, 1998) Je mehr ein Konzept dem Mainstream voraus ist, desto länger muss es auf seine Stunde warten. Einige meiner Konzepte dümpelten 10 bis 20 Jahre, bis sie richtig Rückenwind bekamen. Man sollte so wirtschaften, dass man mit neuen Produkten und in neuen Märkten nicht auf schnellen Erfolg angewiesen ist. Auch chancenreiche Vorhaben brauchen oft jahrelange Anlaufzeiten und mehrere Relaunches. Wenn wegen dem Ausbleiben von schnellem Erfolg ständig umgemodelt wird, ohne dass Dinge ausreifen und sich herumsprechen können, ist das, als würde bald nach der Saat der Acker neu gepflügt und Pflanzversuche früh abgebrochen werden, weil sie nicht gleich wie erwartet gedeihen oder Ertrag bringen.

Form follows function

Form follows function: Diesen Spruch, der besagt, dass die Form einer wie auch immer gearteten Konstruktion ihrer spezifischen Funktion zu folgen hat, hat der Autor mal aufgeschnappt und darin seine intuitiv gewählte Strategie als Freiberufler wie als Unternehmer erkannt. Ebenso leuchtete ihm eine Erzählung ein, wie ein württembergischer Fürst zur Anlage der Wege in seinem neuen Schlosspark gekommen sein soll: „Säht überall Rasen ein und beobachtet, wo die Menschen wirklich gehen. Dann entscheiden wir, wo wir die Wege bauen!“

Viele, die Freiberuflichkeit oder Unternehmertum probieren wollen, versuchen zuerst, dafür Strukturen und Formen zu schaffen, in der Hoffnung, dass diese dann Funktion und Wirkung nach sich ziehen. Oft heißt das: erst ein Büro, Prospekte und Website – möglichst repräsentativ – bis hin zur eigenen Grafiklinie, Dienstwagen, IT-Ausstattung etc. Imagebildung, Zukunftsphantasien über Marktpositionen, Vertragsrahmen mit Partnern, Rechtsform des Unternehmens usw. sind die bestimmenden Themen. Zu oft kann man erleben, dass mit Entwicklungskraft zuerst Formen geschaffen werden, in der Hoffnung, dass diese eine Identität, eine Position im Markt und nachfolgend Geschäftserfolg und Prestige bringen würden. Ob hier verdeckte Einfallslosigkeit bezüglich der Inhalte, Irrtümer über Erwartungen, Unsicherheit über Nutzen und Substanz eigener Tätigkeiten oder Eitelkeit Pate stehen, ob dies sich „mausern“ kann und in finanzkapitalgetriebenen Märkten gelegentlich erfolgreich sein kann, soll dahingestellt bleiben. Von Misserfolgen berichten meist nur die, die dann doch noch die Kurve gekriegt haben. Zuerst Formen zu schaffen, dürfte aber meist dann nicht gut funktionieren, wenn sie übermäßig dominieren und von konkreter Geschäftsentwicklung nicht getragen werden. Dies gilt zumindest im freiberuflichen Bereich bis hin zu mittelständigen Unternehmensformen. Selbst wenn insgesamt genügend Erfolg zu verzeichnen ist, scheinen viele Freiberufler und Unternehmer übermäßig mit Neuarrangements ihrer Formen beschäftigt zu sein und damit Profitabilität und funktionale Entwicklung eher zu belasten.

Von der anderen Seite her aufgezogen: Erst sollte man – mit möglichst wenig Form – neue Praxis üben und bei Bewährung zunächst Praxis- und Kulturselbstverständlichkeiten bilden, in die alle Beteiligten einbezogen werden. Erst dann sollte man, soweit nötig, formelle Konstruktionen so bilden, dass sie mit Entwicklungen mitwachsen können. Oft wird argumentiert, dass eine Gesellschaftsform wie die GmbH oder AG Risiken mindert und Eindruck macht, doch ist das dem Autor nie plausibel geworden. Gerade mit wenig „Apparat“ und flexiblen aber fairen Beziehungen, können die Risiken gering und die Entwicklung flexibel gehalten werden. Dass Kunden Wert auf Status und Stabilität der Lieferanten legen, kann bedeutend sein, wird aber durch eine Rechtsform nicht gewährleistet. Eine sich konkret entwickelnde Geschäftstätigkeit und eine gute Hand, Mitwirkende, Partner und Kunden an Bord zu holen, sind für Markterfolg und Markenbildung viel wichtiger. Es mag Verhältnisse geben, in denen mehr Form aus guten Gründen notwendig ist, doch sollte dies nicht mit fehlgewichteten Begründungen und aus uneingestandenen Motiven geschehen.

Nachfrage und Programm

Für den Autor erfolgte der Einstieg in die Freiberuflichkeit durch die zunehmend eigenständige unternehmerische Bewirtschaftung eigener Kompetenz und Arbeitskraft, durch Finden und Abstecken von Märkten. Hierbei galt es von Anfang an, einerseits eigene Produktideen und programmatische Positionen zu entwickeln und andererseits sich mit den Wünschen nachfragender Kunden zu arrangieren bzw. diese als Entwicklungsanreiz zu nehmen. Beides im Guten wie im Schwierigen. Aus der Begeisterung für gewünschte Innovation bildete sich allmählich eine Unternehmensphilosophie, die Anklang fand. Dennoch wurden auch Produktideen verfolgt, die zu idealistisch und aus einseitigen Perspektiven optimiert waren. Manche eilten dem Zeitgeist und konkreten Umsetzungen zu weit voraus und fanden deshalb keine nachhaltige Realisierung. Aufgrund tatsächlicher unsolider Nachfragen kombiniert mit eigener Naivität und Opportunismus wurden immer wieder Aufträge akzeptiert, deren Nutzen und Sinn aus Distanz betrachtet von vornherein fraglich waren. Auf der anderen Seite war das ganze Feld unerfahren und so war immerhin für Brot-und-Butter-Geschäft gesorgt, was den Spielraum für eigene Ideen erhielt. Einsteiger in freiberufliche Karrieren können auch heute in beide Richtungen entgleisen. Entweder sie bedienen, was immer gefragt wird, und haben zu wenig Ansprüche an eine eigene Position und die Entwicklung eines Programms, für das sie stehen wollen. Oder sie haben so eigenwillige oder extreme Ansprüche an Dienstleistungen, sodass sie keinen Markt dafür finden und tatsächlich ein eher prekäres Dasein fristen.

Macht

Aufgrund schwieriger Erfahrungen mit gleichberechtigten Strukturen, die zu unternehmerischer Stagnation geführt hatten, blieb der Autor von Anfang an Alleineigentümer und -entscheider. Diese so geklärte Machtstruktur erlaubte schnelle und schlanke Entscheidungsprozesse und die Konzentration auf Programm- und Unternehmensentwicklung.

Die Klärung von Machtverhältnissen in Unternehmen wird – gerade am Anfang – oft vermieden. Doch wenn allen klar ist, wie im Zweifel die Dinge geregelt werden, befördert dies Disziplin und Freiheiten, schafft eine Rückfallposition, wenn Dinge nicht informell und durch Organisationskultur zu regeln sind. Undifferenzierte Vergemeinschaftung kann umgekehrt zu Schwerfälligkeit und Schieflagen bezüglich Leistungen und Ansprüchen führen. Zu leicht sind Beteiligte mehr auf das Mitbringen großer Löffel bedacht als auf ihren Beitrag zum Kochen möglichst viel guter Suppe.

Beteiligung

Ob Beteiligung an Eigentum, Gewinn oder unternehmerischen Entscheidungen für eine nachhaltige unternehmerische Entwicklung geeignet sind, sollte bewusst überlegt werden. Man kann sich aus Sinn für Gleichheit und Gleichbehandlung für „demokratische Verhältnisse“ entscheiden. Sollten damit aber die unternehmerischen Gestaltungsaufgaben nicht gut gelöst werden können, kann dies zum Niedergang und zu Ressourcenverschwendung führen. Die Verhältnisse müssen eben auch für die unternehmerisch Begabten und Engagierten attraktiv bleiben. Sonst gehen Leistungsträger verloren. Und dass Illusionen über die eigene unternehmerische Leistung verbreitet sind, kommt als Schwierigkeit hinzu. Manchmal sind es Privilegien oder Zufälle, vorgefundene Strukturen und Gesellschaftsentwicklungen, die Menschen entsprechende Positionen ermöglichen. Wie unternehmerisch verantwortlich und produktiv sie wirklich sind, steht oft auf einem anderen Blatt und muss sich im Konkreten beweisen.

Bevor Macht- und Beziehungsverhältnisse konkret in Form gebracht werden, sind viele Fragen explizit und nach Bauchgefühl zu beantworten. Beispiele:

  1. Sind die Deals mit den in den jeweiligen Rollen Mitwirkenden so gestaltet, dass sie diese tatsächlich binden und anspornen?
  2. Trägt die Beziehung, wenn sich die Dinge schwierig oder erfolgreich entwickeln, oder könnte womöglich eine unerwartete Dynamik entstehen?
  3. Sind die Entscheidungsstrukturen so gestaltet, dass die Verhältnisse von Geben und Nehmen den jeweils wichtigen Beiträgen zur Unternehmensleistung und Unternehmensentwicklung entsprechend angepasst werden können?
  4. Sind die Strukturen von Anfang an klar definiert, zumindest das Entwicklungsmuster geklärt, sodass Anpassungen an Entwicklungen nicht verschleppt werden?
  5. Sind unbekannte oder noch unklare Räume vorgesehen und geklärt, wer zuständig ist, neues zu entscheiden, wenn Anpassungen notwendig sind?

Schluss

Partnerschaften und Unternehmen völlig durchdacht gründen zu wollen, wäre wohl ein meist zu hoher Anspruch. Aber so naiv, wie dies oft geschieht, muss es auch nicht sein, zumal Schäden und Verletzungen die Folge sind. Die hier aufgeworfenen Fragestellungen können dazu dienen, Erfahrungen einzuordnen und die Zusammenhänge einigermaßen richtig einzuschätzen. Dann kann man besser ansetzen, Kursänderungen möglichst frühzeitig einzuleiten, wenn der Weg nicht stimmt, oder im Nachhinein für die Zukunft zu lernen.

Literatur

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