Mit den drei Begriffen Freiberufler, Unternehmer und Investor sind Perspektiven gemeint, die z.B. für gesellschaftliche Rollen, Selbstverständnisse und Organisationsformen stehen. Sie gelten selbstverständlich für Frauen und Männer gleichermaßen. Sie zu unterscheiden, macht deshalb Sinn, weil man dann sich selbst und andere besser verstehen kann. Wie richtet man sich in einer der Dimensionen ein? Wie kann man von einem Stadium in das andere wechseln oder sich parallel und im Zusammenspiel in diesen Sphären bewegen, ohne sich und andere zu verwirren?
Hier sollen diese drei Perspektiven skizziert und anhand kurzer Erzählungen aus dem persönlichen Werdegang des Autors illustriert werden.
Menschen, die auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung wirtschaftlich tätig werden, bezeichnet man gewöhnlich als Freiberufler.
Freiberufler sind oft Menschen, denen Organisationsrollen in Unternehmen nicht die Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit bieten, die zu ihnen passen würden. Viele verlassen deshalb eine Zugehörigkeit und oft damit verbundene relative Sicherheit in ökonomischer und ideeller Hinsicht. Andere sehen sich dazu eher genötigt, weil eine befriedigende Zugehörigkeit als Angestellte nicht zu finden ist oder sich auflöst. Sie wollen ihre Arbeitsleistung auf eigene Verantwortung und aufgrund von Kontrakten mit eigenen Partnern zur Verfügung stellen, die damit verbundenen Risiken tragen und in die eigene Tasche wirtschaften.
Der Autor selbst war nach seinem Studium zunächst froh, einige Jahre als angestellter Dozent und Berater arbeiten zu können. Da er immer schon seinem eigenen Kopf folgte, passte dies solange, wie ihm die Organisationsgefüge, in denen er tätig war, alle Freiheiten ließen oder an seiner fachlichen Kompetenz und seinen eigenständigen Entwicklungen interessiert waren. Er spürte aber zunehmend, dass die Passung zwischen seinen persönlich-professionellen Entwicklungsinteressen und den durchaus berechtigten Prioritäten und Regelwerken seiner Arbeitgeber nicht tragfähig war. Einerseits wollte er die „Zweckentfremdung“ seiner Freiheiten in der Organisation nicht länger verantworten, andererseits waren die Resonanzen auf seine Aktivitäten außerhalb so vielversprechend, dass er glaubte, den Sprung riskieren zu können. Als ihm dann ein unbezahlter Urlaub für eine Weiterbildung in den USA verweigert wurde, kündigte er zur Verblüffung seines Arbeitgebers spontan (siehe auch Interview im Coaching-Magazin 3/2014).
Ab dann war er als Psychotherapeut und Berater selbständig und bemerkte, dass er gegen anfängliche Unsicherheiten und „Verarmungsängste“ Gelassenheit und Vertrauen bezüglich beruflicher Identität, Markterfolg und Finanzen entwickeln konnte. Es gab Menschen und Institutionen, die sein Selbstverständnis bestätigten und für seine Arbeit zu zahlen bereit waren. Er war in der Existenz des Selbständigen angekommen.
Ein Unternehmer verfolgt eine Geschäftsidee. Er sorgt für die Entwicklung einer Unternehmensstruktur, von Produkten und von Abläufen, die nicht allein auf seine Person beschränkt sind. Zwar entwickelt sich dies häufig aus der Hinzunahme weiterer Freiberufler in Unterauftragsverhältnissen oder einem Zusammenschluss von Freiberuflern, geht aber doch darüber hinaus. Festangestellte Mitarbeiter werden gebraucht, neben den kollegialen Freiberufler-Funktionen bekommen unternehmerische Tätigkeiten ihren eigenen Stellenwert. Eigentumsverhältnisse am Unternehmen, das Tragen von Risiken, die Beteiligung am Ertrag und das besondere Engagement für den Gesamterfolg werden nicht länger nebenbei abgehandelt. Stattdessen werden im Rahmen einer Rollendifferenzierung unterschiedliche Verantwortungsbereiche, aber auch Befugnisse und Unternehmereinkommen definiert. Das Unternehmen wird i.d.R. nach seinen Produkten und seinem Marktauftritt (um)benannt und nicht (länger) nach Personen und deren Profil. Der Unternehmer agiert als Repräsentant eines eigenen „Unternehmenskörpers“, der Identität und Kontinuität jenseits der situativ agierenden Individuen repräsentiert.
Sicher gibt es auch Unternehmen mit anderer Entwicklungsgeschichte. Das Unternehmen entwickelt sich nicht aus einem Angestellten-Dasein oder einer Freiberuflichkeit der künftigen Unternehmer, sondern wird von Anfang an mit einer unternehmerischen Gründungsidee von jemanden aufgesetzt, der hauptsächlich aus der Unternehmerrolle heraus die Entwicklungen vorantreiben und verantworten will.
Beim Autor ging es den im Beratungssektor üblichen Weg. Irgendwann war die Nachfrage so groß, dass andere Freiberufler einbezogen wurden. Die Weitergabe von Aufträgen allein – z.B. gegen Provision – hätte nicht zur Entwicklung eines verlässlichen gemeinsamen Auftritts und einer Marke geführt. Daher wurden nach und nach weitere Freiberufler in ein vom Gründer gesteuertes und verantwortetes Programm eingeführt. Zunehmend bekam Hintergrundarbeit Bedeutung, um Lieferfähigkeit zu sichern sowie Programmentwicklung und Programmqualität zu gewährleisten. Dies erforderte den Aufbau einer Struktur und deren Finanzierung, die Etablierung eines Geschäftsmodells und die Differenzierung von Befugnissen, Verantwortungen und Einkommen von Angestellten, mitwirkenden Freiberuflern und dem Unternehmer. Am Ende wurde für Letzteren die Unternehmenssteuerung zur Haupttätigkeit und Unternehmertum zur Hauptidentität.Diese Übergänge zu gestalten, war für alle eine intellektuelle und emotionale Herausforderung. Je nach Zuordnung zu den verschiedenen Rollen im Unternehmen wurden die dazugehörigen Verantwortungen gestärkt und von anderen wurde entlastet. Aber eben auch Mitbestimmungsgewohnheiten und Interessen aus anderen Rollen wurden begrenzt bzw. wurde geklärt, wie diese Verwerfungsfrei mit den Rollen im Unternehmen abgestimmt werden konnten. Damit wurden die Rechte und Pflichten aller klarer und auf Diskussionen, die vielfältigen Vermischungen geschuldet gewesen wären, flauten ab. Damit gab es auch klare Profile, aufgrund derer die Beteiligten über realistische Erwartungen und über die Passung im Unternehmen entscheiden konnten. Der Autor entschied sich, allein Inhaber und unternehmerisch Verantwortlicher zu bleiben und später das Unternehmen an eine gemeinwohlorientierte Stiftung zu übereignen. Diese Stiftung sollte sich dann aus den Überschüssen des Unternehmens finanzieren, weshalb ihr das wirtschaftliche Wohlergehen des Unternehmens am Herzen liegen muss. Sowohl das Unternehmen als auch die Stiftung werden durch Fachleute aus dem Feld gesteuert. Renditeinteressen ohne Sachverstand oder unternehmerische Verantwortung sollten keinen Platz haben, sondern die unternehmerische Verantwortung im Unternehmen durch einen berufenen Geschäftsführer wahrgenommen werden.
Die letzten Überlegungen aus dem Abschnitt „Unternehmer“ reichen schon in die Sphäre des Investors hinüber. Ein Investor beeinflusst Ströme von Ressourcen und strategische Entscheidungen, ohne in den damit verbundenen Wirtschaftsprozessen unternehmerisch tätig zu sein. Ressourcen können Finanzmittel sein, eigene oder „hinzuorganisierte“, aber auch Sachverstand, Urteilsvermögen, Reputation, Feld- und Menschenkenntnis oder Aufmerksamkeit. Wichtig sind also Urteilsvermögen und Einfluss, über die ein „Kraftfeld“ für das Unternehmen geschaffen und aufrechterhalten werden kann, bis sich dieses selbst erhalten und weiterentwickeln kann. Investoren sind von daher weniger in Vorständen und mehr in Initiativkreisen, Fördergremien oder Aufsichtsräten zu finden. Sie bilden Knotenpunkte in vielfältig vernetzten Systemen, von denen Ausrichtung und Steuerung der Ströme ausgeht und die dazu für andere rahmensetzend wirken. Investorentum braucht es nicht nur für unternehmerische Aktivitäten im engeren Sinne, sondern auch für fachliche Entwicklungen, wissenschaftliche oder kulturell orientierte Organisationen, für Kulturentwicklung in ihren vielfältigen Ausprägungen ganz allgemein.
Beim Autor vollzog sich der Wandel zum Investor im Unternehmen wie in der Stiftung durch die Übergabe der Geschäftsführungen an Nachfolger, in diesem Fall angestellte Leiter. Als Noch-Eigentümer und Stifter konnte er zwar weiterhin mitentscheiden, wie in Aktivitäten und Entwicklungen investiert werden soll, überließ die unternehmerische Initiative und Verantwortung aber zunehmend den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern. Gleichzeitig investierte er in die Entwicklung des Professionsfeldes durch Verbandsarbeit, durch öffentliches Auftreten. Die Förderungen von Begabten und Talentierten im Feld durch Mentoring, durch Hilfe beim Sichtbarwerden, durch organisatorische und finanzielle Unterstützung sowohl im direkten Geschäftsfeld wie auch auf allgemein gesellschaftlichen Bühnen kam hinzu. Dabei durften die eigenen Unternehmungen durchaus eine Stärkung erfahren, doch waren diese Aktivitäten eher von übergeordneter Verantwortung für das Gemeinwohl geprägt.
Coaching oder andere Personal- und Organisationsentwicklungsdienstleistungen können natürlich auch von Angestellten übernommen werden. Da sind zunächst Angestellte in den Unternehmen der Dienstleistungsempfänger selbst. Davon gibt es die charmante Version der Tätigkeit als Teilzeitdienstleister für Angestellte in anderen Funktionen. Diesen Menschen wird nach einer angemessenen Weiterbildung ermöglicht, z.B. 10 Prozent ihrer Kapazität innerhalb des Unternehmens für Coaching-Dienstleistungen oder als Unterstützung in Lern- und Entwicklungsprozessen anderer Abteilungen zur Verfügung zu stellen. Dies bedeutet für sie selbst ein Job-Enrichment bis dahin, dass daraus mit der Zeit eine eigene berufliche Identität werden kann. Für das Unternehmen bedeutet es, Feldkenntnisse und Insider-Wissen besser für eigene Entwicklungen nutzen zu können. Hier liegt der Gewinn neben der systemintelligenten Personenqualifizierung in einer gleichzeitigen Systemqualifizierung und dem Aufbau einer integrierten Lernkultur im eigenen Unternehmen.
Zum anderen werden PE- und OE-Dienstleistungen auch von angestellten Coaches der externen Beratungs- und Bildungsunternehmen erbracht. In vielen Lebenssituationen macht der Einstieg in die Branche über eine Angestelltenrolle Sinn. Und es gibt Coaches, die sich gerne in einem von anderen gut vermarkteten und betreuten unternehmerischen Rahmen bewegen und sich ganz auf die direkte Arbeit mit den Kunden konzentrieren wollen. Für diese Kolleginnen und Kollegen passt das Angestelltenverhältnis auch langfristig. Wie viel Risiko sie dennoch für einen stabilen Arbeitsplatz tragen, hängt vom Arbeitsvertrag sowie vom Markterfolg und der Mentalität des Arbeitgebers ab. Eine Zwischen- oder Übergangsversion sind „feste Freiberufliche“, die regelmäßig für wenige auftraggebende Dienstleistungsunternehmen arbeiten. Zu beachten ist hierbei stets, dass keine Scheinselbständigkeit eingegangen wird.
Auch innerhalb der Dienstleistungsunternehmen gibt es fließende Übergänge. So können Berater zunehmend umfassendere Kundenbetreuung über die direkte Belieferung der Kunden hinaus übernehmen. Sie sorgen so für Erhaltung und Weiterentwicklung der Auftragsbeziehung zwischen ihren Arbeitgebern und deren Kunden. Dies bedeutet, an zusätzlichem Engagement und zusätzlichen Erfolgskriterien gemessen zu werden. Entsprechend können sie für diese Betreuungsarbeit entlohnt oder an Umsatz oder Gewinn beteiligt werden. Schließlich können Einzelne zunehmend für ganze Bereiche unternehmerische Verantwortung übernehmen und dementsprechend vom unternehmerischen Erfolg bis hin zu einer Eigentumsbeteiligung profitieren.
Hier wurden also mehrere Perspektiven voneinander unterschieden und als Phasen hintereinander dargestellt. Doch die Übergänge sind fließend. Die Phasen können durchaus in anderer Reihenfolge angeordet sein.
Interessant verlief dies bei einem Kollegen. Von zu Hause aus wohlhabend versuchte er sich zunächst als Investor, geriet jedoch mehr ins unglückliche Spekulieren. Als Ausweg versuchte er, selbst ein Business als Unternehmer aufzuziehen. Mangels Erfahrung und Glück scheiterte auch dies. Erst dann besann er sich darauf, sich in einem Fachgebiet persönlich tiefgründig zu qualifizieren und damit freiberuflich tätig zu werden. Parallel investierte er Kraft und Können in entsprechende Verbände und Netzwerke und lernte mehr und mehr zu unterscheiden, wo und mit wem sich Unternehmertum und Ko-Investorentum lohnte. Als dies glückte, begab er sich – aufbauend auf seine Freiberuflichkeit – erneut auf den Entwicklungsweg zum Unternehmer. Erfolge halfen, frühere Frustrationen hinter sich zu lassen und sich ein Standing als Unternehmer zu erwerben. Beseelt von diesem neuen Selbstverständnis und einer weiterhin gefühlten Berufung, entwickelt er neue Investorenideen, sodass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen segensreich wirken könnte.
Kompetenz in einer der drei Dimensionen bedeutet nicht automatisch Kompetenz in einer der anderen. So sind Beispiele bekannt von kreativen und am Markt erfolgreichen Freiberuflern, die den Wandel zum Unternehmer nicht befriedigend vollzogen haben. Das kann verschiedene Ursachen haben, z.B. dass der Sprung in die notwendige neue Ausdifferenzierung von Rollen, Strukturen, Befugnissen und Verantwortlichkeiten nicht als notwendig begriffen wurde oder nicht gelungen ist. Zwar versuchen Freiberufler immer wieder, an der Delegation von überschüssigen Aufträgen mitzuverdienen, doch bleibt das oft unbefriedigend und der Übergang zum Unternehmertum in Ansätzen stecken. Wenn keine unternehmerische Mehrleistung dazukommt, wird kaum eine höherwertige Marke gebildet und Kunden an diese Marke gebunden werden können. Freiberufliche Kolleginnen und Kollegen werden auf Dauer nicht bereit sein, ohne erkennbare Gegenleistung von ihrem Honorar abzugeben, sondern eher Möglichkeiten suchen, Kunden auf eigene Rechnung zu bedienen. Wenn nicht genügend unternehmerische Leistung entwickelt und geboten wird, wird kein stabiles Unternehmereinkommen zu erlangen sein.
Der Übergang in eine unternehmerische Struktur lohnt oft nicht wirklich. Darüber, wie weit gesprungen werden muss, sollte sich ein Freiberufler, der seinen Markterfolg unternehmerisch nutzen will, im Klaren sein. Sonst besteht die Gefahr, in einer „halb garen“ Entwicklung, letztlich ohne Mehrwert hängen zu bleiben.
Gelegentlich wäre der Übergang zum Unternehmertum durchaus möglich, doch fehlt die Entschlossenheit des Freiberuflers in die Unternehmerrolle zu wechseln. Dies liegt manchmal daran, dass die Lust, den Kunden persönlich zu beliefern, selbst auf der Lieferbühne zu agieren, vorrangig ist. Oder Führungs- und Entwicklungsverantwortung im eigenen Unternehmen wird als Notwendigkeit nicht erkannt oder gescheut. Manche versuchen, beide Identitäten maximal zu bedienen und jonglieren auch bei Erfolg ständig damit, obwohl die eigene Kraft dafür schlicht nicht ausreicht. Die Hoffnung, dennoch alle Cahncen als Freiberufler nutzen und die Unternehmerfunktionen delegieren zu können, weicht meist bald einer Ernüchterung, weil Unternehmerfunktionen und Verantwortung erst gründlich aufgebaut werden müssen, bevor sie partiell delegiert werden können.
Übergangsprobleme kann es auch beim Wechsel in die Investorenrolle geben. Zwar stehen die Ressourcen dafür zur Verfügung, aber das Bedürfnis, selbst die unternehmerische Kontrolle zu behalten, bleibt zu groß, um loslassen zu können. Manche können zwar die Unternehmerrolle ausfüllen, aber ihnen fehlt die Urteilskraft und das Beziehungsverhalten, um die unternehmerische Funktion rechtzeitig in die richtigen Hände zu legen und danach aus der Investorenrolle angemessen zu agieren.
Es ist durchaus möglich, ein Portfolio aus allen Dimensionen gut zu bedienen, wenn man sie gut zu unterscheiden und die Passung mit der eigenen Persönlichkeit und Lebensentwicklung richtig einzuschätzen weiß. Viele gehen diese Übergänge halbherzig, zu spät oder ohne die notwendige Investition von Zeit und Geld, Aufmerksamkeit und Spielraum für Fehlversuche und Lernschritte an.
Diese Ausführungen sollten helfen, die unterschiedlichen Rollenlogiken und dafür entscheidenden Kontexte und Horizonte unterscheiden zu können. Man braucht Talent und Lernfähigkeit in allen Dimensionen, Flexibilität in den Identitäten und ein Gefühl für das richtige Timing im Leben und für die Gestaltung der Übergänge.
Der Autor genießt es, 74-jährig nach Jahren der Übergangsarbeit halb als Ruheständler zu leben und halb als Investor in vielen Bereichen der Entwicklung der nachfolgenden Generation und der gesellschaftlichen Entwicklung zu dienen, solange er Lust hat und die Kraft reicht.