Beruf Coach

Anforderungen an ein Coaching-Konzept

7 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 04 | 2004

Zu den grundlegenden und teilweise wenig beachteten Charakteristika eines Coachs gehört sein Coaching-Konzept. Dieses Konzept stellt die Basis der Beratungstätigkeit Coaching dar. Dabei kann relativ häufig festgestellt werden, dass der Begriff "Konzept" sehr unterschiedlich aufgefasst und ausgefüllt wird. Dies betrifft nicht nur den Umfang, sondern insbesondere die inhaltliche Tiefe und das nachvollziehbare Zusammenwirken aller Elemente des Konzeptes. Der Coaching-Markt bewegt sich hier in einem Spannungsfeld, welches von bunten Broschüren mit englischsprachigen Schlagworten bis hin zu quasi-philosphischen Abhandlungen in Buchdimensionen reicht.

Somit stellt sich für den (potenziellen) Klienten die Frage, ob und ggf. wie das Vorhandensein und die Ausprägung eines Coaching-Konzeptes bei der Auswahl eines Coachs eine Orientierung gebende Hilfestellung leisten kann.
Gleichzeitig richtet sich die Frage nach der Güte eines Coaching-Konzeptes auch an jeden Coach und insbesondere diejenigen, die die Absicht verfolgen, Coach zu werden.

Wenngleich sich für einen individuellen Beratungsansatz wie das Coaching kein allgemeingültiges Konzept vorgeben lässt, gibt es dennoch sehr wohl grundsätzliche Richtlinien und Fragestellungen, welche ein gutes Coaching-Konzept berücksichtigen bzw. beantworten sollte.

Im folgenden soll nun darstellt werden, welche Anforderungen an das Konzept eines professionellen Coachs gerichtet werden dürfen und auf welche Fragen ein Klient legitimerweise Antworten erwarten darf.

Das Konzept eines Coachs sollte (mindestens) über fünf Bereiche Auskunft geben:

- Die Definition des Coachings / Das Coaching-Verständnis
- Die Methoden und Wirkungszusammenhänge im Coaching-Prozess
- Die Rahmenbedingungen, die für ein Coaching notwendig sind
- Das konkrete Angebot eines Coachs und seine Besonderheiten
- Die Haltung und das Menschenbild des Coachs

Folgend sollen zur Verdeutlichung diese fünf Bereiche näher erläutert werden:

Die Definition des Coachings / Das Coaching-Verständnis:

Da mittlerweile nahezu jegliche auch nur annähernd beraterische Dienstleistungen auch unter dem Begriff "Coaching" zu finden sind, kommt der Definition des Coachings die wohl elementarste Bedeutung im Coaching-Konzept zu. Mit der Erklärung des Coaching-Begriffes definiert der Coach seine Arbeit und grenzt sie von anderen Tätigkeiten und Dienstleistungen ab. Es sollte u.a. deutlich werden, dass Coaching eben nicht für jedes Anliegen eine geeignete Maßnahme sein kann und sich der Coaching-Anbieter ggf. auf bestimmte Zielgruppen und Ausgangssituationen spezialisiert hat.

Kernfragen, die der Coach bzw. sein Konzept beantworten können sollten, sind:
- Was genau versteht der Anbieter unter dem Begriff "Coaching"?
- Welche Zielsetzungen können damit realistischerweise abgedeckt werden?
- Wo liegen sinnvolle Einsatzbereiche im Coaching?
- Wie unterscheidet sich Coaching von anderen Formen der Beratung?
- Welche Grenzen hat das Coaching?
- Was kann Coaching demzufolge nicht leisten?

Die Methoden und Wirkungszusammenhänge im Coaching-Prozess

Häufig werden Coachs gefragt, welche Methoden sie im Coaching einsetzen. Dabei wird zuweilen vernachlässigt, dass methodische Kompetenz mehr als das Beherrschen bestimmter Methoden erfordert. Entscheidend ist, ob der Coach in der Lage ist, die zur jeweiligen Situation passenden Methoden ableiten zu können (was zusätzlich diagnostischer Fähigkeiten und Kenntnisse bedarf) und diese Methoden mit einer angemessenen Haltung (s.u.) einsetzt. Letztendlich kann jede Methode missbraucht werden, so dass die methodische Kompetenz alleine wenig über den Erfolg des Coachings aussagt.

Kernfragen:

- Welches Ursache-Wirkungsverständnis hat der Coach (sofern ein Modell von Ursache und Wirkung seinem Denken entspricht)?
- Welche Wirkungsprozesse werden im Coaching angestrebt?
- Wie versucht der Coach Veränderungen zu unterstützen?
- Welche Methoden setzt der Coach ein und warum diese und nicht andere?
- Welche Ziele/Wirkungen sind mit methodischen Modell des Coachs erreichbar?
- Welchen Nutzen darf der Klient erwarten?
- Welcher Schaden könnte durch den Einsatz von Coaching entstehen?

Die Rahmenbedingungen, die für ein Coaching notwendig sind:

Zu den Rahmenbedingungen, die ein Coach für seine Arbeit benötigt, gehören neben materiellen Aspekten ebenso ideelle Grundvoraussetzungen, beispielsweise Freiwilligkeit, Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz, Lernkultur, Veränderungsbereitschaft, Diskretion in der Beratungsarbeit uvm. Bei genauer Betrachtung stellt sich insbesondere für die Beratungsform Coaching heraus, dass ein Einsatz nur unter bestimmten Rahmenbedingungen überhaupt sinnvoll sein kann. Ein guter Coach sollte daher in der Lage sein, diese Bedingungen zu benennen und auch zu begründen, warum ihr Fehlen ein Coaching nicht bzw. schwer möglicht macht.

Kernfragen:

- Unter welchen Bedingungen kann das Coaching fruchtbar ablaufen?
- Was sind Ausschlusskriterien für den Einsatz von Coaching?
- Welche persönlichen und fachlichen Voraussetzungen muss ein Coach erfüllen?
- Welche Voraussetzungen werden vom Klienten erwartet, wie muss der Beratungskontext aussehen?
- Wie stellt der Coach sicher, dass die Voraussetzungen gegeben sind?
- Welche zeitlichen, räumlichen, materiellen, finanziellen, menschlichen Aspekte werden für ein Coaching als sinnvoll bzw. notwendig erachtet?
- Wie erreicht der Coach normalerweise seine Klienten?

Das konkrete Angebot eines Coachs und seine Besonderheiten

Professionelle Coachs sind i.d.R. spezialisiert. Dies kann z.B. in methodischer Hinsicht der Fall sein, aber auch in Bezug auf die Coaching-Varianten, Zielgruppen, Branchen, Anliegen (meist eine Kombination dieser und weiterer Faktoren). Ferner bietet gerade eine individuelle Beratungsdienstleistung wie das Coaching einen Raum dafür, Besonderheiten anzubieten, die einen Coach nicht nur von anderen Beratern, sondern auch von anderen Coachs zu unterscheiden helfen. Gleichzeitig sei einschränkend darauf hingewiesen, dass andererseits genau dieser Freiraum genutzt wird, um Leistungen anzubieten, die einer seriösen Coaching-Praxis entgegenstehen. Dieses Ausnutzen von Gestaltungsfreiräumen sollte aber nicht dazu führen, Coaching "normieren" zu wollen. Vielmehr ist der Freiraum wertzuschätzen; und als bessere Alternative zur Eingrenzung oder Normierung scheint ein jeweils kritisches Hinterfragen angemessener.

Kernfragen:

- Welche Coaching-Varianten (Einzel-, Gruppen-, Projekt-Coaching...) bietet der Coach an?
- Über welche Spezialkenntnisse verfügt er?
- Wer gehört zu der Zielgruppe des Coachs, wer nicht?
- Wo setzt der Coach Schwerpunkte (inhaltlich, formell, Zielgruppen, Hierarchieebenen)?
- In welchen Branchen will/kann der Coach arbeiten?
- Was unterscheidet das Coaching-Angebot von anderen Angeboten, wo sind spezifischen Stärken?

Die Haltung und das Menschenbild des Coachs:

Wie bereits oben dargelegt, reicht auch eine ausgezeichnete Methodenkompetenz des Coachs nicht für erfolgreiche Coaching-Prozesse aus. Entscheidender ist das Zusammenspiel von Haltung und Können. Die Haltung des Coachs ist wiederum abhängig von seinem Menschenbild, z.B. ob diese eher lösungs- oder problemoriertiert ist. Auch beeinflusst das Menschenbild des Coachs natürlich den Aspekt, mit welchen Klienten der Coach zusammenarbeiten kann und will.

Kernfragen:

- Wie sieht der Coach Menschen und insbesondere seine Klienten?
- Ist der Coach in seiner Wahrnehmung eher defizit- oder leistungsorientiert?
- Welche Veränderungen hält der Coach realistischerweise für möglich?
- Welche Haltung hat der Coach gegenüber seinen Klienten und warum?
- Welche Haltungen lehnt der Coach mit welcher Begründung ab?
- Welche methodischen Konsequenzen folgen daraus (Spezialisierungen/Ablehnen bestimmter Methoden)?
- Welche Haltungen erwartet der Coach vom Klienten?
- Welche Haltungen akzeptiert der Coach nicht vom Klienten?

Abschließend sei betont, dass es für die dargestellten Kernfragen zum Coaching-Konzept nicht "die" Antworten geben kann. Wichtig ist primär das Vorhandensein eines individuellen Konzeptes mit individuellen (aber in sich schlüssigen) Antworten, welche den spezifischen Fähigkeiten und Absichten des Coachs und den Anliegen seiner Zielgruppen Rechnung tragen.

Fazit

Das Coaching-Konzept klärt das Selbstverständnis eines Coachs und ist zentrale Grundlage seiner Tätigkeit. Insbesondere bei der Auswahl des "richtigen" Coachs oder dem Aufbau eines Coaching-Pools durchaus hilfreich, neben anderen erfassbaren Faktoren auch zusätzlich die "konzeptionelle Stärke" eines Coachs im Blickpunkt zu behalten. Berufsanfänger sollten ihre Arbeit dahingehend reflektieren, ob sie auf die oben genannten Fragen zum Konzept hinreichend präzise Antworten geben können.

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