Ethik

Loyalitätskonflikte im Coaching

4 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 01 | 2003

Der Begriff der "Loyalität" mag zunächst ein wenig verwundern. Zum einen, weil er vielleicht eher altmodisch anmutet; zum anderen, weil der Zusammenhang zum Coaching erklärungsbedürftig erscheint. Zweifellos hat der Aspekt der Loyalität im Coaching hohe Relevanz, so zeigt sich z.B. im kollegialen Austausch immer wieder, dass Loyalitätskonflikte im Coaching auftreten, wenn bestimmte Konstellationen vorliegen. Dies lässt sich aber durchaus verhindern, wenn eine entsprechende Vorsorge getroffen wird.

Der Duden versteht unter Loyalität die "Treue gegenüber der herrschenden Gewalt" und "Vertragstreue; Achtung vor den Interessen anderer; Anständigkeit, Redlichkeit". Alle diese Aspekte sind im Coaching Bedeutung. Dies soll folgend näher ausgeführt werden.

Interessenskonflikte

Zur "Treue zur herrschenden Gewalt" ist der Coach gegenüber seinem Auftraggeber und - sofern nicht identisch - seinem Klienten gegenüber verpflichtet. Sind Auftraggeber und Klient nicht identisch, können Loyalitätskonflikte entstehen, die die Arbeit des Coachs erschweren und sogar unmöglich machen können.Hier ist es von außerordentlich wichtiger Bedeutung, von Beginn an auf der Basis eines klar umrissenen Kontraktes zu arbeiten. Dieser sollte die Erwartungen und Zielsetzungen von Coach, Klient und Auftraggeber definieren und insbesondere den Punkt der Diskretion eindeutig klären.

"Klassische" Loyalitätskonflikte entstehen, wenn z.B. der Auftraggeber eine zielgerichtete Beeinflussung eines Mitarbeiters wünscht, diese aber als freiwillige "Beratung" deklariert wird. Der Coach würde hier zum Agenten des Auftraggebers werden, was seine Neutralität - und damit seine Glaubwürdigkeit - prinzipiell in Frage stellt.

Andererseits kann auch ein Klient ein arbeitgeberfinanziertes Coaching für Zwecke nutzen wollen, die den Interessen des Auftraggeber entgegenstehen, z.B. um seinen Ausstieg aus der Organisation vorzubereiten. 

Die Gefahr, von unterschiedlichen Interessen instrumentalisiert zu werden und in einen Loyalitätskonflikt zu geraten, kann somit sehr schnell auf den Coach zukommen. Eine entsprechende Klärung, was Coaching leisten kann und welche Grenzen sinnvollerweise gesteckt werden, empfiehlt sich somit dringend vor dem Beratungsprozess.

Achtung des Klienten als Experten in eigener Sache

Weiterhin ist ein Loyalitätskonflikt durchaus möglich, wenn der Klient auch der Auftraggeber ist. Hier greift der zweite Teil der Duden-Definition: Die "Achtung vor den Interessen anderer". Diese ist im Coaching-Prozess ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Wesentliches Merkmal des Coachings im Sinne einer Prozessberatung ist es, nicht dem Klienten zu sagen, wie etwas besser geht, sondern ihn zu unterstützen, selbst eine Lösung für sich zu finden. Der Coach ist kein "Besser-Wisser", sondern sollte ein "Besser-durch-den-Prozess-Begleiter" sein. Dazu gehört in besonderer Weise die Achtung des Klienten als Experten in eigener Sache. Genau dies ist Loyalität in eben diesem zweiten Sinn.

Kritische Loyalität

Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: die kritische Loyalität. Dazu gehört die Möglichkeit, dem Klienten eine unbequeme Reflexion seiner eigenen Zielsetzung zu ermöglichen. Der Coach ist kein Erfüllungsgehilfe, sondern ein Reflexionspartner, der notwendigerweise auch andere Positionen vertreten können muss. In diesem Sinne ist die Loyalität gegenüber dem Klienten keine blinde Erfüllungshilfe, sondern eine Unterstützung und Begleitung auch in den Punkten, die der Klient möglicherweise bisher nicht oder nur unvollständig wahrgenommen hat. Dies ist insofern sinnvoll und notwendig, da Klienten nicht selten deswegen einen Coaching-Bedarf haben, weil ihre bisherigen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster für ein bestimmtes Anliegen ungeeignet sind. Oftmals äußert sich dies in einem diffusen Unbehagen und der Schwierigkeit, das eigentliche Anliegen "auf den Punkt zu bringen". Ein Erfüllungsgehilfe würde hier im schlimmsten Fall nur die Tendenz verstärken, unreflektierte Zielsetzungen zu verfolgen. Der Nutzen einer solchen Beratung wäre überschaubar, denn im Zweifelsfall bekommt der Klient nur zurückgespiegelt, was er selbst gesagt hat oder gerne hören möchte. Damit wird aber die Chance vertan, neue Lösungen und Sichtweisen zu finden, die jenseits des bisherigen "Denkhorizonts" möglich gewesen wären. Und oft liegt genau da die Lösung für die Anliegen, die zum Coaching führen, weil die bisherigen Klärungsversuche gescheitert sind.

Fazit

Ein professioneller Coach kennt das Loyalitätsdilemma. Um von Beginn des Beratungsprozesses an ethisch korrekt, glaubwürdig und wirksam arbeiten zu können, ist eine frühzeitige Klärung im Kontrakt zu empfehlen. Grundsätzlich verpflichtet sich der Coach zur Loyalität gegenüber dem Kontrakt. Diese Zusammenhänge sollten einem Auftraggeber und dem Klienten bewusst gemacht werden, um (auch subtilen) Versuchen, den Coach parteiisch zu nutzen, eine Absage zu erteilen. Erst so wird eine fundierte und neutrale Beratung möglich.

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