Ethik

Corporate Philosophy

Ein strategisches Instrument zur Gestaltung von Unternehmenskultur

Corporate Philosophy und Corporate Identity, Unternehmensphilosophie und Unternehmensleitbild – Begrifflichkeiten, die schon einmal durcheinandergeworfen werden. Hierzu mag auch der im vorliegenden Artikel beschriebene Umstand beitragen, dass dem Begriff der Unternehmensphilosophie bzw. Corporate Philosophy in vielen Fällen nur eine verkürzte Bedeutung beigemessen wird. Ein vertieftes Begriffsverständnis definiert die Unternehmensphilosophie als reflexives Instrument der Gestaltung von Unternehmenskultur. 

14 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2017 am 22.11.2017

Der Begriff „Unternehmensphilosophie“ wird meist dazu gebraucht, die Ziele und innere Haltung eines Unternehmens bezüglich der Produkte und Dienstleistungen, ihrer Her- bzw. Bereitstellung sowie des internen wie externen Umgangs mit sämtlichen Stakeholdern zu formulieren. Hierbei werden – je nach Unternehmensgröße mehr oder weniger detailliert – vor allem ethische Normen bzw. Handlungsmaximen aufgestellt, die in idealer Weise die Arbeitsprozesse sowie das gewünschte Verhältnis zwischen der Firmenleitung und – vornehmlich – den Kunden, aber auch den Mitarbeitern und Zulieferern beschreiben. 

Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Anwendung des Begriffs Unternehmensphilosophie (oder internationaler: Corporate Philosophy) diesen bereits vollumfänglich umfasst bzw. ausfüllt. Der oft synonyme Gebrauch der Begriffe Corporate Identity, Unternehmensleitbild oder gar Code of Conduct (als Ausdruck einer gewünschten Compliance-Kultur) und Mission Statements zeigt, dass der Verstehens-Spielraum des Ausdrucks Corporate Philosophy sehr groß ist und es somit wichtig ist, die Bedeutung etwas genauer zu beleuchten.

Nach Meinung des Autors füllt die herkömmliche Anwendung bzw. das herkömmliche Verständnis von Unternehmensphilosophie den Begriff nicht genügend aus, und zwar weil in seiner Anwendung entweder nur die gewünschte Arbeitsweise des Unternehmens beschrieben oder eine ideal gedachte Unternehmensethik aufgestellt werden – bestenfalls beides. Die Komponenten des Kompositums werden hierbei aber nur verkürzt erfasst: Unternehmen = klar abgrenzbares, wirtschaftlich handelndes Rechtssubjekt; Philosophie = Meinungsäußerung bezüglich eines gesollten bzw. idealerweise gewünschten Zustands in Bezug auf das Unternehmen. Dadurch wird die breitere bzw. tiefere Bedeutung, die es als Instrument der strategischen Unternehmensführung zur Reflexion über die Modulation der Unternehmenskultur interpretieren lässt, ausgeblendet.

Zur Annäherung an diesen weiteren Sinn von Corporate Philosophy wird im Folgenden zuerst ein genauerer Blick auf die Bestandteile des Kompositums geworfen und darauf aufbauend das Verständnis von Unternehmensphilosophie als Strategiewerkzeug erläutert.

Was ist Philosophie?

Schon seit Aufkommen des Begriffs in der griechischen Antike wird umfassend über dessen Horizont, Gegenstand und Ausübung nachgedacht, woraufhin sich viele Bestimmungen und Definitionen herausbildeten, von denen zwar alle irgendwie richtig, aber keine abschließend, vollständig oder definitiv ist. Was aber in einer schnellen Annäherung immer noch das beste Verständnis von Philosophie bereithält, ist seine wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen mit „Liebe (philia) zur Weisheit (sophia)“. Denn sowohl von Liebe als auch von Weisheit haben wir eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung – bis wir versuchen, diese Phänomene definitorisch zu bestimmen. Was also ist Liebe, was Weisheit? 

Seit alters her reden, denken und schreiben die Menschen über die Liebe, doch gab es bislang noch keine endgültige, allumfassende Bestimmung davon. Man kann aber, um die weitschweifigen Reflexionen über diesen Begriff abzukürzen, das Phänomen sinnvoll als eine innere Haltung der Offenheit für bzw. Hingeneigtheit zu etwas beschreiben. Dieses Etwas wäre in diesem Kontext somit die Weisheit.  

Weisheit steht in engem etymologischen Zusammenhang mit Wissen, welches von seiner Wortherkunft ein (geistiges) Gesehen-haben bedeutet. Das, was man hierbei gesehen respektive eingesehen hat, ist das Wesen der Dinge, die Zusammenhänge aller Erscheinungen und ihrer Wechselwirkungen. Weisheit meint also ein Verständnis vom Leben als Ganzes. 

Philosophie als Liebe zur Weisheit wäre demnach die freundschaftliche Hingeneigtheit zum Verstehen des Lebens als Ganzes, d.h. also eine (geistige) Bewegung in Richtung eines umfassenden Weltverständnisses. Zwar hat jeder Mensch in gewisser Weise bereits ein bestimmtes Verständnis von seiner (Um-)Welt, aber zu einer Philosophie gehört zudem, dass dieses Verständnis durch Reflexion sprachlich explizit gemacht, d.h. ausgedrückt wird. Kombiniert man diese Interpretation nun mit dem Begriff Unternehmen, so erhält man als Unternehmensphilosophie eine geistig offene Neigung zum expliziten Erfassen dessen, was ein Unternehmen generell oder ein bestimmtes Unternehmen seinem Wesen nach ist. Aber:

Was ist ein Unternehmen?

Auch dieser Begriff hat seine eigene lange Geschichte der versuchten Definition, die in das allgemeine Verständnis einer wirtschaftlichen, steuerrechtlich als Rechtssubjekt behandelten, auf Gewinnerzielung orientierten Einheit mündete. Die hier zugrunde gelegte Definition eines Unternehmens versteht dieses als ein auf ein Ziel hin orientiertes Gefüge von Individualphilosophien (Schreiber, 2012). Denn ein Unternehmen bzw. eine Unternehmung besteht im Wesentlichen aus den diese Unternehmung ausübenden Menschen, die sich in vorheriger Absprache oder auf Anweisung gemeinsam kooperativ auf ein definiertes Ziel hinbewegen. Ihre Aktivitäten sind derart ineinander gefügt, dass sich das gesetzte Ziel am effizientesten erreichen lässt. Als einzelne, individuelle Menschen haben sie jedoch immer schon eine meist nur implizite, nicht weiter reflektierte und somit erläuterbare Weltauslegung, ein Weltverständnis, mithin eine Philosophie, die durch Handlungen ausdrücklich wird. Corporate Philosophy zielt somit auf ein begrifflich erfassendes Nachdenken über das Wesen eines auf ein gemeinsames Ziel hin orientierten Gefüges aus kooperierenden Individuen.

Was bestimmt die Identität eines Unternehmens?

Es wirft sich nun die Frage auf, was denn eigentlich der einheitliche, identitätsstiftende Kern eines solchen Gefüges ist. Gemeinhin verweist man hierbei auf das Ziel, das dieses Gefüge verfolgt. Jedoch teilen dieses Ziel sehr viele solcher Gefüge, die sich dennoch in selbstidentifizierender Weise voneinander unterscheiden. Das bedeutet, dass das Ziel, z.B. die Herstellung eines Produktes X und dessen gewinnbringende Veräußerung, von vielen Gemeinschaften verwirklicht wird, dass es aber dennoch zur Unterscheidung der einzelnen Gemeinschaften andere Kriterien gibt, als das Produkt X und dessen Verkauf. Das Wesen des Gefüges liegt somit nicht im transzendenten, äußeren Ziel, sondern (die juristische Bestimmung eines registrierten Rechtssubjekts außer Acht gelassen) vielmehr in seiner inneren Verfugung, d.h. in dem, was es als ein Gefüge zusammenfügt bzw. wie es zusammengefügt ist. Und dieses ist die als gemeinsamer Erlebnishorizont des Zusammenspiels der vielen Individualphilosophien erfahrbare Unternehmenskultur. 

Jedes Unternehmen generiert, gewollt oder ungewollt, schon allein durch das Gefüge der miteinander kooperierenden Individualphilosophien eine Kultur. Die Darstellung von Kultur jedoch geschieht auf verschiedenen Ebenen, namentlich ihren drei Säulen der Kommunikation, des Verhaltens und des Designs, d.h. der nach außen wirksam werdenden Gestaltung. Diese Säulen sind die symbolische Ausgestaltung des Zusammenspiels der zugrundeliegenden Ebenen von Basisannahmen (z.B. Glaubenssätze, Grundannahmen, Weltinterpretationen, Denkweisen) sowie Normen und Standards (z.B. Handlungsmaximen, Verhaltensrichtlinien, Ideologien, Moralen). 

In dem unternehmerischen Instrument Corporate Identity wird versucht, trotz aller Heterogenität innerhalb dieser genannten drei Ebenen dem Unternehmen eine einheitliche Identität zu geben. Aber genau genommen kann man bei der oben gegebenen Definition von einem Unternehmen als ein auf ein gemeinsames Ziel hin kooperierendes Sozialgefüge aus Individualphilosophien von keiner wesensartigen Identität (im Sinne von A = A) sprechen. Vielmehr ist dieser Begriff eine Allegorie, die einen einheitlichen Rahmen der äußerlich sichtbaren und innerlich spürbaren Identifikationsmöglichkeit bieten oder darstellen soll. Dazu ist es nötig, dass sich vor allem die Mitarbeiter eines Unternehmens mit diesem in eins setzen, was zwar nur äußerlich und am Rande durch die zustimmende Identifizierung auf der Symbolebene (Design, Verhalten, Kommunikation) geschieht, aber nur gelingt, wenn diese Identifikation auf der Ebene der Kultur, d.h. der Basisannahmen und philosophischen Grundstellungen stattfindet. 

Unternehmensphilosophie kann nun also als eine Haltung angesehen werden, die sich in expliziter und nachdenklicher Weise um genau diese Gestaltung der Basisannahmen, mithin der Kultur kümmert, und zwar um die Basisannahmen aller am Unternehmen beteiligten Menschen, d.h. aller Stakeholder. Somit kann man zusammenfassend die Unternehmensphilosophie bestimmen als das Fundament, das einer jeden Corporate Identity zugrunde liegt. Und als ein einflussnehmendes Werkzeug ist sie das strategische Instrument zur Gestaltung der Unternehmenskultur.

Corporate Philosophy ist aktiver „Klimaschutz" im Unternehmen

Diese strategische Gestaltung der Kultur, d.h., sich strategisch um die inneren Werte, um die Moral der am Unternehmen Mitwirkenden zu kümmern, ist jedoch die hoheitliche Aufgabe der Unternehmensleitung. Glücklicherweise gestaltet sich die Kultur eines Unternehmens zumeist ohne gezielte, strategische Einwirkung seitens der Unternehmensführung, besonders wenn zu Beginn einer Betriebsgründung die Mitarbeiterzahl noch gering und der Gründer noch selbst im Unternehmen präsent ist. Jedoch ist Glück eher eine Zufallsoption und somit kaum kontrollier- und steuerbar, besonders dann nicht, wenn die Unternehmung komplexer und das Gefüge größer wird. Der Erfolg eines Unternehmens sollte aber nicht dem Zufall überlassen, sondern als Strategie gezielt angesteuert werden. Und der Erfolg eines Unternehmens (hier im Sinne sowohl von Firma als auch Unternehmung) hängt maßgeblich von der Philosophie respektive Moral der darein verfugten Individuen ab. Dies wusste schon der große, chinesische Stratege und General Sunzi (ca. 500 v. Chr.), der die folgenden fünf Elemente als Entscheidungskriterien über Sieg oder Niederlage im Krieg ausmachte (Sunzi, 2006):

  1. moralische Führung (Werte)
  2. Wetter (Wirtschaftssystem, -lage)
  3. Terrain (Branche, Markt)
  4. Führung (Management)
  5. Disziplin (Ordnung, Regeln, Prozesse)

Die rationale Durchdringung der über die Individualphilosophien umgesetzten Moral in einem Unternehmen und deren moderate Modifikation ist also das entscheidende und oberste Kriterium für ein (langfristig gedachtes) Gelingen oder Scheitern eines Unternehmens. Die Disziplin, d.h. die verordneten Regeln, Normen und deren Umsetzungsprozesse, die Betriebs- und Prozessabläufe usw. rangieren nach Sunzi erst an fünfter Stelle. Wer die Manipulation dieser fünften Stellschraube als vorrangig ansieht und praktiziert, besonders weil dies den leichtesten, geregeltsten und am besten kontrollierbaren Zugriff erlaubt, verkennt und verkehrt die Prioritäten und handelt zudem vor allem gegen das innere (nach Viktor Frankl sinnsuchende und werteverwirklichende) Wesen des Menschen. Sunzi setzt die moralische Führung an erste Stelle, weil diese die Truppen ungeachtet der eigenen Angst vor dem Tod zu Höchstleistungen motiviert.

Und so verhält es sich auch in modernen Unternehmen: Eine entsprechende (= gute) moralische Führung motiviert die Mitarbeiter sowie alle anderen Anspruchsgruppen, leistungsstark und effizient am Erfolg der Unternehmung mitzuwirken, auch wenn dies nicht in jedem Moment der individuellen Lustbefriedigung dient oder wenn die Mitarbeiter mit Ängsten belastet sind. Die „geistig-moralische Führung“ schenkt den Stakeholdern Vertrauen, lässt sie sich mit dem Unternehmen identifizieren und führt sie zu loyalem, gar freundschaftlichen Verhalten.

Somit strahlt eine explizit erstellte, immer wieder überprüfte und notwendigerweise korrigierte bzw. angepasste und vor allem gelebte Unternehmensphilosophie auf alle Bereiche einer Unternehmung aus und führt diese langfristig und nachhaltig zum Erfolg. Die Unternehmensführung gewinnt dadurch einerseits eine größere Freiheit, lenkend-leitend in die Dynamik der Kultur und somit in die Gestaltung der Identität und des Images einzugreifen, andererseits an Sicherheit bezüglich schwieriger Entscheidungssituationen, weil sie nun das Unternehmen von Grund auf kennt und weiß, wonach sich der Sinnhorizont und Wertekompaß der Stakeholder ausrichtet. Diese, auf Authentizität gründende Sicherheit und Freiheit wirken sich positiv auf die Mitarbeiterführung, auf die Produktivität, kurz: auf das Klima im und um das Unternehmen aus. Zusammenfassend kann man folglich die strategisch angewandte und gelebte Corporate Philosophy auch definieren als aktiven und effektiven „Klimaschutz“ im Unternehmen.

Die Frage nach dem Wie von Unternehmensphilosophie

Nach all den Überlegungen und Bestimmungen von Unternehmensphilosophie stellt sich für die Unternehmensleitung die rein praktische Frage, wie denn eine solche erstellt werden kann, ohne die Kernaufgaben der Führung aus den Augen zu verlieren oder zu vernachlässigen. Denn schließlich sehen alle bisherigen Bestimmungen so aus, als erforderten sie eine vollzeitliche philosophische Betrachtung des Unternehmens, wofür keine Firmenleitung tatsächlich die notwendige Zeit hätte. 

Eine umfassende und praktikable Methode ist mit dem Akronym AAGG (Schreiber, 2012) benannt. Die Anfangsbuchstaben stehen für Anamnese, Analyse, Gründung und Gestaltung und bilden einen methodischen Vierschritt zur Erstellung einer Corporate Philosophy, wobei die einzelnen Schritte oftmals derart ineinander übergehen, dass sie kaum mehr voneinander getrennt werden können. Im Folgenden sollen die einzelnen Teilschritte näher erläutert werden.

Anamnese

Der heutzutage eher im medizinischen Kontext verortete Begriff bedeutet ursprünglich Wiedererinnerung. In der Medizin wird durch gezieltes Nachfragen die Vorgeschichte der Krankheiten des Patienten sowie dessen aktuelle Beschwerden ins Gedächtnis gerufen bzw. zum Bewusstsein gebracht. Im Kontext der AAGG-Methode wird ähnlich verfahren, jedoch wird hierbei die geistes- und denkgeschichtliche Heimat des Unternehmens explizit gemacht. Es werden also über bestimmte Fragen die existenziellen philosophischen Grundannahmen sichtbar gemacht, die die Unternehmensführung bezüglich des Unternehmens hat. 

Diese Grundannahmen lassen sich in vier Kategorien unterteilen: Kosmologie, Anthropologie, Epistemologie und Teleologie. Die kosmologischen Fragen zielen auf das Verständnis von Raum, Zeit und Ordnung der Dinge und erfragen vom Unternehmensleiter, sowohl wie er das Unternehmen hinsichtlich dieser Begriffe verortet, als auch wie er selbst dazu steht. Diese doppelte Frageintention ist insofern sehr aufschlussreich, als dass es oftmals große Unterschiede gibt, wie eine Geschäftsleitung das Unternehmen als eine dritte Person interpretiert und wie sie selbst sich darin einordnet. Es wird also immer nach diesen beiden Interpretationsrichtungen gefragt, so auch in der Kategorie Anthropologie. Hierbei geht es um die Fragen nach dem Menschsein, d.h. was denn einen Menschen als Menschen auszeichne und wie sich ein solcher zu verhalten habe. Interessant sind dabei die oftmals auftretenden Inkonsistenzen in der Interpretation von z.B. Kunden, Mitarbeitern, Zulieferern und Familienangehörigen. 

Die Rubrik Epistemologie ist sicherlich die abstrakteste und schwierigste, weil es darum geht, wie und was der Mensch einerseits, andererseits das Unternehmen von der Welt erkennen und wissen kann. Hierbei spielen die Instrumente und Medien der Erkenntnisgewinnung und deren Wahrheitsfähigkeit im Vordergrund. Die Teleologie hingegen zielt auf den letztgültigen Sinn, den Wert des Unternehmens für die Gesellschaft ab und erfragt nebenbei auch die Vorstellung möglicher Visionen und Werte.

Analyse

Die in der Anamnese gewonnenen Erkenntnisse mögen bereits wie eine Analyse anmuten, jedoch ist hier im zweiten Schritt eine tiefere, detailliertere Zergliederung der Ergebnisse unter dem Blickwinkel der bisherigen Verwirklichung und Umsetzung gemeint. Denn in der Praxis kommt es vielfach vor, dass die zuvor genannten Ideen – wie stringent diese in sich auch sein mögen – nicht adäquat umgesetzt werden, dass z.B. die Entscheidungen anstatt rational, wie angenommen, eben doch eher intuitiv getroffen werden oder die Geschäftsaktivitäten dem zuvor genannten Zeitverständnis der Langfristigkeit konträr laufen. Der Analyse-Schritt umfasst also nochmals einen genaueren Blick auf die realisierten Dimensionen der Umsetzung der in der Anamnese herausgearbeiteten „Theorie“ des Unternehmens und fokussiert auf mögliche Inkongruenzen.

Gründung

Im letzten Absatz wurde von der „Theorie“ des Unternehmens gesprochen. Die Anführungsstriche sind hierbei bedeutsam, da dies kennzeichnet, dass im Anamnese-Schritt zwar schon eine tiefgehende philosophische Idee bezüglich des Unternehmens expliziert wurde, dass die darin enthaltenen Inkonsistenzen, d.h. logischen Brüche und / oder Widersprüche aber noch nicht geglättet wurden. Diese Korrektur ist dem Gründungsschritt vorbehalten. 

In der Praxis der Erstellung der Unternehmensphilosophie wird es wohl aber eher so sein, dass bereits bei der Anamnese die Widersprüche und Inkonsistenzen oder gar Unvollständigkeiten zur Sprache kommen und durch sokratisches Nachfragen schon entsprechend korrigiert werden. Somit vermischt sich zumeist der Schritt der Gründung mit dem der Anamnese. Dennoch sollte nach der Analyse nochmals das Gesamtgebäude der Grundannahmen auf mögliche Fehler und Ungereimtheiten hin untersucht und entsprechend verbessert werden.

Gestaltung

Ist sozusagen aus der „Theorie“ eine Theorie geworden, so geht es in einem letzten Schritt natürlich noch um die strategische Umsetzung und Gestaltung der Ergebnisse. Geht man diesen Schritt tatsächlich erst zum Schluss des strategischen Gestaltungsprozesses der Kultur an, dann fällt er sogar erstaunlich leicht und ergibt sich quasi aus den vorherigen Schritten von selbst, da dabei meist schon viele Ideen zur Gestaltung aufgetaucht sind. Will man diesen Schritt jedoch aus Gründen des Tatendrangs, Pragmatismus oder der Ungeduld vor all die anderen Schritte setzen, so ist zwar unbestreitbar, dass etwas geschieht, aber die Ergebnisse dieses Geschehens sind meist nicht langfristig haltbar, nicht nachhaltig und oft genug nur halbfertig oder gar wirkungslos. 

Der Schritt der Gestaltung setzt nun also bei den drei Säulen der Corporate Identity, der Kommunikation, dem Verhalten und dem Design, an. Da es sich bei Corporate Philosophy aber um die Gestaltung der Unternehmenskultur handelt, kann es bei der jetzigen Ausformung der CI nicht um bloße Verordnungen oder Direktiven „von oben“ gehen. Vielmehr ist die Vermittlung der gewonnenen Unternehmensphilosophie in die Unternehmenskultur hinein höchste Aufgabe der Firmenleitung selbst und geschieht durch ein langfristig angelegtes, durch Vorleben geprägtes, alle Stakeholder bedenkendes und alle Mitarbeiter einbeziehendes Gestalten der Werte, der Vision und dann der Mission.


Der vorliegende Artikel fasst eine Monographie des Autors zusammen: 
Schreiber, Andreas (2012). Corporate Philosophy – Strategiewerkzeug zur Gestaltung der Unternehmenskultur. Hamburg: Dr. Kovač.

Literatur

  • Schreiber, Andreas (2012). Corporate Philosophy – Strategiewerkzeug zur Gestaltung der Unternehmenskultur. Hamburg: Dr. Kovač.
  • Sunzi (2006). Die Kunst des Krieges. Köln: Taschen.

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