Unternehmen bearbeiten immer mehr Aufgabenstellungen in Projekten, um schnell und flexibel auf Herausforderungen des Marktes reagieren zu können. Deshalb wird die Fähigkeit, Projekte richtig aufsetzen und abwickeln zu können, ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Die Praxis zeigt jedoch: In vielen Unternehmen divergieren bereits die Vorstellungen darüber, was überhaupt ein Projekt ist. So stellt man in Betrieben z.B. oft fest, dass jede Sonderaufgabe, die mehrere Mitarbeiter gemeinsam erfüllen, als Projekt bezeichnet wird – unabhängig von ihrer Komplexität und Relevanz für den Erfolg des Unternehmens.
Eine weitere Schwachstelle ist: In vielen Unternehmen fehlen geeignete Projektmanagement-Strukturen. D.h., es sind weder die notwendigen Rollen definiert, noch existieren die erforderlichen Gremien für ein funktionierendes Projektmanagement. Zudem existiert kein Projektmanagementhandbuch, in dem die Regelungen stehen, die im Unternehmen für das Planen und Durchführen von Projekten gelten.
Häufig sind auch die Projektleiter nicht ausreichend qualifiziert. Denn viele Unternehmen unterschätzen, wie hoch die fachlichen, persönlichen und kommunikativen Anforderungen an Projektleiter gerade bei bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden strategischen Projekten sind, mit denen auch der mittel- und langfristige Erfolg des Unternehmens gesichert werden soll. Bei diesen Projekten sind die Projektleiter meist "Projekt-Unternehmer" – so groß ist ihre Verantwortung.
Entsprechend wichtig ist es bei solchen Projekten, den Projektleiter und das Projektteam durch ein Projekt-Coaching zu unterstützen – speziell in Unternehmen, die noch wenig Erfahrung mit komplexen strategischen Projekten haben. Ein solches Projekt-Coaching muss zweierlei leisten:
Darüber hinaus dient das Projekt-Coaching auch dazu, bei den Projektbeteiligten die nötigen Kompetenzen und im Unternehmen die erforderlichen Strukturen aufzubauen, um künftig ähnlich komplexe Projekte ohne externe Unterstützung initiieren und kontrolliert abwickeln zu können.
Beim Projekt-Coaching werden Unternehmen stets als soziale, interagierende Systeme betrachtet. Das Projektumfeld und die Interaktionen im System Unternehmern werden also in die Überlegungen einbezogen. Entsprechend erfolgt die Auswahl der Interventionen. D.h., beim Planen des Vorgehens wird unter anderem berücksichtigt:
Dabei lässt der Projekt-Coach die Projektbeteiligten bewusst an seinem Fachwissen teilhaben – denn es geht auch darum, diese in Sachen Projektmanagement zu schulen. Der Projekt-Coach trägt jedoch stets nur die Verantwortung für den Beratungs- und Begleitprozess – nie für die inhaltlichen Ergebnisse der Projektarbeit. Hierfür zeichnen die Projektbeteiligten in ihren verschiedenen Rollen und Funktionen verantwortlich. Denn nur durch das gemeinsame Entwickeln von Lösungsansätzen entsteht bei ihnen das Commitment, das langfristig den Erfolg garantiert.
Auch das Projekt selbst wird beim systemischen Coaching als ein soziales (Sub-)System verstanden mit folgenden vier Grundpfeilern: Projektziele, Projektkultur, benötigte Skills und (Projekt-)Struktur. Zu welchen Interventionsmethoden beim Projekt-Coaching gegriffen wird, hängt davon ab, in welchen der vier genannten Bereiche ein Entwicklungsbedarf besteht. So können z.B. (Projektmanagement-)Trainings beim Coachen eine wichtige Rolle spielen, wenn Wissensdefizite bestehen. In anderen Projekten kann der Fokus auf Organisationsentwicklungs- oder Change Management-Maßnahmen liegen, wenn Defizite auf der Struktur- oder Kulturebene bestehen.
Organisationsentwicklungs-Methoden:
Diagnoseinstrumente und Analysetools für die Standortbestimmung und Situationsklärung
Einbindung der Stakeholder, also der Personen, die von der Veränderung betroffen sind, und Einbindung des Topmanagements
Kulturarbeit
Kommunikationsplanung
Reflexion der Zwischenergebnisse
Nachhaltigkeitssicherung
Trainings-Methoden:
Projektmanagement-Methoden (nach PMI® Standard):
Beispiele für Projekt-Coaching-Anliegen
Ein Projekt-Coaching startet stets mit einer Analyse der Ist-Situation. D.h., mit den relevanten Beteiligten (z.B. Projektleiter, Programm-Manager, Personalentwickler, Abteilungsleiter, erfahrene Projektteammitglieder) wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt und eine SWOT-Analyse erstellt. Dies kann durch Telefoninterviews geschehen, wenn der Zeitaufwand für die Beteiligten gering gehalten werden soll. In der Regel wird jedoch ein mehrstündiger Workshop durchgeführt. Dies hat den Vorteil, dass das Gemeinsamkeitsgefühl und somit das Commitment bereits in einer frühen Phase gestärkt werden.
Im nächsten Schritt werden die Ziele des Projekt-Coachings definiert. Dies geschieht mittels einer strukturierten Befragung der Key-Stakeholder, wie sie den Ideal- oder Wunschzustand beschreiben würden. Über einen Vergleich der Ergebnisse mit dem Ist-Zustand werden die Schwachstellen ermittelt, für die anschließend ein Interventionsdesign definiert wird. Das Definieren der Ziele und Maßnahmen muss im persönlichen Gespräch erfolgen, um Klarheit zu schaffen und unterschiedliche Erwartungshaltungen zu vermeiden. Auf Basis der definierten Maßnahmen erfolgt dann eine erste zeitliche Abschätzung des Aufwands. Außerdem werden Qualitätskriterien festgelegt und es wird der Kostenrahmen bestimmt. Ein Projekt-Coaching-Prozess kann zwischen einem Monat und einem Jahr dauern.
Nach Vertragsabschluss werden die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt. Der Projekt-Coach ist nun in regelmäßigen Abständen vor Ort beim Kunden, um Coaching-Gespräche zu führen, Sitzungen zu moderieren, Schulungen durchzuführen, Dokumentationsstrukturen anzulegen, Tools einzuführen und vieles mehr – abhängig davon, was die Situation beim Kunden erfordert.
Während der Durchführungsphase finden regelmäßig Review-Meetings mit den Auftraggebern des Projekt-Coachings statt. In ihnen wird überprüft, ob die Zwischenziele erreicht wurden und die Qualitätskriterien erfüllt sind. Gegebenenfalls werden Kurskorrekturen vorgenommen. Diese Review-Meetings werden von Anfang an in den Coaching-Prozess eingeplant.
Sind die Maßnahmen abgeschlossen, folgt die Evaluierungs- und Transferphase. Für den Transfer werden Vereinbarungen zur eigenständigen Umsetzung getroffen. Fortan ist es die Aufgabe der Zielorganisation, das Umsetzen der Vereinbarungen zu monitoren. Bei der Evaluation werden auch die Geschehnisse der letzten Wochen oder Monate reflektiert: "Was lief gut, was weniger gut?", "Was werden wir beim nächsten Projekt anders machen?". Gegenseitiges Feedback rundet das Projekt-Coaching ab. Nicht nur der Klient, also z.B. der Projektleiter, erhält ein Feedback, sondern auch der Projekt-Coach vom Klienten und Auftraggeber, so dass im Ziel- und im Coaching-System positive Veränderungen stattfinden können.
Wie das Interventionsdesign praktisch aussehen kann, sei am Beispiel eines Projekt-Coachings beschrieben, das bei einem mittelständischen Technologieunternehmen stattfand, mit dem Ziel, ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Produkts und dessen europaweiter Einführung zu initiieren.
Im ersten Schritt wurde besonderer Wert auf das Einbeziehen der Stakeholder in das Projekt gelegt. In einer Coaching-Sitzung mit dem Projektleiter wurde hierfür das Bewusstsein geschärft und es wurden die wichtigen Steps zur schrittweisen Einbindung festgelegt. Ein wesentliches Element zum Generieren des Stakeholder-Commitments war ein gemeinsamer Workshop zur Definition der Produktanforderungen. Dieser Workshop wurde vom Projekt-Coach moderiert, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Ein Ergebnis des Workshops war eine Liste von Produktanforderungen und deren Priorisierung. Beim Definieren der Anforderungen traten zwischen den Projektbeteiligten aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen in der Organisation (wie üblich) Zielkonflikte auf. Deshalb war es wichtig, dass der Projekt-Coach und der Projektleiter mit den verschiedenen Methoden zur Konfliktlösung beziehungsweise -moderation vertraut waren.
Nachdem die Anforderungen formuliert waren, ging es darum, diese so darzulegen, dass das Top-Management eine Go/No-go Entscheidung für das Produktentwicklungsprojekt treffen konnte. In einer Beratungseinheit wurde nun vom Projekt-Coach eine sinnvolle Dokumentationsstruktur vorgeschlagen. Als die Dokumentation (Projektantrag beziehungsweise Project Charter) vorlag, folgte ein Review durch die Stakeholder, ob in sie die vereinbarten Anforderungen adäquat eingeflossen sind. Das geschah erneut in einem Workshop, der auch das Ziel hatte, den Teamgeist zu stärken und das Commitment zu festigen.
Damit war der Projektantrag jedoch noch nicht vom Management freigegeben. Also trafen sich der Projektleiter und der Projekt-Coach erneut zu einer Coaching-Sitzung und überlegt gemeinsam, was für eine positive Managemententscheidung nötig ist. Bei diesem Treffen ging es außer um inhaltliche Aspekte auch um den Aufbau und die optische Darstellung der Präsentationsunterlagen. Bei der Präsentation selbst war der Coach nicht anwesend. Denn die Managementpräsentation ist ein Teil des Zielsystems und nicht des Coaching-Systems
Nachdem eine positive Managemententscheidung getroffen war, waren der Projektinitiierungsprozess und somit auch das Projekt-Coaching weitgehend beendet. Der Coach sowie der Projektleiter und der Auftraggeber trafen sich jedoch nochmals zu einem Abschlussgespräch, in dem sie sich wechselseitig Feedback gaben und gemeinsam den Initiierungsprozess und das Projekt-Coaching reflektierten. Hierauf aufbauend wurde ein Verfahren für das Initiieren von Projekten definiert, das als verbindlich für künftige Projekte erklärt wurde.
Durch ein systemisches Projekt-Coaching können auch in Unternehmen mit wenig Projekterfahrung komplexe Projekte auf die Erfolgsspur geführt werden. Zudem kann die Kompetenz in Sachen Projektmanagement bei den Projektbeteiligten erhöht werden.
Wie erfolgreich ein Projekt-Coaching verläuft, hängt stark davon ab, ob der Coach die richtige Balance zwischen Fachberatung und Prozessbegleitung findet. Er muss sich bei seiner Arbeit immer einen neutralen Blick bewahren und darf sich nicht in inhaltliche Projektfragen verwickeln lassen oder gar inhaltliche Verantwortung übernehmen. Durch Wertschätzung aller Projektbeteiligten muss er ihm gelingen, festgefahrene Muster in der Zusammenarbeit der Beteiligten zu erkennen und sie zu neuen Sicht- und Verhaltensweisen zu ermutigen.