Konzepte

Schmaler Grat – Klare Grenze

Können Coaching und Therapie zusammenwirken?

Coaching und Psychotherapie sind keinesfalls dasselbe. Zwischen beiden Professionen sollte eine klare Grenze gezogen werden, was bedeutet, dass Coachings nicht als Therapieersatz zu betrachten sind. Nicht ausgeschlossen sind jedoch Szenarien, in denen ein Coaching zeitversetzt auf eine Therapie aufbauen kann. Können sich Coaching und Therapie gar parallel zueinander ergänzen? Der vorliegende Beitrag schildert vier Praxisfälle, in denen das Thema „Coaching vs. Therapie“ eine Rolle spielte.

16 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2022 am 18.05.2022

Coaching dient der Bearbeitung individueller Themen, die häufig im beruflichen Kontext zu verorten sind. Durch ein Coaching wird der Klient beispielsweise animiert, eine Handlungsstrategie umzusetzen bzw. zu reflektieren – aus Eigeninitiative, Selbsterkenntnis oder Entwicklungsdrang. Wie Barczynski (2018) zusammenfasst, ist Coaching keine Therapie und somit zur Behandlung psychischer Probleme ungeeignet (siehe auch Rauen, 2014). Unter Bezugnahme auf den Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (siehe DBVC, 2022) verweist Barczynski (2018) darauf, dass Klienten im Coaching darin unterstützt werden, berufliche Herausforderungen eigenständig zu lösen, indem das Coaching u.a. die Fähigkeit der Selbstreflexion und -wahrnehmung aufseiten der Klienten fördert und die selbstgesteuerte Erweiterung ihrer Möglichkeiten stärkt.

Es ist klar zu betonen, dass die Ausübung therapeutischer Maßnahmen ausschließlich entsprechend approbierten Personen gestattet ist. So hält Meier (2015, S. 38) fest, dass „Psychotherapie […] grundsätzlich nur […] derjenige ausüben [darf], der eine Erlaubnis nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) erhalten hat. Als Ausübung der Psychotherapie im Sinne des Psychotherapeutengesetzes definiert § 1 Abs. 3 PsychThG jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren [vor]genommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist“.

Was unterscheidet die Psychotherapie vom Coaching? Nach Rauen (2014) ist die Psychotherapie in Abgrenzung zum Coaching, bei dem die berufliche Rolle des Klienten im Vordergrund steht, u.a. dadurch gekennzeichnet, dass sie die Bearbeitung tiefgehender privater und persönlicher (psychischer) Schwierigkeiten beinhaltet, dass dabei tiefgehende emotionale Probleme thematisiert werden und die Wiederherstellung der psychischen Gesundheit angestrebt wird. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind nach Rauen (ebd.) beispielsweise darin zu sehen, dass im Therapiekontext oftmals eine eingeschränkte Selbstmanagementfähigkeit des Begleiteten vorliegt und der Therapeut häufig die Verantwortung für Inhalt und Ablauf der Maßnahme übernimmt.

Praxisfälle

Die meisten Coaches haben Strategien entwickelt, um zu erkennen, ob sie mit einem Klienten im Coaching weiterkommen oder die Möglichkeit besteht, dass er in einer therapeutischen Behandlung besser aufgehoben wäre. Neben entsprechendem Fachwissen schaffen letztlich Erfahrungen das notwendige Feingefühl. Vier gesammelte Erfahrungswerte werden im vorliegenden Beitrag dargestellt. Geschildert werden Fälle, bei denen das Coaching für eine Therapie unterbrochen wurde, parallel eine Therapie stattgefunden hat oder das Coaching mit dem Verweis auf eine möglicherweise angebrachte Therapie beendet wurde. Anzumerken ist vorab, dass es einem Coach nicht zusteht, krankheitswerte Störungen zu diagnostizieren. Dies obliegt ausschließlich entsprechend approbierten Personen. Er kann dem jeweiligen Klienten lediglich empfehlen, sich zwecks Klärung des möglichen Therapiebedarfs an Fachpersonal zu wenden, und ihn – sofern dies gewünscht ist – bei der Kontaktanbahnung unterstützen.

CM+ Artikel

Weiterlesen mit dem Digital-Abonnement

  • Zugriff auf alle Inhalte des Coaching-Magazins
  • Exklusive Artikel, Praxisberichte & Tools
  • PDF-Download aller Ausgaben

Unser Anspruch – Ihre Unterstützung: Erfahren Sie mehr über die Philosophie des Coaching-Magazins.

Literatur

  • Barczynski, D. (2018). Training, Beratung, Supervision oder Coaching? Coaching-Magazin, 11(3), S. 9–11.
  • DBVC (2022). Definition Coaching. Abgerufen am 08.02.2022: www.dbvc.de/der-dbvc/definition-coaching
  • Meier, N. (2015). Ist Coaching Therapie? Coaching-Magazin, 8(2), S. 36–40.
  • Rauen, C. (2014). Coaching. Göttingen: Hogrefe.

Dieser Artikel gefällt Ihnen?

Dann unterstützen Sie unsere redaktionelle Arbeit durch den Abschluss eines Abonnements und ermöglichen Sie es uns, auch in Zukunft fundiert über das Thema Coaching informieren zu können.

Nach oben