Unter die vielen objektiv-kritischen Beiträge zum Thema Coaching mischen sich immer wieder auch Artikel, bei denen sich fachkundige Leserinnen und Leser fragen dürften: Weiß der Autor, was Coaching genau ist? Kennt er den Forschungsstand? War es überhaupt sein Anliegen, sich der Thematik konstruktiv zu nähern? Ein exemplarischer Blick in die mediale Berichterstattung.
Mitunter ist die Meinung stark, aber kaum mit Fakten oder wenigstens Beispielen unterfüttert. In Thorborg (2019) heißt es, „viele Coaches“ scheine ein grundsätzlicher „Drang zur Menschenverbesserung“ umzutreiben, der „wirklich übel“ sei. Seine Aussage begründet der Autor sodann mit weiteren subjektiven Eindrücken: „Oft wirkt es, als würden Arbeitnehmer als Opfer wahrgenommen, denen geholfen werden muss.“ Coaches sollten kritische Stimmen stets zum Anlass nehmen, sich in Selbstreflexion zu üben: bezüglich ihres Vorgehens im Coaching und ihrer Außendarstellung. Dennoch möchte man dem Autor spiegeln: Es scheint, als würden viele Coaches großen Wert auf Augenhöhe, Freiwilligkeit und Eigenverantwortung ihrer Klienten legen, denn dies sind Aspekte, die im Coaching-Fachdialog als unverzichtbare Bestandteile des „State of the Art“ gelten. Würde Letzteres wenigstens erwähnt, könnte man von Ausgewogenheit sprechen. Klienten erhielten zudem einen konstruktiven Hinweis, woran sie einen guten Coach erkennen.
Problematischer als die Schilderung subjektiver Empfindungen sind Tatsachenbehauptungen, die kaum haltbar sind oder zumindest stark relativiert werden müssen. Fatal ist dies, wenn wiederholt ein so wichtiger Aspekt wie die Wirksamkeitsforschung betroffen ist. Um nur ein Beispiel anzuführen: Im Beitrag „Warum Coaching oft nicht funktioniert“ (Ebert, 2018) wird sich mit der Aussage begnügt, „wissenschaftlich belastbare Belege für die Wirksamkeit einzelner Coaching-Konzepte oder des Coachings generell“ seien nicht vorhanden. Der aktuelle Forschungsstand zeichnet jedoch ein differenziertes Bild (Kotte et al., 2018).
Derzeit existieren fünf Metastudien, die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen zur Wirksamkeit von Coaching statistisch auswerten (De Meuse et al., 2009; Theeboom et al., 2014; Sonesh et al., 2015; Jones et al., 2015; Graßmann et al., 2019). Dr. Christopher Rauen, 1. Vorsitzender des Vorstands des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC), sieht die Wirksamkeit des Coachings durch die Ergebnisse der Metaanalysen bestätigt: „Es existieren auf Basis quantitativer Daten von tausenden analysierten Coachings belastbare Belege für die Wirkung von Coaching.“ Durch die Studien bewiesene Effekte seien etwa: eine verbesserte Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit, die Reduzierung von Stress, Burnout und Fehlzeiten, ein höherer Zielerreichungsgrad sowie eine höhere Arbeitszufriedenheit. Coaching wirke also, allerdings nicht zwangsläufig und nicht in jedem Fall, resümiert Rauen.
Theeboom et al. (2013) heben zudem hervor, dass vergleichsweise wenige Wirksamkeitsstudien existieren, die nicht ausschließlich auf Selbstauskünften von Klienten basieren. Ebenso mangele es an Längsschnittstudien. Dennoch steht für die Wissenschaftler fest: Coaching erzielt positive Effekte. Im Rahmen ihrer Studie konnten sie die größte Effektstärke hinsichtlich der Zielerreichung (goal-directed self-regulation) messen. Es folgen positive Wirkungen in Bezug auf Performance und Skills, Arbeitseinstellung, Wohlbefinden und das Entwickeln von Strategien zur Problembewältigung. Entsprechend müssten zunehmend die Wirkfaktorenforschung und die Coaching-Prozessforschung und damit die Frage, wodurch Coaching wirkt, an die Stelle der Frage treten, ob Coaching wirkt. Dies geschieht auch bereits. Beispiele dafür liefern Lindart (2015) und Wegener (2019).
In Bezug auf die Wirksamkeit von Coaching ein möglichst objektives Bild zu vermitteln, ist im Interesse aller Beteiligten: Klienten, Unternehmen, Personalverantwortliche etc. Auch Coaches sollten sich intensiv mit dem Forschungsstand beschäftigen, um im Kontakt mit Medien oder Unternehmen fundiert argumentieren zu können. Gleichzeitig liegt es in ihrer Verantwortung, weitere Forschung zu unterstützen.
Trainings- und Beratungselemente können mit einem Coaching kombiniert werden. Dass es dieser Umstand ist, den Autoren ihrer Leserschaft mit auf den Weg geben möchten, wenn sie die Begriffe synonym verwenden oder schlicht durcheinanderwürfeln, darf jedoch bezweifelt werden. Formulierungen wie diese sind symptomatisch: „Denn schon nach wenigen Stunden führt so ein Training dazu, dass gecoachte Männer und Frauen an Ähnlichkeit mit sich selbst verlieren.“ (Voigt, 2019) Mag die Formulierung aus einer Glosse stammen und mag die synonyme Verwendung inhaltlich nicht deckungsgleicher Begriffe mitunter auch Gründen der Textästhetik geschuldet sein („im Coaching gecoacht“ würde ja nicht eloquent klingen), so lässt sie dennoch notwendige Sensibilität für einen fachlich korrekten Umgang mit den Begriffen vermissen.
Fehlende Trennschärfe tritt auch subtiler zutage. Etwa dann, wenn in Thorborg (2019) hinterfragt wird, woher all diese Coaches „die Kenntnisse nehmen, anderen zu erklären, wie es im gehobenen Management zugeht“. Feldkompetenz wird von manchen Coaches als wichtig empfunden – z.B. mit Blick auf die Fähigkeit, im Arbeitskontext der Klienten Akzeptanz zu erlangen. Oder wenn es darum geht, deren Anliegen zu verstehen bzw. externe Sichtweisen als (Reflexions-)Angebote einzubringen. Andere betonen, der Coach als Gestalter eines reflexiven Prozesses müsse grundsätzlich kein Experte für die Themen seiner Klienten sein. Eines ist Business-Coaching aber – anders als hier suggeriert wird – per Definition nicht: Wissensvermittlung im Sinne eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses. Noch immer berichten Coaches, sie müssten zuweilen Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Frage leisten, was Coaching im Kern ist. Formulierungen wie die zitierte werden ihnen dabei nicht helfen.