Die Coaching-Branche ist bekanntermaßen nicht gerade arm an kreativen Einfällen, wenn es darum geht, sich immer wieder aufs Neue Methoden auszudenken, die man suggestiblen Kunden zur Lösung jedweden Problems anbieten kann. Die Legitimation der diversen Ansätze ergibt sich für ihre Anhänger allein aus der Tatsache, dass mehr als zwei Leute ganz fest daran glauben und man vielleicht sogar schon eine Handvoll Kunden erfolgreich unterhalten hat. Wenn diese Kunden sich nach stundenlanger Indoktrination dann auch noch der Illusion hingeben, ihre Lebenszeit sinnvoll genutzt zu haben, erscheint das gesamte Gedankengebäude als Ausdruck unerschütterlicher Wahrheit.
Zu den skurrilsten Methoden, die in den letzten Jahren entstanden sind, gehört pferdegestütztes Coaching. Dahinter stecken verschiedene Coaching-Maßnahmen, denen eines gemein ist: Im Zentrum steht ein Pferd als Co-Trainer oder -Coach. Durch die Interaktion mit dem für viele Ratsuchende weitgehend unbekannten Wesen sollen sie in ihrem Selbstbild derart tiefgehend verändert werden, dass sie von Stund an im Berufsleben optimiert auftreten.
Bislang wird pferdegestütztes Coaching vor allem als Methode zur Verbesserung der Führungskompetenz angepriesen. Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis man sich erfolgreich auch ein großes Kundensegment jenseits der Führungskräfte erschließt.
Folgt man der einschlägigen Fachliteratur, so kann der gemeine Homo Sapiens durch die Begegnung mit dem Pferd schließlich alle „seine Sinne schärfen“ (Hendrich, 2008) und „Achtsamkeit“, „Ehrlichkeit“, ja sogar „Menschlichkeit“ (!) lernen (Meyer, 2009).
Im Segment der Führungskräfte ist die „Logik“ des Ansatzes schnell auf den Punkt gebracht: „Wer Pferde führen kann, kann Menschen führen“ (Osterhammel, 2006; 83). Geradezu prototypisch beschreibt dieser Satz die Argumentationsprinzipien, die sich in vielen esoterischen Schulen finden lassen.
An die Stelle der empirischen Evidenz treten Metaphern und Wortassoziationen. Führung im Kontext A ist demnach dasselbe wie Führung im Kontext B, denn schließlich handelt es sich ja auch um dasselbe Wort. Ebenso gut könnte man fast behaupten, Postboten seien gewalttätig, da sie jeden Tag unzählige Schläge austeilen – genauer gesagt (Briefum-)Schläge.
Die Aufgaben, welche die Kunden im Zuge des Coachings bewältigen müssen, sind vergleichsweise einfach:
Doch zurück zum klassischen Führungs-Coaching. Warum sollen Führungskräfte durch das Lenken von Pferden etwas darüber lernen, wie man Menschen führt? Folgt man den Thesen der Anbieter, so handelt es sich bei Pferden um äußerst sensible Wesen, die auf kleinste körpersprachliche Äußerungen ihrer „Führungskraft“ reagieren. In diesem Punkt sollen sie den menschlichen Mitarbeitern haushoch überlegen sein.
Da man fest daran glaubt, dass sich in der Körpersprache eines Menschen sein Unterbewusstsein spiegelt, haben die Pferde einen direkten Zugang zu den geheimsten Geheimnissen des Individuums. Ihre tierische Interpretation der menschlichen Körpersprache spiegeln sie dem Menschen anschließend eins zu eins in ihrem eigenen Verhalten. Dabei nehmen sie im Gegensatz zu den realen Mitarbeitern keine Rücksicht auf den Status der Führungskraft und betreiben keinerlei Selbstdarstellung.
Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben bekommt der Klient so ein unverfälschtes aber gleichwohl „wertschätzendes“ (!) Feedback, das ihn dazu anregt, grundlegend über sich nachzudenken. Das Nachdenken – sowie sein veränderter Umgang mit dem Pferd im Laufe des Coachings – führt in letzter Konsequenz wiederum zu einer positiven Verhaltensänderung im Führungsalltag. – Soweit die „Theorie“.
Es bedarf keiner großen Anstrengung, um dieses Gedankengebäude zum Einsturz zu bringen:
Alles in allem bleibt vom pferdegestützten Coaching mithin nicht viel mehr übrig als ein weiterer kreativer Versuch, Stroh zu Gold zu spinnen.
Vor einigen Jahren erzählte mir eine Personalentwicklerin, die für ein großes deutsches Unternehmen auf der Suche nach Weiterbildungsangeboten für ihre Top-Führungskräfte war, dass es gar nicht darum ginge, eine Maßnahme zu buchen, bei der die alten Herren etwas lernen könnten. Es käme einzig und allein darauf an, dass sie sich gut unterhalten fühlten. Wenn man, wie diese bedauernswerte Kollegin, nur die Managerbespaßung im Blick hat, ist pferdegestütztes Coaching eine hervorragende Wahl.
Alternativ würden sich ein Outdoor-Training, eine Organisationsaufstellung nach Hellinger oder ein Schamanen-Coaching anbieten. In allen übrigen Fällen sollte man um solche Methoden lieber einen großen Bogen machen.