Im Laufe ihrer Praxis begegnen Coaches immer wieder Personen, die sich in unterschiedlichen herausfordernden Lebens- und Berufssituationen befinden, einem Coaching aber skeptisch gegenüberstehen. Wenn man diese Personen näher befragt, ob sie denn schon einmal Coaching in Anspruch genommen haben, dann finden sich durchaus Antworten darunter, die auf eine negative Erfahrung rückschließen lassen. Oft ist es nämlich eine abwehrende, um nicht zu sagen, eine abwertende Geste, die zu beobachten ist. Es heißt dann resümierend, das Coaching habe überhaupt nichts gebracht. Wenn der Klient also eine schlechte Coaching-Erfahrung macht oder gemacht hat, dann hat das fatale Folgen für den Ruf und die Beratungsform Coaching. Es zerstört das Gewerbe. Der Grund dafür liegt oftmals hauptsächlich in der nicht geklärten Auftragserteilung zum Coaching.
Wie kann es dazu kommen, dass der Coach den Auftrag zum vorliegenden Coaching-Thema nicht einholt? Die Gründe, dieses fundamentale Coaching-Element außer Acht zu lassen, können unterschiedlicher Natur sein.
Wenn der Klient ein Coaching nicht freiwillig in Anspruch nimmt, sondern vom Vorgesetzten dazu aufgefordert wurde, agiert der Coach auf dem Sektor des Personal-Coachings. Den Auftrag zum Coaching hat der Coach vorab schon von höherer Instanz erhalten. Hier wird der Coach sogar dazu missbraucht, die Interessen Dritter zu verfolgen. Dies gilt vor allem dann, wenn Inhalte und Ziele des Coachings bereits vordefiniert sind. Von Coaching als Instrument für ressourcen- und lösungsorientierte Prozessberatung kann dann keine Rede mehr sein. Trotzdem muss sich der Coach, sollte er sich dennoch auf diese Art von Personal-Coaching einlassen, auch hier um eine klare Auftragsklärung bemühen. Coach und Klient müssen beide wissen, was das Ziel sein soll und wofür der Coach beauftragt wurde. Es liegt beim Coach, die Karten auf den Tisch zu legen.
Der Klient muss seinem Coach vertrauen können. D.h., der Coach sichert ihm seine berufsbedingte Schweigepflicht zu. Ebenso ist es wichtig, dass der Klient die Fähigkeit und Fachkenntnisse seines Coachs anerkennt und sie ihm zutraut. Es liegt am Coach, jegliche Skepsis zu zerstreuen. Er ist es, der eine positive Beziehung aufbauen und den Klienten von sich überzeugen muss. Wenn aus irgendeinem Grund Skepsis aufkommt und vom Klienten kein Coaching-Auftrag bestätigt wird, müsste der Coach abbrechen und das Coaching keinesfalls stattfinden lassen.
Wenn schon am Anfang des Kennenlernens klar wird, dass durch den ersten Eindruck die Chemie zwischen Coach und Klient nicht passt, sind zu viele Irritationen, Verbiegungen und Kraftaufwendungen zu erwarten, die das Coaching erschweren. In solchen Fällen wird es der Coach nicht schaffen, den (expliziten) Auftrag zum Coaching zu bekommen.
Der Coach weiß schon zu viel über den Klienten. Entweder bestehen ein persönliches Naheverhältnis, soziale Verflechtungen, gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit oder er besitzt allgemeine Vorinformationen und Meinungen von Dritten. Dazu zählen auch Gerüchte und Vorurteile. Ebenso fallen hier persönliche Schwierigkeiten mit dem Thema des Klienten hinein. Diese sind gegeben, wenn der Coach die Probleme des Klienten auf sich bezieht und mit Interpretationen vermischt. Dann ist ein Rapport mit dem Klienten auf professioneller Basis zum Scheitern verurteilt, weil er ihn nicht so annehmen kann, wie er es verdient: wertschätzend und wertfrei von seinem Coach behandelt zu werden.
Wenn also die Eckpfeiler und Grundvoraussetzungen für das Coaching nicht gegeben sind, dann ist es unverantwortlich, sich mit dem Coaching-Auftrag zu befassen. Das Coaching kann nicht zielführend und für den Klienten positiv abgehalten werden. Dann heißt es „lass die Finger davon“, auch weil es die eigene Reputation sowie die des Berufstands ruiniert.
Um sich als Coach vor dem Wegtreiben zu sichern, braucht er einen Anker. Diesen wirft er aus, indem er die Klärung des Auftrags zum Coaching einholt. Die Auftragsklärung zum Coaching findet erfahrungsgemäß im ersten Viertel der Coaching-Einheit statt. Nach der Aufwärmphase, in der der Coach Rahmenbedingungen festlegt und der Klient sich akklimatisiert und seine Gedanken verbalisiert, folgt die Frage nach der Frage. So wird das Ziel des Coachings festgemacht.
Bei Bedarf muss der Coach so viele Verständnisfragen (z.B.: „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht es darum, Sie dabei zu unterstützen …“) stellen und so lange fragen, bis ein klares Einverständnis, Nicken, Bejahen vom Klienten kommt. Er muss sicherstellen, dass es sich jetzt genau um dieses Thema handelt, das heute angeschaut werden soll. Metaphorisch vergleichbar wäre dieser Prozessablauf mit dem Aufsuchen eines Friseursalons. Zu Beginn äußert der Kunde den Wunsch nach einem „neuen Look“. Das sagt aber noch gar nichts über Ziel und Zweck der Veränderung aus. Hier kommen so viele Fragen wie benötigt ins Spiel, bis der Friseur (Coach) seinen Auftrag klar versteht. Was ist der Anlass für den neuen Look? Was umfasst der neue Look – Haare und Farbe? Gibt es schon konkrete Vorstellungen?
Übersetzt ins Coaching heißt das, so lange Fragen zu stellen, bis feststeht, worum es dem Klienten geht, um mit der Frage zur Auftragsklärung abzuschließen: „Darf ich Sie zu diesem Thema mit diesem Ziel coachen?“ Wenn vom Klienten eine Auftragsbestätigung ausgesprochen wird – also der Anker festgemacht wurde –, dann ist es für den Coach ein Leichtes, immer wieder zum eigentlichen Auftrag zurückzukommen. Der Klient trägt in diesem Moment und für die verbleibende Sitzung die Verantwortung für den Inhalt.
Ein weiterer ausschlaggebender Einfluss auf das Übergehen der Auftragseinholung zum Coaching ist die Tatsache, dass der Coach seine Rolle als Prozessbegleiter vergisst und die Führung übernimmt. Er formuliert den Auftrag und reißt das Thema an sich, in der Meinung, genau zu wissen, was der Klient braucht. Oft – vielleicht gar nicht böswillig – drängt der Coach seine Expertise auf und stülpt dem Klienten eine Universallösung über. Das wäre dann als Ratschlag zu verstehen, der in einer Beratung Platz hat, aber nicht im Coaching. Denn Coaching ist Beratung ohne Ratschlag. Im Beispiel des Friseursalons kann es vorkommen, dass der Friseur vorschnell zu Trends rät und dem Kunden seinen eigenen Stil aufzwingt. Der Wunsch des Klienten wird übergangen. Die Pflicht, für ein Gesprächsklima auf Augenhöhe zu sorgen, wird missachtet. Es darf hier sogar schon von Manipulation gesprochen werden. Der Coach ist ebenso dazu angehalten, während des Prozesses Ordnung herzustellen und den Klienten in seine Ressourcen zu bringen. Denn schlussendlich ist der Klient einzig und allein für den Inhalt verantwortlich, weil nur er Experte seines Themas sein kann.
Coaches sollten die Auftragsklärung im Schlaf beherrschen. Eine missglückte Coaching-Erfahrung für den Klienten lässt sich vermeiden, indem schon zu Beginn ganz klar vom Coach danach gefragt wird, mit welchem Ziel oder Wunsch der Klient aus der Coaching-Session gehen möchte. Hier wird der Auftrag formuliert und festgehalten. Er dient als Anker und kann immer wieder herangezogen werden – wie ein Kontrolleur, der beide (Coach und Klient) vor dem Abdriften bewahrt. Die Auftrags- und Vertragsgestaltung machen in einer renommierten und seriösen Coaching-Ausbildung auch ein wesentliches Kapitel aus. Theorie und Praxis werden bis zum Exzess gelehrt, verinnerlicht und geübt.