Die jüngsten Wirtschaftsskandale in der Automobilindustrie zeigten wieder einmal, wie Topmanager durch Nichtregistrieren, durch mangelnden Überblick und durch fehlende Kulturüberzeugung Unternehmen an den Rand der Existenz bringen. Im ersten Teil dieses Beitrages wurde herausgearbeitet, dass Coaches in der Pflicht zur Einflussnahme im Rahmen der Ethik ihrer Profession stehen. Verstehen sich Business-Coaches als Dienstleister, die sich ausschließlich dem Kundenwunsch verpflichtet sehen, stehlen sie sich aus ihrer Verantwortung. Im Folgenden soll nun das Verständnis von Coaching als personale Dienstleistung zur Debatte gestellt werden.
Die Professionsauffassung und die Ethikrichtlinien – etwa des Deutschen Bundesverbands Coaching e.V. (DBVC, 2012) – sind formuliert. Leider schaut man da – hier nimmt sich der Autor gar nicht aus – viel zu selten rein. Die Profession „Coach“ hat danach klare ethische Maximen, die auch hinsichtlich der Erwartungen an den Klienten Gültigkeit besitzen. Der Coach hat Verantwortung. Schaut man genauer hin, wird in den Ethikrichtlinien des DBVC die dialogische Haltung besonders betont. Diese wird auf Buber (1964) bezogen. Bubers Ansatz ist noch sehr stark auf die personale Beziehung zweier Personen bezogen. Das Dialogische darf sich aber, wie in Teil 1 dieses Artikels bereits dargestellt wurde, nicht nur auf Coach und Klient beziehen, sondern das Dialogische muss vom Coach in die Organisation hinein betrachtet werden (Mohr, 2017; Höher, 2017). In Organisationen ist Bubers Ich-Du-Beziehung immer auch mit einer Ich-Es-Beziehung verbunden. Organisationen sind Gemeinschaften von Menschen und vor allem durch Ziele definiert. Coaches haben es in der Regel mit mehr als einer dyadischen Beziehung, nämlich mit einer komplexen Systembeziehung zu tun.
Dies führt weiter zur Unternehmensethik. Dabei erfährt gerade heute das Modell der Organisation in der Unternehmenspraxis interessante Veränderungen. Das, was seit Menschengedenken in Organisationen von allen akzeptiert wird, dass Organisationen hierarchisch strukturiert sind, steht mittlerweile stark infrage (Laloux, 2015; Robertson, 2016). Die Hierarchie, die aus der militärischen Tradition stammt, ist in den mentalen Modellen der meisten Menschen, die mit Unternehmen zu tun haben, immer noch verbreitet („Da muss doch einer sein, der das Sagen hat.“).
Die Effizienz des Hierarchiemodells wird aber mittlerweile sehr kritisch hinterfragt. In diesem Zusammenhang sind auch alte paternalistisch anmutende Konzepte wie die des „ehrbaren Kaufmanns“, an die man manchmal in sentimentaler Weise anknüpfen möchte, noch einmal in ihrem genauen Gehalt zu überprüfen. Wirtschaft und Unternehmen scheinen in eine neue Phase zu kommen und da passiert im Augenblick ungeheuer viel. Gerade in den Bereichen, die am stärksten durch die heutigen VUCA-Bedingungen (Volatilität, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) gekennzeichnet sind, die führenden Unternehmen der IT-Industrie, kommt es zu interessanten Veränderungen. Bei Apple, Google, Amazon, Zappos etc. gilt Hierarchie als zu langsam. Hierarchie als traditionelles Denkkonzept wird zunehmend infrage gestellt.
Die klassischen Industrien hingegen sind immer noch durch hierarchische Unternehmenskulturmuster charakterisiert. Dies ist im Kontext der Unternehmensethik relevant, denn: Vielfach liegt die Wurzel des unethischen Verhaltens im Zusammenwirken von hierarchischen Mustern und „ökonomischen Entgleisungen“ begründet. Die Vergütungsmuster stabilisieren die Hierarchie immer noch in ungeheurer Form und seit dem Sprung der Managergehälter in den 1990er Jahren noch stärker (Piketty, 2016). Wenn der Vorstand das Hundertfache und mehr des Gehaltes eines einfachen Mitarbeiters erhält, dann reißt das Organisationen psychologisch auseinander. Es ist auch ökonomisch eine Entgleisung, weil es nicht durch etwa entsprechend höhere Grenzproduktivität gerechtfertigt ist. Eher scheint es eine bestimmte Form von Kartellergebnis zu sein. Wenn man es dann eine Zeitlang in einem DAX-Vorstand ausgehalten hat, hat man ausgesorgt. Dies hat auch Folgen für die Kommunikationskultur in diesen Gremien. Ein psychologischer Vertrag aller Beteiligten, der auch das Gemeinwohl, gesellschaftliche Spielregeln und offenen Diskurs beinhaltet, ist in solchen Kontexten ein reines Lippenbekenntnis.
Diese Kontextvariablen sowie die Abhängigkeiten und Ausblendungen, die daraus entstehen, haben Einfluss auf Coachings. Es gilt, dies zumindest in der Coaching-Branche und vielleicht auch im Coaching selber zu thematisieren. Ein Coach muss nicht notwendigerweise kapitalismuskritisch sein, er sollte mit dieser Wirtschaftsform vertraut sein, aber auch die Voraussetzungen ihres guten Funktionierens kennen. Und dazu gehört ein fairer psychologischer Vertrag.
All das hat Konsequenzen. Eine dem Menschen angemessene Denk- und Handlungsweise in Unternehmen und ein erfolgreiches Arbeiten von Unternehmen kann nur im Rahmen einer guten, in der heutigen demokratischen Gesellschaft verwurzelten Wirtschaftsethik geschehen, die sich auch aus der Menschenwürde heraus erklärt. Ein Coach hat – im Rahmen seiner Möglichkeiten – hierauf hinzuwirken. Insofern ist die Verbindung von personaler Beratung mit Unternehmensethik für das System, dem der Coach begegnet und für das er arbeitet, sehr entscheidend.
Was lässt sich also – mit Blick auf beide Teile dieses Beitrages – zusammenfassend festhalten:
Selbst auf die Gefahr hin, etwas moralisch zu sein: Die Coaching-Szene hat hier einiges zu diskutieren. Coaches haben Einfluss darauf, welche Themen in Unternehmen besprochen werden. In Extremfällen, in denen dies notwendig ist, sollten sie ihren Einfluss auch durch konsequentes, vielleicht sogar kompromissloses Handeln geltend machen. Beispielsweise hat mich einmal ein Kollege zu einem Zeitpunkt, als ich selbst noch Interner war, dadurch sehr positiv beeindruckt, dass er einen sehr lukrativen Auftrag wegen Ungereimtheiten in ethischen Fragestellungen nicht annahm. Coaching steht in der Verantwortung – als eigenständige Profession.